Kitabı oku: «Leben nach der DDR», sayfa 6

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Was bewirkten

»alte Seilschaften«?

Im März 1991 bedrängten die CDU-Abgeordneten aus den »neuen Bundesländern« Bundeskanzler Helmut Kohl, stärker gegen »SED-Seilschaften« bei der Treuhandanstalt vorzugehen. Nach Angaben der Bundesregierung besetzten zu dieser Zeit noch etliche frühere Spitzenfunktionäre leitende Positionen. Dazu zählten zwei Ex-Staatssekretäre und fünf ehemalige stellvertretende Minister der DDR. Selbst nach der Vereinigung am 3. Oktober 1990 wurden noch fünfundvierzig hohe DDR-Funktionäre eingestellt. Sieben von ihnen verließen wenig später wieder die Treuhand.

Die DDR-Wirtschaft war für die Treuhand ein undurchsichtiger Dschungel. Deshalb versicherte sie sich der Mitarbeit früherer Funktionäre, um überhaupt erst einmal Ansätze für eine Privatisierung zu finden. Das versuchten einige clevere Ostchefs, für eigene Geschäfte zu nutzen. Oftmals wussten sie die Belegschaft hinter sich, denn die Entlassungswellen rollten schon. Im März 1990 gab es in der DDR die ersten 38.300 Arbeitslosen. Bis April stieg ihre Zahl auf 64.900, dann auf 94.800 im Mai und 142.100 vor der Einführung der DM. Nach der Währungsunion explodierte die Arbeitslosenzahl auf 272.000 im Juli 1990 und 361.300 im August. Dazu kamen noch 1,439 Millionen »Kurzarbeiter«, die keine Arbeit mehr hatten, aber so wenigstens aus der Statistik fielen.

So erklärt sich, dass manche früheren Chefs für die eigene Zukunft schalten und walten konnten, denn sie versprachen »Erhalt der Arbeitsplätze«. Ganz besondere Objekte der Begierde waren dabei international bekannte und gut funktionierende DDR-Einrichtungen, wie etwa die Leipziger Messe und die Interhotel-Kette.

Das geeinte Deutschland war gerade einen Monat alt, als Siegfried Fischer, seit 1981 Generaldirektor des Leipziger Messeamts, am 2. November 1990 mit der Mannheimer Firma Blank & Radosevic Holding KG (B & R) im Namen der Treuhand einen Generalmietvertrag für die nächsten fünfundzwanzig Jahre schloss. Er sah die Gründung einer Betriebs- und Verwaltungsgesellschaft für die lukrativen Messehäuser in der Leipziger City vor. Die elf historischen Großbauten, wie die Mädler-Passage und das Hansahaus, brachten nicht nur während der traditionellen Frühjahrs- und Herbstmessen Geld, sie beherbergten im Erdgeschoss auch einen großen Teil des innerstädtischen Einzelhandels. Das Spektrum reichte von fünf Juwelieren, dreizehn Bekleidungsgeschäften, zwei Friseuren über sieben Lebensmittelläden, fünf Restaurants, ein Kino, zwei Kaufhäuser bis zu achtundzwanzig weiteren Läden, wie Porzellan-Lorenz oder Samen-Koch. Mieteinnahmen in Millionenhöhe schienen garantiert.

Die Treuhand sollte mit 20 Prozent, die Mannheimer B & R jedoch mit 80 Prozent an der Verpachtung aller Einzelhandelsflächen der elf Messehäuser beteiligt werden. Natürlich ging es um »marktüblichen« Mietzins, den Blank und Radosevic kassieren durften, und der lag 1990 in Leipzig bereits bei 120 Mark pro Quadratmeter. Die Messe als »Generalvermieterin« gab sich mit den DDR-Preisen von maximal 10 DM pro Quadratmeter zufrieden.

Als die Treuhand von dem Deal erfuhr, lief sie dagegen Sturm und prozessierte. Drei Wochen vor Vertragsunterzeichnung hatte Birgit Breuel, damals Vizechefin der Treuhand, Fischer angewiesen, »grundsätzlich nicht langfristig zu vermieten und zu verpachten«. Der DDR-Messemanager flog aus der Anstalt. Das erwies sich in diesem Fall als geeignet, um den Deal zu verhindern.

