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Kitabı oku: «Kriegsbuch», sayfa 3

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IM RUSSENLAGER

Hier spürt man an einem Tage mehr vom Krieg als in München in fünf Monaten. Kaum war ich in C. eingetroffen, sah ich schon einen Zug von etwa dreihundert gefangenen Russen, die in einem langsamen schläfrigen Marsch, von Landsturmleuten mit aufgepflanzten (erbeuteten französischen) Bajonetten eskortiert, durch die Straßen zu ihrer Arbeitsstätte zogen. Einmal faßten sie Tritt. Sie schmeißen nicht die Beine wie unsere Soldaten, sondern stampfen mit gebogenem Knie den Boden. Wie Pferde bei verhaltenem Trab. Eine unpraktische und sicher sehr ermüdende Art zu marschieren.

Sie waren zum größten Teil vorzüglich mit hohen schwarzen Juchtenstiefeln und dicken lehmfarbenen Mänteln ausgerüstet. Einige wenige gingen in Holzpantinen und hatten sich aus umgeworfenen Tüchern phantastische Uniformen hergestellt. Einige sahen wie Mönche oder fromme Pilger aus, die mit leidenden Gesichtern wie zur Melodie eines unhörbaren Trauermarsches marschierten. Einer in dottergelbem Umhang leuchtete, gleichsam ihr Götze und wie die Inkarnation ihrer gefangenen Sehnsucht, der braunen Kolonne weit voraus. Am Schluß krochen kleine greisenhafte Kerle mit gelben zerknitterten Masken: Kirgisen und Mongolen aus den sibirischen Regimentern. Kosaken sah ich keine. Auch später bei meinem Besuch im Lager nicht. Es sind sicher welche darunter, aber sie haben sich unkenntlich gemacht. Wenn man nach Kosaken fragt, glauben sie, man wolle sie für die Kosakengreuel in Ostpreußen verantwortlich machen und spießen oder hängen. Ein hagerer, verkommener Bursche in schwarzer Pelzmütze, den ich als Kosak anredete, hob beschwörend wie ein Heiliger auf frühmittelalterlichen Kirchenfenstern beide Hände gegen mich und sagte: »Oh, oh, nix Kosack, nix Kosack.«

Die Holzbaracken, in denen die Russen wohnen, sind hoch und luftig und sehr gut ventiliert. Einige Baracken gehen halb in den Erdboden. Die Lagerstätten oder Betten sind dreifach übereinander gestaffelt: die Gefangenen schlafen auf Holzwollsäcken und erhalten als Oberbett feste Wolldecken. jede Baracke wird von einem großen Ofen geheizt. In einigen Baracken sind noch einige kleine Kochöfen vorhanden, wo die Leute sich ihr Essen aufwärmen oder Tee kochen können. Die hölzernen Tische, auf denen sie essen und arbeiten, lassen sich durch sinnreiche Vorrichtung (Umklappen der Platte) in große, mit Zinn ausgeschlagene Waschschüsseln verwandeln.

In der Küche kam ich gerade dazu, wie das Mittagessen ausgeteilt wurde. Ein Koch eines großen Berliner Hotels ist Oberkoch; ihm unterstehen zwei Dutzend russische Köche. Es gab heute Reisfleisch, das heißt Rindfleisch in einer dicken Reissuppe. Zehn Zentner Fleisch waren dazu verarbeitet.

Jeder Mann empfängt einen Liter, Leute, die den Vormittag streng gearbeitet haben, anderthalb Liter. Dazu erhält jeder den Tag ein Pfund (in der Stadt gebackenes und auch von den Einwohnern gern gegessenes) »Russenbrot« – mit Kartoffelmehl durchsetztes Roggenbrot.

In der Hauptbaracke sang uns der russische Gesangverein, der unter Leitung eines gefangenen Petersburger Musikdirektors steht, einige slawische Lieder vor. Zuerst das Glockenlied. Der Vorsänger führt die Melodie. Alle anderen singen im Baß wie Glocken. Zuletzt sangen sie das schwermütige Lied ihrer Erinnerung an die Heimat:

 
Sag, wo bist du nur, geliebte Heimat?
Wo die Sterne sind, bist du gewiß.
Mädchen, liebes Mädchen, ich muß reiten
In die Ferne und die Finsternis.
 
 
Wenn die goldnen Augen nachts vom Himmel sehen,
Denk an mich, der in die Fremde ritt.
Alle Wolken, die von Westen wehen,
Bringen meine Sehnsucht mit.
 

Ein blutjunger Russe, Infanterist eines Odessaer Korps und bei Suwalki gefangen genommen, stand an die Wand gelehnt, für sich allein, stützte den Kopf in die Hand, schloß die Augen und sprach die Verse leise mit. Seine Lippen bebten und seine Wimpern zitterten. Einige, die faul auf ihren Betten lagen, hielten den Atem an und wußten nicht, wohin sie sehen sollten.

