Kitabı oku: «Die Theologie als Abenteuer», sayfa 2
1. Biographie ist Theologie und Theologie ist Biographie
Wozu eigentlich ein Buch mit Gesprächen ?
Lieber Herr Berger, wir kennen uns bisher, bis zu diesem Moment, da wir diese Gespräche beginnen, nur wenig. Ich bin gespannt auf das, was Sie über Theologie und ihre Bedeutung für Ihr Leben sagen werden. Die Öffentlichkeit liest mit. Aber Theologie wäre keine Theologie, wenn sie nicht öffentlich wäre.
Denn außer Gottesdienst und Hirtenbriefen gibt es seit 1000 Jahren in steigendem Maße weitere Marktplätze kirchlicher Öffentlichkeit. Dazu gehören auch die Theologischen Fakultäten und die Pädagogischen Hochschulen und andere Orte, an denen Menschen im Sinne der Kirche geprägt werden. Das zwingt den Theologen selber dazu, sich klar und damit auch angreifbar auszudrücken. Wenn man dann im Laufe der Zeit klarer und eindeutiger wird, dann liegt das daran, dass ein Prägestempel härter sein muss als das, was er formt.
Können Sie ohne weiteres über die Bedeutung der Theologie für Ihr Leben sprechen ? Sonst stehen doch viel eher die theologischen Fragen selbst im Zentrum der Aufmerksamkeit, die das Neue Testament und sein Umfeld betreffen.
Eigentlich ist mein Leben nicht Gegenstand meiner Lehre. Außer in der Beichte habe ich keine Zeit, darüber nachzudenken. Aber es stimmt nun einmal, dass Theologie Biographie ist. Und so verstehe ich Ihr Anliegen.
Gibt es eine Theologie, die nicht wesentlich in der Biographie desjenigen verankert ist, der sie betreibt ?
Eine solche Theologie gibt es nicht. Biographie ist Theologie und umgekehrt. Und deshalb veranstalten wir diese Gespräche. Es geht hier nicht um abstrakte Lehren, bei denen man sagen könnte, sie seien richtig oder falsch, rechtgläubig oder das Gegenteil davon. Sondern es geht um einen Menschen, der notgedrungen und – Gott sei Dank – von der Wahrheit Zeugnis geben muss und diese Wahrheit irgendwie widerspiegelt. Ohne dieses Zeugnisgeben als Zwischenglied für die Wahrheit geht es nicht.
Aber können ungünstige biographische Erlebnisse die Art, Theologie zu betreiben, in einem ebenso ungünstigen Sinne beeinflussen ? Dagegen ist die Theologie auf eine objektive Dimension angewiesen.
Die objektive Dimension, auf die Sie mich ansprechen, wird dadurch dargestellt, dass es auch noch andere Theologen gibt. In der katholischen Kirche hat es nie das Prinzip des einzigen Lehrers gegeben, außer im Matthäusevangelium, in dem es heißt, dass einer euer Lehrer ist, und das ist Christus (Mt 23,8). Aber selbst wenn man das Matthäusevangelium eingehender betrachtet, erkennt man, dass darin eine Fülle von Traditionen verarbeitet und eine Fülle von Denkwegen zur Diskussion gestellt werden. Wenn man am Prinzip des einen Lehrers festhält, dann kann es innerhalb der Jüngerschaft oder Schülerschaft Jesu Christi immer nur darum gehen, sich zu ergänzen.
2. In meiner Klasse war ich immer der einzige Katholik
Wie junge Jahre das künftige Leben prägen sollten
Vorbild : „Mit Hingabe und Phantasie am Reich Gottes mitbauen“
Wie kam es dazu, dass Sie sich mit der Botschaft der Kirche beschäftigt haben ?
Hauptsächlich kam es dazu, weil ich imponierende Personen geistlichen Standes vor mir hatte, nämlich die Ursulinin Mater Benigna, die in einem Kinderheim wirkte und eine sehr starke Ausstrahlung hatte. Bei ihr war der Glaube Feuer, nicht Asche.
Haben Sie mit dieser Schwester darüber gesprochen, dass Sie Theologie studieren möchten ?
