Kitabı oku: «Borgia», sayfa 9
XLVII
Es zeigte sich, daß auch Cesares Reich nur von der Autorität des päpstlichen Vaters zusammengehalten worden war.
Stück für Stück brach aus Cesares Krone. Die von Cesare vertriebenen Fürsten kehrten, von der Bevölkerung jubelnd begrüßt, in ihre Hauptstädte zurück: Sforza nach Pesaro, Guidobaldo nach Urbino, Varano nach Camerino – und so fort.
Cesare lag noch immer schwerkrank zu Bett, in allen seinen Entschlüssen und Taten gelähmt und gehemmt. Macchiavelli stattete ihm einen Krankenbesuch ab.
Ich habe an alles gedacht, seufzte Cesare, aber daß ich in dem Moment, wo mein Vater stirbt, schwerkrank daniederliegen würde – daran habe ich nicht gedacht. Ich bin ohnmächtig, ich bin ganz hilflos. —
Nur die Romagna hielt noch zu ihm.
In Ferrara zitterte Lucrezia um Cesare.
Ihre Stellung war durch ihre Schönheit, Klugheit und Vorsicht unantastbar. Sie erreichte, daß der Herzog Cesare Truppen sandte, um ihm die Romagna zu erhalten. —
Cesare frohlockte. Der Piccolomini war ihm gewogen. Cesare hatte einige Kardinale zu seinen Gunsten bestochen.
Schon nach drei Wochen starb Pius III. Cesare brach zusammen.
Es ging zu Ende mit den Borgia. Sie hatten kein Glück mehr. Fortuna, die ihnen fünfzig Jahre zugelächelt hatte, wandte ihr Antlitz von ihnen. Woher sie gekommen waren: aus dem Dunkel, aus dem Nichts, dahin kehrten sie wieder zurück, in das Nichts, in das Dunkel.
Cesare ritt durch die Stadt, sich sein Grab selbst auszusuchen. Er fieberte noch immer. Aber er nahm die Fiebermittel nicht, die ihm sein Leibarzt verschrieb. Er goß sie unters Bett.
Wen würden sie zum Papst wählen? Er verfluchte sich, daß er seinerzeit den Kardinalspurpur so leichten Herzens abgelegt hatte.
Heute hätte er ihn brauchen können.
Vielleicht war der Rovere noch der brauchbarste Papst für die Borgia?
Er verschaffte ihm die Stimmen der spanischen Kardinäle.
Julius II. sprach:
Ich will nicht in den Räumen wohnen, wo der Borgia wohnte, der das heilige Ansehen der Kirche geschändet hat wie nie einer zuvor. Er hatte den päpstlichen Thron nicht rechtmäßig inne, sondern usurpierte ihn mit Hilfe des Teufels. Und ich verbiete bei Strafe, den Namen Borgia in Rom künftig verlauten zu lassen. Sein Name sei durchstrichen, ausgelöscht und vergessen. Alle Bilder der Borgia sollen mit schwarzen Tüchern verhängt werden. Alle Grabsteine der Borgia sollen umgedreht werden, die Inschriften herausgemeißelt.
Julius II. forderte von Cesare Borgia die Übergabe der befestigten Plätze in der Romagna. Cesare sah ein, daß Widerstand nutzlos war. Er floh. In Ostia bestieg er ein Segelboot.
Als er in Neapel landete, wurde er verhaftet und ins Kastell von Ischia geworfen.
Er brach aus und gelangte nach Spanien. Zerlumpt, wie ein Matrose, betrat er die spanische Erde, die Erde, die ihn und alle Borgia hervorgebracht.
Julius II. hatte seine Besitztümer konfiszieren lassen.
In einer Spelunke Sevillas, wo er mit allerlei zweifelhaften Subjekten verbotenem Spiel oblag, wurde er wiederum verhaftet und ins Kastell Medina del Campo geschafft. Er rief den König von Frankreich um Hilfe an.
