Kitabı oku: «Spielregeln für Game Changer», sayfa 3
KAPITEL 3
The Great Game of Business – zwei Praxisbeispiele aus den USA
Wenn sich Mitarbeiter wie Mitunternehmer verhalten sollen, brauchen sie Zugang zu wichtigen Informationen und Verständnis für die Zusammenhänge im Geschäftsmodell. Und sie brauchen so viel Handlungs- und Entscheidungsspielraum wie ein Unternehmer. An zwei Praxisbeispielen erfährst du in diesem Kapitel, wie man alle Mitarbeiter befähigt, unternehmerisch zu denken und zu handeln.
In diesem Buch stelle ich dir eine Methode vor, mit der du spielerisch leicht das tradierte Managementsystem in ein System von Transparenz, Teamgeist, Kreativität und Freude am Ergebnis verwandelst. Sie ändert Kultur und Ergebnisse allein durch die Veränderung der Rahmenbedingungen. Du wirst in deinem Unternehmen die gleichen Qualitäten erzeugen, die im Mannschaftssport selbstverständlich sind und die es überhaupt erst ermöglichen, Freude am Spiel zu haben: Spielverständnis, Transparenz und eine unmittelbare Rückkopplung von eigenem Handeln und dem Gesamtergebnis. Vor allem wirst du dadurch deinem Team zu dem verhelfen, was unser aller Lebenselixier ist: zu Erfolgserlebnissen auf vielen Ebenen. Diese Methode ist aus dem entstanden, was wir über viele Jahre von ungewöhnlichen Unternehmern gelernt und hier in Deutschland mit beherzten Pionieren praktisch erprobt haben. Zwei dieser Unternehmer und ihre Organisationen waren dafür maßgeblich: Jack Stack von SRC und Ari Weinzweig von Zingerman’s.
Jack Stack und The Great Game of Business
Jack Stack ist eines der größten und kreativsten Genies der Managementlehre. Er hat – genau wie viele andere großartige Unternehmer und Vordenker – nie eine Business-School von innen gesehen. Stack ist der Erfinder von »The Great Game of Business« (GGOB), einem genial einfachen und erfolgreichen System für Organisationsentwicklung. GGOB wurde in den 80er-Jahren rein aus der Unternehmenspraxis heraus entwickelt. Jack Stack hatte damals mit elf Kollegen im Rahmen eines Management-Buy-outs die Springfield Renewal Company (SRC) von der angeschlagenen Muttergesellschaft International Harvester erworben. SRC war spezialisiert auf die Aufarbeitung von großen Dieselaggregaten.
Vom Start an war das Unternehmen praktisch pleite: SRC hatte neben International Harvester noch einen zweiten Kunden, mit dem es 40 Prozent seines Umsatzes machte. Dieser Kunde war nach dem Buyout abgesprungen, weil er das Unternehmen selbst hatte übernehmen wollen. Stack versammelte alle Mitarbeiter in der Fabrikhalle um sich, schilderte offen die Lage, benannte genau, wie viele Hunderttausend Dollar das Unternehmen monatlich erwirtschaften müsse, um allein die Zinsen zu bezahlen – und bat alle um gute Ideen, wie man die Lage drehen könnte. Er schenkte also allen Mitarbeitern reinen Wein ein, anders ausgedrückt: Er machte den Spielstand transparent. Viele Unternehmenslenker schrecken davor zurück, ihren Teams in schlechten Zeiten die Wahrheit zu sagen, weil sie fürchten, dass gerade die besten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen würden. Sprichwörter wie »Die Ratten verlassen das sinkende Schiff« nähren solche Befürchtungen. Dahinter steckt – wie immer – das alte negative Menschenbild der Managementlehre: Jeder ist sich selbst der Nächste. In Fall von SRC kam es natürlich anders. Kein Mensch verließ das Unternehmen, sondern es ging sofort ein Ruck durch die Belegschaft. Dieses Verhalten ist im Grunde völlig normal; einigermaßen intakte Systeme tendieren immer zum Selbsterhalt. Das heißt, wir versuchen instinktiv zunächst alles, um das System zu retten, wenn wir auch nur einen Funken Vertrauen in die Unternehmensspitze haben.