Der merkwürdigste Insasse des Lagers und wert, namentlich genannt zu werden, war der Hund Samuel. Er wurde (eine Art Terrier mit leichtem Einschlag von Dackel) vom Osteroder Landsturmbataillon in der Schlacht bei Tannenberg »erbeutet«. Da man sich mit ihm nicht zu verständigen vermochte, gab man ihn an die Russen zurück und internierte ihn im Lager von C. Aber auch die Russen wußten mit ihm nichts anzufangen: er hörte weder auf Russisch noch auf Polnisch. Bis ein Jude, Kaufmann aus Lodz, auf den Gedanken kam, jiddisch mit ihm zu reden. Der Hund sprang, halb irrsinnig vor Freude, verstanden zu werden, an seinem neuen Freunde empor, wedelte mit dem Schwanz, und seine braunen Augen leuchteten wie die eines fröhlichen Kindes. Der Hund mußte im Besitze einer alten jüdischen Familie gewesen sein und war wahrscheinlich mit mehreren Juden bei Tannenberg zu den Deutschen übergelaufen. Er wurde von den Russen spöttisch Samuel genannt. Er vertrug sich mit keinem rechtgläubigen Russen, bellte sie tapfer an und nahm nicht die verlockendsten Bissen von ihnen.

Der jüdische Kaufmann und die anderen russischen Juden des Lagers gewannen ihn sehr lieb. Manchmal dachten sie: wenn nur alle Juden so viel Mut gegen die Russen aufbrächten wie dieser Hund. Dieser Hund, so spürte man, haßte die Russen aus einer Seele heraus. Und da er ein Tier war, legte er seiner Vernunft keine Zügel an, trug seinen Haß unverhohlen zur Schau und biß die Russen in die hohen Stiefel. Weil er zu allem Überfluß noch ihre Fleischportionen stahl (die er aber nicht fraß, sondern verscharrte), griff eine heftige Mißstimmung gegen ihn unter den Russen Platz. Und da man sich nicht an die wirklichen Juden halten konnte (man war doch nicht in Rußland), erkor man den jüdischen Hund zum Opfer eines Pogroms. An einem Sabbat fanden ihn die Juden erschlagen hinter der Latrine. Sie waren keine Tiere, sondern Menschen, und außerdem in hilfloser Minderzahl. Was würde es nützen, die Russen anzubellen, da man sie nicht beißen durfte? Sie gruben dem Hunde Samuel ein Grab, und ein gefangener Rabbiner hielt ihm die Leichenpredigt, als wäre er einer der ihren gewesen und ganz ein Jude.

BLUMENTAG IN NORDFRANKREICH

Wir vom … ten Landsturmbataillon sind der x-ten Etappen-Inspektion zugeteilt und haben zurzeit als Garnison eine kleine Stadt in Nordfrankreich. Wir brennen Tag und Nacht Posten: auf den Bahndämmen, vorm Lazarett, unter den Brücken. Von abends Sechs bis morgens Zehn steht eine Wache auch vorm Bordell. Jeden Morgen um halb Zehn werden die Mädchen durch unsern Stabsarzt untersucht und kontrolliert. Es sind neun an der Zahl. Acht Französinnen und eine Deutsche. Die Deutsche ist ein kleines blondes Ding aus Hamburg. Wenn Leute von uns das Bordell besuchen, hält sie den Kopf gesenkt und sucht mit den Augen zu flüchten. Um keinen Preis der Welt würde sie sich einem Deutschen verkaufen. Wenn wir sie sehen, erröten wir. Um der schmerzlichen Situation zu entgehen, reißen wir dumme und überlaute Witze und lachen, blechern wie Grammophone. Oder einer setzt sich ans Klavier und spielt: »Die schwarzbraunen Mädchen, die hab' ich so gern.« Dann geht sie hinaus und weint. Sie ist ja blond. Die Einwohner der Stadt, Magistratssekretäre, kleine Steuerbeamte, bessere Kaufleute bevorzugen offensichtlich die Deutsche. Sie sehen sie in den Augen ihrer eigenen Landsleute erniedrigt und weiden sich an ihren Qualen. Madame ist entzückt von ihr, denn sie macht das meiste Geld. »Wo ist die deutsche Kuh?« brüllen die Steuerbeamten, und einer nach dem anderen will ihr für sein Geld einen Tritt versetzen. Ich sprach sie neulich. Sie heißt Leni. Sie will sich die Pulsadern durchschneiden. Sie erträgt dieses viehische Leben nicht mehr. Ich überlegte, wie ihr zu helfen sei. Sie mußte heraus aus dem Bordell. Aber Madame wird sich kreischend wehren. Man müßte ihr Geld, viel Geld bieten. Ich sprach mit dem Major, und er gab gern die Erlaubnis für eine Sammlung zu ihren Gunsten innerhalb unseres Bataillons. Er zeichnete als Erster zehn Mark. Und nach ihm alle Offiziere und alle die gesetzten bärtigen Landsturmmänner, größtenteils würdige Familienväter. Keiner, auch der ärmste nicht, schloß sich aus. So kauften wir Leni um den Preis von 1200 Franken von Madame los, kleideten sie von Kopf bis zu Fuß neu ein und schickten sie mit dem nächsten Lazarettzug, der zurückging, nach Aachen. Kaum, daß sie ihr Glück zu fassen vermochte. Sie wollte uns allen einzeln die Hand küssen und steckte jedem, den sie in der Eile erreichen konnte, eine bunte Papierblume an den Rock.