Kitabı oku: «Dein Herz hinter den Wolken», sayfa 2
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VERNISSAGE
Kaum habe ich mir in meiner Wohnung die Pumps von den Füßen gezogen, führt mein Weg mich ins kombinierte Wohn- und Schlafzimmer, um meinen Mitbewohner zu begrüßen.
„Hey, Elvis. Hattest du einen schönen Tag?“, frage ich, als ich die Tür des Käfigs öffne. Sofort streckt der Kleine sein putziges Näschen aus der Tür, dann springt er heraus und setzt sich vor mir auf die Hinterläufe. Elvis ist mein Kaninchen, genau genommen ist er ein Löwenkopfkaninchen und mit seiner beigefarbenen Mähne finde ich die Bezeichnung Löwenkopf auch wirklich passend. Seinen Namen verdankt er der Tatsache, dass er ein Fellbüschel über der Stirn hat, das immer eine Tolle bildet – ebenso wie bei dem weltbekannten Sänger.
Nachdem ich meinem kleinen Freund ein paar Streicheleinheiten gegönnt habe, stehe ich auf und tausche mein klassisches Kostüm, mit dem ich bei der Arbeit war, gegen ein warmes Sweatshirt und eine Jogginghose. Ganz so sehr unterscheide ich mich dann doch nicht von Cookie. Auch ich mag es, mich nach der Arbeit in gemütlichen Klamotten auf die Couch zu fläzen – wenn ich nicht gerade etwas vorhabe.
„So ist es viel besser, oder was meinst du, Hoppler?“
Ja, ich spreche mit meinem Kaninchen. Manche finden das vielleicht ungewöhnlich, doch für mich ist es vollkommen selbstverständlich, mit meinem Mitbewohner zu reden – auch wenn es einer mit Fell ist.
Als ich in die Küche gehe, um mir etwas zu essen zu machen, folgt Elvis mir. Manchmal denke ich, er ist wie ein kleiner Hund. Völlig auf mich fixiert, hoppelt er mir durch die Wohnung hinterher. Sobald ich hier bin, steht seine Stalltür offen. Der kleine Kerl ist stubenrein; wenn er sein Geschäft erledigen muss, kehrt er in seinen Käfig zurück – aber auch wirklich nur dann! Ansonsten weicht er mir kaum drei Meter von der Seite, und wenn ich mich auf die Couch lege, dauert es keine zwei Minuten, dann hüpft er zu mir hoch, um zu schmusen. Ich weiß gar nicht, wie oft wir schon aneinandergekuschelt auf dem Sofa eingeschlafen sind.
Seit vier Jahren habe ich meinen Liebling mittlerweile; bereits als ich noch bei meinen Eltern im Dorf gewohnt habe, war er mein treuer Begleiter und ist mit mir zusammen hierhergezogen.
„Möhrchen, mein Hasi?“, frage ich ihn liebevoll lächelnd, während ich das Bund Karotten aus meinem Gemüsefach nehme. Er weiß genau, was ich da in der Hand halte, er liebt Karotten. Sofort setzt er sich auf die Hinterläufe und macht Männchen. Lachend ziehe ich eine der Möhren aus dem Bund und gebe sie ihm samt dem Grün daran. Glücklich macht er sich über seinen Snack her, während ich meinen Anteil der Karotten kleinschneide für einen Salat. Selbstverständlich fallen auch davon und von den Gurken noch ein paar Stücke für den kleinen Kerl ab.
Mit meinem Salat verziehe ich mich auf meine Couch und lege die Füße auf den niedrigen Tisch davor. Während ich esse, zappe ich mich durch die Fernsehprogramme, bis ich einen Film finde, den ich zwar bereits kenne, den ich aber gern noch einmal sehe.
