Kitabı oku: «Abgefahren! Im Zug mit Katja Walder», sayfa 2

Yazı tipi:

75 Prozent der «Blick am Abend»-Leser wollen

mehr von Katja Walder

Ein Hoch auf meine Schüchternheit

Rote Sneakers, gestreiftes Shirt, schönbeinig und mit verwegener Frisur betritt er das Abteil schräg gegenüber. «Ho-hoooi», möchte ich mit Augenaufschlag flöten. Und schaue stattdessen scheu zur Seite.

Kurz schau ich hin. Er schaut weg.

Er schaut hin. Und ich wieder weg.

Erfolgloses Zug-Flirten in Reinkultur. Mein Hirn dreht im Leerlauf. Wie könnte ich bloss mit ihm ins Gespräch kommen?

Und plötzlich passiert es: Er steht auf (ich schaue verkrampft aus dem Fenster), kommt auf mich zu (ich sehs aus den Augenwinkeln!) und geht (Laden runter) an mir vorbei zur schönen Blondine im Abteil neben mir.

«Du kommst mir bekannt vor», begrüsst er sie strahlend. «Du bist doch Susanne!»

Sie nickt. Ich schmolle.

«Ich bins, Sasha, der Kolleg von Pascal.»

Und schon sitzt er bei ihr. Und mir bleibt nichts anderes, als die beiden zu belauschen und mir vorzustellen, ich wäre sie.

Bald weiss ich: Er wohnt in Luzern, findet Linux blöd, traut Frauen keine Computerkenntnisse zu («Im Chatten sind sie super, aber ein Word-Dokument abspeichern können sie nicht ...»), hat Apollo 440 als Klingelton (Ain’t talking ’bout dub), raucht selbstgedrehte Zigaretten, trifft sich heute Abend um halb sechs mit einem Freund am Bahnhof Luzern, nimmt eventuell noch einige Couch-Surfer mit, die grad bei ihm übernachten, geht am Streetparade-Wochenende ins Roh­stofflager («Da muss man einfach hin, aber sonst find ich dieses WummWumm blöd.») und – auch das ist nach diesen fünfzehn Minuten Zug-Lauschen klar – er redet viel. Zu viel. Und am liebsten über sich selber.

Ein Hoch auf meine Schüchternheit!

90 Prozent der «Blick am Abend»-Leser wollen mehr von Katja Walder

Post von Hans Kaspar, dem Freundlichen

Einstecken. Einloggen. Lossurfen. Und schon wird die S 8 zum Büro.

«Liebe Kolumne-Redaktion», steht da in einem weitergeleiteten Mail aus der «Blick am Abend»-Redaktion. Geschrie­ben von Leser Hans Kaspar S.

Dieses Mail richtet sich also an jene Menschen, die mich vor vier Wochen als Leser-Kolumnistin ausgewählt haben.

Weiter steht Erstaunliches: «Dass Katja Walders Kolumnen ein Hit sind, habt ihr ja sicher auch schon festgestellt.»

Ein leichtes Kribbeln steigt mir den Hals hoch. Schlucken. Weiter.

«Ich denke, Ihr solltet der Frau sofort einen Vertrag geben.»

Läck. Hans Kaspar! Und ich habe Sie für diese Zeilen nicht mal mit einem Schoggi-Marienkäfer bestochen.

«Mein Vorschlag, dass ‹Blick am Abend› sie behalten soll, ist natürlich auch ein bisschen egoistisch. Ich würde gern Katja Walder lesen und gelegentlich eine grottenschlechte Kolumne. Solange aber Katja dort schreibt, wird es nie wieder jemand anders geben. Und das wäre ja auch schade. Mit herzlichen Grüssen, Hans Kaspar S.»

Hans Kaspar, Sie haben recht! Nach vier Wochen räume ich diese Spalte für alle anderen. Aber nicht, ohne mich vorher – Oscar-like – zu bedanken: Beim Selecta-Automaten am Bahnhof Oerlikon («Thank you sooo much, I love your kinderschoggi!»), bei der S 8-Stimme mit dem rrrollenden RRR (du nervst von EffRRRetikon bis WinteRRRthuRRR), bei allen S 8-Fahrern für ihre offenherzigen Gespräche und bei allen lieben Menschen, Pendlern und Freunden des Zug-Lausch-Googlens für ihre SMS-Stimmen. Danke! Und wenn die «Blick-am-Abend»-Chefs auf Hans Kaspar hören, dann lausche ich für euch vielleicht bald weiter ...