Am 13. Januar 1991 entstand dann die Leipziger Messe GmbH. Gesellschafter waren zu je 50 Prozent der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig. 1994 und 1996 gründeten sich Tochterunternehmen, unter anderem für die Organisation von Gastveranstaltungen, die gastronomische Betreuung der Messegäste, den Messetourismus und den Ausstellungs- und Veranstaltungsservice zuständig.

Derartige Manipulationen mit dem »Volkseigentum« blieben kein Einzelfall. Noch zu DDR-Zeiten fädelte Interhotel-Chef Hellmut Fröhlich, inzwischen Alleinvorstand der derweil im Besitz der Treuhand befindlichen Interhotel AG, sein Geschäft mit dem Steigenberger-Konzern ein. Dabei halfen die damals noch in der Anstalt tätigen ehemaligen »Leitungskader« aus SED-Zeiten.

Es ging um vierunddreißig Häuser mit 15.520 Hotelbetten – ein Drittel aller bis 1990 in der DDR vorhandenen Unterkünfte. Im Jahr 1989 erwirtschafteten sie einen Gewinn von 380 Millionen DDR-Mark.

Die Interhotel AG und die Steigenberger Hotels AG aus Frankfurt am Main gründeten am 19. Juli 1990 die Tochtergesellschaft Steigenberger International GmbH. Beide Unternehmen waren jeweils zur Hälfte beteiligt. Diese Firma schloss am 24. Juli 1990 mit jedem der vierunddreißig Interhotels einen Pachtvertrag über zwanzig Jahre ab. Er enthielt die Option, diese Verträge zweimal um fünf Jahre verlängern zu können. Als Pachtzins vereinbarten die Vertragspartner 4 bis 6 Prozent des Umsatzes – etwa die Hälfte dessen, was im Westen üblich war. Investieren sollte nur die Interhotel AG. Steigenberger übernahm dafür die Schönheitsreparaturen und sonstige Instandhaltungen, »soweit sie den Betrag von DM 1.000,- im Einzelfall« nicht überstiegen. Steigenberger-Vorstand Wolfgang J. Momberger begründete die Minipacht mit den hohen Investitionen, die nötig seien, um die Hotels auf Weststandard zu bringen. Dass gerade diese Investitionen nur von der Interhotel AG zu tragen wären, erwähnte er nicht.

In der Treuhandanstalt waren für die Verträge der ehemalige Staatssekretär Manfred Domagk und der ehemalige Handelsminister Manfred Flegel zuständig. Sie stimmten ihnen zu und bewegten sich damit im Rahmen ihrer Kompetenzen – ihr Kündigungsbrief von der Treuhand, in dem ihnen das Ende ihrer Tätigkeit als Beauftragte mitgeteilt wurde, ging erst einen Tag nach der Unterzeichnung der Pachtverträge mit Datum vom 25. Juli 1990 ein.

Der damalige Treuhandchef, Reiner Maria Gohlke, erfuhr am 27. Juli vom Vertrags­abschluss aus der Zeitung beim Frühstück im Ostberliner Grand Hotel. Er fiel aus allen Wolken, denn eigentlich wollte die Treuhand die Hotels einzeln verkaufen. Davon versprach sie sich mindestens eine Milliarde Mark Einnahmen. Doch so einfach rückgängig machen ließ sich der Husarenstreich von Hellmut Fröhlich nicht.

Ein Rechtsgutachten der Treuhand stellte fest, dass er nur von der Hauptversammlung der Interhotel AG absetzbar war. Die bestellte am 10. September 1990 zwar einen neuen Chef, doch das hatte vor Gericht keinen Bestand. Die rund 13.000 Interhotel-Mitarbeiter standen hinter Fröhlich und seinem Deal mit Steigenberger. Ihre Hoffnung: Mit der Gesamtübernahme der Kette ließen sich drohende Hotelschließungen und Massenentlassungen verhindern. Am 12. September 1990 stürmten Interhotel-Mitarbeiter sogar die Chefetage der Treuhand.

