Kitabı oku: «Nur einmal», sayfa 2

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Wie sagt man

Als sie in die Sommerferien aufbrach, war ihr Haar so kurz, dass ihr Vater sich nicht von ihr verabschiedete. Er ertrug ihren Anblick nicht. Es war so kurz, dass Glätten zwecklos war, also lag es kraus um ihren Kopf und ließ sie, wie ihr Vater es ausdrückte, »wie alle farbigen Mädchen« aussehen.

Sie fuhr nach Maine, in die Summer School, um sechs Wochen lang nur Französisch zu sprechen. Den ganzen Weg von New Jersey. Weinend. Entmutigt durch die strengen Blicke ihres Vaters. Die grauen Augen voller Abscheu darüber, dass seine Tochter so farbig aussah, dass sie sich dessen entledigt hatte, was sie von den anderen unterschied, dass sie mit dieser Frisur nach Maine fuhr, obwohl sie dort bestimmt die Einzige oder fast die Einzige sein würde, und warum musste sie, wenn sie schon die Einzige oder fast die Einzige war, so farbig aussehen, aussehen wie »alle farbigen Mädchen«?

Als sie ins Anmeldebüro ging, verbarg sie ihre Haare unter einem Tuch und sah niemanden an (was ihrem Vater noch peinlicher gewesen wäre, denn er hatte sie immer ermahnt, sich aufrecht zu halten, nicht ängstlich zu sein, sondern den Leuten direkt in die Augen zu sehen). Aber ohne ihre Haare fühlte sie sich unsicher und hässlich. Und natürlich sehr farbig.

Aber seine Augenbrauen fielen ihr trotzdem auf, und immer wenn sie an diese erste Begegnung zurückdachte, sah sie ihr braunes Gesicht mit dem grünweißen Tuch und seine dicken, buschigen Brauen, die sie anlachten. Die dicksten, die buschigsten Brauen überhaupt!! Und darunter die Augen mit kühlem, festem Blick. Sie gaben sich die Hand … »Professeur …« »Mademoiselle«

Sie ging zurück in ihr Zimmer, wusch und kämmte sich die Haare und ließ das Tuch weg. Dann zog sie sich an und ging zum Essen.

Er machte gerade den Salat an. Professeur … mit den buschigen Brauen. »Bonsoir, mademoiselle.« Die Stimme nicht heiter, aber erfreut, dazu der klare, feste Blick und ein grimmiges Lächeln, fast so, als hätte ihm die Schwere seiner Brauen einen finsteren Zug ins Gesicht gemeißelt, was ihm etwas Ernstes, aber auch etwas Albernes verlieh. »Et vous, mademoiselle … d’où venez-vous?«

Nach dem Essen stand er auf dem Rasen … entre les professeurs … und sah sie vorbeigehen. Er beobachtete sie. Sie wusste, dass sie beobachtet wurde. Es war, als wären sie durch einen Draht verbunden.

Dienstags und donnerstags besuchte sie um elf seinen Kurs in civilisation française. Montags und mittwochs überschnitt sich ihr Weg zu ihrem Neun-Uhr-Seminar mit seiner Ankunft auf dem Campus. Er fuhr vorbei, während sie über den Rasen ging … beide achteten darauf, pünktlich zu dieser Begegnung zu erscheinen. Wobei sie nie lächelten oder grüßten. Sie sahen sich nur an. Zeigten einander, dass sie es eingerichtet hatten, pünktlich zu sein.

Dann trafen sie sich eines Abends zufällig in der einzigen Bar im Ort. »Bonjour, mademoiselleque vous êtes élégante ce soirJe peux vous offrir à boire?« Er lud sie auf ein Getränk ein. Er redete. Ihr Französisch entglitt ihr; sie spürte, wie die Wörter auf ihrer Zunge austrockneten und verkümmerten. Er redete. »Vous savez que vous avez de très jolis yeux?« Sie versuchte, Wort für Wort zu übersetzen … Sie wissen, dass Sie haben sehr schöne Augen? … zu wörtlich … Sie haben schöne Augen, wissen Sie das? Er redete. Sie sah, wie seine buschigen Brauen sich berührten und lächelten, und darüber musste sie lachen. »Après cet été je compte aller vivre à Paris!«, sprudelte es aus ihr hervor. Die Wörter kamen einzeln. Nach … dem … Sommer … beabsichtige (hoffe? gedenke?) … ich … in … Paris … zu … leben!! Sie redete weiter … »Il me plaît beaucoup de passer l’été ici.« Es … gefällt … mir … sehr … den … Sommer … hier … zu … verbringen … Sie war sehr zufrieden mit sich. Er war sehr zufrieden mit ihr. Beide waren sehr zufrieden miteinander.

