Kitabı oku: «Hat China schon gewonnen?», sayfa 5
Was die effektive Umsetzung von Anweisungen zur Steigerung der Investitionen anbelangt, kann China durchaus noch von anderen Ländern lernen. Zum Beispiel könnte es sich einiges bei Singapur abschauen, dessen Economic Development Board (EDB) erfolgreicher als jede andere Behörde weltweit in der Unternehmensförderung ist. Es ist schlichtweg atemberaubend, wie erfolgreich das EDB darin war, Investitionen aus Amerika anzulocken. Singapur ist, was die Fläche anbelangt, der kleinste Staat in Südostasien, und von den 650 Millionen Menschen in Südostasien leben gerade einmal fünf Millionen in Singapur. Dennoch ist es dem Land gelungen, mehr amerikanische Investitionen anzulocken als das restliche Südostasien insgesamt. 2017 betrugen die amerikanischen Direktinvestitionen in Singapur 274,3 Milliarden Dollar.36 Singapurs Außenminister Vivian Balakrishnan sagte: „Das entspricht rund 80 Prozent der insgesamt 328 Milliarden Dollar an amerikanischen ausländischen Direktinvestitionen in ASEAN-Mitgliedstaaten.“37 Amerikanische Firmen haben mehr Geld in Singapur investiert als in größeren Volkswirtschaften wie Australien (169 Milliarden Dollar), Japan (129 Milliarden Dollar), Indien (45 Milliarden Dollar) und Südkorea (41 Milliarden Dollar).38,39,40,41
Dass Singapur amerikanisches Kapital anlockte, geschah aus wirtschaftlichen Zwängen heraus. Bei China ist diese wirtschaftliche Notwendigkeit nicht gegeben. Die Wirtschaft kann auch ohne amerikanische Investitionen gut wachsen. Im Falle Chinas gilt deshalb, dass das Land aus strategischen Notwendigkeiten heraus amerikanische – und überhaupt westliche – Investitionen anlocken sollte. Der strategische Grund besteht darin, im Verhältnis zu Amerika und der westlichen Welt für einen wichtigen stabilisierenden Effekt zu sorgen. Deshalb sollte China es wie Singapur machen und eine zentrale staatliche Anlaufstelle erschaffen, die wie das EDB Investitionen nach China anlockt und Investoren die Arbeit erleichtert. China ist ein gewaltiger Staat und der Umgang mit ausländischen Investitionen bleibt einzelnen Provinzen und Städten überlassen. Das führt zu regionalen Schieflagen beim Umgang mit Investitionen.
Sollte es als strategisch notwendig erachtet werden, amerikanische Investitionen zu generieren, wäre es logisch, dass China auf nationaler Ebene eine Superbehörde ins Leben ruft, die gleiche Chancen für sämtliche ausländischen Investitionen gewährleistet. Dieser Superbehörde sollten klar formulierte Ziele mit auf den Weg gegeben werden und es wäre klug, wenn sich diese Superbehörde bemühte, Investitionen aus so vielen amerikanischen Bundesstaaten einzuwerben wie möglich. Das würde das prochinesische Lager in Amerika auf ein breiteres Fundament stellen. Auch wenn in Washington die chinafeindliche Stimmung hochkocht, sind glücklicherweise viele Gouverneure und gesetzgebende Versammlungen von Einzelstaaten weiterhin an chinesischen Investoren für ihre Staaten und an engeren Verbindungen zu China interessiert. Der Gouverneur von Kentucky, Matt Bevin, beispielsweise sagte im Mai 2017: „In China ist eine gewaltige Menge an Kapital auf der Suche nach einer Anlagemöglichkeit in einem sicheren und verlässlichen Umfeld. Die Vereinigten Staaten bieten diese Möglichkeit. In diesem Land herrscht ein gewaltiges Bedürfnis an Infrastruktur. Die beiden größten und mächtigsten Volkswirtschaften der Welt sind die der Vereinigten Staaten und Chinas. Die Vorstellung, wir würden nicht zusammenarbeiten, wirkt unvorstellbar.“42
