Kitabı oku: «Am Ende der Wahrheit», sayfa 2
Kapitel 3
Gestern hab ich den ganzen Tag im Weingarten geholfen, heute tut mir alles weh. Ich bin die harte Arbeit am steilen Berg einfach nicht mehr gewohnt. Die Begegnung mit Markus habe ich inzwischen zwar fast verdaut, aber dieses kurze Wiedersehen war nicht gerade förderlich um meine Schlaflosigkeit zu bekämpfen. Im Gegenteil. Mir gehen so viele Dinge durch den Kopf. Ich bin auf dem Weg zu meinem Frisörtermin und freue mich auf mindestens zwei Stunden Smalltalk mit Sabine. Eine positive Ablenkung. Ich habe sie so lange nicht gesehen und wenn ich ehrlich bin, vermisse ich unsere Gespräche von früher ziemlich oft. Meine Eltern sind heute mit Maxi unterwegs. Sie haben ein volles Programm. Graz und McDonalds, außerdem schauen sie sich irgendeinen Motorik Park an. Ich glaube sie wollen die versäumte Zeit mit ihrem Enkel nachholen. Auch wenn ich mich nur schwer von Maxi löse finde ich es gut, dass sie gemeinsam unterwegs sind. Er wird von Tag zu Tag aufgeschlossener und scheint sich hier wohl zu fühlen. Mama meinte ich muss einmal ein paar Stunden loslassen und für mich selbst sein. Sie hat wie immer Recht, auch wenn ich es wie immer nicht zugeben kann. Sabine umarmt mich freudestrahlend als ich ihren Salon betrete. Viel hat sich nicht verändert in den vergangenen sechs Jahren. Es fühlt sich ein bisschen wehmütig an, ich habe immer gerne hier gearbeitet. Sie war eine tolle Ausbildnerin und außerdem eine gute Freundin bei dir ich immer mein Herz ausschütten durfte. Sie schaut sich meine Haare an und verdreht die Augen.
„Na das wird aber höchste Zeit meine Liebe…“, murmelt sie. „Fünf Zentimeter. Mindestens. Und neue Strähnen.“
„Ja…mach einfach. Ich vertraue dir.“
Während dem Auftragen der Strähnen tratschen wir über alles Mögliche, ich habe sie vermisst, diese unkomplizierte, steirische Art. Die Deutschen sind anders. Auch wenn die Münchner ja keine richtigen Deutschen sind. Inzwischen die Strähnen einwirken, wäscht und föhnt Sabine einer älteren Dame die Haare. Ich blättere kurz in meiner Illustrierten, bevor ich unwillkürlich wieder an Markus denken muss. Er geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Ich blicke auf den Firsörstuhl neben mir. Am Samstag nach dem Weinfest sah ich ihn wieder. Sofort bin ich wieder in Gedanken dort.
Es war wenig los für einen Samstag, es schien, als wäre der ganze Ort nach dem Weinfest noch im Tiefschlaf. Darum kehrte ich vor dem Laden die Blätter, welche das nächtliche Gewitter herumgewirbelt hatte, zusammen. Gerade als ich im Abstellraum wieder alles verstaut hatte und zurück nach vorne in den Laden ging, öffnete sich die Tür. Da stand er und lächelte mich an. Mit zwei Papiersackerln vom Bäcker gegenüber in der Hand. Wieder ein bisschen schüchtern. Sabine sprach in gleich in gewohnt forscher Manier an, ob er einen Termin habe.
Mit hilflosem Blick sah er zu mir.
„Ich mach das schon…“, sagte ich zu ihr, Sabine sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Er jedoch schaute erleichtert aus, vermutlich weil ich Sabine gleich ablöste.
„Hallo. Kommst du zum Haareschneiden?“, fragte ich ihn.
Sofort wurde er wieder ein bisschen rot.
„Ähhhm… Hallo… Also ja… Haareschneiden… Ok…“
Er stammelte etwas daher, was ich ignorierte, ich wies ihm einfach nur den Platz zu und er setzte sich auch gleich hin. Ich holte den Frisierumhang und tat ganz professionell, auch wenn ich komisch nervös war, was ich zu unterdrücken versuchte.
