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Kitabı oku: «Kriegsbuch», sayfa 6

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DER KRIEGSBERICHTERSTATTER

Siegfried Silbermann, der schon den Buren- und den Balkankrieg als Kriegsberichterstatter der »Neuen Freien Trompete« mitgemacht hatte, wurde telegraphisch in das Hauptquartier von Exzellenz Eydtkuhnen, Oberbefehlshaber Nordost, berufen – jenes Feldherrn, der erst anläßlich dieses Krieges in so glänzende Erscheinung getreten ist.

Schon ehe er das Auto des Pressestabes bestieg, wurden Siegfried Silbermann mit einem dunklen Tuch wie einem Parlamentär die Augen verbunden, damit er auf der Fahrt nach der Front ja nichts zu sehen bekäme, was sich im geringsten als militärisches Geheimnis darstellen und von ihm vielleicht als Anlaß zu einer seiner hinlänglich bekannten Plaudereien benützt werden könne. Es gehört zur seelischen und beruflichen Eigenschaft des Kriegsberichterstatters, daß er nichts, aber auch rein gar nichts vom Kriege sieht: hin und wieder nur wird ihm die Binde abgenommen, und er fühlt sich erstaunt vor einem toten Pferd oder einem niedergebrannten Haus. Darüber darf er dann als »Augenzeuge« berichten. Wendet er seinen Blick von dem toten Pferd oder dem niedergebrannten Haus ein wenig empor und in die Weite, so sieht er nichts als ein graues, ödes, endloses Feld, das sich viele Meilen bis an den Horizont erstreckt. Das nennt er dann die »Leere des modernen Schlachtfeldes«.

Siegfried Silbermann schlug die Augen auf und fand sich einem ältern, stattlichen Herrn gegenüber, dessen Brust mit Orden und Ehrenzeichen übersät war. Breite rote Feldmarschallsbiesen funkelten herrisch an seinen gestrafften Beinen. Er zwirbelte nachdenklich an seinem braunmelierten, altertümlichen Bart.

Silbermann zog seinen Notizblock und notierte: martialisch.

Exzellenz Eydtkuhnen, der große Feldherr – denn er war es in eigener Person – legte seine große, knochige Hand schwer auf Siegfried Silbermanns schwankende Schulter.

Silbermann zitterte.

Er feuchtere den Tintenstift leise an der Zunge an und notierte: leutselig.

Silbermann wagte endlich, die nähere Umgebung prüfend zu betrachten.

Um ein riesiges rauchiges Lagerfeuer hockte malerisch gekrümmt eine Anzahl höherer und niederer Offiziere. Es war der Stab des Feldherrn. Sie rauchten eine Pfeife, die reihum ging: die sogenannte Friedenspfeife. Über dem Feuer wurde ein Ochse von mehreren Ordonnanzen am Spieß gedreht. Man traf Vorbereitungen zum Mittagsmahl.

»Wollen Sie mit uns speisen?« sagte Exzellenz Eydtkuhnen. Des Feldherrn Stimme rollte in gutturalen Kehllauten.

Silbermann notierte: nicht nur die Tatze, nein, auch die Stimme des Löwen …

»Ich habe mit dem feindlichen Heerführer ausgemacht, daß die Schlacht erst nach dem Mittagessen, sobald der Kaffee abserviert ist, beginnt.«

Silbermann notierte: humane Kriegführung. Es war nur ein Feldstuhl vorhanden.

Silbermann notierte: spartanische Lebensweise …

»Wollen Sie sich nicht setzen?« lächelte Exzellenz Eydtkuhnen. »Das Schreiben und Denken im Stehen ermüdet.«

»Bitte, nach Ihnen, Exzellenz«, verbog sich Silbermann devot.

»Oh,« wehrte die Exzellenz ab, »ich stehe schon so lange im Felde, daß ich ruhig noch ein wenig länger stehen kann.«

Silbermann notierte: Beharrlichkeit … Ausdauer … germanische Zähigkeit … Oben in den Lüften begann es zu pfeifen und zu surren, zu schnauben und zu knallen.

Exzellenz Eydtkuhnen murmelte erheitert: »Feindliche Aeroplane… sie haben es auf mein Hauptquartier abgesehen … aber beruhigen Sie sich, lieber Silbermann: sie treffen nie etwas. Höchstens, wenn man sich etwa auf neutralem Boden befände, könnten sie einem gefährlich werden.«

Krrrrrrrtz… knautz… rum… eine Fliegerbombe platzte in fünfzig Schritt vor Silbermann.