Auch der Bundesstaat Washington, die Heimat von Boeing, ist sich bewusst, wie bedeutsam enge Verbindungen zu China sind. In einem Bericht von The Diplomat heißt es: „Mit China als seinem wichtigsten Exportmarkt ist sich der Staat Washington sehr wohl bewusst, wie wichtig sich langfristig strategisch ein gesundes Handelsverhältnis zu China auf Staats-, Bezirks- und Stadtebene auf Washingtons Wirtschaft auswirkt. Washingtons Exporte nach China unterstützten 2015 83.800 Arbeitsplätze und seit 2000 hat der Staat Investitionen aus China in Höhe von 611 Millionen Dollar erhalten.“43
Gegenüber ihren amerikanischen Kollegen haben die Chinesen den Vorteil, dass sie sich das große ganze strategische Bild ansehen können, während sie ihre politischen Entscheidungen treffen. Sollten amerikanische Unternehmen sich wieder dafür begeistern können, mit China Handel zu betreiben und dort zu investieren, würde dies einen politisch wertvollen Puffer erschaffen, der möglicherweise einen schweren Rückschlag im amerikanisch-chinesischen Verhältnis abwenden könnte. Die westlichen Unternehmerschaften zurückzugewinnen ist aber nicht nur für Chinas kurzfristige nationale Interessen von Vorteil, es dient auch den langfristigen nationalen Interessen. Chinas rasches Wirtschaftswachstum in den vergangenen Jahrzehnten wurde vor allem von der Globalisierung begünstigt. In den vergangenen Jahrzehnten war Amerika der Vorreiter der Globalisierung, getragen von einem Zeitgeist, der besagte: Je offener die Welt ist, desto besser wird Amerika dastehen.
Inzwischen jedoch ist die Stimmung in Amerika gekippt. Kein amerikanischer Politiker kann sich hinstellen und die Globalisierung verteidigen, das käme politischem Selbstmord gleich. Die Welt benötigt einen neuen Vorreiter der Globalisierung und China kann diese Lücke füllen. In vielerlei Hinsicht hat es damit bereits begonnen. Präsident Xi Jinping hielt im Januar 2017 in Davos eine weitreichende intellektuelle Verteidigungsrede für die Tugenden der Globalisierung. Worte sind wichtig, aber Taten sind aussagekräftiger. Sollte China die Rolle als diejenige Wirtschaftsgroßmacht übernehmen, die den Unternehmern am freundlichsten gegenübersteht, würde dies der Globalisierung enormen Schub verleihen. Und damit würde China eben jene Kräfte stärken, die seinen spektakulären wirtschaftlichen Aufstieg beflügelt haben.
Wird China zum neuen Vorreiter der Globalisierung, wird das Amerikas Staatskörper weiter von der Globalisierung forttreiben oder wird es ein Weckruf sein, der Amerika ermutigt, sich erneut an die Spitze der Globalisierung zu setzen? Das kann niemand mit Gewissheit sagen. Allerdings können wir Prognosen abgeben für Länder, die sich an der Globalisierung beteiligen, und solche, die sich davon abwenden. Chinas Führung weiß inzwischen: Die frühere Haltung, sich von der Welt abzuschotten, hat letztlich zum Zusammenbruch des Landes geführt. Insofern wird China diesen Weg nicht länger verfolgen. Stattdessen ist es nun Trump, der – wortwörtlich und im übertragenen Sinn – eine Mauer um Amerika ziehen möchte. Gelingt es ihm, wird Amerika im Laufe der Zeit zurückfallen, während China vorrückt.
Kapitel 3
AMERIKAS GRÖSSTER STRATEGISCHER FEHLER
Amerika könnte den geopolitischen Wettstreit mit China durchaus gewinnen, aber es steht außer Frage, wer die erste Runde für sich entscheiden konnte – China.
Ohne im Vorfeld eine umfassende Langzeitstrategie zu entwickeln, hat sich die Regierung Trump in eine große geopolitische Auseinandersetzung gestürzt, möglicherweise die größte Auseinandersetzung dieser Art in der Geschichte der Menschheit. Auf diese Weise ist es ihr gelungen, nicht nur das Ansehen Amerikas im Rest der Welt zu schmälern, sie hat gleichzeitig auch Räume geschaffen, in denen der Einfluss Chinas zunehmen kann.