„Und? Was machen wir denn?“, fragte ich immer noch sehr professionell.
Er sah mich groß an und ich nahm ihm das Antworten ab.
„Konturen, oben kürzer?“
„Nicht zu kurz bitte.“
Ich nickte und zog meinen Frisierwagen an meine Seite. Dann strich ich mit den Händen durch seine dunkelbraunen Haare hinunter über den Nacken bis zu seinen Schultern. Eigentlich machte ich das immer so um mir ein Bild von der Haarqualität zu verschaffen, doch diesmal fühlte es sich anders an. Anders als alles andere. Seine Haare waren dicht, aber weich, sein Nacken und die Schultern muskulös. Unser Blick traf sich kurz im Spiegel. Er hatte für einen Mann eine unglaublich schöne Haut, die dunklen Augen, die fast durchdringend schienen fielen mir schon gestern Abend auf. Ich atmete ein und hielt kurz die Luft an. So eine schöne Haut…für einen jungen Burschen wirklich ungewöhnlich. Verlegen löste ich mich von seinen Schultern, wo meine Hände immer noch wie magnetisch hängen blieben. Irgendwie musste ich mich wieder einkriegen.
„Waschen auch?“
Er zuckte mit den Schultern.
„Ok, mache ich nach dem Schneiden.“
Dann fing ich an. Es fühlte sich wie eine Prüfung an, so nervös war ich. Darum musste ich schnell ein Gespräch anfangen um die Stille zu brechen.
„Woher weißt du, dass ich hier arbeite?“
„Wusste ich nicht. Ich hab dich vom Bäcker gegenüber gesehen, als du die Straße gefegt hast.“
Das brachte mich zum Lächeln. Er ist echt wegen mir hier herüber gekommen.
„Ah… Frühstück für deine Freunde?“
Er nickte. Er schien mir sehr wortkarg zu sein.
„Macht ihr Urlaub hier? Du und deine Freunde?“
„Nein, die fahren heute wieder zurück nach Graz.“ Er wurde ein bisschen rot. „Nochmal Entschuldigung wegen gestern, sie haben dich schlecht behandelt.“
„Das habe ich schon vergessen. Alles gut. Darüber müssen wir wirklich nicht mehr sprechen. Und du? Hast du Urlaub, oder Ferien?“
„Ich bin gerade mit dem Bundesheer fertig geworden.“
Mit dem Bundesheer fertig geworden. Er ist echt noch jünger, als ich vermutete. Vielleicht zwanzig?
„Und jetzt?“, fuhr ich fort.
„Ich fange im Herbst an Sportwissenschaften zu studieren. Keine Ahnung wie das klappen wird“, seufzte er.
„Warum?“, fragte ich neugierig nach.
„Ich bin Leistungsschwimmer.“
Leistungsschwimmer also. Ich war beeindruckt. Darum die muskulösen Schultern. Er erzählte mir, dass er viel unterwegs ist und scheinbar auch relativ gute Platzierungen erzielte. Beim Waschen der Haare redeten wir dann wieder nicht. Ich war froh darüber und ich hätte ewig weiter schamponieren können. Er schloss seine Augen und einmal als ich sanft den Schaum von seinen Schläfen nahm, bemerkte ich sein tiefes Einatmen. Das fuhr durch meinen Körper wie ein Stromschlag, wieder versuchte ich mich zu sammeln. Ich wasche täglich dutzenden Kunden die Haare und noch nie war das so ungewöhnlich wie an diesem Tag. Irgendwie war ich dann doch froh als ich fertig war, oder auch nicht, ich weiß es nicht mehr. Der Schnitt war mir auf jeden Fall gut gelungen und er zufrieden. Nachdem er bezahlte ging er wieder und ich sah ihm nachdenklich hinterher, bis mich Sabine zurück in die Realität holte.
„Wer ist denn der Bursche?“, schmunzelte sie.
„Keine Ahnung. Wohnt im Ferienhaus beim Badesee“, entgegnete ich abwesend und begann die Haare am Boden zusammen zu fegen, als sich die Türe wieder öffnete. Wieder stand er da. Erneut verlegen.
„Was vergessen?“, fragte ihn Sabine, wieder recht forsch.