Stack und seine Kollegen konnten sich vor guten Ideen kaum retten. Doch sehr viele waren unbrauchbar, weil sie den größten Engpass – Cash – nicht lösten. Jack Stack dämmerte es, dass die Mitarbeiter die Spielregeln kennen müssen (sprich: die Finanzsprache sprechen), wenn sie etwas Sinnvolles zum Unternehmenserfolg beitragen können sollen. Genauso ist es im Sport oder bei jeder anderen Art von Spiel: Je besser ich das Spiel beherrsche, desto besser können meine Beiträge zum Erfolg sein. Doch die Begeisterung für BWL-Kurse hielt sich bei seinen Mitarbeitern in Grenzen, die meisten machten eher aus Pflicht denn aus Freude mit. Stack stellte sich die kluge Frage, wann sich Amerikaner freiwillig mit Zahlen beschäftigen. Die Antwort: beim Football und beim Baseball! Regelkunde, Raumgewinn und Passgenauigkeit errechnen, Punkte zählen – alles das lernt man beim Sport mit großer Motivation und Leichtigkeit. Man musste die Unternehmensführung also lediglich so interessant machen wie ein Football-Match, um mehr Begeisterung zu entfachen. Mehr noch, die Mitarbeiter sollten nicht einfach nur gut informierte Fans sein, die zuschauen, welche Ergebnisse das Management produziert, sondern sie sollten aktive Spielgestalter werden.
Das war die Geburtsstunde von The Great Game of Business. GGOB verwandelt die Unternehmensführung in ein großes Spiel, in dem die Mitarbeiter in großen und kleinen Teams mit dem Ziel »spielen«, bestimmte Kennzahlen zu erreichen: die kritische Zahl, also den zentralen Treiber des Unternehmenserfolges, ebenso wie diverse andere Kennzahlen, die mittelbar mit der kritischen Zahl verbunden sind. Voraussetzung ist, dass ausnahmslos alle Mitarbeiter vom Vorstand bis zur Putzfrau grundlegende Finanzkenntnisse besitzen und dass sie die Vision ebenso wie die Strategie kennen und unterstützen. Wer einmal selbst in Springfield erlebt hat, wie Fließbandarbeiter einem Außenstehenden mit großer Selbstverständlichkeit Konzepte wie den Cashflow oder eine komplexe Kennzahl wie die Lagerumschlagsgeschwindigkeit erklären, wird sich schnell für diesen unglaublichen Ansatz begeistern. Selbstredend sind sämtliche Finanzkennzahlen allgemein bekannt (Open-Book-Management); und selbstredend werden die Mitarbeiter angemessen am gemeinsam erwirtschafteten Gewinn beteiligt. SRC ist mittlerweile von 160 auf mehr als 2000 Mitarbeiter gewachsen und befindet sich komplett in der Hand der Mitarbeiter. Einige Mitarbeiter haben unter dem Dach der Mutter SRC neue Unternehmen gegründet. Hier sieht man, was es wirklich heißt, Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu machen.
Als ich das erste Mal von diesem System hörte, war ich erst mal skeptisch: Spielen und Arbeit – das passte irgendwie nicht zu meiner protestantisch-preußischen Arbeitsmoral. Ich hielt das Ganze für ein typisch amerikanisches Motivationsbohei, mit dem man den Leuten das letzte bisschen an Produktivität abpresst. Als ich mich dann endlich aufgerafft hatte, mir in Springfield selbst ein Bild von dieser Methode zu machen, war ich in wenigen Minuten überzeugt. Jack Stack hielt die Eröffnungsansprache. »Wenn ihr nur hier seid, um eine Methode zu erlernen, wie ihr eure Leute besser manipulieren könnt, dann fahrt sofort wieder nach Hause«, erklärte er den 50 Seminarteilnehmern, die aus den ganzen USA angereist waren. »The Great Game of Business funktioniert nur, wenn ihr ernsthaft am Wachstum von Menschen interessiert seid.« Ich war mir sicher, am richtigen Ort zu sein.