Am Ende konnte sich die Treuhand durchsetzen. Die Hotels wurden nicht mit langfristigen Pachtverträgen gebunden, sondern verkauft. Die mit der Suche nach Käufern beauftragten Investmentbanker von S. G. Warburg & Co. in London verschafften der Treuhand später Einnahmen in Höhe von 2,6 Milliarden Mark.


Berlin, 1990: Interhotel-Mitarbeiter protestieren vor dem Internationalen Pressezentrum der DDR in der Berliner Mohrenstraße gegen die Zerschlagung der Hotel-Kette. (picture alliance / Paul Glaser / dpa-Zentralbild / ZB / Paul Glaser)

Trotz solch spektakulärer Aktionen schwand die Macht der »alten Seilschaften«. Aussortiert wurde Anfang der 1990er Jahre auch unter den ostdeutschen Managern, Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern. Zwischen Sommer 1990 und Sommer 1992 mussten 2.860 von ihnen gehen, darunter 520 wegen politischer Belastungen oder Stasimitarbeit, 210 wegen Untreue und 1.100 wegen fachlicher und sozialer Inkompetenz.

Ein Ende des Wirtschaftens der »Seilschaften« war das nicht. Inzwischen hatten sich längst neue Beziehungsgeflechte gebildet, in denen Ost- und Westdeutsche gemeinsam agierten. Ein Beispiel: In Halle übernahm Rechtsanwalt Baron Dr. Siegfried von H. die Liquidation des Konsums. Das brachte ihm eine Sequestervergütung von 12,7 Millionen DM ein. Bekommen hatte er den Job mit Hilfe von Amtsrichter D., der den Mann mit dem gekauften Adelstitel als Konkursverwalter einsetzte. Ein Jahr später wurde gegen den Amtsrichter wegen des Verdachts der Bestechung ermittelt. Er verlor sein Amt, zu dem seine private Lebensführung schon längere Zeit nicht mehr passte. Sein Vorgesetzter, der damalige Amtsgerichtspräsident von Halle, H., kommentierte das gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung so: »Man kann nicht mit dem Verwalter eines Verfahrens, über das man die Aufsicht führt, Arm in Arm durch die Kneipen ziehen und dabei unabhängig bleiben.« Wenig später musste aber auch Amtsgerichtspräsident H. zugeben, dass er ein Gutachten in unerlaubter Nebentätigkeit für ein Honorar von 100.000 DM für den Konsum erstellt hatte. Er verlor ebenfalls sein Amt. »Alte und neue Seilschaften« begleiteten jedoch auch weiterhin den Weg der Treuhand.

Wie machte Westkonkurrenz Osttraditionsmarken nieder?

Es war ein Kampf mit harten Bandagen, vielen Tricks und einem freundlichen Gesicht. Eine große Chance hatten die neuen ostdeutschen Konkurrenten nach der Einheit jedoch nicht.

Das Beispiel: Foron, das DDR-Warenzeichen für große Haushaltsgeräte: Kühlschränke aus Scharfenstein standen in der DDR in fast jeder Küche. Im Westen gab es sie bei Quelle zum Schnäppchenpreis unter dem Namen Privileg. Die dort heimischen »weißen Riesen« beobachteten argwöhnisch die Konkurrenz. Die Marktführer wie AEG, Bosch Siemens Hausgeräte und Liebherr verfügten über genügend Kapazitäten, eine »verlängerte Werkbank« im Osten brauchten sie nicht.

Der einstmals Volkseigene Betrieb dkk Scharfenstein gehörte nun der Treuhand. Von seinen fünftausendfünfhundert Arbeitsplätzen waren drei Jahre nach der Einheit noch sechshundertdreißig übrig, die Produktion sank von achthunderttausend auf zweihunderttausend Kühlschränke im Jahr. Trotzdem rechnete man sich im Erzgebirge noch eine Chance aus, denn das übliche Kühlmittel Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) war wegen des wachsenden Ozonlochs in Verruf geraten. Die Westfirmen scherten sich nicht darum, solange die Gesetze noch ihre Lücken hatten. Tetrafluorethan (FKW) blieb zugelassen, weil es angeblich kein Ozon abbaute, dennoch sahen Umweltschützer einen bedenklichen Einfluss auf den Treibhauseffekt.