Dass es Amerika an einer umfassenden Strategie für den Umgang mit China mangelt, steht außer Frage. Zwei führende amerikanische Strategen teilen diese Auffassung. Henry Kissinger, der in Deutschland geborene Republikaner und ehemalige nationale Sicherheitsberater, der bei der Annäherung der USA an China in den 1970er-Jahren eine zentrale Rolle spielte, und Fareed Zakaria, der indisch-amerikanische CNN-Moderator und -Kommentator, sind nicht immer einer Meinung. Was China angeht, sind sie sich jedoch einig: Amerika besitzt keine funktionierende Strategie. Fareed Zakaria formulierte es so:
Vom Aufnehmen der Beziehungen im Jahr 1972 bis vor Kurzem verfolgten die USA gegenüber China eine umfassende, überparteiliche Strategie: China sollte in die Welt integriert werden, politisch, wirtschaftlich und kulturell. In den letzten Jahren allerdings sorgte diese Strategie für Komplikationen und Komplexitäten – sie ebnete einem neuen, mächtigeren China den Weg, das nicht den Erwartungen des Westens entsprach. Als Folge dieses Wandels sind die USA erstarrt. Sie waren nicht imstande, sich für den Umgang mit dem Reich der Mitte eine neue umfassende Strategie einfallen zu lassen.
Der Unterschied dazu, wie Amerika in die gewaltige Auseinandersetzung mit der Sowjetunion ging, könnte kaum größer sein. In seinem berühmten „X-Artikel“ in Foreign Affairs gab Amerikas führender Stratege der damaligen Zeit, George Kennan, seinen amerikanischen Mitbürgern kompetente Empfehlungen zum Umgang mit ernsthafter geopolitischer Konkurrenz an die Hand. Die Regierung Trump ignoriert bei ihrem Duell mit China derzeit viele Bestandteile dieser Ratschläge.
Künftige amerikanische Historiker werden sich zweifellos wundern, dass dermaßen viele Amerikaner – darunter führende Demokraten – Donald Trump bejubelten, als er seinen Handels- und Technologiekrieg gegen China aufnahm. Senator Chuck Schumer, ein führender demokratischer Senator, ermutigte Trump, „gegenüber China hart zu bleiben“, und beklagte: „Amerika hat Billionen Dollar und Millionen Arbeitsplätze verloren, weil China nicht fair gespielt hat.“1 Ähnlich äußerte sich Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses. Sie erklärte im März 2018: „Die Vereinigten Staaten müssen gegen Chinas schamlos ungerechte Handelspolitik stark, klug und strategisch vorgehen.“2
Dieses Ausmaß an Unterstützung durch die Demokraten ist verwirrend, denn viele Handlungen Trumps verstoßen gegen zentrale Gebote von Kennans strategischem Rat und haben dadurch China eher geholfen als geschadet. Dass Chinas Führung über Trumps Handelskrieg und seinen Angriff auf Huawei verärgert ist, steht außer Frage. Dennoch muss sich Chinas Führung auch bewusst sein, dass Trump China auf lange Sicht viele Dividenden eingebracht hat. Und ein Großteil dieser Dividenden resultiert daraus, dass Trump und seine Berater anders als Kennan nicht langfristig denken.
Amerika würde China vor gewaltige Herausforderungen stellen, würde es als geschlossenes, starkes und selbstbewusstes Land auftreten. Kennan betonte in seinem „X-Artikel“ diese Dimension, als er erklärte, Amerikas Macht beruhe auf seiner Fähigkeit, „bei den Völkern der Welt grundsätzlich den Eindruck eines Landes zu erwecken, das weiß, was es will, das erfolgreich mit seinen innenpolitischen Problemen und mit der Verantwortung einer Weltmacht umgeht und über eine spirituelle Vitalität verfügt, die imstande ist, sich unter den großen ideologischen Strömungen der Zeit zu behaupten“.
Trump hat das Gegenteil getan. Er hat Amerika gespalten und polarisiert. Dennoch wäre es ungerecht, ihm allein die Schuld zu geben. Dieses Buch wird zeigen, dass Amerika auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene vor ernsten Herausforderungen steht. Für Außenstehende scheint es, als würde es Amerika heute an der „spirituellen Vitalität“ fehlen, von der Kennan sprach. Das ist die Folge tief sitzender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme, die bereits vor Trump existierten. Mit diesen Problemen werden wir uns ausführlicher im Kapitel „Die Annahme von Tugend“ befassen.