Mehrere Tausend Unternehmen in USA haben sich bereits von The Great Game of Business inspirieren lassen und den täglichen Kampf in einen spielerischen Wettbewerb verwandelt – mit überragenden Erfolgen, was Motivation, Selbstorganisation und Finanzen angeht. Unzählige Unternehmen befinden sich über einen ESOP-Plan7 in der Hand der Mitarbeiter.
Das coolste Unternehmen in den USA
Eines dieser höchst erfolgreichen Unternehmen, die unter anderem The Great Game of Business in ihren »Methodenbaukasten der Selbstorganisation« integriert haben, befindet sich in der idyllischen Universitätsstadt Ann Arbor in Michigan: die Zingerman’s Community of Businesses, kurz ZCOB.8 In USA ist Zingerman’s eine Berühmtheit: Prominente wie Barack Obama oder Oprah Winfrey geben sich dort die Klinke in die Hand. Inc. Magazine (in etwa das US-Pendant der deutschen Unternehmerzeitschrift Impulse) kürte Zingerman’s zur »coolest small company« in den USA. Einer der Gründer, Ari Weinzweig, wurde von Inc. in den Kreis der fünf besten Unternehmenslenker gewählt. In allen der mittlerweile 13 Unternehmen, die zur ZCOB gehören, herrscht ein unglaubliches Maß an Selbstorganisation und ein ebenso phänomenales Niveau an Qualität und Kundenservice. Die Strategie, auf die alle Mitarbeiter ausgerichtet sind, steht auf drei Säulen: Great Food – Great Service – Great Finance (großartige Speisen – großartiger Service – großartige Finanzen).
Die schon fast klischeehafte Erfolgsgeschichte von Zingerman’s begann 1978: Ari Weinzweig arbeitete nach seinem Abschluss in Geschichte mit dem Spezialgebiet »Russischer Anarchismus« zunächst als Tellerwäscher im Restaurant Maude’s, das von Paul Saginaw geleitet wurde. Die beiden entdeckten schnell ihre Liebe zu gutem Essen und waren sich einig, dass Ann Arbor unbedingt ein traditionelles jüdisches Deli brauchte – etwas, womit Ari Weinzweig in Chicago und Paul Saginaw in Detroit aufgewachsen waren. Im November 1981 machten sie ihren Traum wahr, als ein kleines Backsteingebäude in der Kingsley Street frei wurde: Weinzweig bekam ein Darlehen von seiner Großmutter, Saginaw belieh sein Haus mit einer zweiten Hypothek, und die beiden gründeten Zingerman’s. Ihr Ziel war es, dort das beste Corned-Beef-Sandwich aller Zeiten anzubieten und herausragende Lebensmittel nach Ann Arbor zu bringen.
Die Rahmenbedingungen waren alles andere als rosig: Ein halbes Dutzend Delis waren in der Stadt zuvor schon gescheitert, das heute trendige Viertel rund um den Wochenmarkt galt damals als düster und gefährlich – und der Darlehenszinssatz lag bei heute unvorstellbaren 18 Prozent. Doch die beiden schafften, was jeder für unmöglich gehalten hatte: Dank ihrer Liebe zu herausragendem Essen und dem gründertypischen 24/7-Einsatz blühte das kleine Geschäft mit seinen Sandwiches und dem kleinen, aber feinen Lebensmittelhandel immer mehr auf. Mittlerweile ist Zingerman’s eine der Topadressen für Foodies in den USA. Viele der auswärtigen Gäste haben das Gründerduo schon bestürmt, Zingerman’s-Filialen in anderen US-Städten zu eröffnen. Die Antwort ist immer die gleiche: Das Unternehmen habe eine Seele und die könne man nicht klonen. Die meisten auswärtigen Gäste sind überrascht, wie klein das berühmte Geschäft ist. Dazu Weinzweig: »Wir wollten nie zu den Größten zählen, sondern nur zu den Besten.