Soll Katja Walder einen Job bei «Blick am Abend» bekommen – KatJA oder KatNEIN? Stimmen Sie ab – per SMS mit KatJA oder KatNEIN.

99,8 Prozent der «Blick am Abend»-Leser forderten:

Gebt Leserkolumnistin Katja Walder (Effretikon ZH) regelmässig Platz! Diesem Wunsch kommt die Redaktion gerne nach.

Ab sofort schreibt die Katja Walder zweimal die Woche für unsere Abendzeitung eine Kolumne (Montag und Donnerstag).

Thema: Die S 8 und ihre Passagiere. Seien Sie also auf der Hut.

Katja hört mit!

Kein Kreuz für Küse – und für Hampe schon gar nicht

Schallendes Gelächter aus dem vorderen Abteil. Da sitzen: Ein kahlgeschorener Basler mit Playboy-Brille, eine Bernerin mit gebärfreudigem Becken, eine Ostschweizerin mit Bob-Frisur und Pluderrock.

Die Pluderfrau erzählt. Der Playboybasler und die Becken­bernerin glucksen vor Vergnügen. Beim Speedflirting war sie, und zwar auf dem Bielersee.

«Alle hatten ein Pseudonym», erzählt die Pluderfrau. «Und der erste, dem ich gegenüber sass, hiess ... drei ... zwei... eins ... CHNOBLI!»

Die Zuggemeinschaft kreischt.

«Schnauz, Holzfällerhemd, das ganze Drama.»

Der Playboybasler schaut wissend über den Brillenrand.

«Weiter! Weiter!», drängt die Beckenbernerin.

«Der zweite hiess Küse. Koch. Hat fünf Minuten lang all seine Gerichte aufgezählt. Gratin Dauphinois. Gerstensuppe. Holzfällersteak und so weiter und so fort. Und ich hab gebetet: ‹Lieber Gott im Himmel, mach dass diese sieben Minuten schnell vorbei gehen.›»

«Und Gott hat das gemacht, was er in solchen Situationen immer macht ...», schiebt der Basler ein: «Er hat auf die Pause-Taste gedrückt.»

Voila. Die Beckenfrau kichert. Die Bobfrisur hat rote Backen. Der Basler haut sich auf die Oberschenkel.

«Verzeeell wyyyter!!!»

«Hampe war der Dritte. Schlechte Zähne, noch schlechtere Chancen bei Frauen. Drum macht er am Ende des Abends jeweils bei allen Frauen ein Kreuzchen, auch bei denen, die ihm nicht gefallen. Dann gibts mehr Chancen auf ein Wiedersehen.»

Durchtrieben, Hampe. Durchtrieben.

Aber mit der Pluderfrau wirds trotzdem nicht klappen: «Kei einzigs Chrüüzli hani gmacht. Kei einzigs!»


visavis #59

Chicks mit Handys

«Hallo Katja», schreibt Bettina F. aus St. Gallen. «Ich freu mi jedes mal uf dini Kolumne. Das trifft gnau au uf min Pendleralltag zue obwohl ich mit de S7 fahre». Bettina und ich, wir sind nun Facebook-Freunde. Und ich wette, Bettina hat sie auch schon erlebt, die kichernden Handy-Chicks. Sie tragen glitzrige Gürtel, knappe Jeans, manchmal Zahnspange und meistens dicken Lidstrich. Und immer, wirklich immer, sind sie in Gruppen unterwegs. Heute zum Beispiel dort vorne links. «Zeig! Zeig!», tönt es aus dem Abteil. Sie rangeln, sie kichern, sie riechen sehr stark nach viel zu süssem Parfüm. «Ich wett au luege!», quäkt die Blonde. Ein Handy wird herumgereicht. Klarer Fall: Die vier spielen das Lieblingsspiel aller Sechzehnjährigen: Zeig-mir-deinen-Freund-und-ich-zeig-dir-meinen.