Der Foron-Kühlschrank dkk 170 mit dem Tiefkühler dkk 71, hergestellt in den 1970er/80er Jahren in Scharfenstein (picture alliance / dpa / Günter Höhne)

Deshalb suchte Kältetechnik-Ingenieur Albrecht Meyer in Scharfenstein nach neuen Wegen. In seinem kleinen Labor mit zehn Prüfplätzen an der Zschopau hatte er bereits begonnen, mit Propan und Isobutan zu experimentieren. Die reinen Kohlenwasserstoffe kühlten zwar gut, konnten aber auch schon mal in die Luft fliegen. Nun wollten er und sein Team ausprobieren, ob es mit FKW, handelsüblich »R-134a« genannt, besser ginge. Doch das verkaufte der Westen nicht an den Osten. Trotzdem rollte pünktlich am 7. Oktober 1989, dem vierzigsten Geburtstag der Republik, ohne großes Aufsehen ein Lada auf den Hof und brachte ein Muster des langersehnten neuen Kältemittels in den VEB dkk Scharfenstein. »Auf abenteuerlichen Wegen haben wir uns über Kiew und Prag 1,9 Kilogramm 134a besorgt«, erinnerte sich Kältetechnik-Ingenieur Albrecht Meyer.

Seine Versuche brachten beste Ergebnisse. Überdies wurden die West-Kühlschränke mit einem Schaumstoff isoliert, der zwar gut dämmte, aber auch FCKW enthielt. Im Osten nahm man dafür aus Kostengründen das billigere Styropor. »Unser technischer Rückschritt wandelte sich für uns auf einmal zum Vorteil«, staunte Kältetechniker Meyer, denn die Gefahr für das Ozonloch war plötzlich in aller Munde.

Nur die Kühlschrank-Produzenten West stellten sich taub. 1990 erfand Medizinprofessor Harry Rosin zusammen mit einem Kollegen im Dortmunder Hygieneinstitut ein ökologisch unbedenkliches Kältemittel aus reinen Kohlenwasserstoffen, doch das wollte niemand haben.

Im dkk Scharfenstein ging die Produktion derweil weiter bergab. Die Hoffnung auf die Zukunft blieb, denn immerhin hatte man ja eine bislang nicht gekannte Innovation anzubieten. Deshalb fielen die Erzgebirgler aus allen Wolken, als die Treuhand das Werk im Juli 1992 wegen der defizitären Produktion schließen wollte.

Als wenige Tage zuvor Greenpeace-Aktivist Wolfgang Lohbeck anklopfte, der auf der Suche nach einem Produzenten für einen FCKW-freien Kühlschrank war, schien das der letzte Silberstreifen am Horizont zu sein. Er fragte, ob man es bei Foron nicht einmal mit der »Dortmunder Mischung« von Harry Rosin probieren könne. Es ging um Praxisexperimente, mit denen Wege gefunden werden mussten, die Explosionsgefahr der Kohlenwasserstoffe zu beseitigen. Durch seine eigenen Versuche verfügte Albrecht Meyer dazu über entsprechende Erfahrungen. Im Westen hatten alle Hersteller den Greenpeace-Mann mit seinen Plänen abblitzen lassen. Nun stellte er den Scharfensteinern sogar 26.500 Mark für den Bau von zehn Prototypen in Aussicht.

»Für diesen Preis hätten wir Greenpeace alles reingeschüttet, was sie wollten«, erinnerte sich Eberhard Günther, damals dkk-Geschäftsführer. Sein Betrieb verfügte nämlich auch noch über einen zusätzlichen Trumpf. Im Gegensatz zu den Westfirmen stellte er seine Kompressoren selbst her. So konnte Isolation, Schutzleiter, Verdampfer, Geräusch, Einspritzgeometrie und alles andere direkt im Betrieb im Dauer­einsatz getestet werden. Der Test verlief erfolgreich, und der TÜV segnete alles ab.