Sie machten einen Ausflug mit dem Wagen. Er redete. »Vous connaissez le Maine, mademoiselle? C’est un très joli pays. Cela fait quarante-cinq ans que j’habite ici … Vous n’étiez même pas née quand je suis arrivé ici comme professeur …« Sie hörte zu, nahm sich die Sätze einzeln vor und übersetzte jeden Wort für Wort. Kennen Sie das Maine (darüber musste sie lachen), Miss? Das ist ein sehr schönes Land. Es sind fünfundvierzig Jahre, die ich jetzt hier bin. Sie waren nicht einmal geboren, als ich kam hierher als Professor … (Na, so was, dann ist er mindestens fünfundsechzig … na, so was! …) Sie wollte ihm sagen, dass er schöne Augenbrauen hatte. »Comment dit-on ›Augenbrauen‹ en français?« Sie wollte ihm sagen, wie dick und buschig und wundervoll sie waren! »Comment dit-on ›buschig‹ en français?« Unfassbar, er hatte schon hier gelebt, als sie noch gar nicht auf der Welt war. Und dann sprudelt es aus ihr hervor: »Qu’ils sont extraordinaires, vos sourcils! Je les adore!« Beide müssen darüber lachen, in dem dunklen, leisen Wagen auf der Fahrt zum Meer … Comment dit-on … wie sagt man. Sie konnte albern sein, wenn ihr danach war, und er ließ sie. Seine Brauen zogen sich dick und pelzig zusammen, sein fester, klarer Blick verweilte auf ihr, und er lächelte sein grimmiges Lächeln. Comment dit-on … wie sagt man … Sie haben ein grimmiges Lächeln, monsieur le professeur, und ich habe mich in Ihr grimmiges Lächeln verliebt … es geht mir durch und durch, wie eine Stoßwelle. Eigentlich sollten wir in diesem dunklen, leisen Wagen auf der Fahrt zum Meer leise sein und schweigen, wir befinden uns in einer unvorstellbaren, skandalösen Situation … wir sollten leise sein … und schweigen … denn all das ist unvorstellbar skandalös. Er redet … »Le malheur dans cette région, c’est que les hivers sont trop longs et l’océan trop froid …« Das ist das Unglück … (zu wörtlich) … Das ist das Traurige an dieser Gegend, die Winter sind zu lang und das Meer ist zu kalt … Sie kichert. »Comme c’est vrai, monsieur«, sprudelt es aus ihr hervor. »Vous dites la vérité, monsieur.« Sie kichert wieder … Wie wahr, Mister … Sie sagen die Wahrheit!! Sie sind allein am Strand. Er kniet vor ihr. Ihre Fingernägel bohren sich in seine Haut. Er lächelt, als er ihr die Abdrücke zeigt. Das ist ihr erstes Geheimnis. »Vous aimez vous baigner, ma petite?«»Oui, monsieur, oui, oui, oui … j’aime bien me baigner!« … ja, ja, ich mag es, mich zu baden … (zu wörtlich) … ich bade mich gerne … (zu wörtlich) … ich … baden Sie sich gerne, mein Kleiner?

Das ist zu skandalös, zu unvorstellbar, mein Kleiner. Und sie wird die ganze Zeit lachen und ihr kurzes, ihr unvorstellbar kurzes, skandalöses Haar schütteln und sich dem großen herrlichen Erwachen hingeben, das er ihr schenkt … »Comment dit-on … wie sagt man … danke …«

Nur einmal

Um einen fehlerlosen Sprung hinzulegen, musste er den Tunnel hinunterrutschen und unten rasch auf die Beine kommen, sonst würde er auf der Stromschiene landen.

Er schaute sie an. »Glaubst du, ich schaffe das?« Er grinste. Als könnte er über das Leben gebieten. Mit seinen lachenden Augen. Zu allem bereit. Und seinem goldenen Körper. Zu allem bereit.

Sie wollte ihm nicht zusehen. Nicht jetzt und auch bei keiner anderen Gelegenheit.

Einmal gingen sie über die Brooklyn Bridge, als er plötzlich das Geländer erklomm. Im nächsten Moment spazierte er oben entlang. Sie dachte bei sich: »Das geht dich nichts an, geh einfach weiter.« Und das tat sie.

»Hier oben ist es irre, Baby«, rief er, »selbst wenn ich runterfalle, es ist richtig irre!«

So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer. Nur einmal.

Er lehnte an einem Pfeiler und rauchte eine Lucky Strike. Sie kamen ins Gespräch. Er fand, dass sie komisch aussah beim Tanzen. »Du gibst ein lächerliches Bild ab«, sagte er. »Wie kommst du eigentlich darauf, dass du tanzen kannst?« Er nahm sie bei der Hand, und sie gingen in den Park.