« Statt über Filialen zu expandieren, ist man bei Zingerman’s einen anderen Weg gegangen. So wurden auf Initiative talentierter Mitarbeiter in Ann Arbor zwölf weitere spezialisierte Tochterunternehmen gegründet9, die alle die gleiche Mission verbindet: herausragende Lebensmittel auf hohem ökologischen und handwerklichen Niveau zu produzieren und dabei eine einzigartige Unternehmenskultur zu pflegen.10
Vorbildlich ist Zingerman’s im Umgang mit Unternehmenswachstum und den dabei zwangsläufig auftretenden Problemen und Engpässen. Ari Weinzweig adaptierte einen ursprünglich auf Abraham Maslow und Ron Lippitt zurückgehenden Ansatz namens Visioning. Demnach wehren sich Menschen vor allem darum vor Veränderungen (und genau das ist das »Problem« bei allen wachsenden Unternehmen), weil sie nicht wissen, für welches höhere Gut sie ihre bewährten Routinen aufgeben und Mehrarbeit in Kauf nehmen sollen. Haben sie jedoch eine klare, lebendige und vor allem attraktive (!) Vorstellung (»Vision«) von ihrer beruflichen Zukunft, verschwinden zum einen die Widerstände und zum anderen entfalten sich Selbstorganisation und Unterstützung für das Ziel. Dies zwingt die Unternehmen natürlich dazu, sinnstiftende und attraktive Strategien zu entwickeln, denn für das Ziel »Maximierung des Shareholder-Values« kommt wahrscheinlich kein normaler Mensch begeistert zur Arbeit. Bei Zingerman’s schreiben alle fest angestellten Mitarbeiter – wenn er oder sie es will – eine eigene, persönliche Vision. Und das Unternehmen tut dann alles, um die Person darin zu unterstützen, diese zu erreichen.
Vor einigen Jahren war ich in Ann Arbor, um von Ari Weinzweig die Kunst des Visioning zu erlernen. Ich war damals sehr beeindruckt von einer Küchenkraft aus dem Deli, die in ihrer Vision geschrieben hatte, dass sie Krankenschwester werden möchte. Das Unternehmen hat ihr nicht nur Mut gemacht, diese Vision Realität werden zu lassen, sondern hat ihre Schichtpläne dann so gelegt, dass sie auf die Abendschule gehen konnte. In unserem Workshop erzählte sie, dass sie gerade bei Zingerman’s gekündigt hatte und in drei Monaten im Krankenhaus von Ann Arbor ihre erste Stelle als Krankenschwester antreten würde. »Wer ist so bekloppt, gute Mitarbeiter zu ermutigen, das Unternehmen zu verlassen?«, wird sich jetzt manch einer fragen. Ganz einfach: Zingerman’s will ein attraktiver Arbeitgeber sein, ein Ort, an dem Menschen ihr volles Potenzial entwickeln können. Das ist etwas ganz anderes, als Menschen im Wortsinne einfach nur »Arbeit zu geben«, damit sie ihren Lebensunterhalt fristen können. Wenn der eine oder andere Mitarbeiter dabei entdeckt, dass seine Leidenschaft nicht darin besteht, großartiges Essen zu erzeugen, um dann etwas anderes zu tun, kann das nur im beiderseitigen Interesse sein: Der betreffende Mitarbeiter findet anderswo ein größeres Glück; und bei Zingerman’s ist man sicher, dass diejenigen, die bleiben, mit vollem Herzen dabei sind.