1993 erhielt Eberhard Günther dafür als Erster den »Deutschen Umweltpreis« der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). »Gegen alle Widerstände etablierter Wettbewerber wurden hier umweltgerechte Akzente gesetzt, die beweisen, dass Umweltverträglichkeit und technische Umsetzung sich nicht ausschließen«, hieß es 2015 im Nachruf der DBU auf ihn.

Doch damals ging es zunächst erst einmal darum, die bereits verkündete Schließung durch die Treuhand zu verhindern. Auch dabei half Greenpeace: 100.000 Mark ließen sich die Umweltschützer eine Werbetour quer durch Deutschland mit den Prototypen des neuen Öko-Kühlschranks »Greenfreeze« kosten. Am Ende lagen rund 65.000 Vorbestellungen vor. Die Treuhand gab ihre Pläne auf. Hunderte Arbeitsplätze schienen gerettet.

Doch nun schlugen die »weißen Riesen« aus dem Westen zurück. Erster Schritt: Die Konkurrenz madig machen. AEG verbreitete eine Studie, nach der die neuen Foron-Geräte rund 30 Prozent mehr Strom verbrauchen würden als die bisherigen. Der damalige Geschäftsführer Eberhard Günther dazu: »Wir waren uns sicher, dass diese Ergebnisse nicht stimmen konnten und die Studie wohl gelinkt war. Wir hatten ein unabhängiges Institut beauftragt, das zu ganz anderen Ergebnissen kam.«

Die Freude über den Etappensieg währte nur kurz, denn bald wurde sogar mit Lebensgefahr durch »Greenfreeze« gedroht. Die Westlobbyisten erinnerten sich an das Gutachten eines Professors, der vorrechnete: Bei 40 Millionen solcher Gasgeräte in den Haushalten würde es zehntausend Brände und zehn Tote im Jahr geben. Die Experten im Osten hielten dagegen, dass ihre Kühlschränke gerade einmal so viel Gas enthielten wie drei Feuerzeuge und es überdies darin keine Zündquellen gab. Trotzdem ließen die Westhersteller den Handel »vorsorglich« per Rundschreiben wissen, dass »Greenfreeze« brennbare Gase enthalte, somit gefährlich und ein Produktionsbeginn deshalb unwahrscheinlich sei. Man möge also keine Bestellungen annehmen … Das widerlegten die Scharfensteiner, indem sie am 15. März 1993 mit der Serienherstellung des neuen Öko-Kühlschranks KT 135 begannen. Er wurde begeistert aufgenommen.

Dadurch erkannten auch die großen Westfirmen, dass die Gas-Alternative offenbar nicht mehr aufzuhalten war. Sie änderten ihre Taktik und lobten nun öffentlich und überschwänglich die Foron-Tüftler. Bosch-Siemens Hausgeräte AG in München attestierte einen »sensationellen Erfolg«, und Liebherr sprach von einer »gehörigen Portion Dynamik«, die die Ostoffensive der Umweltschützer gebracht habe. Gleichzeitig positionierten sie mit viel Geld für Werbung innerhalb weniger Monate ihre eigenen FCKW-freien Kühlschränke auf dem Markt. Die neue Technik aus dem Erzgebirge wurde ein riesiges Erfolgsmodell. Seit 1993 entstanden weltweit rund 650 Millionen Geräte nach dem neuen Standard. 2011 verschwand auch der FKW-Einsatz von Tetrafluorethan in Autoklimaanlagen, das einst in Scharfenstein so sehnlichst erwartete »134a«.