Silbermann konnte gerade noch: Kaltblütigkeit notieren, dann fiel er in Ohnmacht. Exzellenz Eydtkuhnen winkte, und Silbermann wurde von den Ordonnanzen, die eben noch den Ochsen gebraten hatten, ins Auto des Pressestabes geschafft.

Auf der Redaktion der »Neuen Freien Trompete« war es, wo er wieder zur Besinnung kam. Noch die Abendausgabe der »Neuen Freien Trompete« brachte auf ihrer ersten Seite Silbermanns nachgerade so berühmt gewordenes Interview des Oberbefehlshabers Nordost Exzellenz Eydtkuhnen.

Vier Wochen später erschien bei der Verlagsbuchhandlung Brösel & Co. »Die eiserne Mauer«, Eindrücke und Expressionen, Erlebtes und Erschautes von der Nordostfront, von Siegfried Silbermann – ein stattlicher Band in Lexikonformat.

LEUCHTET IHRE UHR DES NACHTS?

Ich schlenderte eines Vormittags durch die Kaufingerstraße, dachte an nichts böses, aber auch an nichts gutes – als mir plötzlich aus dem Schaufenster eines Uhrmacherladens ein gelbes Plakat mit blutroten Buchstaben in die Augen sprang:

Leuchtet ihre Uhr des Nachts?

Deutsches Reichspatent! ff. Radium. Erstklassige Qualität. Mit Garantie auf Lebensdauer. Mit Läutwerk. Mit Bellvorrichtung: schlägt an wie ein Hund beim Nahen einer Gefahr (unentbehrlich für Angehörige des Heeres und der Marine). Mit Scherenfernrohr, mit Periskop für Unterseeboote.

Ich stand wie betäubt. Ein eisiger Schrecken kroch mir vom Rückenmark ins Gehirn. Was nützte es, daß ich rite den philosophischen Doktor an der Universität lllinois U. S. ehrenvoll gegen Erstattung von 320 D. bestanden hatte? Was nützte es, daß ich Antwort auf alle Fragen des Lebens wußte, wie zum Beispiel: warum? weshalb? weswegen? wozu? Was, sage ich, hat das alles für einen Nutzen und Gewinn, wenn ich nicht weiß, ob meine Uhr des Nachts leuchtet? Und das, muß ich gestehen, wußte ich nicht. Aber das gelbe Plakat mit den blutroten Buchstaben zwang mich unerbittlich zur inneren Einkehr.

Ich fieberte den ganzen Tag. Ich aß nichts. Ich saß stier und verstört im Café Glasl vor einer Schale Nuß und dachte nur den ganzen Tag: Leuchtet meine Uhr des Nachts? … Leuchtet meine Uhr des Nachts? …

Wenn es doch erst Abend … wenn es doch erst Nacht wäre!

Eine Dame mit sanften Eidechsenaugen sah immer zu mir herüber.

Es war die schönste Frau, die es auf der Welt geben konnte. Ich wagte nicht, sie anzusprechen. Ein Kreisel rotierte in meinem gänzlich hohlen Hirn:

Leuchtet Ihre Uhr des Nachts?. .. Leuchtet Ihre Uhr des Nachts? … Schließlich konnte ich es nicht mehr aushalten: der silberne Schein, der aus den Augen der Dame floß, fiel wie Nebel auf mich.

Ich stand auf, schwankte an ihren Tisch, und indem ich höflich den Hut zog, sagte ich mit vibrierender Stimme, rasend verliebt und meiner Sinne nicht mehr mächtig:

»Leuchtet Ihre Uhr des Nachts?«

Da nahm die Dame eines ihrer sanften blauen Augen aus ihrem Gesicht und warf es mir grollend an den Kopf.

Es war ein Glasauge.

Mit einer Beule an der Stirn verließ ich das Café. Der Abend hing die dunklen Netze um Tal und Hügel, um Busch und Baum.

Die Straße war taghell erleuchtet von tausend elektrischen Äpfeln und Birnen.

Ich zog meine Uhr – aber es war viel zu hell in den Straßen; wie konnte ich beim aufdringlichen Geflimmer der tausend Lampen sehen, ob meine Uhr leuchte?