Als ich meinen Teller wegstelle, ist es wie eine Art Startsignal für Elvis. Sofort hüpft er zu mir auf das Sofa und krabbelt auf meinen Schoß. In einer Hand eine Flasche Bier, die andere in seinem Fell vergraben, genieße ich meinen Feierabend und unsere Kuschelzeit. Es ist bereits beinahe Mitternacht, als ich die Glotze endlich ausschalte und mich bettfertig mache. Elvis sperre ich für die Nacht in seinen Käfig, da er die Angewohnheit hat, ansonsten zu mir ins Bett zu kommen, und das möchte ich dann doch nicht. Mein Bett gehört allein mir! Einzig mit einem Mann würde ich es gern mal wieder teilen.
Als ich in der Dunkelheit an die Decke starre, überlege ich, wie lange es eigentlich her ist, dass ich das letzte Mal einen Mann im Bett hatte. Seit ich nach Hamburg gezogen bin, habe ich nur ein paar Affären und One-Night-Stands gehabt. Ich möchte keine Beziehung, ich will mich nicht verlieben, schließlich habe ich meinen Plan. Aber der letzte Sex ist definitiv schon viel zu lange her. Sollte ich mal wieder meine Dating-App aktivieren? Womöglich finde ich dort jemanden, der aufgeschlossen für etwas Unverbindliches ist. Nur Sex, keine Gefühle, nichts, was meinen Plan in Gefahr bringt. Obwohl … vielleicht brauche ich meine Dating-App gar nicht. Eventuell ergibt sich ja morgen tatsächlich was mit Mark Garmont.
Ich muss über mich selbst grinsen und schüttele den Kopf. Was für ein Quatsch! Auch wenn ich im Internet nichts über eine Freundin von ihm gefunden habe, bedeutet es noch lange nicht, dass er mich ebenso ansprechend findet wie ich ihn.
Im Dunkeln greife ich nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch liegt, und suche seine Fotos im Internet heraus. Mark Garmont ist nur ein paar Jahre älter als ich. Damit ist er absolut ein Kandidat für meinen Millionärsplan. Noch dazu ist er mehr als nur nett anzusehen mit seinen blonden Haaren und den knallblauen Augen. Ja, Cookie hat recht, den würde ich auch nicht von meiner Bettkante stoßen, wenn er ein armer Schlucker wäre. Dann wäre er zwar kein Kandidat für etwas Festes für mich, aber auf eine Affäre würde ich mich wohl trotzdem einlassen. Verträumt streiche ich über das Display des Smartphones, als wollte ich ihm die Locke, die ihm auf dem Bild wirr in die Stirn fällt, zurückstreichen.
„Verdammt, Lilly! Jetzt reiß dich mal zusammen! Du benimmst dich wie ein durchgeknallter Teenie, so wie du das Foto anhimmelst!“ Ich rufe mich selbst zur Ordnung und lege das Handy zurück auf den Nachttisch. Es wird morgen eh nichts passieren, die Hoffnung brauche ich mir gar nicht zu machen. Wenn ich Glück habe, werde ich ihn von Weitem sehen, einen Blick auf ihn erhaschen – und meine erotischen Fantasien so ein bisschen anheizen können. Seufzend schließe ich die Augen und drehe mich auf die Seite. Mit Mark Garmonts Lächeln vor Augen schlafe ich schließlich ein.
Der Samstagmorgen ist vollgepackt, ich habe eine lange To-do-Liste, bevor ich mich für die Vernissage am Abend fertig machen kann. Vormittags habe ich einen Termin bei der Maniküre, um meine Gelnägel auffüllen zu lassen. Selbstverständlich gehe ich nicht zu derselben Maniküre wie mein Chef. Das würde mir fehlen, da begegne ich ihm womöglich noch, wenn wir beide einen Termin haben. Nein, ich möchte nicht sehen, wie Herrn Sahrmann die Nägel gefeilt werden. Ich mache echt viel für meinen Job, aber da ist definitiv eine Grenze für mich!