„Ja…“, er kam auf mich zu und drückte mir eine Papiertüte vom Bäcker in die Hand. „Frühstück für dich.“
Ich grinste bestimmt wie eine Irre. Gott er war so süß.
„Oh Danke.“
Er zappelte etwas nervös herum. „Gehst du heute Abend etwas mit mir trinken?“
Mir fiel die Kinnlade hinunter. Damit rechnete ich absolut nicht. Er sah mich abwartend an, diese Frage kostete ihn ziemliche Überwindung, das merkte ich. Kurz überlegte ich, aber ich konnte einfach nicht nein sagen.
„Ja gerne“, lächelte ich ihn etwas verlegen an.
Dieses spontane „ja gerne“ überraschte ihn glaube ich. Ein erleichtertes Lächeln entkam ihm.
„Super. Wo treffen wir uns?“, fragte er schnell, fast als hätte er Angst ich überlege es mir anders.
„Vor dem Juwelier da drüben? Vielleicht so um acht?“
Er nickte euphorisch und ich freute mich. Ja ich freute mich. Auch wenn ich versuchte der Sache nicht so viel Bedeutung zu schenken. Er war einfach zu jung für mich, oder ich zu alt für ihn. Wie auch immer. Es machte ihm sichtlich eine Freude, dass ich einverstanden war. Nur ein Getränk, das fand ich auf jeden Fall ok. Als er wieder ging, öffnete ich das Bäckersackerl. Wieder durchfuhr mich dieser komische Schlag. Ich zog ein Mürbteigherz, gefüllt mit Ribiselmarmelade heraus. Ahhh…wie süß. Nebenbei mochte ich dieses Herz total gerne, ich kaufte es mir auch schon öfter selbst, aber es von einem jungen Mann zu bekommen, ich schwärmte ein bisschen für mich selbst. Der restliche Arbeitstag verlief fast beschwingt würde ich heute sagen.
„So zum Abwaschen Resi bitte.“
Sabine holt mich zurück in die Gegenwart. Ich stehe auf und gehe zum Waschbecken. Knapp eine Stunde später bin ich fertig. Tip top neu gestylt. Wie immer perfekt. Meine Haare fallen sanft in Wellen über meine Schultern. Ich fühle mich seit Wochen wieder einmal richtig wohl in meiner Haut. Nachdem ich zu Hause eine Kleinigkeit für Leopold und mich gekocht habe, bügle ich den Wäscheberg weg. Mama freut sich bestimmt darüber. Zwei Leute mehr im Haushalt machen natürlich auch Arbeit. Vor allem wenn ein Kind dabei ist, Maxi wirbelt den ganzen Tag draußen herum und sieht immer dementsprechend paniert aus. Er genießt es im Freien spielen zu dürfen und raus zu können wann er will. Damit Mama nicht so viel Arbeit mit uns hat, helfe ich ihr wo es geht. Solange ich noch nicht weiß wie es arbeitsmäßig bei mir weiter geht, ist es das Mindeste was ich tun kann. Sabine hat mir zwar angeboten ich könne jederzeit wieder bei ihr anfangen, aber ich weiß nicht ob ich das will. Ich denke ich brauche noch Zeit. Wieder schweifen meine Gedanken beim Bügeln der Wäschestücke an jenen Samstagabend als ich mich mit Markus traf zurück. Mein Herz zieht sich etwas zusammen.
Ich machte mich besonders hübsch, wenn ich schon älter als er war, dann sollte ich zumindest möglichst unwiderstehlich aussehen, auch wenn ich kurz vorm Juwelier fast einen Rückzieher machte. Ich wollte schon wieder umdrehen und nach Hause, weil ich mir ziemlich blöd vorkam. In meinem kurzen dunkelblauen Kleid aus filigraner Lochspitze und den passenden Keilsandeln sah ich zumindest richtig gut aus. Es war das einzige richtig schöne Kleid das ich besaß und Geld für ein neues hatte ich ja nicht. Sogar meine Haare waren perfekt. Trotzdem wollte ich schon umdrehen. Wo sollte das denn hinführen? Doch da stand er und wartete auf mich. Ich musterte ihn. Seine Frisur war mir wirklich gut gelungen, aber bei so einem gutaussenden Burschen kann man auch nicht viel verhauen. Kurz bekam ich Zweifel. Was wollte er eigentlich von mir? Was wollte ich von ihm? Schnell schob ich meine Gedanken beiseite, als er auch schon auf mich zukam. Wieder wirkte er sehr zurückhaltend auf mich und vielleicht auch ein wenig zappelig.