Alle Tochterunternehmen der ZCOB sind entstanden, weil Mitarbeiter die Sehnsucht nach etwas anderem verspürten. Wenn dieses »andere« zu den strategischen Säulen »Great Food – Great Service – Great Finance« passt, dann wird sorgfältig geprüft, ob diese Idee umgesetzt werden kann. Der erste Ableger des Delis ist die 1992 gegründete Bäckerei Bakehouse. Seit der Eröffnung des Delis fuhr jeden Morgen ein Mitarbeiter eine Stunde ins nahe gelegene Detroit (und wieder eine Stunde zurück), um dort bei einem besonders guten Bäcker das Brot für die Sandwiches zu kaufen; das Brot der ortsansässigen Bäcker genügte den Ansprüchen nicht. Frank Carollo, ein Mitarbeiter der ersten Stunde, brachte die Idee auf, eine eigene Bäckerei zu gründen – vor allem, um dann endlich all die köstlichen Backwaren zu produzieren, von denen man glaubte, dass sie die Kunden in Ann Arbor begeistern würden. Nach langem Rechnen und Visionieren fiel dann die Entscheidung, die Bäckerei zu eröffnen. Ganz nach dem Motto »Das Beste oder nichts« ging Carollo (der sich als gelernter Ingenieur das Backen selbst beigebracht hatte und Brot liebte) für ein halbes Jahr nach Frankreich und Deutschland, um dort bei den besten Bäckern zu hospitieren und zu lernen. Nach seiner Rückkehr wurde dann das Bakehouse in einem überraschend langweiligen Gewerbepark am Plaza Drive am Rande von Ann Arbor eröffnet. Hier spielte sich dann das Gleiche ab wie im Deli: Die herausragende Qualität führte zu rasantem Umsatzwachstum. Beliefert werden heute nicht nur die Zingerman’s-Unternehmen, sondern Restaurants und Einzelhändler in der gesamten Umgebung. Allein die Verkaufsstelle im Gewerbepark, weit ab von traditioneller Laufkundschaft, macht nahezu 1 Million Dollar Umsatz pro Jahr. »Eigentlich« wollte man dort gar nichts verkaufen. Doch nach und nach klopften immer mehr Angestellte der umliegenden Unternehmen an die Tür, um Brot mitzunehmen. Die Mundpropaganda tat das Ihrige, sodass dann bald ein eigener kleiner Laden in dem Gebäude eröffnet wurde.
Nach dem gleichen Muster wurden nach und nach die übrigen Unternehmen auf Initiative von Mitarbeitern ausgegründet: eine Kaffeerösterei mit Coffeeshop, ein traditionelles amerikanisches Diner (das Roadhouse), eine Molkerei, die Käse und Eiscreme produziert, ein koreanisches Restaurant (Miss Kim) und so weiter. Zingerman’s ist eine Brutstätte für Unternehmergeist und Exzellenz, und es zieht die besten und motiviertesten Leute an – genau das, wovon viele kleine und mittelständische Unternehmer träumen.
Ein großer Teil des Zingerman’s-Erfolges geht auf Open-Book-Management in spielerischer Form zurück, so wie es ursprünglich bei SRC erfunden wurde. Ausnahmslos alle Mitarbeiter – auch die Aushilfen – bekommen Finanztraining. Jeder versteht das Geschäftsmodell, kennt die Kostenstrukturen und die Gewinnmargen. Alle Mitarbeiter werden, wenn sie es wollen, in die strategische Planung eingebunden und können an der Zukunft des Unternehmens mitwirken. Aus Mitarbeitern sind wirkliche Mitunternehmer geworden. Die dem zugrunde liegende Geisteshaltung kann man natürlich nicht erlernen, man kann sie höchstens in sich entdecken. Allein macht aber auch sie kein Unternehmen erfolgreich. Hinzu kommen Methoden, Prozesse, Prinzipien, die jedermann erlernen kann. Einige davon werden dir in diesem Buch noch begegnen.
KAPITEL 4
Systeme ändern durch Transparenz und Verbundenheit – die universelle Gewinnformel
In fast allen Unternehmen agieren Führungskräfte wie Blindenführer: Ihre Mitarbeiter wissen weder, welche Ziele sie gemeinsam als Team erreichen sollen, noch wissen sie, wie nah sie diesen Zielen gekommen sind. Erfahre hier, welche Rolle Transparenz, Verbundenheit und Vertrauen spielen.