Nach einer Stunde und einer wunderbaren Handmassage verlasse ich glücklich das Nagelstudio in Altona. Ja, jetzt sind meine Hände wieder vorzeigbar. Wie jedes Mal, wenn ich von der Maniküre komme, bleibe ich vor einem Schaufenster nur ein paar Häuser weiter stehen. Ein kleiner Inneneinrichtungsladen ist es. Die Dekoration im Fenster ist mit so viel Liebe gestaltet, dass dieser Laden ein absoluter Eyecatcher ist. Immer wieder entdecke ich in diesem Schaufenster Sachen, die ich am liebsten sofort mitnehmen würde. Bisher habe ich mich noch nicht hineingetraut – ich weiß genau, das würde teuer für mich enden. Zumindest wenn es drinnen ähnlich viele tolle Sachen gibt, wie das Schaufenster verspricht. Heute bleibe ich besonders lange stehen. Sollte ich nicht doch? Ich brauche eh ein Geschenk für meine Mutter, die nächste Woche Geburtstag hat. Hier finde ich bestimmt etwas, worüber sie sich freut.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch genug Zeit habe, bevor mein Friseur auf mich wartet, um mir die Haare neu zu blondieren und hochzustecken. Selbstverständlich betreibe ich diesen Aufwand nicht jedes Mal, wenn ich auf eine Party oder ein Event gehe, aber manchmal gönne ich es mir. Und heute ist einer dieser Tage. Ich habe mich schon auf diese Vernissage gefreut, bevor ich über Mark Garmont im Internet recherchiert habe, doch seit ich weiß, wie er aussieht, kann ich es kaum erwarten. Mit jeder Stunde, die vergeht, steigt meine Vorfreude. Ich hoffe, ich schaffe es überhaupt in seine Nähe. Und wenn ja, vielleicht ergibt sich ja sogar die Gelegenheit, mit ihm ins Gespräch zu kommen – oder noch mehr.
Allein der Gedanke, jemandem wie ihm näherzukommen, lässt meinen Bauch wohlig kribbeln, als ich nach dem Türgriff greife und den kleinen Laden betrete.
„Hallo! Willkommen im Smukke Indre!“, werde ich freundlich begrüßt, kaum dass die Klingel über der Ladentür verstummt ist. „Wenn ich Ihnen helfen kann oder Sie was Bestimmtes suchen, einfach schreien, ja?“ Die Verkäuferin hinter dem Kassentresen strahlt mich herzlich an.
„Danke, ich schaue erst mal!“, erwidere ich ebenso freundlich und fange an, mich hier umzusehen. Es ist, wie ich vermutet hatte. In diesen Laden zu gehen, ist eine Herausforderung, wenn ich meine Kreditkarte nicht zum Glühen bringen möchte. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Wunderschöne Kerzenständer, Wohnaccessoires, Geschirr, Kissenbezüge und so vieles mehr gibt es hier zu entdecken.
Ein Set aus einer Porzellanteekanne mit Stövchen und dazu passenden Tassen und Untertassen zieht sofort meine Blicke auf sich. Es ist wunderschön! Auf cremefarbenem Untergrund sind zierliche Schnörkel in verschiedenen Rosatönen, dazwischen erkenne ich kleine Röschen. Das ganze Set ist filigran gearbeitet, mit geschwungenen Griffen an den Tassen.
„Das ist aber süß!“, murmele ich leise. Doch anscheinend nicht leise genug, denn die Verkäuferin gesellt sich zu mir.
„Ja, ich liebe es auch. Leider bin ich so gar kein Teetrinker, ansonsten hätte ich es selbst schon genommen. Eigentlich gibt es dazu passende Kerzenständer, aber die sind gerade aus.“ Lächelnd nimmt sie die Teekanne aus dem Regal und betrachtet sie von allen Seiten.
„Es ist bestimmt gar nicht so leicht, hier zu arbeiten, oder? Also wenn es mein Laden wäre, würde ich mehr an mich selbst als an die Kunden verkaufen.“ Grinsend wende ich mich zu der Verkäuferin um.