„Hallo Teresa.“
„Hallo Markus.“
Ich lächelte ihn sehr bestimmt an um ihm zu signalisieren, dass er in meiner Gegenwart nicht schüchtern sein muss und das, obwohl ich selbst seltsam nervös war. Wir gingen zuerst ins örtliche Kaffeehaus und unterhielten und über dies und das. Es stellte sich heraus, dass er neunzehn war. Gott. Neunzehn. Fast fünf Jahre jünger als ich, aber das interessierte ihn absolut nicht, so kam es mir zumindest vor. Er erzählte von seiner Schwimmkarriere, er hat schon beachtliche Wettkämpfe hinter sich. Mit knapp zehn Jahren begann er wettbewerbsmäßig zu schwimmen. Landes- und Staatsmeisterschaften mit durchaus guten Platzierungen. Sein Vater war auch in der Sportbranche tätig, gleich wie seine Mutter, die damals eine amerikanische Schwimmerin in Denver trainierte. Sie war in jungen Jahren ebenfalls Leistungsschwimmerin und gibt ihr Wissen jetzt jungen Talenten weiter. Sein Vater arbeitete aber hauptberuflich im Finanzwesen und coacht Markus nebenbei. Ich war beeindruckt. So jung und schon so viel erlebt. Meine vorangegangenen Zweifel waren plötzlich wie weggefegt.
„Ist das nicht unglaublich anstrengend? Immer das viele Training und du musst doch ganz bestimmt fürchterlich diszipliniert sein?“, frage ich neugierig.
„Ich bin das so gewohnt. Hin und wieder ist es nervig wenn ich viel unterwegs bin“, antworte er und wurde langsam gelöster.
Es schien ihm zu gefallen, dass ich mich für das Schwimmen interessierte. Ich war aber auch wirklich interessiert. Zwei Kaffee später fuhren wir in ein Tanzlokal in den Nachbarort. Er fuhr. Zum Glück war er zum Autofahren schon alt genug. Dort fühlte ich mich gleich viel wohler, unbeobachteter. Ich wollte auf keinen Fall Anton begegnen, auch wenn ich anfangs nicht das Gefühl hatte, es wäre ein Date gewesen. Anton hätte sicher blöde Fragen gestellt, oder Markus angepöbelt. Ich hätte ihm das lupenrein zugetraut. Das wollte ich vermeiden. Ich glaube ich fühlte mich noch unsicherer als er. Darum musste ich meine Nervosität in seiner Gegenwart in den Griff bekommen. Ein paar Mixgetränke halfen mir dabei. Ich konnte Markus überreden auch etwas zu trinken, wir beschlossen kurzerhand später mit dem Taxi zurück zu fahren. So wurde auch er schnell lockerer. Wir tanzten und hatten Spaß. Eine Menge Spaß. Er gefiel mir und ich mochte die Art wie er mit mir umging. Das kannte ich nicht. Heute würde ich sagen wertschätzend und aufmerksam. Seine Blicke machten mich verlegen, auch das kannte ich nicht. Kurz nach Mitternacht verließen wir das Lokal. Einfach so. Es reichte. Ich hatte das Gefühl es knisterte so zwischen uns, dass ich es kaum noch im Raum aushielt. Wenn er mich beim Tanzen berührte, wenn auch sehr diszipliniert würde ich heute sagen, hatte ich das Gefühl Feuer zu fangen. Ich musste raus an die Luft, aber vielleicht wollte ich auch einfach nur mit ihm allein sein. Ich war richtig froh einen tiefen Atemzug an der frischen Luft draußen vor dem Lokal machen zu können. Es war eine laue, sternenklare Sommernacht. Vielleicht war ich durch den Alkohol ein wenig zu locker, aber es fühlte sich herrlich an. Beschwingt, frei, ich musste einmal nicht an meine Probleme denken. Und das Beste, er war da. Immer noch. Damit hatte ich nicht gerechnet, ich dachte die Einladung zum Kaffee wäre nur eine höfliche Geste dafür, dass ich ihn am Vortag nach Hause brachte, aber es schien