Es kam keine Antwort.
Er schrieb an Lucrezia.
Der Brief wurde unterschlagen.
Er wußte nicht, daß sie inzwischen Herzogin von Ferrara geworden war.
Ercole war gestorben, Alfonso hatte den Thron bestiegen.
Es gelang Cesare nochmals, zu entfliehen. —
Er trug einen tödlichen Haß gegen Julius II. im Herzen.
Haß ist gut, dachte er. Aber er darf nicht gefühlvoll basiert sein. Es muß ein systematischer Haß sein, ein nüchtern mathematischer. Ich hasse Julius zu heiß.
Die Flucht wurde nach Italien berichtet und setzte den Papst in Schrecken:
Ein furchtbarer Mann, dieser Cesare Borgia. Wir haben uns des kühnsten Wagemutes von ihm zu versehen. Sein Name allein genügt, Heere aufzustellen.
Es geht noch immer eine mystische Kraft von ihm aus. —
Er beschloß, ihm Halt zu bieten.
Bei Pamplona, hinterhältig angegriffen, sank Cesare, einunddreißig Jahre alt, unter den Dolchen von Meuchelmördern. Sieben hatten ihn überfallen.
Sechs verwundete er noch tödlich, ehe der siebente ihm den Todesstoß versetzte.
Dieser siebente war ein Mohr. Voll Hochachtung betrachtete er den toten Feind.
Tapferer Mann, tapferer Mann. Aber gut, daß er tot und ich noch lebe.
Tausend Dukaten winkten ihm und die Heimkehr nach Afrika zu seiner schwarzen Gattin.
Voller Sehnsucht leckte er sich die dicken Lippen, als er das blutige Messer am Kleid des Borgia abwischte.
Der Petersplatz im 16. Jahrhundert, Zeichnung von Märten van Heemskerck
XLVIII
Lucrezia empfing die Nachricht vom Tode ihres Bruders, die man versucht hatte, ihr zu verheimlichen, als sie in den Wehen lag.
Sie schrie einmal zum Himmel auf,
um dann nie mehr eine Klage von sich zu geben.
Sie genas eines toten Sohnes.
Das Leben der Borgia ist zu Ende, sann sie. Der Faden ist ihnen für immer abgeschnitten. Auch ich bin dieses Lebens müde und satt.
Im Kindbettfieber verflackernd, schrieb sie noch einen letzten Brief
an den Papst in Rom:
Heiligster Vater und innigst zu verehrender Herr,
die Seele einer Sterbenden neigt sich vor Euch und küßt Euch in aller schuldigen Ehrfurcht die heiligen Füße. Diese Sterbende ist eine Sünderin und eine Borgia – und also eine Sünderin doppelt und vielfach. Alle Sünden und Laster dieser Welt sind in meinen armseligen, bejammernswerten Leib eingegangen – jetzt, da ich schier verblutet bin an meiner Entbindung, sind sie mit meinem Blut wohl alle wieder hinausgeflossen. O habt Erbarmen und bittet Gott um Gnade für mich und alle Borgia. Sie waren ausgestattet mit den höchsten Gaben des Geistes und Körpers. Sie waren bestimmt, die Welt zu leiten. Aber sie selbst haben sich von Teufeln und Dämonen leiten lassen. Ihre Seelen waren nicht klein auf das Kleinliche gerichtet. Die Geschichte wird ihrer gedenken, in Verwunderung und Abscheu, aber nicht ohne Erkenntnis ihres Schicksals und ihrer Talente. O erteilt mir die Heilige Benediktion, Heiligster Vater – ich bin Euer getreues und demütiges Kind, vom Baume Borgias der letzte und unscheinbarste Sproß, zum Welken und Verdorren bestimmt.
Geschrieben in Ferrara, in der vorletzten Stunde meines Menschenlebens.
Euer Heiligkeit
niedrigste Magd
Lucrezia Borgia.
Dämmerung im Zimmer.