Die von Foron in Scharfenstein entwickelte Weltneuheit, ein Kühlschrank »ohne Ozonkiller«, wird 1993 auf verschiedenen Haushaltsgeräte-Messen vorgestellt, wie hier in Köln auf der »Domotechnica«. (picture alliance / dpa – Bildarchiv / Hartmut Reeh)


Auch den ersten runden Kühlschrank der Welt haben Techniker des Foron-Werkes in Scharfenstein entwickelt. Ihr innovatives Fertigungsprogramm stellen sie bereits im November 1993 der Presse vor. (picture alliance / dpa – Report / Wolfgang Thieme)

Die an der Zschopau begonnene technische Revolution vermochte es dennoch nicht, Foron zu retten. Das lag vor allem an einer Klausel in der Vereinbarung mit Green­peace. Die Umweltschützer hatten darauf bestanden, dass die Firma ihre Kühltechnik nicht patentieren lassen durfte. Die Idealisten wollten mit der Technologie der ganzen Welt Gutes tun, nicht einem einzelnen Unternehmen. An die Ausbeutung der Idee durch die Westkonkurrenz hatten sie offenbar nicht gedacht.

Foron ging 1996 pleite, wurde von der holländischen Firmengruppe ATAG übernommen und ging wieder in Konkurs. Es folgte im März 2000 die Abspaltung von Vertrieb und Kundendienst des Unternehmens, den die Erwin Bonn GmbH aus Duisburg übernahm. Dann gab es ein Intermezzo mit der italienischen Antonio Merloni S.p.A., Fabriano, bei dem vor allem auf innovatives Design gesetzt wurde. Luigi Colani entwarf einen Kühlschrank mit runden Formen, gebaut wurde er nur noch in wenigen Exemplaren. 2002 räumte ein türkisches Unternehmen die verbliebenen Kühlgeräte in Scharfenstein lastwagenweise aus den Firmenhallen. Weil sich Signore Merloni mit einigen anderen Zukäufen wohl verhoben hatte, meldete die Fabriano-Dachfirma EFS Hausgeräte GmbH im Dezember 2009 Insolvenz an.

Heute gibt es an der Zschopau nur noch einige verlassene Gebäude. Und den guten Namen Foron – mit der Marke werden immer noch Geschäfte gemacht, nur nicht mehr von den Leuten im Erzgebirge.

Wie verschwand DDR-Vermögen?

Niemand weiß genau, wie viel Geld nach dem Ende der DDR aus deren Erbe versickerte. Schätzungen bewegen sich im zweistelligen Milliardenbereich. Ganz genau bekannt ist hingegen, wie ein großer Teil dieses Geldes zu Lebzeiten der DDR erwirtschaftet wurde. Ob Stahl in den 1950er, Transistoren in den 1960er oder Computer in den 1970er Jahren – während des Kalten Krieges unterlagen wichtige Waren einem Embargo und durften deshalb offiziell nicht über den Eisernen Vorhang hinweg und damit auch nicht in die DDR geliefert werden.

Das am 1. Januar 1950 gegründete Coordinating Committee for East-West Trade Policy, kurz CoCom genannt, überwachte die Einhaltung dieses Embargos. Diesem »Koordinierungskomitee für die Ost-West-Handelspolitik« folgten nahezu alle westlichen Staaten.

Um die Beschränkungen zu umgehen, aber auch um Geschäfte zu machen, bei denen die DDR nicht als staatlicher Auftraggeber erkannt werden wollte, gründete man einige Außenhandelsunternehmen, die als »privat« firmierten. In Wahrheit standen sie unter der Führung des Ministeriums für Staatssicherheit oder des Bereichs »Kommerzielle Koordinierung« (KoKo) im Ministerium für Außenhandel. Alexander Schalck-Golodkowski, sowohl Staatssekretär als auch Oberst im MfS, hielt die Fäden in der Hand.

Nachdem die DDR zusammengebrochen war, versuchten diese angeblichen »Privatunternehmer«, möglichst viel aus dem geheimen Vermögen beiseitezuschaffen. Das gelang am einfachsten, wenn sie behaupteten, es wäre ihr Besitz. Niemand glaubte an das Märchen von den DDR-Millionären, aber das Gegenteil musste erst einmal bewiesen werden, und das konnte dauern.