»Glaubst du, du kannst von dem großen Stein da springen?« Er grinste.

Sie sah ihn nur an.

»Na los, ich fange dich auf, wenn du verkehrt springst.«

Sie kletterte hinauf. Sprang. Er schaute zu und ließ sie fallen. Die Landung war gut, auch wenn ihr Knöchel ein bisschen wehtat.

»Das war wunderbar.« Er grinste. »Du hättest dir den Knöchel brechen können.«

Sie war unglaublich stolz.

»Wir suchen noch einen Stein. Ich fange dich auf, wenn du verkehrt springst«, sagte er und umarmte sie.

So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer. Nur einmal.

Er fuhr mit ihr zu ihren Eltern nach New Jersey, wo sie ihm im Garten die Rosen ihres Vaters zeigte … ihm ihre Kindheit zeigte und alles, was pikste und wehtat und schwer zu verzeihen war. Er betrachtete das Haus, den Garten und die Familie … Und sie hatte das Gefühl, dass sich alles veränderte. Verziehen war.

Das zweite Mal hatte er sie gerade noch aufgefangen, bevor sie sich den Knöchel brach. »Das wäre fast daneben gegangen. Du bist verkehrt gesprungen.« Er grinste. Ungeheuer zufrieden, dass er sie gerade noch aufgefangen hatte. Ungeheuer zufrieden.

»Großer Gott, das ist ja unglaublich!«, rief er. Und als sie sich umdrehte, war sein Gesicht fast hinter den üppigen lila Blüten der Glyzinie verschwunden. »Großer Gott, was für ein Wahnsinnsgeruch«, rief er. Der Duft überwältigte ihn und ließ ihn heftig erschauern. »Großer Gott«, rief er außer sich vor Glück.

»Glaubst du, ich schaffe das?« Er grinste. Als könnte er über das Leben gebieten. Mit seinen lachenden Augen. Zu allem bereit. Und seinem goldenen Körper. Zu allem bereit.

So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer. Nur einmal.

Als sie wegging, schrieb er ihr Briefe. Dicke Umschläge kamen mit der Post. Auf jeder Seite stand ein Wort: Du. Weißt. Nicht. Wie. Sehr. Ich. Dich. Liebe.

Eine einzige Rose, als sie sich an der Bushaltestelle trafen. Und ein überhebliches Grinsen auf seinem goldenen Gesicht. Nur einmal, heißt es immer. Nur einmal.

Sie stahlen sich an der Vermieterin vorbei nach oben in sein Dachzimmer. Die Nacht war fast schon vorbei. Er drang tief in sie ein, und der Morgen brach an. Sie blutete wie ein Hundewelpe. Das helle Tageslicht weckte sie auf. Ein glückliches Grinsen liebkoste ihre Wange.

Einmal im Schnee auf einem alten Pelzmantel. Einmal im Wald auf einem Bett aus Kiefernnadeln. Einmal in einer Scheune im Heu. Einmal. Nur einmal.

Jetzt sitzt er in einem Sessel neben einer Lampe, und sie beobachtet ihn aus den Augenwinkeln, während sie sich mit seinen Leuten unterhält. Er bannt sie mit einem Lächeln, und das lässt sie ins Stottern geraten … »Glaubst du, ich schaffe das?« Er grinst. Als könnte er über das Leben gebieten. Darüber schalten und walten.

Jetzt sind sie in einem Spirituosenladen an der Bowery. Sie kaufen eine Riesenflasche Chianti mit einem Straußenhals, gehen zu Fuß nach Hause in die 135. Straße und trinken unterwegs große Schlucke. Sie schlagen Räder und Purzelbäume und landen ungelenk auf der Straße. Kichernd.

Zu Hause angekommen, sind sie so betrunken, dass sie auf dem Boden aneinanderstoßen und alles verschwimmt. Nach und nach sickern Geheimnisse durch – wie sehr es ihn überraschte, zutiefst überraschte, als seine goldene Haut schwarz wurde und bei anderen Verachtung hervorrief, als das Lachen in seinen Augen erstarb. Später wird sie versuchen sich zu erinnern, welches Geheimnis genau durch den Nebel zu ihr drang. Sie wird versuchen zu benennen, an welchem Punkt das Lachen erstarb. Wer die Beleidigung aussprach, wann und wo sie ihn traf und warum er sie nicht abschütteln konnte. Doch es wird ihr nicht gelingen. Gegen Morgen wird sich das Geheimnis verdichten. Zu einem winzigen Stück Schorf, das nicht abfallen will.

»Glaubst du, ich schaffe das?« Er grinste. Als könnte er über das Leben gebieten. Mit seinen lachenden Augen. Zu allem bereit. Und seinem goldenen Körper. Zu allem bereit.