Lucrezia träumt das Märchen vom verdorrten Mandelbaum, der unter dem Blick eines reinen Menschen wieder zu blühen beginnt.
Sie blüht auf.
Sie gewinnt eine neue Jungfräulichkeit und Keuschheit des Wesens.
Wer sie sieht, ist betroffen von so viel lieblicher Anmut und seelischer Demut.
Sie entzündet die Dichter, die ihr Verse voll Leidenschaft und Verehrung widmen. Ariost, Giraldi, Antonio Tebaldeo, Marcello Filosseno vergleichen sie mit Minerva, Helena und Venus.
Sie wird zum Vorbild einer treuen, tugendsamen Gattin.
Michel Angelo erhebt sie auf einen Sockel und meißelt sie als Pietà.
Alle Lüste und Laster sind längst von ihr abgeglitten. Wie Anadyomene steigt sie neugeboren aus dem Meer des Lebens.
Sie hat alle Briefe des Vaters und des Bruders verbrannt – sogar ihre früheren kostbaren Kleider.
Sie trägt eine einfache graue Kutte.
Sie lebt nach rückwärts.
Sie erinnert sich plötzlich:
Damals, als Alexander —
Damals, als Cesare —
Damals, als Alfonso —
Aus den Gräbern steigen die Borgia.
Viele tragen einen Dolch in der Brust,
manche haben den Kopf unterm Arm.
Sie tanzt ihnen zu Ehren einen spanischen Tanz.
Ein Mönch schlägt dazu das Tamburin des Mondes.
Die toten Borgia sehen ihr zu.
Sie tanzt, bis sie ohnmächtig hinfällt.
Als sie aufwachte, war es im Zimmer dunkel geworden.
Das Dunkel spie Gespenster aus.
Gespenster in ihr —
Gespenster außer ihr —
Eine schwefelgelbe Flamme schlug vom Himmel in ihr Herz.
Ein kleiner buckliger Mann tänzelte plötzlich vor ihr, und es war ihr widerlich, ihn nicht gehen, sondern affektiert und aufdringlich mit einem übertriebenen Steiß wackeln und tänzeln zu sehen.
Plötzlich verschwand er in der Mauer, als ob dort eine Tür wäre.
Aber es war keine Tür da.
Nur ein kleines Loch, in dem eine Kröte saß und Lucrezia mit goldbraunen Augen anglotzte.
Die Sonne war längst untergegangen, behangen mit einem violetten Wolkenmantel.
Nun stiegen die Sterne an.
Es wurde licht,
immer lichter.
Ein Brausen ist um sie und Sausen von Licht. Ein Strom von Glanz.
Sie lächelt.
Da erfriert ihr Lächeln,
es wird zum Entsetzen.
Der Glanz beginnt zu brennen. Jede Pore
ihres Leibes brennt.
Es wird heiß, immer heißer,
sie ist im Fegefeuer.
Auf ihrem Grabstein fand man diese Inschrift, die drei Tage zu lesen war, bis sie der Regen verwusch:
Hier ruht Lucrezia – dem Namen nach.
Sie häufte Greuel auf Greuel und Schmach auf Schmach.
Sie war des eigenen Vaters Frau und Schnur,
Des Gatten Mörderin, des Bruders Hur.
Epilog
Luis war der Vater von Rodrigo
Rodrigo war der Vater von Pedro
Pedro war der Vater von Alfonso
Alfonso war der Vater von Juan.
Juan Borgia war Oberjägermeister und Oberstallmeister am Hofe Karls V.
Er liebte Isabella, die Königin von Spanien, und als sie starb, geleitete er ihren Sarg bis Granada zur Beisetzung in der königlichen Gruft.
Nach alter Sitte wurde der Sarg noch einmal geöffnet, und Juan Borgia trat heran, zu beschwören, daß die Leiche, die da liege, die der schönen und edlen Königin Isabella sei.
Er hob die Hand – aber die Hand blieb ihm reglos in der Luft hängen.