sich anders zu entwickeln. Wir gingen ein paar Schritte, alles war ruhig, mein Herz klopfte und das verstärkte sich noch, als seine Hand nach meiner griff. Ich wartete darauf und trotzdem fühlte es sich so unreal an. Seine warme zarte Haut an meiner. Ich konnte einfach nicht anders, sonst wäre ich explodiert. Schnell verstärkte ich den Griff meiner Hand und zog ihn an mich, nie vergesse ich seinen Blick nahe an meinem Gesicht. Ich spürte seinen Atem. Er wolle es genauso wie ich. Ja ich wollte ihn. Es war wie ein ausbrechendes Feuer, das nur mit einer Waffe gelöscht werden konnte. Ich griff mit meinen Händen um seinen Hals und zog seine Lippen fordernd an meine. Sofort erwiderte er mein Vorhaben, zuerst sanft, dann innig. Nicht wie ein Neunzehnjähriger, aber das war mir in dem Moment sowieso egal. Nach und nach taute er auf, genau wie ich. Seine Hände wanderten meine Rücken hinunter und stoppten sanft an meinem Hintern. Endlich waren sie dort wo ich es mir schon seit Stunden heimlich wünschte. Mir lief ein warmer Schauer über die Haut. Ich saugte ihn auf, es war atemberaubend. Erst das Licht eines vorbeifahrenden Wagens holte uns zurück. Jetzt war ich verlegen. Ich löste mich und strich fast entschuldigend mein Kleid zurecht. Er sagte nichts, ich auch nicht. Es gab keine Worte die diesen Kuss beschreiben konnten. Auch im Taxi zurück nach Hause sprach er nicht, aber er legte seine Hand auf meinen Oberschenkel. Zart. Sanft. Wieder sah er mich so an und wieder klopfte mein Herz. Irgendwann erlangte ich trotz all dem Gefühlschaos meine Denkfunktion wieder zurück.
„Markus… du bist Neunzehn und ich fast Vierundzwanzig. Das geht nicht. Was wird das…Eine Mutprobe? Das geht doch nicht, das ist nicht vernünftig und….“
Er unterbrach mich. „Ich bin nicht besonders mutig, aber ein bisschen betrunken.“ Seine Hand wanderte ein Stück weiter hoch und wieder dieser Blick. Mir schnürte es den Hals ab, es durchführ mich wie ein Blitz. Seine Hand an dieser Stelle auf meinem Bein zu spüren war unreal und gleichzeitig unglaublich heiß. Ich musste mich sehr zusammenreißen um sachlich zu bleiben.
„Ich wohne dort hinten, Sie müssen die nächste Straße rechts einbiegen“, instruierte ich den Taxifahrer ohne auf seine Worte einzugehen.
„Nein…Warte ich möchte dir etwas zeigen…“, wimmelte Markus ab, plötzlich sehr zielstrebig.
„Was denn?“, fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen.
Er sagte nichts. Irgendwie war er gar nicht mehr schüchtern. Im Gegenteil. Vielleicht doch Mutprobe. Ich wollte kein Teil einer Mutprobe sein, auch wenn die Haut auf meinem Oberschenkel unter seiner Hand glühte. Kurz vor dem Anstieg zu seinem Ferienhaus blieben wir stehen. Er griff wieder nach meiner Hand.
„Sagst du mir jetzt bitte was du vorhast?“, fragte ich noch einmal etwas energischer, während er dem Taxifahrer das Geld in die Hand drückte.
„Da unten ist das Bootshaus vom See. Ich glaube ich habe noch was zu trinken dort. Komm.“
Also stieg ich etwas zögerlich aus und er zog mich hinter sich her. Etwas widerwillig folgte ich ihm. Im See spiegelten sich romantisch die Sterne. Es war ein perfekter Abend. Er war perfekt. Im kleinen Bootshaus war es natürlich stockdunkel, aber als er eine Öllampe anmachte, hüllte das Licht den Raum in ein zartes gelbrot. Er kramte hinter ein paar Kisten, scheinbar erfolglos auf der Suche nach etwas zu trinken.