Die alleinige Schuld trägt die Regierung Trump allerdings dafür, dass sie beim Umgang mit China auf eine einseitige Herangehensweise setzte und nicht auf ein multilaterales Vorgehen. Trump machte China ein großes geopolitisches Geschenk, indem er der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) den Rücken kehrte. Das TPP-Abkommen war ein genialer Schachzug der Regierung Obama und sollte dazu dienen, Amerikas Präsenz in Ost- und Südostasien zu verankern. Für die amerikanische Wirtschaft hätte dies dauerhaft große Dividenden abgeworfen. Mit seinen Tweets, die Trump ohne nachzudenken aus der Hüfte schoss, hat er zudem wichtige Freunde und Verbündete verprellt, darunter Kanada, Mexiko, die EU, Japan, Indien und Vietnam.
Zu Beginn des Kalten Kriegs gegen die Sowjetunion übernahm Amerika die Führung beim Aufbau einer globalen multilateralen Architektur. Dazu gehörten das Währungsabkommen von Bretton Woods, der Marshallplan und die NATO. Heute ist es China, und nicht Amerika, das die Führung beim Aufbau einer neuen multilateralen Architektur übernommen hat, sei es bei der Asiatischen Infrastruktur-Investmentbank (AIIB) oder der „Belt & Road“-Initiative (BRI). Amerika stellte sich gegen beide Initiativen, was viele wichtige Freunde und Verbündete aber nicht davon abhielt, sich den Vorhaben anzuschließen. Großbritannien, Deutschland, Indien und Vietnam gehören zu den Gründerstaaten der AIIB, die sich als eine Institution erweist, die besser als IWF und Weltbank geführt wird. Die Corporate Governance unterliegt höheren Standards und sie ist transparenter.
China erweckt also den Anschein, ein stabiles und verlässliches Mitglied in der globalen multilateralen Ordnung zu sein, während Amerika unter Trump mehr und mehr als chaotischer und unzuverlässiger Akteur angesehen wird. „Handelskriege sind gut und leicht zu gewinnen“, lautet ein berühmter Ausspruch Donald Trumps.3 Stattdessen zeigt Trumps Abschneiden in diesem Bereich, wie schwer Handelskriege in Wirklichkeit zu gewinnen sind. Im Magazin Foreign Affairs schreibt Weijian Shan in der Ausgabe für November/Dezember 2019: „Die Zahlen sprechen dafür, dass Washington diesen Handelskrieg nicht gewinnt. Chinas Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt, aber die Zölle haben die amerikanischen Verbraucher stärker getroffen als die chinesischen. Angesichts der Besorgnis, dass eine Rezession vor der Tür stehen könnte, muss Trump die Tatsache berücksichtigen, dass sein aktuelles Vorgehen der amerikanischen Wirtschaft schadet, dass es das internationale Handelssystem gefährdet und dass es das von ihm so verabscheute Handelsdefizit nicht reduziert.“4
Als er 2018 eine Reihe chaotischer und nicht koordinierter Maßnahmen gegen China anordnete, verschlimmerte Trump die Situation natürlich. Die ersten antichinesischen Schritte waren die 25-Prozent-Zölle, die Trump am 6. Juli 2018 verhängte. Sie waren Teil einer neuen, Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar umfassenden Liste, die Zwischenprodukte betraf – „95 Prozent der betroffenen Produkte waren Zwischenprodukte oder Investitionsgüter, die vor allem von in Amerika ansässigen Unternehmen verwendet werden, die abhängig von Importen aus China sind.“5 Es liegt auf der Hand, dass eine Steuer auf Zwischenprodukte ausschließlich die Konkurrenzfähigkeit amerikanischer Unternehmen beschneidet. Das war unklug, aber die Vereinigten Staaten beschritten dennoch am 6. Juli 2018 diesen Weg.