Dazu war ich noch zu jung. Ich war fünfzehn Jahre alt. Aber ungefähr in dieser Zeit begann das Interesse, das sich als eine Sympathie äußerte für das Ganze, das mir durch meine Familie nicht geläufig war. Dann entdeckte ich die Qualitäten vor allem meines Dechanten Josef Winter in Goslar, der ein Mensch war, der von morgens bis abends mit großer Hingabe und Phantasie unterwegs war, um, wie er sagte, am Reich Gottes mitzubauen. Es war ein Schüler von Romano Guardini und daher in der Liturgischen Bewegung sehr aktiv. Das prägte vor allem meinen Geschmack und machte mich gegen manche späteren Auswüchse in der Liturgie immun.
Drohte dadurch nicht ein einseitig ästhetischer Zugang zur Liturgie ?
Dechant Winter hat sich auch politisch betätigt. Er hat zusätzlich zu seinen priesterlichen Tätigkeiten maßgeblich eine katholische Wochenzeitschrift für Norddeutschland herausgegeben. Sie trug den Titel „Das Wort“, sie wurde ausdrücklich und von Anfang an für die Diözesen Hildesheim, Osnabrück und Paderborn herausgegeben und sie hatte einen hohen inhaltlichen Anspruch. In dieser Zeitung durfte ich schon als Schüler Beiträge über christliche Kultur schreiben. Weil mein Vater die „Tagespost“ abonniert hatte, habe ich praktisch von Anfang an diese katholische Zeitung gelesen.
Insgesamt betrachtet wurden Sie nicht so sehr von Personen an das Studium herangeführt, die in der akademischen Theologie professionell tätig waren, sondern von Theologen, die in der Seelsorge praktisch und überzeugt tätig waren.
Die rein akademischen Theologen gab es in einem weiten Umfeld nicht. Eine Ausnahme war der glückliche Umstand, dass Dechant Winter in Goslar die Soziale Akademie der Diözese Hildesheim gegründet hatte, die neben dem Franz-Hitze-Haus in Münster und anderen katholischen Akademien bis heute besteht. Im Rahmen dieses Diskussionsforums fanden auch akademische Tagungen statt. Dort war ich treuer Hörer und durfte die Menschen, die dort zu Besuch waren, öfter durch die Stadt Goslar führen. Ich erhielt 50 Pfennig pro Person und durfte mich tagelang mit diesen Menschen beschäftigen. Sie waren zwar manchmal eindrücklich, aber nicht im engeren Sinne des Wortes mitreißend. Mitreißend waren nur Seelsorger und Ordensschwestern in praktischen Einsätzen. Zumindest habe ich das so empfunden.
Ahnten Sie damals schon, was mit der Berufung zur Theologie, ja mit der Leidenschaft für die Theologie auf Sie zukommt ? Oder hat sich dies erst mit den Jahren und Jahrzehnten entwickelt ?
Was auf mich zukam, das konnte ich schon ahnen. Ich war in meiner Klasse immer der einzige Katholik. Alle Diskussionen über Kirche und Papst, die angeblichen Schandtaten Karls des Großen, die auch schon damals zu erheblichen Diskussionen führten, fielen irgendwie auf mich zurück. Daher war ich später in apologetischer Hinsicht gut vorbereitet.
Diese Diskussionen in der Schule müssen sich in den 1950er Jahren zugetragen haben.
Ja, sie spielten sich im Zeitraum von 1955 bis 1960 ab. 1960 habe ich das Abitur abgelegt.
Was sagten Ihre Eltern zu dem Heranreifen Ihres Wunsches, Theologie zu studieren ?
Mein Vater verhielt sich ablehnend, meine evangelische Mutter war verständnislos. Es gab keine Förderung. Die Familie meiner Mutter war evangelisch, aber vom Christentum völlig unberührt. Als meine Großmutter gestorben war, habe ich ihre Konfirmationsbibel geerbt. Die Bibel war völlig „jungfräulich“.
Dann waren tatsächlich Mater Benigna und Dechant Josef Winter Ihre Vorbilder, die für die Motivation sorgten, den Weg der Theologie zu beschreiten – auch wenn Sie noch gar nichts von den Abenteuern wissen konnten, die faktisch auf Sie zukamen.