Er landete auf der Stromschiene. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht passierte es später. Bei einem falsch berechneten Sprung von einer hohen Klippe. Aber vielleicht auch nicht. Vielleicht passierte es noch später. Er schoss sich in den Kopf. Er dachte, das Gewehr sei nicht geladen. Aber vielleicht wusste er auch, dass es geladen war.

So einem Mann begegnest du nur einmal, heißt es immer. Nur einmal. Aber sie begegnete ihr ganzes Leben lang solchen Männern. Einer wie der andere, immer dieselbe Sorte Mann.

Was ist nur aus der Liebe zwischen den Rassen geworden?

Eine Wohnung in der Upper West Side mit zwei Bewohnerinnen unterschiedlicher Hautfarbe. Es ist das Jahr des Menschen. Das Jahr der Rassen-Religions-Farbenblindheit. Es ist 1963. Eine Bewohnerin (»weiß«) arbeitet in einem Ladenbüro in der Lenox Avenue in Harlem als Community Organizer. Sie ist zweiundzwanzig und kommt frisch vom Sarah Lawrence College. Sie ist zweiundzwanzig und verliebt in einen jungen Dichter vom Umbra Writers Workshop (dem später so illustre Namen wie Imamu Baraka und Ishmael Reed angehören werden). Die andere Bewohnerin (»schwarz«) kommt frisch aus einer Gefängniszelle in Albany, Georgia. Sie ist einundzwanzig und die einzige »Schwarze« ihres Abschlussjahrgangs. Sie ist verliebt in einen jungen, unbeugsamen Freedom Rider (»weiß«), dem man im Gefängnis in Mississippi den Kiefer ausgerenkt hat. Er sitzt mit ihr am Frühstückstisch, und sein Mund steht nicht still.

Unter den Leuten, die in diesem Rassen-Mekka ein- und ausgehen: Ein Fotograf (»schwarz«), der ihnen aus Verzweiflung die Schreibmaschine geklaut und sie im nächsten Pfandhaus versetzt hat; ein junger, aufgedrehter Heroinsüchtiger (»schwarz«) aus den Slums von Harlem, der überall mit einer weiteren knackigen Sarah-Lawrence-Absolventin (»weiß«) auftaucht; der Umbra-Dichter (»schwarz«), der im Wohnzimmer Kaffee trinkt und ein Gedicht mit dem Titel June Bug! vorliest; eine Gruppe Frauen mit glänzenden Augen (»weiß«), die eben noch auf den Stufen unseres Kapitols Gebetswache gehalten haben; ein paar aufsässig gestimmte Frauen (»schwarz«) die bald schon in Itta Bena, Mississippi ihrer bürgerlichen Herkunft aus dem Norden abschwören werden. Idealismus war wieder in Mode. Eine Zeit lang verstanden sich die Menschen. Innerhalb des Schmelztiegels. Innerhalb des Schmelztiegels.

Es ist Sommer. Die »Schwarze« und ihr junger »weißer« Liebhaber denken an Heirat. In Kürze wird sie ihn mit ins Krankenhaus nehmen, damit er ihren Vater kennenlernt (der nach einer Überdosis Idealismus einen Schlaganfall erlitten hat). In Kürze wird ihr kleiner weißer Liebhaber mit dem hängenden Mundwinkel (deshalb stottert er leicht) dem in Ehren ergrauten, ersten »farbigen« Rektor von New Jersey gegenüberstehen. (»… ich liebe dich«, sagt er … [das heißt, ihr Liebhaber] … »Ich möchte ein Schwarzer für dich sein«, sagt er …) Ihr Vater wird sie mit seinen dunkelgrauen Mittelschichtsaugen ansehen, unfähig, sich zu bewegen.

Es ist Sommer. Die Sarah-Lawrence-Absolventin lauscht ihrem Umbra-Dichter. Er ist dunkel und still, sein Blick huscht zwischen seinen Gedichten und ihrem Gesicht hin und her. In der Wohnung wird es dämmrig. Später wird die Clique losziehen und eine Versammlung zum Mieterstreik in Harlem, eine Spendenaktion für das SNCC oder ein Treffen der Wahlregistrierungshelfer in Newark, New Jersey besuchen.