Eine Zugbeschäftigung, die strikten Codes folgt. Spielen wirs durch: Chick eins zeigt das Handyfoto ihres Freundes. Reaktion A: Chick zwei staunt: «Uaaa, de isch WÜRKLICH schön!» Bedeutet: «Sonja hatte recht, der ist viiiel zu hübsch für dich!». Reaktion B: Chick drei flötet mit lieber Stimme: «Ooh, de xeht mega sympathisch uus.» Bedeutet: «Ne Schönheit ist er nicht gerade ...». Reaktion C (die fieseste von allen ...): Chick drei schreit überrascht auf: «Heeee! De hätt ja de glich Ohrstecker wie min Cousin!» Bedeutet: «Meine Fresse, was soll man bei so einem Gnom auch anderes sagen?» In diesem Moment steigt eine alte Bekannte ein. Ich begrüsse sie herzlich. Sie schaut mich kritisch an: «Neui Brüle? Mini Cousine hätt di gliich.»

Ein Opfer in der S8

Die Schweiz hat Alltagspoeten wie Kuno Lauener. Die Schweiz hat begnadete Quasselstrippen wie Mona Vetsch. Die Schweiz hat grosse Literaten wie Dürrenmatt und Muschg. Die Schweiz hat vier Sprachen und viele tolle Worte. Die Schweiz hat das Idiotikon, ein fünfzehnteiliges Wörterbuch, in dem alle diese Worte festgehalten sind. Von A wie allwäg über G wie Gutsch bis Z wie Zable. Die Schweiz hat aber auch viele Pendler, die von alledem offenbar noch nie etwas gehört haben.

«Ou er eh, er isch so voll tumm», sagt zum Beispiel das Handtäschchen-Mädel Nummer eins in meinem Abteil zu seiner Freundin. Die beiden waren an der Chilbi.

«Wäge?», fragt Nummer zwei zweisilbig.

Und Mädchen eins legt schäumend und im Balkan-Slang los: «Er so: Eh Mann, du nervsch! Ich so: Sälber Mann, du nervsch imfall uhuere! Er so: Eh Mann figg di, du bitsch. Ich so: Eh du Mongo. Lueg was seisch! Er so: Ey zum Glück bin ich dich los. Du stiiiinksch. Ich so: Ey du bisch sonen Vollweiche. Er so zrugg: Hey du Opfer! Dini Mueter hätt en Schnauz. Ich so: Mann, mit dir red ich nüme. Er so huere tumm glueget, weisch, so voll matschomässig. Ich so: Ey, wännd wiiter so tumm luegsch, ich schpuck dich aa.»

Und so geht es weiter bis Effretikon.

Dann der Zug so: Ich halt jetzt glaub aah, Lüüt.

Sie so: «Effi, sones Scheisskaff, da wohnt d’Elif hey, si neeervt!»

Ich so: Aussteigen und nichts wie weg.

Vielleicht sollte ich wieder mal Dürrenmatt lesen.

Von Worten und Wörtern

Entwarnung! Es besteht doch noch Hoffnung. Am Dienstag habe ich an dieser Stelle das desolate Sprachverständnis der Pendlergemeinde gegeisselt (Er so! Ich so! Sie so!). Doch seit gestern weiss ich: All diese sprachliche Unfähigkeit wird ausgeglichen – durch eine einzige Person. Sozusagen durch die Sprachamazone unter den Pendlern. Durch die Wächterin über sprachliche Missgriffe.

«Liebe Frau Walder», schreibt Frau S.Z. aus W. Und kommt dann unumwunden zum Kern: Messerscharf und gnadenlos bringt die diplomierte Übersetzerin ans Licht, dass ich die Wörter «Wörter» und «Worte» falsch verwendet habe. Sakrament. Ich lese weiter: «Wörter bestehen aus Buchstaben, Worte aus Gedanken. Wörter sind grammatische Einheiten, Worte sind Redewendungen, Zitate oder die Sprache. Ein paar Beispiele: Ihr fehlten die Worte, während er nur leere Worte von sich gab. Nach Wörtern ringen oder lobende Worte aussprechen. Dürrenmatt wusste dies bestimmt. ;-) Freundliche Grüsse.»

Freundliche Grüsse zurück! Auf dass mir keine weiteren derartigen sprachlichen Lapsen passieren. (Und jetzt soll nie­mand kommen und mir sagen, wie der richtige Plural von Lapsus heisst.)

Noch zu Dürrenmatt: Stimmt, der wusste wohl, was Worte von Wörtern unterscheidet. Aus einem Grund hat er es ja in die gros­sen Bibliotheken dieser Welt geschafft – und nicht bloss in den «Blick am Abend».