„Ja, so ähnlich geht es mir auch! Das Smukke Indre gehört meinem Stiefvater. Der ist völlig verrückt nach den Sachen. Ich glaube, deshalb hat er den Laden gegründet. Manchmal treibt er meine Ma ein wenig in den Wahnsinn, wenn er mal wieder zu viel zu Hause anschleppt.“ Die Verkäuferin, auf deren Namensschild nur Leo steht, zwinkert mir zu.
„Wie ungewöhnlich! Mein Vater lästert immer über meine Mutter, wenn sie neuen ‚Dekoscheiß‘, wie er es nennt, kauft.“ In Gedanken verbessere ich mich. Er hat gelästert! Die Zeiten sind leider vorbei, auch wenn ich mich selbst nach fast zwei Jahren noch nicht daran gewöhnen kann, dass er nie wieder so sein wird, wie er einmal war. Schnell schiebe ich diese trüben Gedanken beiseite und widme mich wieder der Suche nach einem Geschenk für meine Mutter. Beinahe eine Stunde verbringe ich im Smukke Indre und kann mich nicht entscheiden. Am liebsten würde ich einfach alles kaufen und meine Wohnung mit den hier angebotenen Sachen komplett neu dekorieren. Doch dafür fehlt mir das nötige Kleingeld. Nein, anders! Das nötige Kleingeld hätte ich sogar. Ich verdiene als Assistentin in der Bank nicht schlecht, aber ich brauche das Geld für andere Dinge. Für Kleidung teurer Marken, für meine Maniküre, für High Heels, Kosmetika und Schmuck. Schließlich kann ich zu gesellschaftlichen Events nicht wie ein Aschenputtel auftauchen. Wenn ich nicht wie aus dem Ei gepellt bin, wird nie einer der Millionäre über mich stolpern. Also, stolpern vielleicht schon, aber bestimmt nicht im positiven Sinne.
Am Ende entscheide ich mich doch für das Teeservice und lasse alles andere schweren Herzens stehen. Ich bin mir sicher, meiner Mutter wird das Service gefallen, sie ist ebenso wie ich eine leidenschaftliche Teetrinkerin. Liebevoll verpackt und mit einer aufwendigen Schleife verziert, packt Leo das Geschenk in eine Papiertüte mit dem Schriftzug des Smukke Indre.
„Soll ich Sie vielleicht anrufen, wenn die Kerzenständer wieder reinkommen?“, fragt Leo, als sie mir die Tüte über den Tresen gibt. „Die passen wirklich toll dazu!“
Die Art, wie sie fragt, und ihr freundliches Lächeln wirken auf mich nicht, als wollte sie mir unbedingt noch mehr verkaufen, sondern eher, als würde sie selbst dieses Set so mögen, dass es nur inklusive dieser Kerzenständer komplett wäre.
„Ja, gern! Wie ich meinen Bruder kenne, hat er noch nichts für meine Mutter. Sie soll das Teeservice zum Geburtstag bekommen. Kommen die Kerzenständer denn die Tage wieder rein?“ Am Wochenende ist bereits der Geburtstag.
„Ich denke spätestens Mittwoch, vielleicht aber auch schon Dienstag. Ich kann Sie ja anrufen, wenn sie da sind, und dann können Sie immer noch entscheiden, ob Sie die Kerzenständer haben möchten.“
Als ich den Laden verlasse und auf die Uhr schaue, erschrecke ich. Jetzt aber schnell! Ansonsten wird es eng mit dem Haarehochstecken beim Friseur.
Leise klassische Musik empfängt mich, als ich die Galerie betrete und im Garderobenbereich meinen Mantel abgebe.