Wir sind im Jahr, in dem die Grenzen zwischen den Rassen, Religionen und Ethnien verwischen: In Montclair, New Jersey; Brookfield, Massachusetts; Hartford, Connecticut; Mount Vernon, New York und Washington, D.C. – den verborgenen Enklaven der SCHWARZEN BOURGEOISIE (so heißt ein Buch, das in einer namenlosen Kleinstadtbücherei aus dem staubigen Regal gezogen wird, kurz darauf als Taschenbuch erscheint und einen bis dahin namenlosen »schwarzen« Soziologen schlagartig berühmt macht) – müssen »schwarze« Eltern erleben, wie ihre Kinder sich gegen das bürgerliche Streben nach Ent-Ghettoisierung auflehnen. Ihre Söhne werden für die Freiheit ins Gefängnis gehen (was in den Augen der Eltern nicht besser ist, als würden sie wegen bewaffneten Raubüberfalls, Drogenhandels, Zuhälterei oder anderer ethnientypischer Straftaten hinter Gittern landen). Ihre Töchter werden sich zum Beten auf die staubigen roten Straßen Georgias knien, als hätten sie ihre erste Begegnung mit dem Glauben nicht auf den hübschen samtenen Bänken in der Episkopalkirche gehabt. Die ersten »Farbigen« in Medizin, Rechtswesen, Politik, Pädagogik und Maschinenbau, im Baseball, Basketball und Tennis, in der biochemischen Forschung, in der Armee und in der Filmindustrie werden gebeten, vorzutreten und über ihren Erfolg zu sprechen. Der Name Ralph Bunche wird bald jedem Amerikaner ein Begriff sein. Jeder, der etwas auf sich hält, wird mindestens einmal einen »Schwarzen« zum Essen mit nach Hause bringen. Es ist das Jahr des Menschen. Es ist 1963: Was ist nur aus der Liebe zwischen den Rassen geworden?

In der Wohnung in der Upper West Side sind unsere junge »Schwarze« und ihr Freedom Rider gerade zurück aus dem Krankenhaus. Sie ist beschämt und seltsam niedergeschlagen. Der trostlose Ausdruck in den Augen ihres Vaters hatte nichts Beruhigendes. Er konnte sich nicht rühren, doch schien er zu sagen: Habe ich all die Jahre dafür gekämpft, für diese … für diese anrüchige Verbindung? Offenbar versteht er nicht, wie die Welt von morgen aussieht. Offenbar versteht er nicht, dass die junge farbige Frau, die er gezeugt hat, nicht an Farbe glaubt: dass der junge Freedom Rider ihrer Träume für sie keine Farbe hat (was auch zutrifft), dass ihre Gefühle füreinander dort beginnen, wo Farbe aufhört (weil das gar nicht anders sein kann), dass er endlich einsehen muss, dass Rasse als Problem, Rasse als sozialer Faktor, Rasse als politische und ökonomische Barriere der Vergangenheit angehört. Sieht er denn nicht, dass die Liebe keine Farben kennt? Sie ist den Tränen nahe. Die grauen Mittelschichtsaugen gehen ihr nicht aus dem Sinn.

Ihr Liebhaber sitzt geknickt in dem sonnenlosen Zimmer. (Beim Einzug hatte sie sich für das Zimmer am Ende des Flures entschieden, weil sie glaubte, dort hätte sie mehr Ruhe. Die hat sie auch, aber dafür hat das Zimmer kein Licht, und kurz vor ihrem Auszug wird sie dahinterkommen, dass ihre ganze Traurigkeit von dem dunklen, lichtarmen Schlauch herrührte, den sie ihr Zimmer nannte. Sie hätte einfach nur Licht gebraucht. Ein von herrlichem Sonnenlicht durchflutetes Zimmer.) Er denkt an seine Eltern in Boston, an ihre strenge Erziehung. Sein Vater wird keinerlei Bereitschaft zeigen, das Mädchen kennenzulernen, das er heiraten will. Seine Mutter wird sich höchstens zu einem heimlichen Treffen in einem abgelegenen Bostoner Restaurant überreden lassen. Wie soll er seinem Vater begreiflich machen, wie man sich fühlt, wenn man krankenhausreif geschlagen wird? Wie man sich fühlt mit eingeschlagenen Zähnen und ausgerenktem Kiefer, mit gebrochener Nase und matschigem Bauch. Und alles nur für die Freiheit. Alles für die »Schwarzen« in diesem Land, das wir Amerika nennen. Sein Vater muss endlich einsehen, dass niemand ihn verrät, dass er, der Sohn, in Wahrheit nur den Traum des Vaters verwirklichen will – den Traum, an den er, der Vater, tief im Innersten glaubt. Irgendwo tief im Innersten. Er, der Sohn. Es ist 1963: Es ist das Jahr, in dem sich Prophezeiungen erfüllen. Die letzte Erweckungsversammlung liegt noch nicht lange zurück, dort nahmen die Söhne das Kreuz ihrer Väter auf sich. Weiße Söhne machten sich auf zu den Schotterstraßen Georgias und Alabamas, um ihren Vätern zu beweisen, dass es im Schmelztiegel noch einiges zu schmelzen gab. »Schwarze« Söhne machten sich auf zu den Woolworths, Grants und Greyhounds von Amerika, um ihren Vätern zu beweisen, dass sie überall sitzen, essen und fahren konnten, vorne wie hinten.