Dies schon in Verwesung bis zur Unkenntlichkeit übergegangene Stück Fleisch sollte Isabella sein, die schöne Isabella, das Wunder von Frau?
Er weigerte sich, den Schwur zu schwören, und seine geballte Faust schien Gott zu fluchen.
Er stürzte hinweg und kam zum Schlosse Tordecillas.
Er traf eine irre Greisin, die greulich vor ihm die Tarantella tanzte.
Es war Johanna, die Mutter Karls V.
Er flieht und begegnet in Jarandilla Karl V., der voller Ekel seinem Thron entsagt hat.
Da geht Juan Borgia zu den Jesuiten und wird im Jahre 1565 ihr General.
Um den Fluch und die Schande vom Namen Borgia zu nehmen, wird er von der Kurie nach seinem Tode als Bester der Borgia heiliggesprochen.
San Francesco Borgia!
Armer Heiliger – wer ruft zu dir in seiner Not, wer weiht dir Wachsherzen und Kerzen? Wer trägt dein Medaillon auf der Brust?
Niemand ruft nach dir.
Niemand betet zu dir.
Einsam stehst du, abseits von allen andern Heiligen, am Thron Gottes.
Eine Träne blinkt in deinen seraphischen Augen, wenn du die Gesänge zu Ehren der andern Heiligen brausen und klingen hörst. Poveretto Borgia!
Du trägst einen schwarzen Namen, den selbst Gottes Huld nicht blank zu putzen vermochte.
Du Borgia!
Das war eine Zeitlang ein Schimpfname wie Lump und Schinder, und selbst ein Mörder ließ sich nicht ungestraft Borgia rufen.
Eines Tages trat San Francesco Borgia zu Gott und bat:
Nimm den Heiligenschein, den deine heilige Kirche mir aufgesetzt, von mir. Es ist niemand, der ihn mir glaubt. Die Menschen nicht und nicht deine Engel. Laß mich zu den Teufeln gehn in die Hölle, dort, wo die Borgia hingehören. —
Und Gott sah den heiligen Ernst im Antlitz des Heiligen und seufzte tief auf und sprach: Geh – geh zu den Deinen.
Und der Borgia verneigte sich, zog aus die Uniform des Jesuitengenerals und ging langsam die neunhundertneunundneunzig Stufen hinab zur Hölle.
Und er klopfte an das Höllentor. Luzifer in Person öffnete.
Wer bist du?
Ein Borgia!
Das Gesicht des Teufels hellte sich auf:
Ah, sehr gut. Neunundneunzig Borgia sind schon drin. Du bist der hundertste. Sei mir willkommen! Zahle das Eintrittsgeld und du darfst eintreten!
Der Borgia verwunderte sich:
Das Eintrittsgeld? Wieviel?
Weil du es bist: tausend Dukaten!
Der Borgia:
Ich habe keine tausend Dukaten.
Der Teufel:
Nun, sagen wir: fünfhundert!
Der Borgia:
Ich habe auch nicht fünfhundert.
Der Teufel:
Ja, bei Gott, was hast du denn?
Der Borgia:
Keinen Pfennig. —
Der Teufel fuhr empört auf:
Was, du, ein Borgia, willst kein Geld haben? Du lügst. Du bist nur ein schmutziger Geizhals oder hast dein Vermögen im Himmel angelegt, weil Gott der Herr dir mehr Zinsen versprochen hat. Mit Hunderttausenden von Dukaten sind deine erlauchten Anverwandten hier eingetroffen. Als Alexander Borgia kam, haben meine Bediententeufel acht Tage lang Kisten mit Gold geschleppt. Scher dich zum Himmel, wenn du den höllischen Zoll nicht zahlen kannst oder willst. Und schlug ihm das Höllentor vor der Nase zu.
Zwischen Himmel und Hölle, nirgends
beheimatet, irrt ruhelos umher
der letzte Borgia.