Hat irgendjemand von der Regierung Trump eine gut durchdachte und sorgfältig abgewogene Strategie erstellt, bevor diese erste Runde von Zöllen ins Leben gerufen wurde (und den Auftakt für eine ganze Reihe weiterer Runden darstellen sollte)? Die ehrliche Antwort lautet: Nein. Ein einflussreicher amerikanischer Freund von mir erzählte mir privat Folgendes: Als Präsident Trump beschloss, mehrere Nationen mit Zöllen zu belegen, bemühte sich Gary Cohn, der damalige Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats, geduldig, Präsident Trump die Grundlagen der Wirtschaftstheorie darzulegen, um zu verdeutlichen, warum sie als politisches Werkzeug nicht gut geeignet seien. Alle Bemühungen, Trump zu überzeugen, schlugen fehl und schließlich fragte Cohn, warum Trump denn so sehr auf Zöllen beharre. Trumps Antwort: „Ich mag Zölle nun mal.“ Wie sehr, stellte er unter Beweis, indem er Freunden wie Feinden gleichermaßen Zölle androhte, etwa der EU, Japan, Kanada, Mexiko und China.
An dieser Stelle müssen wir einen wichtigen Aspekt betonen: Es waren Amerikaner, insbesondere profilierte amerikanische Ökonomen, die die Welt lehrten, dass Freihandel eine gute Sache sei und dass Zölle, insbesondere willkürlich verhängte Zölle, schlecht seien. Amerikanische Ökonomen legten dar, dass eben jene Handelsdefizite, über die sich Trump so beschwert, nicht das Ergebnis ungerechter Handelsmethoden seien, sondern die Folge inländischer makroökonomischer Entscheidungen, die Amerika höchstselbst getroffen hat. Ronald Reagan war kein linker Spinner, er war ein traditioneller amerikanischer Konservativer. Sein zentraler Berater in Wirtschaftsfragen war der inzwischen verstorbene Harvard-Professor Marty Feldstein, der sehr deutlich erklärt hat, wie Amerikas Handelsdefizit zustande kam: „Ausländische Einfuhrhemmnisse und Exportsubventionen sind nicht der Grund für das Handelsdefizit der USA … der wahre Grund ist, dass Amerikaner mehr ausgeben, als sie produzieren … Anderen die Schuld zuzuschieben wird an dieser Tatsache nichts ändern.“6 Trump hat die Welt in vielerlei Hinsicht schockiert, aber was die Welt wirklich erschüttert, ist, dass Amerika einen Präsidenten gewählt hat, der keinen Test zum Thema Außenhandel bestehen könnte, wie ihn Erstsemester der Wirtschaftswissenschaften abzulegen haben.
Zudem ist es gut möglich, dass Donald Trump dachte, China werde schon kapitulieren, sobald er nur die Zölle verhänge. Wer auch nur ein wenig Ahnung von China und der jüngeren Geschichte des Landes hat, hat gewusst, dass es niemals so weit kommen würde. Dennoch wären die chinesischen Unterhändler bei Aussicht auf eine für beide Seiten vorteilhafte Einigung gewiss bereit gewesen, großzügigere Zugeständnisse zu machen. Tatsächlich gab es Medienberichte, wonach China bei den Verhandlungsrunden eingewilligt hat, für Milliarden Dollar weitere amerikanische Produkte zu kaufen. Hätte die Regierung Trump also das Ziel verfolgt, das Handelsdefizit mit China zu verringern, wäre China zur Zusammenarbeit bereit gewesen. Doch wie Robert Zoellick, unter Präsident George W. Bush Handelsbeauftragter der USA und Vize-Außenminister, aufzeigte: Welche Ziele die Regierung Trump verfolgte, war nie so recht klar.