„Ich mag nichts mehr trinken“, hauchte ich.
Ich fühlte mich komisch. Komisch gut. Als ich ihn so ansah fielen plötzlich alle Zweifel von mir ab. Nein, eigentlich waren mir die Zweifel egal. Da war nur noch er.
Er schaute auf. „Ich glaube die Jungs haben gestern alles ausgetrunken. Sorry.“
„Macht nichts.“
Ich ging auf ihn zu. Mir war heiß, aber auch kalt und ich war nicht fähig klar zu denken. Alles ging wie von selbst, so als wäre ich ferngesteuert. Ich wollte ihn. Jetzt. Ich war so scharf darauf, auch wenn es anders war als alles was ich bis dahin erlebte. Er war anders. Vielleicht wollte ich es genau deshalb so unbedingt. Seine schüchterne liebenswerte und trotzdem fast verwegene Art machte mich unfähig klar und überlegt zu handeln. Wieder küssten wir uns, aber ich gab ihm sofort unmissverständlich zu verstehen, dass ich mehr wollte. Sanft schob ich meine Hände unter sein Shirt und strich seinen Rücken hoch. Seine Haut war sanft und glatt, aber auch fest, auf jeden Fall unwiderstehlich und er roch so gut, wenn ich heute daran denke, bekomme ich sofort wieder eine Gänsehaut.
„Ist das eine Masche?“, fragte ich atemlos.
„Was für eine Masche?“ Er war mindestens ebenso atemlos wie ich.
„Schleppst du die Mädels hierher ab?“
„Nein…eigentlich nicht…“, murmelte er und küsste mich weiter.
„Eigentlich nicht?“
Meine Hände wanderten nach vorne, seine Brust fühlte sich noch besser als erwartet an.
„Ich wollte dich nicht abschleppen…“, hauchte er sanft in mein Ohr.
Dieses Hauchen war das Stichwort. Ich konnte nicht mehr. Alles war mir ganz plötzlich egal. Einfach egal. Ich wolle es jetzt und zwar sofort. Ohne Umschweife. Ohne weitere Worte. Normalerweise war das nicht meine Art, doch an diesem Abend baute sich ein unbeschreibliches Gefühl in mir auf, ich wollte ihn einfach nur spüren, fühlen, eins mit ihm sein. Schnell zog ich ihm sein Shirt über den Kopf. Wenige Minuten später hatten wir Sex auf einer kratzigen Decke in einem alten Holzboot das im Bootshaus lagerte. Nein, es war mehr als Sex. Wir liebten uns mit jeder Faser unserer Körper und es war unbeschreiblich. Ich war wie elektrisiert, von jeder Berührung, von jedem Kuss, von jeder Zärtlichkeit die er mir entgegenbrachte. Es war als hätte ich ihn in mir aufgenommen. Keine Ahnung was er machte und wie er das schaffte, ich war weggebeamt, auf irgendeinem anderen Stern. Mit ihm. Es gab nur uns. Er presste sich fest auf mich und ich vergrub meine Hände in seinen Haaren. Jedes Eindringen, jede seiner rhythmischen Bewegungen trug mich weiter fort, einmal schauten wir uns noch in die Augen, sein Mund war leicht geöffnet, dann konnte ich nicht mehr, ich glaubte zu verbrennen, zu verglühen wie ein heller Stern irgendwo weit draußen am Horizont der schlussendlich irgendwo im Meer versinkt. Ich kann mich erinnern, dass er laut ausatmete, dann vergrub er seine Nase in meinen Haaren und fuhr damit die Linie meiner Schläfen bis zu meinem Hals nach. Es dauerte Minuten bis ich mich wieder gefangen hatte. Erst jetzt bemerkte ich die kratzige Decke und die harten Holzschindeln unter mir. Mein Körper zitterte ein wenig, aber mir war nicht kalt. Ich war mit Anton in einer jahrelangen Beziehung, aber dieses Gefühl das in mir nachhallte, das hatte er nie geschafft. Nein, ich bin mir sicher, nie zuvor hatte ich mich so gefühlt. Kurz überlegte ich, ob das vielleicht mein erster richtiger Orgasmus war. Ja…könnte sein. Nein – es war definitiv so.