Ich nahm ein Auto und fuhr auf die Theresienwiese. Mutterseelenallein ging ich mitten auf die Wiese und zog bebend meine Uhr.

Aber siehe, ich hatte nicht beachtet, daß Vollmond im Kalender angezeigt war.

Höhnisch grinste der Mond auf dem Uhrglas.

Ich fuhr in die Stadt zurück. Meine Temperatur war auf 45 gestiegen. Ich bestand nur noch aus Schweiß, in dem, wie ein Fettauge in der Bouillon, die Uhr schwamm.

In der Schwanthalerstraße sah ich ein Schild: »Keller zu vermieten.« Sofort stürzte ich in das Haus und mietete trotz vorgerückter Nachtstunde den Keller zu einem geradezu lächerlichen Preise.

Ich schloß ihn sorgfältig ab, verstopfte die Fensterlöcher und Türritzen und zog wiederum, auf alles gefaßt, meine Uhr.

Ich wartete ein, zwei Minuten.

Ich wartete drei Stunden.

Sie leuchtete – nicht!

Tränen traten mir in die Augen. Ich war eine verpfuschte Existenz. Mein Leben war zerstört. Was sollte ich tun: meine Uhr leuchtete nicht …

Was nützt es, daß ich mich mit Hindenburgseife wasche? Daß ich auf der Matratze »Immer feste druff« schlafe? Daß ich ein Portemonnaie besitze mit dem Eisernen Kreuz ins Leder gepreßt? Daß auf meinem Taschentuche die Schlacht zwischen Metz und den Vogesen abgebildet ist? Daß ich eine Armbinde trage mit der Inschrift. »Gott strafe England?« Daß mein Tintenfaß einen 42 cm-Brummer darstellt? Daß der Federhalter, mit dem ich schreibe, aus Patronenhülsen besteht? Daß ich mich jeden Tag mit dem nach einmaligem Gebrauch unfehlbar wirkenden Entlausungsmittel »Mackensen« entlause?

Was besagt das alles, wenn ich keine Uhr besitze, die des Nachts leuchtet?

Weinend wachte ich den Morgen heran.

Schon um 5 Uhr stand ich vor dem Uhrwarengeschäft in der Kaufingerstraße und wäre beinah von der Straßenreinigung mit betroffen worden.

Um 71/2 wurde endlich das Geschäft geöffnet.

Ich schlüpfte dem öffnenden Gehilfen noch unter der eisernen Rolljalousie durch und forderte mit einer Stimme, die sich wie ein Harlekin überschlug, eine Uhr mit ff. Radiumleuchtvorrichtung. Marke Kronprinz. Mit Garantie für Lebensdauer, mit Läutwerk, Bellvorrichtung, Scherenfernrohr und Periskop.

Ich fieberte den ganzen Tag. Ich aß nichts. Ich saß stier und verstört im Café Glasl vor einer Schale Nuß und dachte nur den ganzen Tag: Leuchtet meine Uhr des Nachts? … Leuchtet meine Uhr des Nachts?

Wenn es doch erst Abend … wenn es doch erst Nacht wäre!

Und es wurde Abend. Es wurde Nacht. Ich saß in meinem Keller in der Schwanthalerstraße – und meine Uhr leuchtete!

Sie leuchtete!

Sie leuchtete die ganze Nacht: kalkweiß und graugrün wie ein magischer Kreis. Immer und immer starrte ich auf den Ring der fahlen Lichter. Der sah so aus:

(ein Kreis aus Sternen)

Und wie ich mich tiefer in das Bild versah, da begriff ich: es war der Himmel, der Sternhimmel, den ich in der Hand hielt. Venus und Wage, Bär und Fisch glänzten in meiner Hand. Ich hatte das Rätsel des Lebens gefunden.

Übernächtig, aber berauscht von der Erkenntnis der Nacht, stieg ich am Morgen aus meinem Keller empor. Da lag die Welt trübe und blaß wie ein Teller abgestandnes Wasser.

Es regnete in Strähnen und ein weißer Wind seufzte.

Die Welt ekelte mich an.

Ich schlafe keine Nacht mehr. Ich esse und trinke nicht mehr.

Meine Wangen fallen ein, Meine Augen sind rosa entzündet.

Ich sitze im Keller und sehe des Nachts meine Uhr leuchten.

Manchmal ziehe ich sie auf, damit mein Herz nicht stehen bleibt.