HorrOhr auf dem Heimweg

Aufhören! Das ist schlimmer als Kreide, die auf der Wandtafel kratzt. Nervtötender als das Nachbarskind, das auf den Geburtstag eine Blockflöte bekommen hat. Es ist kaum auszuhalten: Da sitzt im Nebenabteil eine Latina und feilt sich – chschchsch – seelenruhig die Fingernägel. Endlos. Und ich ziehe mir die Mütze tiefer über die Ohren, in der Hoffnung, dass es dämmt. Nix ist. Stattdessen mischen sich weitere S 8-Geräusche dazu: Klack. Klack. Klack – ein Kind öffnet den lauten Abfalleimer und knallt ihn wieder zu. Schräg gegenüber hört ein blondgesträhnter Vokuhila-Junge in synthetischem Trainingsanzug schlechten Balkan-Pop mit sehr schlechten Ohrstöpseln. Jemand ausserhalb meines Sichtfeldes zieht im Minutentakt die Nase hoch. Und die Lautsprecherstimme lässt ihr R rollen. Ich drehe durch. Versuche, mich durch Fixieren des Polstermusters abzulenken. Lese zum dritten Mal das Editorial in meinem Leibbahnblatt «Via». Spiele Tetris auf dem Handy. Und werde das Gelack-Schnief-Schnarch-Feile doch nicht los.

Wie sehr wünsche ich mir jetzt Domenica Steiner aus Zürich ins Abteil. «Manchmal muss ich laut herauslachen auf dem Heimweg», schrieb sie gestern in einem Leserbrief an den «Blick am Abend». «Dann hoffe ich, dass Katja nicht im selben Zug sitzt und ich demnächst über meine Lacher lesen muss.» Domenica: Jetzt gerade wäre dein Lachen Balsam für meine leidgeprüften Ohren!

Zwei Tickets gegen die SBB

«Abzocker», zischt es von links durchs Abteil. «Unglaublich, was die sich erlauben», wettert es von rechts. In den Gratiszeitungen künden die SBB ihr neues Preissystem an – und die, die direkt davon betroffen sind, sitzen vereint in der S 8: die Pendler. Ich denke über Sitzstreiks nach, über Türblocka­den, über Sprayereien wie «AuSBBeuter», als ich plötzlich aus meinen Gedanken gerissen werde: «Billett vorwiise bitte!». Taschengekrame, GAs werden vorgewiesen, «Tankeschön, merci, tankeschön». Bis es einen grossen Blonden trifft. Der Kontrolleur nimmt den Bussenblock. Der Blonde windet sich. Und als er gerade aufgeben und seine ID rausrücken will, tönts von hinten: «Entschuldigung!» Ein Tamile ists, der sich da aus der Pendlermasse erhoben hat. «Ich habe ein zweites Abo bei mir. Gilt das für den Mann da?» Er streckt dem Kontrolleur zwei Tickets hin. Tatsächlich: sein Abo. Und ein zweites, unpersönliches. «Schinornig», grummelt der SBB-Mann und verschwindet in der ersten Klasse. Die zweite Klasse gröhlt und klatscht. Der grosse Blonde setzt sich zu seinem Retter, bedankt sich – und will wissen, was alle interessiert: «Wieso häsch du zwei Tickets, he?». Die Antwort leuchtet ein: Der Tamile fährt normalerweise mit seiner Frau oder seiner Tochter. Nur heute nicht. Und dennoch hatte er beide Tickets dabei. Applaus, immer noch. Ich bin mir sicher: Wir könntens schaffen – gemeinsam gegen die SBB.

Das Leben der Anderen

«Verzell!» Die Rothaarige kann es kaum erwarten. Ihre schwarz­haarige Freundin schnattert los: «Das! Glaubsch! Nöd! D’Anna isch mit em Gerrit zäme!» Sie schaut erwartungsvoll. «Waas?», staunt die. «Ich verreck! Ich mein, sie isch mega herzig, er isch huere hässlich!» «Ja scho, ich weiss», sagt die Schwarze. «Ich bin nöd sicher, öbs stimmt. D’Katja hätts verzellt.»

«D’Katja? Isch eh e Häx!» «Sägs nöd», sagt die Schwarze. «Wie die sich immer an Jonas anemacht! Ich chönnt ere amix is Gsicht schlah.»