Die aktuelle Haltung der US-Regierung spricht für eine innere Spaltung. Ein Lager möchte die amerikanische Wirtschaft von China abkoppeln. Diese Gruppe bevorzugt Zölle, Hemmnisse für grenzüberschreitende Investitionen und Ungewissheiten, aufgrund derer Unternehmen gezwungen wären, ihre Lieferketten neu zu strukturieren. Das andere Lager möchte Chinas Verhalten ändern, um Amerikas Exporte zu beflügeln, geistiges Eigentum und Technologie zu schützen sowie der Benachteiligung ausländischer Investoren ein Ende zu bereiten. Diese Gruppe tritt dafür ein, Amerikas wirtschaftliche Beziehung zu China auszuweiten. Um diese widersprüchlichen Absichten miteinander vereinbaren zu können, hat man sich auf einen Kompromiss verständigt: Man stellt außergewöhnliche Forderungen auf – und verlässt sich bei der Frage, ob man einen Deal eingehen soll, auf Trumps Instinkte …
Das zentrale Problem, das sich derzeit bei den Verhandlungen ergibt, ist folgendes: Sollte China Maßnahmen einleiten, Märkte zu öffnen, Güter zu kaufen und amerikanische Interessen zu sichern, was wird Amerika dann im Gegenzug tun? Aktuell beharrt Washington darauf, die Zölle in Kraft zu lassen, bis Peking seinen Versprechungen Taten folgen lässt. Amerikanische Unterhändler fordern zudem das Recht, dass Amerika, wann immer es das für angebracht hält, die Zölle wieder einführen kann – und dass China Vergeltungsmaßnahmen untersagt sind.7
Australiens ehemaliger Ministerpräsident Kevin Rudd erklärte, obwohl Australien zu Amerikas standhaftesten Verbündeten zähle, hätte er als Premier niemals einem derart ungleichen Abkommen zugestimmt wie dem, das Amerika bei China durchzudrücken versucht.8 Und Zoellick schreibt: „Als sich Chinas Politbüro mit dem Vorschlag befasste, blieb ihm angesichts des Fehlens gegenseitiger Verpflichtungen die Luft weg. Die beiden Seiten konnten sich auch nicht auf Pekings Einkaufsliste für den Kauf amerikanischer Waren verständigen. Auf China wirkten die Bedingungen ungerecht und weckten alte Geister aus der Diplomatie des 19. Jahrhunderts, als Ausländer die Chinesen mit fehlender Würde und mangelndem Respekt behandelten.“9
Am 23. August 2019, einem Freitag, platzte Trump der Kragen und er feuerte seine heftigsten Tweets gegen China ab, nachdem Peking angekündigt hatte, mit seinen Vergeltungsmaßnahmen fortzufahren. Ohne die Folgen zu überdenken, verkündete Trump: „Unsere großartigen amerikanischen Unternehmen sind hiermit angewiesen, sofort mit der Suche nach Alternativen zu China zu beginnen. Dazu gehört auch die Möglichkeit, dass Sie Ihr Unternehmen HEIMHOLEN und Ihre Produkte in den USA herstellen.“ Als Antwort darauf verwies Myron Brilliant von der amerikanischen Handelskammer auf etwas, was auch Trump hätte klar sein sollen: „Trump mag von China frustriert sein, aber die Antwort darauf kann nicht lauten, dass US-Unternehmen einen Markt mit 1,4 Milliarden Verbrauchern ignorieren.“10
Dass Trump und seine Tweets Chaos anrichten, war wohl nicht anders zu erwarten. Was hier jedoch überrascht, ist, dass es Amerikas viel gepriesenem System der Checks and Balances nicht gelungen ist, Amerika vor einem launenhaften und chaotischen Herrscher zu bewahren. Weder der Kongress noch die Presse, weder das Oberste Gericht noch die Exekutive können Donald Trump aufhalten. Das hat zur Folge, dass das Vertrauen in Amerikas Regierungsinstitutionen auf der ganzen Welt wegbricht.
Chinas Führung muss in Bezug auf Donald Trump völlig außer sich sein, aber weil sie dazu neigt, langfristig zu denken, könnte sie Trump auch als Faktor betrachten, der ihr auf lange Sicht in die Karten spielt. Ganz allein hat er es geschafft, Amerikas Ansehen und Einfluss auf der Weltbühne stärker zu dezimieren als jeder andere amerikanische Präsident vor ihm. Amerika galt seinen engsten Verbündeten eigentlich als zuverlässiger Partner, doch dieses Vertrauen in Amerika ist spürbar geschwunden. Für China wäre es das Worst-Case-Szenario gewesen, hätte Amerika dieselbe Containment-Politik, die so erfolgreich gegenüber der Sowjetunion zur Anwendung kam, auch gegenüber China umgesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass unter Trump so etwas geschieht, liegt praktisch bei null. Und auch nachdem er das Amt verlassen hat, wird es dem nächsten Präsidenten nicht gelingen, das verloren gegangene Vertrauen in Amerika vollständig zurückzuerlangen.