Einer, der diese Masche nutzte, war der Außenhändler Günther Forgber. Sein am 4. August 1965 als »privat« gegründetes Unternehmen, das auch seinen Namen trug, verdiente Geld mit Provisionen für Geschäfte westlicher Firmen mit DDR-Unternehmen in den Branchen Textilmaschinenbau, Maschinenbau und Elektronik. Dabei agierten etliche getarnte Tochterfirmen, wie zum Beispiel die Export Contact AG Zürich und die Export-Contact-Handelsgesellschaft Wien. Nach dem Ende der DDR berief sich Günther Forgber auf den »privaten Status« des Unternehmens und erklärte, alle Geschäfte seien nur pro forma dem Bereich KoKo angegliedert gewesen. Von der Stasi wollte er gleich gar nichts wissen.

Ein Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags brauchte bis 1998, um diese Behauptungen zu widerlegen: »Die bislang bekannten Vermögenswerte, die von der BvS [Treuhandnachfolgerin ›Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben‹, Anm. d. Verf.] für die Bundesrepublik Deutschland als Treuhänder geltend gemacht werden, belaufen sich auf etwa 50 Mio. DM. Hinzu kommen ca. 13,6 Mio. DM, die in der Wendezeit durch Helfer des Dr. Günther Forgber dem staatlichen Zugriff entzogen wurden.«

Da dieser Verdacht bereits Anfang der 1990er Jahre bestand, hatte die Staatsanwaltschaft den dubiosen Geschäftsmann Forgber damals verhaften lassen. Es herrschte Verdunkelungsgefahr. Ohne Beweise durfte sie die U-Haft jedoch nicht ungebührlich ausdehnen, immerhin ging der Mann auf die siebzig zu.

Der damals mit dem Fall befasste Staatsanwalt Hans Richter führte 1992 ein Gespräch mit dem Untersuchungshäftling: »Durch einen Anruf erfuhr ich, dass seine Entlassung bevorstand, weil sein Gesundheitszustand so schlecht war wie die Beweislage.« Der Jurist fuhr in die Haftanstalt, um den Mann noch ein letztes Mal zu vernehmen. Vom unmittelbar bevorstehenden Ende der U-Haft sagte Richter erst einmal nichts, stattdessen malte er dem Delinquenten in den schillerndsten Farben aus, dass all die Millionen nichts nützten, wenn er den Lebensabend hinter Gefängnismauern verbringen müsste. Das wirkte. Richter: »Ich habe ihn zwei Stunden lang weichgeklopft, bis er telefonisch aus dem Knast heraus die ersten 45 von den Millionen auf das Treuhandkonto überweisen ließ.«

Dabei half ihm sein Anwalt Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger, der wenig später mit der Verfügung der Haftverschonung ins Gefängnis kam, was dann den redseligen Außenhändler auch schlagartig verstummen ließ. Vor seinem nächsten Gerichtstermin verschwand Günther Forgber aus Deutschland. Nun wurde nach ihm und seinen Millionen gefahndet.

Bei deren Verbergen half ihm wiederum Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger. Der 1942 in Österreich geborene und 1960 in die DDR übergesiedelte Jurist war bis Anfang 1989 Richter am Stadtbezirksgericht Berlin-Lichtenberg. Wegen seiner drakonischen Urteile zu banalen politischen Delikten nannten ihn seine Opfer den »Schakal«. Noch vor dem revolutionären Herbst 1989 ließ er sich als Rechtsanwalt und Notar in Ostberlin nieder. Insider meinen, er stand damals am Anfang einer Karriere als »Vertrauensanwalt« der Stasi. Seine Aktivitäten vor der Währungsunion bestätigten diese Vermutung. An einem einzigen Wochenende kurz vor dem 1. Juli 1990 verbriefte Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger allein im Raum Strausberg, dem Sitz der NVA-Führung, den Eigentümerwechsel von siebenunddreißig Immobilien, meist Villen am See.

Zwei Jahre später, Anfang 1992, brachten ihm seine Unrechtsurteile in der DDR Ermittlungen wegen Rechtsbeugung in mehr als zwei Dutzend Fällen ein. Noch bevor Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger vor Gericht erscheinen musste, floh er im Februar desselben Jahres aus Deutschland. In Wien versuchte er noch schnell, dort versteckte 17 Millionen Mark aus dem DDR-Erbe für die Reisekasse lockerzumachen. Dazu, ob das gelang oder nicht, gab es widersprüchliche Aussagen. Dennoch stand auf dem internationalen Haftbefehl auch »Beihilfe zur Untreue«. Diese leistete er Günther Forgber beim Verschieben von dessen restlichen geheimen DDR-Vermögen.