«Voll he!»

«Aber weisch wer findi no viel schlimmer? Em Jonas sini Mueter!»

«Wäääh!», kreischt die Rote. «Die xeht uus wie en Maa, nöd?!»

«Ja, voll de Hass!»

«Käs Wunder, das dere de Maa devo gloffe isch.»

«Ja scho, aber das er es Verhältnis mit sinere Assistäntin a­gfan­ge hätt, findi glich nöd fair.» Die Rote schaut verträumt: «Also ich würd defür sofort es Verhältnis mit em Yannick afange, de isch soo sweet!» Ihre Freundin winkt ab: «Vergiss es, de staht e nur uf blondi Modeltype».

Ich sitze da, höre zu und frage mich, warum mein Leben langweilig ist. In Wallisellen steht die Schwarze auf. «Gäll, hütt chasch wieder sälber luege? Sat1, am sibni. Susch verzell der dänn halt morn.»

Akute Überzuckerung

«Guegg geegg uche!» Hä? Da starren drei junge Burschen aus dem Zugfenster. Mit roten Backen und sauren Zungen. Der eine von den dreien zeigt auf eine herzige Blonde. «Gög glächg», sagt der andere. Was «nöd schlächt» heissen soll. Aber eben: Die Münder sind voll mit Süsskram, die Zähne verklebt, die Gesichter verzerrt. «Huere suur das Züüg!», sagt der Dritte, das eine Auge zusammengekniffen. Und so mampfen sie weiter, reichen das knisternde Zellophan-Säckchen zum nächsten, schmatzen, pulen sich Saurezungen-Reste aus den Zahnspangen und kommentieren die vor­bei­fah­rende Welt in undeutlichen Lauten. Saure Zungen! Da kommt mir noch ganz anderes in den Sinn: Bärendreck-Schnecken (inklusive braune Mundwinkel), Cocifröschli (nach zehn Stück gabs einen rauen Gaumen), Carambar (dank der Innenseite gut fürs Fremdsprachen-Training), Kaugummi aus der Tube (fand Mama pädagogisch nie wertvoll), Tiki (am besten pur auf die Zunge), Double-Dip (vom Kiosk in der Badi: Orange pfui, Kirsche hui!), die grünen Sauren Nudeln (Preis: Ein Zahn), Esspapier (nach was schmeckt das?), Armbänder aus Traubenzucker (Mädchenzeugs), der Trolli Riesenburger (inklusive Gummi-Salatblatt), klebrige Schlümpfe (lange Zeit das einzige blaue Schleckding!), schaumige Pilze (bis zur Überdosis!). Als ich gedanklich überzuckert aussteige, habe ich mein Münz schon griffbereit. «Si-ie? Was gitts für das Gält?»

«Hoi Schatz, ja, ich schlaf hüt bim Roli ...»

Wir sind umgeben von Mitpendlern, Gratiszeitungen und Handys. Da piepst, schellt, klingelt und telefoniert es um uns rum. Und das ziemlich monoton. Schon bemerkt?

Top-Handy-Antwort Nummer 1: «Im Zug!»

Top-Handy-Antwort Nummer 2: «Bruuchemer suscht no öppis?»

Top-Handy-Antwort Nummer 3: «Nei, isch alles guet. Ich telefonier eifach nöd gern im Zug.»

Aha! Dafür, dass das öffentliche Telefonieren vielen unangenehm ist, wird aber ziemlich hemmungslos geschnattert, getratscht, gekeift, debattiert, geplant, abgesagt, geflirtet, organisiert, gelogen, geheuchelt, dargelegt, geschildert und gefaucht. Der Ex­tremfall ist mir gestern passiert: Da sitzt ein gesträhnter 22-Jähriger mit einer Frau im Arm im Abteil. Als sein Handy klingelt, verdreht er die Augen. «Hoi Schatz.» Stummes Zuhören. Augendrehen. Mund verzerren. «Nei Schatz, ich ha der doch xeit, es chönnt spöter werde.» Zuhören. Die Frau in seinem Arm necken. Ihr eine Strähne aus dem Gesicht wischen. «Nei Schatz, ich bin jetzt grad mit dem Roli underwägs zu ihm hei.» Der Freundin zuzwinkern. «Ja, ich schlaf bi ihm ... morn dänn irgendwänn ... ou, hani vergässe ... gang doch elei ... seisch ne en Gruess!» Zuhören. Die Lippen formen lautlos die Worte «Blablabla.» Die Frau in seinem Arm kichert. Er legt auf. Sie schmiegt ihren Kopf an ihn. Und wird diese Situation vergessen haben, wenn sie in drei Jahren einen Anruf von ihm bekommt: «Hoi Schatz, ich schlaf hütt znacht bim Roli ...»