„Ist dir kalt?“, fragte Markus leise, seine Nase dich an meinem Ohr, seinen Körper immer noch an meinen gepresst.
Mir war nicht kalt, aber das Zittern konnte ich auch nicht abstellen. Immer noch kribbelte mein ganzer Körper und das geniale, nie zuvor dagewesene Gefühl hallte in mir nach. Er sah auf und lächelte mich an. Seine Wangen waren leicht gerötet, das fand ich süß, ich musste einfach darüber streichen. Unaufgefordert stand er auf, ich bewunderte seine Rückansicht. Wow…so ein knackiger Hintern, schöne lange muskulöse Beine, ich schwärmte für mich selbst. Er zog eine Decke aus einem Schrank und breitete sie über mich. Die war nicht ganz so kratzig wie die unter mir. Dann kuschelte er sich an mich und ich kam langsam wieder zu mir, blieb aber in meinem Glücksmodus. Wir redeten nicht, aber er strich immer wieder sanft mit seinen Fingern über meine Arme und meinen Bauch. Es war nicht nötig zu sprechen. Nichts war zu tun oder zu sagen. Irgendwann ging das Licht der Lampe aus, aber es war nicht dunkel, denn draußen wurde es langsam hell.
„Ich werde jetzt wohl besser nach Hause gehen…“, murmelte ich in seine Schulter und küsste sie sanft.
„Jetzt schon?“, meinte er etwas enttäuscht.
Lächelnd strich ich durch seine Haare. „Ja…es ist doch bestimmt schon nach fünf Uhr, oder?“
Er schaute auf seine Uhr. „Zehn vor fünf.“
Langsam stand ich auf und zog mich an. Ja, ich wäre lieber geblieben. Ja, ich hätte gerne sofort noch einmal mit ihm geschlafen. Doch ich wollte vernünftig sein. Das Richtige tun, auch wenn ich nicht wusste was das Richtige ist. Er begleitete mich querfeldein bis wir nahe meinem Zuhause ankamen. Wieder sprachen wir nicht viel. Ich blieb kurz stehen und nahm seine Hand.
„Ich bin dir nicht böse, wenn es ein One Night Stand war, oder eine Mutprobe.“
Auch wenn ich das so sagte, hatte ich Angst vor der Antwort, denn ich konnte mir nicht vorstellen das Erlebte so schnell vergessen zu können.
Er sah mich verwundert an. „Wie kommst du darauf?“
Schnell zog er mich an sich.
„Das war viel zu gut um es nicht wieder zu tun“, murmelte er und drückte mich fest an sich.
Wieder kribbelte es durch meinem ganzen Körper. Ein gutes Gefühl, die Antwort die die ich mir wünschte zu hören. Ich wollte kein One Night Stand sein, das lag mir nicht und auch für mich fühlte es sich so unwahrscheinlich gut an, dass ich mir mehr wünschte. Viel mehr.
„Mein Vater ist jetzt noch hier, aber er fährt bestimmt am späten Nachmittag zurück nach Graz, weil er montags immer viele Termine hat, aber ich werde hier bleiben. Also wenn du willst, koche ich heute Abend etwas und du könntest eine Flasche Wein mitbringen.“
„Du kannst kochen?“, fragte ich leicht amüsiert.
„Spagetti gehen schon.“
„Musst du nicht zum Training?“
„Ich werde Papa sagen, dass ich am See trainiere und noch ein bisschen Ruhe brauche.“
„Weiß?“, entgegnete ich lächelnd.
„Was weiß?“, fragte er.
„Weißwein ok? Ich mag Schilcher nicht so gern.“
„Ach so. Ja. Perfekt“, entgegne er und schien froh über meine Zustimmung zu sein.
Er nahm mich noch einmal in den Arm und wir küssten uns leidenschaftlich zum Abschied. Den restlichen Weg ging ich allein und das war gut so. Ich musste wieder atmen. Wieder Luft bekommen. Kein One Night Stand. Vielleicht auch keine Mutprobe. Es fühlte sich gut an. Richtig gut.