Ihr Liebhaber sitzt allein und geknickt in dem sonnenlosen Zimmer. Bald muss er zurück auf die Baumwollfelder, weiter die »Basis organisieren«. Sein Bostoner Englisch spielt mit dem breiten Südstaatenakzent. Sein weißes Gesicht treibt in einem Meer aus schwarzem Protest. Diese Zeit verlangt nach einer bildgewaltigen Metapher, denn wir tauchen hinab in die legendären Abgründe Amerikas … dort, wo man sich die Nase am groben Sand der Illusion aufschürft und blutend wieder auftaucht.

Nach seiner Rückkehr wird unser junger Liebhaber (»weiß«) zum zweiten Mal im Gefängnis landen. Er wird sich weigern, die Kaution zu zahlen, zu essen und den Mund zu halten, bis man ihn abermals zusammenschlägt, um ihn (vergeblich) zum Schweigen zu bringen. Sein Vater eilt ihm nicht zur Hilfe. Seine Mutter fleht ihn an, den beigefügten Scheck einzulösen und nach Hause zu kommen. Seine (»schwarze«)Freundin schreibt ihm aus der Wohnung in der Upper West Side poetische Briefe mit ein paar aufmunternden Zeilen von Emily Dickinson (»Niemand bin ich! /und du?«) oder, wenn die Schwermut sie packt, mit ein bisschen Edna St. Vincent Millay (»Wenn ich ganz zufällig und nebenbei erführe, /dass du gestorben bist, nie mehr wiederkommst«). In dieser trüben Stimmung verbringen sie den Winter.

Die (»schwarze«) Mitbewohnerin verkriecht sich in ihrem sonnenlosen Zimmer. Angesichts der strengen Haltung ihres gelähmten Vaters, angesichts ihres inhaftierten Liebhabers sitzt sie da, trinkt Tee und durchlebt noch einmal ihre »weiße« Studienzeit (wie ist es gewesen, die Einzige zu sein????).

Sie denkt an die mahnenden Worte ihres Vaters, Problemen mit Zimmergenossinnen von vornherein aus dem Weg zu gehen (IH!!!! In meinem Zimmer sitzt eine »Negerin«!!!): Verlang immer ein Einzelzimmer. Sie erinnert sich an jedes dieser Einzelzimmer – eins pro Jahr. Doch einsam war sie nie. Sie wurde (im ersten Jahr) zur Studentensprecherin gewählt, war (im zweiten Jahr) Studentenvertreterin im Disziplinarausschuss und im Jahr darauf irgendetwas anderes … Sie war sich sicher, dass sie eine von ihnen war, bis zu dem schicksalhaften Tag, als das ERSTE SIT-IN stattfand und sie mit der Frage konfrontiert wurde, warum sie selbst so privilegiert war, wo doch, wie sie von den SITZSTREIKENDEN erfuhr (die in Scharen in alle fast-weißen Einrichtungen im Land strömten und Vorträge hielten), so viele Angehörige ihrer Rasse (viel später erst wurde daraus »ihr Volk«) in Armut und Verzweiflung lebten und sogar um ihr Wahlrecht, ein amerikanisches Grundrecht, betrogen wurden. Dabei waren sie Amerikaner, genau wie sie. Und so teilte sie ihrem (noch nicht gelähmten) Vater an Ostern mit, dass sie im Sommer in den Süden fahren und bei der Wählerregistrierung helfen werde, dass sie im Sommer in den Süden fahren werde, um ein für alle Mal herauszufinden, was es hieß, »schwarz« zu sein.

In jenem Sommer war sie völlig unerwartet zu einer verblüffenden Erkenntnis gelangt: Sie konnte jeden heiraten, nicht nur einen farbigen Arzt/Anwalt/Lehrer/Professor, sondern jeden. Einen mexikanischen Lastwagenfahrer. Einen japanischen Psychiater. Einen südafrikanischen Journalisten. Jeden. Sogar einen Weißen. Das war der fruchtbarste Ertrag jenes Sommers, in dem sie Baumwolle und Gurken pflückte und mit einer »schwarzen« Freundin, die wie sie ihrer bürgerlichen Vergangenheit entfliehen wollte, in Momma Dollys Hühnerhof Sonnenbäder nahm. Sie verwandelten sich in erdverbundene Frauen, in »schwarze« Farmerinnen, im Einklang mit der Natur und den Jahreszeiten, im Einklang mit der Welt ihrer Vorfahren aus dem Süden, im Einklang mit dem weiten Südstaatenhimmel und seinen wankelmütigen Sternen.