Veränderungen beim Militär
Eines der beeindruckendsten Beispiele dafür, wie Veränderungen von systemischen Rahmenbedingungen zu dramatisch besseren Ergebnissen führen, ist die Geschichte von Stanley McChrystal. Der US-General tat etwas Unvorstellbares: Er schaffte im Kampfeinsatz die hierarchische Befehlskette ab und befähigte seine Eliteeinheiten, die Special-Ops-Truppen, im Irakkrieg eigene Entscheidungen zu treffen. Er tat das aus schierer Not, denn die Gegner, die Al-Qaida-Gruppen, waren flexibel, anpassungsfähig und schnell, weil sie keine Befehle von oben brauchten, keine Meetings abhielten und über IT bestens vernetzt waren. »Es war unmöglich, sie zu schlagen«, erzählt McChrystal in einem Interview in brand eins im Januar 2017. »Wenn wir unseren Top-Down-Prozess anwendeten, waren wir immer zu langsam. Wir hatten zwar gute Informationen, aber bis sie durch die Befehlskette gewandert waren, waren sie veraltet und nicht mehr brauchbar. Wir mussten irgendwann die sehr schmerzliche und beängstigende Entscheidung treffen, jeden mit jedem zu vernetzen, um wirklich auf breiter Front die Informationen zu teilen, die sonst der obersten Führungsebene vorbehalten waren. Statt die Infos nach oben und die Befehle nach unten zu schicken, streuten wir Wissen in die Breite. Plötzlich konnten alle Soldaten unter meinem Kommando den vollen Kontext verstehen.«11 Diese – für militärische Verhältnisse – brutale Änderung der Spielregeln führte unmittelbar zu besseren Ergebnissen; aus durchschnittlich 18 Einsätzen im Monat wurden 300. Die Erfolgsquote stieg: Die Leute an der Front hatten bessere Informationen und konnten bessere Entscheidungen treffen, und sie fühlten mehr Verantwortung, weil es ihre Entscheidungen waren. Die einzelnen Teams verband McChrystal, indem das Wissen in alle Richtungen geteilt wurde. An die Stelle der Hierarchie trat ein Netzwerk, das er auf den Namen »Team von Teams« taufte.
McChrystal musste dafür etwas im Militär Unerhörtes tun: so viele Informationen teilen wie möglich. Erkenntnisse über den Feind unterlagen bis dato strikter Geheimhaltung. Solche Informationen wurden an die Spitze weitergeleitet, analysiert, ausgewertet und mündeten dann in entsprechenden Einsatzbefehlen. In der neuen Struktur wurden diese Informationen mit allen geteilt, und die Spezialeinheiten konnten weitgehend autonom ihre eigenen Schlüsse ziehen und Einsätze planen. Das Teilen der Informationen führte zu einem »geteilten Bewusstsein«. McChrystal beschreibt auch, wie schwer es ihm fiel, Macht und Kontrolle abzugeben und zu teilen. Es sei zwar schön gewesen, dass er nicht mehr mitten in der Nacht geweckt wurde, um einen tödlichen Einsatzbefehl zu beurteilen und zu genehmigen – aber dafür fehlte auch das Gefühl der Unentbehrlichkeit und Wichtigkeit. Er schreibt über die Unsicherheit und die damit verbundenen Ängste. Der Strategiewechsel sei vergleichbar gewesen mit der Aufgabe, ein Flugzeug in der Luft umzubauen, unter der erschwerten Bedingung, dass niemand Erfahrung damit hatte. Das Einzige, das sie hatten, war eine Blaupause: eine Organisation, die noch beweglicher, vernetzter und schlagkräftiger war als die Zellen von Al-Qaida-Anführer Abu Musab az-Zarqawi. Das bedeutete insofern einen kompletten Paradigmenwechsel, als das US-Militär zuvor ganz nach den Prinzipien, nach denen Frederick Taylor die Industrie organisiert hatte, auf maximale Effizienz getrimmt worden war. Was die Truppen im neuen Paradigma brauchten, waren Resilienz und Flexibilität.
McChrystal empfiehlt sein System von vollkommener Transparenz und Ermächtigung auch allen Unternehmenslenkern. Unter den komplexen und dynamischen Marktbedingungen sei hierarchisches Management zum Scheitern verurteilt, da wenige Menschen an der Spitze unmöglich alle Entscheidungen treffen könnten. Er plädiert selbst angesichts der Informationsskandale rund um Edward Snowden, Chelsea Manning und Wikileaks für vollkommene Transparenz. Die Frage, wann man wisse, wo die Grenze der Informationsfreiheit liege, beantwortet er mit einem lapidaren »Wenn es illegal ist«.
In seinem Buch Team of Teams zeigt McChrystal unter anderem am Beispiel der US-Autogiganten General Motors und Ford, warum das Erfolgsmodell »hierarchisches Management« ausgedient hat und welches Erfolgspotenzial in der Kombination von Transparenz und Verbundenheit steckt.