Kellner im schwarzen Smoking tragen Tabletts mit Champagner zwischen den bereits anwesenden Gästen herum. Im Vorbeigehen nehme ich mir ein Glas und nippe daran, während ich mich ein wenig umschaue. Ich erkenne Hamburgs Bürgermeister mit seiner Frau, einen Reeder, den ich schon auf einer anderen Feier kennengelernt habe, einen renommierten Rechtsanwalt und noch ein paar andere wichtige und reiche Leute dieser Stadt. Irgendwie sind es doch immer die gleichen, die man auf solchen Events trifft. Ein paar neue Gesichter findet man zwar, aber auch reichlich bekannte. Langsam gehe ich durch die Menge und halte Ausschau nach dem Mann, für den dieser Abend hier der große Durchbruch in Deutschland sein soll. Mark Garmont. Leider entdecke ich ihn nirgendwo, daher widme ich mich erst einmal seinen Gemälden.
Einen Moment lang bleibe ich vor einer der Leinwände stehen und betrachte die Farben, die sich in Wirbeln ineinander vermischen und verschlingen. Je länger ich dieses Bild anschaue, desto mehr Details fallen mir auf. Ja, er macht seinem Namen wirklich alle Ehre. Auch wenn ich es normalerweise nicht so sehr mit Malerei habe, dieses Gemälde würde ich mir in die Wohnung hängen. Geistesabwesend nehme ich noch einen Schluck von meinem Champagner, als mich jemand von der Seite anspricht.
„Gefällt es Ihnen?“
Ich schaue mich um, wer mich gerade angesprochen hat, und für einen kleinen Moment setzt mein Herz aus, als ich ihn erkenne.
„Mr. Garmont!“ Meine Stimme ist kaum mehr als ein Hauchen vor lauter Überraschung, dass mich ausgerechnet der Künstler selbst nach meiner Meinung gefragt hat. Natürlich habe ich gehofft, ihn hier kennenzulernen, diesen Mann, der so gut auf die Titelseiten der größten Zeitschriften als Model gepasst hätte. Den Mann, der mir letzte Nacht – wahrscheinlich auch dank Cookies Worten – einen nicht ganz jugendfreien Traum beschert hat. Doch jetzt, wo er mich angesprochen hat, wo er direkt vor mir steht, bin ich plötzlich aufgeregt wie ein kleines Mädchen. Die Bilder im Internet haben nicht gelogen – in Gegenteil! In natura sieht er noch viel besser aus als auf all diesen Fotos. Mein Puls schnellt in die Höhe, und nervös schlucke ich, bevor ich eine Antwort gebe.
„Ja, es gefällt mir sehr!“ Okay, jetzt kommt die Stelle, wo ich etwas Wichtiges sagen muss, etwas, was den Anschein macht, ich hätte Ahnung von Malerei. Etwas, was nicht zu erkennen gibt, wie sexy ich den Mann vor mir finde.
„Ich mag diese Tiefe, die die Wirbel verursachen. Es fühlt sich an, als würde man in das Bild hineingesogen. Unwahrscheinlich ausdrucksstark und sehr gefühlvoll!“ Innerlich bete ich, dass es das war, was er hören wollte. Schweigend lächelt Mr. Garmont mich an, dann nickt er langsam.
„Okay. Ich hatte jetzt keine fachliche Meinung erwartet, sondern wollte einfach nur wissen, ob es Ihrem ganz persönlichen Geschmack entspricht. Aber es freut mich sehr, dass Sie so viel in diesem Bild erkennen. Ich bin übrigens Mark Garmont, aber das haben Sie sicher bereits erkannt.“ Ein charmantes Lächeln zieht sich über seine Lippen und in seiner rechten Wange bildet sich ein kleines Grübchen. Eine blonde Haarsträhne hat sich gelöst und fällt ihm in die Stirn. In diesem Moment sieht er aus wie ein Lausbub, der es faustdick hinter den Ohren hat. Sein Deutsch ist beinahe akzentfrei, obwohl er erst seit Kurzem hier lebt, daher gehe ich davon aus, dass er es schon vor längerer Zeit gelernt hat.
„Ich freue mich sehr, Sie kennenzulernen. Ich bin Lillian Floris.“ Höflich strecke ich ihm die Hand entgegen, die er auch sofort ergreift.