Dort lernte sie auch ihren jungen Liebhaber (»weiß«) kennen. Er teilte ihr karges Leben aus Maisbrot und Schweinsinnereien, während sie auf den heißen Schotterstraßen von Haus zu Haus zogen und die Leute baten, mitzukommen und zu wählen, mitzukommen und sich erschießen zu lassen, mitzukommen und ihr Leben für die Aufhebung der Rassentrennung zu opfern. Sie konnte gut vor Menschen reden. Sie führte diese Begabung auf ihre Südstaatenwurzeln zurück, von denen ihre Eltern absolut nichts wissen wollten (weshalb sie in ihrem Beisein auch nie darüber sprachen, dass ihr Vater vor seinem Schlaganfall selbst ein begnadeter Redner gewesen war). Sie liebte es, mit ausgebreiteten Armen und Tränen im Gesicht auf der Kanzel zu stehen, sich für die Freiheit zu opfern und andere zu bewegen, es ihr gleichzutun, sich dieser großartigen »We Shall Overcome«-Bewegung anzuschließen, in der Schwarz und Weiß Hand in Hand Richtung Freiheit marschieren würden.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie saß still in dem sonnenlosen Zimmer und erinnerte sich. An die Angst. Dass sie zu weit gegangen war. Dass sie die Realität verleugnet hatte, bis Momma Dollys Farm eines Tages von Kugeln durchsiebt wurde und sie wieder nach Hause fuhr. Um ihr Studium abzuschließen. Um Reden zu halten, Lieder zu singen, Spenden zu sammeln. Aber zurück ging sie nie. Auch nicht, als der Anführer der Bewegung sie persönlich bat, ihr Studium zu nutzen und im Süden als Lehrerin zu arbeiten. Sie hielt Reden und sang, sammelte Spenden und schickte Kleidung. Aber sie ging nie mehr zurück. Nur in den Erzählungen ihres Liebhabers (»weiß«), der nachts wach in dem Gefängnis in Mississippi lag. Mehr ertrug sie nicht.

Sie macht kurz die Augen zu. Sie liest gerade Aufstieg und Fall des Dritten Reiches, Psychologie des Seins, Hasenherz, Der Zentaur (»Hör mir zu, mein Mädchen. Ich liebe dich, ich möchte ein Schwarzer für dich sein …«). Jeden Mittwoch um fünf offenbarte sie sich eine Stunde lang einem ewig müden Psychiater, der ihr durch sein ständiges Einnicken zu verstehen gab, dass nicht nur sie, sondern jedes allzu gründlich sezierte Leben derart langweilig war, dass einem unweigerlich die Augen zufielen. Er sagte, sie sei manisch-depressiv. Alle Schwarzen neigten zur manischen Depression, erklärte er. Alle erlebten Phasen höchster Euphorie und verfielen dann plötzlich in tiefste Niedergeschlagenheit, sagte er. Das komme wahrscheinlich vom vielen Singen und Tanzen, sagte er. Also ging sie in die Bibliothek und schlug »manische Depression« nach. Notierte sich ihre Symptome, um sie später in ihrem Zimmer aufzuhängen: rauschhafte Zustände, gefolgt von schweren Depressionen, verbunden mit dem Verlust des Selbstwertgefühls, einer inneren Leere und dem Glauben, dass das Leben sinnlos ist (später, als sie dahinterkam, dass die innere Leere von dem dunklen erdrückenden Schacht herrührte, in dem sie sich Tag und Nacht aufhielt, und dass der Rausch nur ein sonniges Zimmer weiter wartete, lachte sie darüber).