Amerikaner wären schlecht beraten, zu unterschätzen, wie stark das Vertrauen in Amerika geschwunden ist. Viele von Amerikas besten Freunden haben gemahnt, dies ernst zu nehmen. Der berühmte Financial Times-Kolumnist Martin Wolf schrieb einmal, er habe von seinem Vater eine „verbissen proamerikanische Haltung“ geerbt.11 Nun erklärte er: „Unter Trump ist Amerika zu einer Schurken-Supermacht geworden.“12 Vor dem G7-Gipfel, der im August 2019 in Biarritz stattfand, witzelte Edward Luce, ein weiterer einflussreicher Kolumnist der Financial Times: „Es wäre schon eine Art Erfolg, wenn Trump es schafft, ein Wochenende in Frankreich zu überstehen, ohne den Untergang des Westens zu beschleunigen – indem er beispielsweise anbietet, Teile Europas zu kaufen.“13
Keine Gesellschaft ist unbesiegbar. Jede Gesellschaft weist ihre eigenen Schwächen auf. Aus diesem Grund ist der Vertrauensverlust, den Amerika rund um die Welt erlitten hat, dermaßen gefährlich und könnte den Bereich entblößen, an dem Amerika am verwundbarsten ist, ja, der Amerikas Achillesferse darstellt – der Dollar. Derzeit ist der US-Dollar durch ein komplexes globales Finanzsystem gut geschützt und sorgt auf diese Weise für ein Gefühl der Unverwundbarkeit. Und dennoch bleibt eine zentrale Verwundbarkeit. Amerika kann es sich mehr als andere Länder leisten, über seine Verhältnisse zu leben (allerdings können dank der finanziellen Globalisierung auch einige andere Länder mit starken nationalen Institutionen und guten makroökonomischen Kennzahlen längere Phasen von Leistungsbilanzdefiziten und Handelsbilanzdefiziten durchhalten, beispielsweise Australien und Kanada). Die US-Regierung gibt im eigenen Land mehr aus, als sie einnimmt. Das führt zu einem Haushaltsdefizit. Und Amerika importiert mehr Güter, als es exportiert. Das führt zu einem Handelsdefizit. Wie bezahlt Amerika diese beiden Defizite? Es leiht sich Geld. Das ist nicht unnormal. So wie viele Haushalte auch leihen sich zahlreiche Regierungen Geld. Versiegen irgendwann ihre Kreditquellen, stehen sie vor einer Kreditklemme. So war es in Griechenland. Die Griechen mussten ihre Ausgaben drastisch zusammenstreichen, damit ausländische Geldgeber weiterhin bereit waren, ihnen Kredit zu gewähren. Allein in den vergangenen Jahrzehnten gerieten zahlreiche Länder in extrem schmerzhafte Situationen, als sie von ihren Auslandskrediten überwältigt wurden: Argentinien 2001, Mexiko 1982, Russland 1998, Thailand 1997, Island 2008 und Griechenland 2010. Die Folge: Der Lebensstandard in diesen Ländern ging spürbar zurück.
Amerika unterscheidet sich von den anderen Ländern insofern, als es seine beiden Defizite finanzieren und für seine Mehrausgaben aufkommen kann, indem es Schatzwechsel druckt, sogenannte Treasuries. Das kostet das Finanzministerium nur die Druckkosten. Es verteilt bedrucktes Papier und der Rest der Welt schickt echtes Geld, hart verdientes Bargeld, um Treasuries kaufen zu können. Ein Beispiel: Chinesische Arbeiter müssen hart arbeiten, um Billigwaren zu produzieren, die in den Rest der Welt exportiert werden. Diese Exporte bringen hart verdiente Dollar ein, die die chinesische Regierung in Yuan umwandelt, mit denen sie die Arbeiter bezahlt. Und was macht die chinesische Regierung mit diesen hart verdienten Dollar? Viele davon fließen in den Kauf amerikanischer Schatzwechsel. Das US-Finanzministerium wiederum verwendet diese Dollar aus China dafür, Mehrausgaben des Staats zu bezahlen. Die größten Käufer von US-Treasuries sind China (1.113 Milliarden Dollar), Japan (1.064 Milliarden Dollar), Brasilien (306,7 Milliarden Dollar), Großbritannien (300,8 Milliarden Dollar) und Irland (269,7 Milliarden Dollar).14 Wenn die US-Regierung also nicht für die beiden Defizite aufkommen kann, druckt sie einfach Geld und bezahlt auf diese Weise diese Mehrausgaben. Und warum kauft der Rest der Welt dieses bedruckte Papier namens US-Dollar? Ein Hauptgrund ist der, dass der Großteil des Welthandels in US-Dollar abgewickelt wird. Wenn China in Argentinien Rindfleisch kauft, bezahlt es mit US-Dollar. Wenn Argentinien chinesische Handys kauft, bezahlt es mit US-Dollar. Dadurch ist der US-Dollar für die Weltwirtschaft unverzichtbar und aus diesem Grund fungiert er als globale Leitwährung.