Daran arbeiteten Günther Forgber und Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger bereits seit 1991. Sie gründeten in Vaduz die Firmenmäntel Steel Rotors AG und Ritter Gut AG als Basis neuer Unternehmen. Der Anwalt führte die Verhandlungen, der Geschäftsmann gab das Geld.

Das ging ungestört vonstatten, denn die deutschen Behörden benötigten einige Jahre, um überhaupt festzustellen, dass das Unternehmen »Günther Forgber« vor allem für das MfS Technik und Devisen für die Finanzierung der Spionage im Westen besorgt hatte.

Firmengründer und Namensgeber Günther Forgber wurde 1957 von der Stasi als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) »Bergmann« geworben und 1958 von der Spionageabteilung (HV A) übernommen. Ein Überläufer verriet 1961 diese Geheimdienstverbindung. Deshalb wurde Forgber bis 1963 »abgeschaltet« und dann von der Stasi-Hauptabteilung XVIII, für die »Volkswirtschaft« zuständig, unter der früheren HV A-Nummer XV/3778/63 als »Martin« erneut registriert. 1983 reaktivierte ihn die HA XVIII noch einmal, nun unter der neuen Registriernummer XV/2691/83.

All das festigte später die Auffassung des KoKo-Untersuchungsausschusses zu den Geschäften Forgbers: »Es kann … mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der eigentliche Initiator der Unternehmensgründung nicht das Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (der DDR), sondern das MfS war. Obwohl das Unternehmen formal als Einzelunternehmen auftrat, handelte es sich in Wirklichkeit um ein Staatsunternehmen.«

Deshalb standen seit dem Ende der DDR die verbliebenen Gelder der Firma »Günther Forgber« der Treuhand zu. Doch der Außenhändler war verschwunden, und das Geld – »13,6 Mio. DM, die in der Wendezeit durch Helfer des Dr. Günther Forgber« beiseitegeschafft worden waren, so der Untersuchungsausschuss – war nicht aufzufinden.

Jahre später gab es dann doch noch eine Spur. In einer völlig unspektakulären Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main unter den Aktenzeichen 12 U 139/00 und 9 O 26/98 ging es um ein Immobiliengeschäft, das Günther Forg­ber mit einem Geschäftsmann im Westen über ein dem Westpartner gehörendes Stück Brachland gemacht hatte. Dabei flossen reichliche Gelder an Strohmänner und -frauen. Am 22. Februar 2001 hielt das Gericht fest: »In Zusammenarbeit mit seinem Rechtsanwalt Wetzenstein-Ollenschläger wurden unter anderem 13 Millionen DM auf ein Konto seiner Tochter … transferiert.« Dieses Geld beanspruchte nun die Bundesrepublik, weil es nicht Günther Forgber gehörte, sondern unterschlagenes Staatseigentum der früheren DDR war.

In der Berufungsverhandlung erwies sich der Deal als so geschickt eingefädelt, dass er rechtlich unangreifbar war. Der Bund kam an das Geld nicht mehr heran, weil Dritte am Handel beteiligt waren, denen kein Unrecht nachgewiesen werden konnte.

Günther Forgber starb im Frühjahr 2006 bei einem ungeklärten Autounfall nahe Valencia in Spanien. Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger ist bis heute spurlos verschwunden.


Berlin, 10. Februar 1992, Mordprozess gegen Erich Mielke: Der ehemalige Chef des MfS ist beschuldigt worden, in den 1930er Jahren zwei Polizisten ermordet zu haben. Die Verteidigung des Angeklagten hat unter anderem der Rechtsanwalt Jürgen Wetzenstein-Ollenschläger (rechts) übernommen. (picture alliance / ZB – Fotoreport / Zentralbild)

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