Sie wünschte sich, ihr Vater würde ihre Ausrutscher verzeihen. Ihre Ausrutscher bezüglich der Rasse und auch die sexuellen. Nach der ersten Nacht staunte sie: Deshalb das ganze Theater? Deshalb wachte ihr Vater mit Argusaugen über sie und musterte jeden Mann, mit dem sie ausging, wie einen potenziellen Feind? Deshalb? Wegen dieses merkwürdigen glitschigen Geschiebes, das manchmal mit einem kurzen Stöhnen endete. Mit einem komischen schwachen Zucken. Und dann? Wie kam ihr Vater nur darauf, sie würde unter die Räder kommen, weil sie mit einem Mann geschlafen hatte und jetzt einen anderen (zugegeben, einen »weißen«) Mann heiraten wollte? Was war schon dabei? Sie wünschte sich, ihr Vater könnte sprechen, würde nicht einfach daliegen und sie anstarren, als wäre sie »farbig«, als hätte sie sich nunmehr tatsächlich in eine »farbige Frau« verwandelt und wäre unrettbar verloren. Das quälte sie am meisten. Nicht dass sie sich »hergegeben« hatte, wie ihre Mutter es ausdrückte, sondern dass sie nicht mehr das über alles geliebte Kind ihres Vaters war. Sie hatte sogar die größte Sünde begangen, die größte, unverzeihliche Sünde, die ein (»schwarzes«) Mädchen begehen konnte: Sie hatte sich die Haare abgeschnitten. »Wie viele schwarze Mädchen sind schon mit langen Haaren gesegnet?«, hatte ihr Vater gejammert. »Wie konntest du nur eine Schwarze aus dir machen, die aussieht wie alle Schwarzen? Was hast du dir bloß dabei gedacht?« Er drehte sich um und ging. Sie spürte, wie ihre Haut dunkler wurde, als er sie aus dem Krankenhausbett anstarrte; ihre Haare fühlten sich nicht nur kurz an, sondern auch sagenhaft buschig. Jeden Augenblick würde sich ihr Gesicht zu einem zahnlosen Grinsen verzerren, und sie würde zur Inkarnation seiner schlimmsten Albträume werden – sie würde rückwärts zur Tür schlurfen, grinsend und mit zu Berge stehendem buschigen Haar, durch und durch eine »farbige« Frau. Das las sie in den grauen Mittelschichtsaugen; das war der Auslöser für seinen Schlaganfall: die plötzliche Verwandlung seiner geliebten, klugen Tochter (die einzige »Schwarze«, die an dieser Bergfestung studiert hatte) in eine »Farbige«. Sie saß wie erstarrt auf ihrem Stuhl. Wenn sie sich nur von der düsteren Stimmung befreien und im Licht dieser Liaison aufblühen könnte. Immerhin würden sie schöne Kinder haben. Das waren sie alle, diese »Mischlingskinder«, die aus der Verbindung von Chinesen und Weißen, Indianern und Schwarzen oder auch von Weißen und Schwarzen hervorgingen, als erhielten sie durch die Paarung nur die besten körperlichen Eigenschaften: ein paar Wellen für das zu glatte Weißenhaar, die zu breite Schwarzennase ein wenig feiner gemeißelt, die chinesischen Schlitzaugen zart gerundet und mandelförmig. Ihr gefiel die Vorstellung, ein »Mischlingsbaby« zu haben. Sie legte die Hand auf ihren Bauch und schlug die Augen auf. Im Zimmer war es dunkel. Obwohl zwei Hundertfünfzig-Watt-Glühbirnen brannten, war es dunkel. Sie hörte, wie ihre Mitbewohnerin den Schlüssel ins Türschloss steckte.

Ihre Mitbewohnerin (sie hieß übrigens Charlotte) war ein frisches, rosiges Mädchen: ein Mädchen, das als Dreijährige seinen goldigen Hütehund angehimmelt hatte und mit fünf ohne Sattel geritten war; ein Mädchen, das eine privilegierte Erziehung genossen hatte. Und das sah man Charlotte an, besonders um die Augen herum und am gesunden Strahlen ihrer Haut. Man sah es einfach. Dazu in jeder Strähne ihres leuchtend blonden Haares ein Hauch von Rebellion gegen die Rassentrennung.

Verglichen mit ihrer frischen, rosigen Mitbewohnerin wirkte sie beinahe anämisch. Sie war zum Beispiel zu hell für eine »Schwarze«, um die Nase herum ein wenig zu gelb. In den vier Jahren an der Universität hatte sie kaum Gelegenheit gehabt, sich so elegant herauszuputzen, wie es »schwarze« Frauen bekanntlich tun, mit geschickt drapierten Tüchern, keck sitzenden Hüten und einem unfehlbaren Gespür dafür, die wildesten Farben zu einem stimmigen Gesamtbild zu kombinieren. Dazu fehlte ihr auch das Talent. In Wahrheit hatte sie in Stilfragen überhaupt kein Talent. Wenn man sich eine Farbe an ihr vorstellen konnte, war es braun. Das triste Braun, das gut zu flachen Spangenschuhen passt. Ihr erster Liebhaber (»schwarz«) hatte ein paar Verbesserungen an ihrem Äußeren vorgeschlagen. Zum Beispiel sollte sie auf den knallorangenen, stets verschmierten Lippenstift verzichten und die unbeholfenen Versuche einstellen, ihre breiten, buschigen Augenbrauen zu zupfen, die, so fand er, das Attraktivste an ihr seien. Sprich, er riet ihr, sich keine Gedanken mehr über ihr Aussehen zu machen, sondern einfach Rollkragenpullover (am besten schwarze, passend zu ihren Spangenschuhen) und dazu einen schlichten Cordrock mit großen Taschen zu tragen. Was sie auch tat. Auch nach der Trennung (er stieg auf sein Motorrad und fuhr mit seiner neuen [»weißen«] Freundin nach Westen).

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