„Was für ein schöner Name für eine so schöne Frau. Sehr passend!“ Er führt meine Hand zu seinem Mund und deutet einen Handkuss an. „Mögen Sie noch ein Glas Champagner?“ Er deutet auf das Glas in meiner Hand, das mittlerweile beinahe leer ist. Ohne auf meine Antwort zu warten, nimmt er es mir ab und tauscht es bei einem vorbeikommenden Kellner gegen ein volles.
„Na dann … drücken Sie mir die Daumen für eine erfolgreiche Ausstellung“, sagt er, als er selbst auch ein Glas Champagner in der Hand hält, und stößt damit leicht an meins. „Und auf einen erfolgreichen Abend“, murmelt er noch leise, bevor er einen Schluck nimmt. Der Blick, den er mir über den Rand des Glases zuwirft, zeigt mir sehr deutlich, dass er mit seinem letzten Satz nicht die Vernissage gemeint hat, und in meinem Bauch kribbelt es sehnsüchtig. O ja … Auf den Erfolg! Auf meinen Erfolg, vielleicht tatsächlich bei ihm zu landen und zumindest die monatelange Dürre in meinem Bett zu beenden. Er wäre auf jeden Fall genau der richtige Kandidat für mich. Schön, reich, erfolgreich … Er hat alles, was ich will!
„Ich muss leider noch mal eine Runde drehen. Schauen Sie sich in Ruhe alles an und dann sehen wir uns hoffentlich später wieder, Lillian.“ Im Weggehen zwinkert Mark mir noch einmal zu und streicht mit seiner Hand wie zufällig über meinen nackten Arm. Eine Gänsehaut zieht sich von der Stelle aus über meinen kompletten Körper und das sehnsüchtige Kribbeln in meinem Bauch verstärkt sich. O ja, mir steht eine heiße Nacht bevor! Wenn nicht mit ihm, dann zumindest mit meiner Fantasie von ihm.
Den Abend über sehe ich Mark Garmont nur noch von Weitem. Er ist ständig in irgendwelche Gespräche mit Mäzenen und anderen wichtigen Leuten verstrickt, doch jedes Mal, wenn ich vorbeigehe, spüre ich seine Blicke auf mir. Ich weiß, er lässt mich nicht aus den Augen, und das fühlt sich wahnsinnig gut an. Diese Blicke sagen ganz genau, was er will, und mit jedem Lächeln, das ich ihm im Vorbeigehen schenke, zeige ich ihm, dass es das ist, was auch ich heute Nacht noch möchte. Wir heizen uns allein mit diesen Blickwechseln derart an, dass ich es kaum abwarten kann, bis wir endlich Zeit für uns haben. Als ich über die Schulter zu ihm hinüberschaue, hat er sichtlich Mühe, dem Gespräch, das er gerade führt, zu folgen. Er muss sich regelrecht zwingen, mich nicht länger anzustarren. Um ihn noch mehr zu reizen, lasse ich meine Zunge sanft über meine Lippen gleiten und schenke ihm ein verruchtes Lächeln. Mit offenem Mund starrt er mich an und tritt unruhig von einem Bein aufs andere, als wäre seine Hose gerade ein wenig zu eng geworden. Gut so! Genau das wollte ich erreichen!
Zufrieden wende ich mich dem Nächsten seiner Bilder zu und spiele beim Betrachten wie zufällig mit einer Locke, die aus meiner Hochsteckfrisur fällt und mein Gesicht umrahmt. Er ist schließlich auch nur ein Mann, auch wenn er ein hochdotierter Künstler ist. Und Männer zu verführen, ist etwas, was ich durchaus draufhabe. Ich bekomme, was ich will – zumindest wenn es um Sex geht.