Einsteig-Strategien

Obacht beim Einsteigen! Immer gut darauf achten, wer vor einem steht: Schneeweisse Tussijacke geht gut (die mit Fell an der Kapuze). Schwarze Banker-Nylon-Regenjacke auch. Schwierig wirds bei Altherren-Trenchcoats, verlöcherten Gam­mel-Schlüttli und – wie ich seit heute weiss – bei Wildlederjacken. Denn wer solches trägt, gehört zu jenen Pendlern, die einem das Einsteigen zur Hölle machen.

Aber der Reihe nach: Der Zug fährt ein. Hält an. Die Türen öffnen sich. Menschen drängen heraus und hinein. Dann gehts für die Untenfahrer unten rein, die Obenfahrer gehen die Treppe hoch. Die Unentschiedenen stehen im Weg. Selbst wählt man die Treppe nach oben, weil der Pendlerblick vom Perron aus messerscharf erkannt hat, dass es dort noch die meisten freien Plätze hat.

Allerdings hat man die Rechnung nicht ­gemacht mit besagten Altherren-Trenchcoats, Gammelschlüttli und Wildlederjacken dieser Welt. Sie zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie sich im Schneckentempo vor einem die Treppe hochschleppen. S-C-H-R-I-T-T für Schritt. S-T-U-F-E für Stufe. «Lauf mal!», will man schreien. «Tempo, Tempo!» Und tuts dann doch nicht. Verklemmt sich das entnervte Schnauben. Stattdessen trottet man hinter der Wildlederjacke her und sieht, oben angekommen, dass die Mitpendler von der anderen Seite her schneller waren. Fast alle Plätze sind besetzt. Also setzt man sich mit der Wildlederjacke in ein Abteil. Und schüttet, ganz aus Versehen – kurz vor Effretikon den Starbuckskaffee auf sein Knie. Upps, sorry!


visavis #34


visavis #69


visavis #6

Türengel auf Reisen

Wer kennt das? Atemlos durch die Unterführung hetzen. Noch zehn Sekunden. Wusch-Wusch-Wusch an Feierabendgesichtern vorbei. Noch fünf Sekunden. Mit grossen Schritten die Treppe hoch. Noch zwei Sekunden. Zwei Stufen aufs Mal. Null Sekunden. Und wahrscheinlich hätte man den Zug jetzt verpasst, wenn da nicht dieser eine Mensch aus der Kategorie «Lieber Mitpassagier» wäre, der den Türknopf drückt. Oder noch besser: gleich aufs Trittbrett steht. Solche Menschen haben ein lobendes Wort verdient. Und einen schmückenden Titel: Türengel. Mein Türengel am letzten Donnerstag war ein ganz Besonderer. Er hielt nämlich nicht nur mir die Tür auf, sondern – knapp vor Abfahrt – einfach allen, die angehastet kamen. Und kaum waren wir alle glücklich im Wageninnern, sagte er: «Du, häsch mer 2.80, das i chan uf Oerlike fahre.» Öhm ... Ausser Atem wie ich war, hab ich dankbar in der Manteltasche gekramt. Dass er sich in der S-Bahn gar kein Ticket kaufen kann, hab ich erst viel später kapiert. Egal. Der Trick mit der Tür ist bestechend. Türengel müssen belohnt werden, auch wenn sie streng riechen. Wir alle sollten ein bisschen Türengel sein. Im Sinne der pendlerischen Nächstenliebe. Das hab ich mir vorgenommen, als ich einen Tag später auf die Abfahrt wartete. Ein schlacksiger Jüngling mit Baseballcap und Riesenkopfhörern rannte die Treppe hoch. Ich drückte auf den Türknopf und stellte mich aufs Trittbrett. Er stieg ein. Schaute mich an. Grinste: «Und jetzt wotsch Schtutz, gäll ... Das känni!»

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.