Viele US-Ökonomen sind sich der gewaltigen Vorteile bewusst, die sich für die Amerikaner eröffnen, weil der Dollar als globale Leitwährung fungiert. Im Juni 2019 schrieb Ruchir Sharma: „Der Status als Leitwährung ist seit Langem ein Vorzug imperialer Macht – und ein Elixier für die Wirtschaft. Weil dieser Status für einen steten Strom an Kunden sorgt, die die Währung halten möchten, oftmals in Form von Staatsanleihen, ist es dem auf diese Weise privilegierten Land möglich, billig im Ausland Geld aufzunehmen und einen Lebensstil zu finanzieren, der weit über seine Verhältnisse hinausgeht.“15
„Seit nahezu einem Jahrhundert“, so Sharma weiter, „hat dieses Privileg dazu beigetragen, dass die Zinsen in den USA niedrig waren und die Amerikaner Autos und Häuser kaufen konnten und dass sie in den letzten Jahrzehnten große Haushaltsdefizite aufwiesen, die sich das Land ansonsten nicht hätte leisten können.“ Diese Zitate enthalten zwei Formulierungen von zentraler Bedeutung. Amerika ist imstande, einen Lebensstil zu finanzieren, der „weit über seine Verhältnisse hinausgeht“, und Amerika häuft große Haushaltsdefizite an, „die sich das Land ansonsten nicht hätte leisten können“.
Sharma reagierte mit seinem Artikel auf Überlegungen von Donald Trump und Elizabeth Warren, Amerika solle mit einer Abwertung seiner Währung seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Er warnte, dass dies ein sehr gefährlicher Schritt sei, denn: „Amerika ist kein Schwellenland. Es ist eine finanzielle Supermacht ohne Konkurrenz, eine Position, die vor allem auf mühsam erarbeitetem Vertrauen in den Dollar beruht, der eine beständige Quelle amerikanischer Macht und amerikanischen Wohlstands darstellt.“
Der Schlüsselbegriff, mit dem Sharma hier arbeitet, ist „Vertrauen“. Die Welt hat den US-Dollar gern als globale Leitwährung verwendet, weil sie darauf vertraute, dass die US-Regierung, wenn es um den Dollar ging, die richtigen Entscheidungen treffen und nicht nur die wirtschaftlichen Interessen der 330 Millionen Amerikaner berücksichtigen würde, sondern auch die der restlichen 7,2 Milliarden Menschen, die außerhalb der USA leben, den Dollar aber für ihre internationalen Transaktionen benötigen. Dieses Vertrauen ist ein zentraler Grund dafür, dass der US-Dollar seine Position als globale Leitwährung so beständig verteidigt.
In den vergangenen Jahrzehnten ist dieses Vertrauen geschwunden, denn Amerika hat das Privileg, Eigentümer der globalen Leitwährung zu sein, bisweilen als Waffe gegen andere Nationen eingesetzt. Zwei Beispiele für Fälle, bei denen der US-Dollar als Waffe diente, und in beiden Fällen ging es darum, den Iran zu isolieren: 2012 wurde die britische Bank Standard Chartered mit einer Strafe in Höhe von 340 Millionen Dollar belegt, weil sie ein Handelsgeschäft mit dem Iran in Dollar abgewickelt hatte. Dieses Bußgeld stellt zweifelsfrei eine extraterritoriale Anwendung nationaler amerikanischer Gesetze dar. Als britische Bank hat Standard Chartered gegen keine britischen Gesetze verstoßen und auch keine vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossenen Sanktionen verletzt. Und dennoch konnte Amerika die Dominanz des US-Dollar im internationalen Finanzwesen dafür verwenden, eine britische Firma dafür zu bestrafen, dass sie gegen amerikanische Gesetze verstoßen hatte – eine klare Nutzung des US-Dollar als Waffe.16