Zwischendurch verschwinde ich auf der Damentoilette, um mein Make-up zu richten. Wohlwollend betrachte ich mich im Spiegel, der dort hängt. Ja, ich muss schon sagen, dieses Cocktailkleid ist seinen immens hohen Preis definitiv wert. Es zeigt genau so viel, um ein wenig Appetit zu machen, um aufzufallen in der Masse der Frauen hier, aber ohne zu billig zu wirken. Das Einzige, was mich quält, sind meine High Heels. Auch die sind natürlich alles andere als günstig gewesen. Doch selbst ein hoher dreistelliger Betrag bedeutet anscheinend nicht, dass sie auch halbwegs bequem sind. Die strassbesetzten Riemchen reiben schmerzhaft an meiner Haut, ich hoffe nur, es gibt keine blutigen Striemen. Jeder Schritt tut mir weh, aber ich widerstehe dem Drang, sie auszuziehen. Ein wenig muss ich noch durchhalten, bis die Vernissage beendet ist.
Als ich aus der Damentoilette komme, ist der Schmerz in meinen Füßen auf einen Schlag vergessen. Überrascht schaue ich auf die gegenüberliegende Wand. Mark Garmont lehnt dort, die Füße locker überkreuzt, die Hände in die Tasche seiner Smokinghose vergraben, und grinst mich an.
„Hab ich doch richtig gesehen, dass du hier verschwunden bist“, sagt er und geht zum vertraulichen Du über, als wäre es selbstverständlich. Gut, wenn meine Vorstellung vom Rest des Abends auch nur annähernd stimmt, ist die steife Sie-Form wahrscheinlich mehr als überflüssig.
Er stößt sich von der Wand ab und kommt langsam auf mich zu. Wie ein Tiger, der jeden Moment zum Sprung auf seine Beute ansetzt. Seine erotische Ausstrahlung ist derart fesselnd, dass ich mich zusammenreißen muss, noch ruhig zu atmen.
„Ja, ich musste mal eben meinen Lippenstift nachziehen!“, antworte ich lächelnd. Sein Blick wandert sofort auf meinen Mund und seine Augen blitzen lustvoll auf.
„Damit ich ihn dir gleich wieder runterküssen kann?“, fragt Mark frech und zwinkert mir zu. Ich lege den Kopf ein wenig schief und erwidere das Grinsen. Wenn er so rangeht, kann ich das auch!
„Ja, rote Lippen soll man küssen, heißt es doch in einem deutschen Schlager.“ Mittlerweile ist er mir so nahe, dass ich ganz klar die dichten Wimpern erkennen kann, die seine blauen Augen umgeben. Die Luft scheint zu flirren, solch eine erotische Spannung herrscht zwischen uns.
„Ist das so?“, fragt er. „Na, dann wollen wir dem doch mal Folge leisten.“ Mit diesen Worten überbrückt Mark auch die letzten Zentimeter zwischen uns. Er packt mich hart an der Taille und drängt mich zurück gegen die Wand neben dem Eingang zur Damentoilette. Bevor ich reagieren kann, presst er seine Lippen auf meine und tastet forschend mit der Zunge, bis ich ihm Einlass gewähre. Leise stöhne ich auf, als seine Zunge meinen Mund erforscht. Dieses Kribbeln, das ich den ganzen Abend schon gespürt habe, wandelt sich in Hitze und droht, mich von innen heraus zu verbrennen. Am liebsten hätte ich mein Kleid hochgerafft und mich direkt hier an der Wand von ihm nehmen lassen.
„O verdammt, Lillian! Ich halte es nicht mehr aus. Den ganzen Abend über tauchst du ständig vor meiner Nase auf, in diesem sexy Cocktailkleid und den Schuhen, die die Fantasie eines Mannes in nicht-jugendfreie Bereiche lenken. Ich muss dich unbedingt haben. Jetzt!“, keucht Mark zwischen den Küssen und lässt seine Hände von meiner Taille aufwärts gleiten, bis er meine Brüste über dem Kleid umfasst und knetet. „Den ganzen Abend schon denke ich darüber nach, wie es sich anfühlt, mich in dir zu versenken! Los, lass uns eine ruhige Ecke suchen!“