Die Vorbilder, über die wir gerade gesprochen haben, sind naturgemäß nur der Anlass für die eigenen Interessen. Die eigenen Interessen selbst waren davon geprägt, dass ich einen Beruf ergreifen wollte und mich nach einem Beruf sehnte, der nicht nebenbei getan würde, der mich vielmehr den ganzen Tag über erfüllen und herausfordern würde. Das Schreckensbild war für mich ein Typ von Studienrat, der für das Uninteressiertsein und das viele Uninteressante stand, das die Studienräte an unserer Schule vor allem kennzeichnete. Mir war schon sehr bald klar, dass ich nie Lehrer werden wollte ; auf alle Fälle kein solcher. Die Distanz zum eigenen Beruf war nicht mein Fall. Da habe ich es schon viel eher mit dem Abenteuer der Theologie, und das in vielerlei Hinsicht.
Bis heute gibt es Theologiestudenten, deren Motivation, Theologie zu studieren, man in zwei Kategorien einordnen kann : diejenigen, die neugierig sind, und diejenigen, die Mitleid haben. Neugierig die einen auf die tiefsten Glaubensinhalte, die mit den Kategorien des Geistes umkreist und nach Möglichkeit dann auch klar erfasst werden, mitleidend die anderen mit der Kirche, der die Hirten fehlen, oder mit den Menschen, die in Schwierigkeiten sind. Waren Sie der Typ des Neugierigen oder der des Mitleidenden ?
Mitleidend zu sein, das war damals nicht das Thema. Man musste sich wehren, damit man nicht unterging. In Dechant Winter hatte ich ein gutes Vorbild, der von sozialdemokratischen Gegnern umgeben war und der sich mit ihnen aktiv auseinandersetzte. Die Sozialdemokraten waren damals bis in die Zeit des „Godesberger Programms“ erklärte Gegner der Kirche. Danach zeigte man sich ein bisschen gemäßigter. Bis dahin ging es allerdings um einen Kampf rot gegen schwarz. Goslar lag acht Kilometer von der Zonengrenze entfernt. Dahinter begann der real existierende Sozialismus.
Welche Auswirkungen hatte das für Ihre Jugend ?
Es hat mich sehr begeistert, die „Civitas Dei“ in ihrem Kontrast zur „Civitas Diaboli“ zu begreifen. Deswegen habe ich lange vor dem Abitur eine deutsche Übersetzung des „Gottesstaates“ von Augustinus gekauft und auch eingehend studiert. Die zwölf Schulhefte, die ich während der Lektüre mit Notizen angefüllt habe, sind mir bis heute eine wichtige Stütze, wenn es darum geht, dass ich mich in dem umfangreichen Werk des heiligen Augustinus zurechtfinde.
Konservativität : „Mich treibt ein zukunftsfähiges Konzept von Kirche an“
Sind all diese frühen Prägungen tiefsitzende Prädispositionen, wie sie etwa auch ein Golo Mann erfahren hat, der immer wieder als konservativ bezeichnet wird ?
Um Konservativität an sich geht es hier sicher nicht. Ich habe mich immer deutlich dagegen gewandt, dass Konservativität zu einem meiner Kennzeichen gemacht wird, mit dem man wiederholt versucht hat, mich abzufertigen. Oberflächlicher geht es nicht ! Vielmehr trieb und treibt mich ein zukunftsfähiges Konzept von Kirche um und an, die in der Welt um die Menschen kämpft und streitet. Wer eine solche Kirche ernsthaft im Blick hat, kann nicht konservativ sein. Es geht um kein geringeres Ziel, als dass die Kirche glaubwürdig ist. Will sie das sein, dann muss sie an Jesus Christus erinnern. Die Einteilung in konservativ und nicht konservativ, die auf mein Leben und meine Aussagen angewandt wird, ist nachkonziliar. Das sogenannte Konservative wurde und wird mit dem Vorkonziliaren verwechselt. In mancher Hinsicht ist dies richtig. Mit der Priesterbruderschaft Pius X. und deren Weltsicht hat das aber sicher nichts zu tun.
Sie haben sich mit diesen zentralen Fragen von Kirche schon früh, als Jugendlicher oder als junger Erwachsener, intensiv beschäftigt. Es gab niemanden, der Sie als eine Art stiller Begleiter an die Hand genommen hätte. Waren Sie also ein Einzelkämpfer ?
Mein Dechant hatte dafür keine Zeit. Ab und zu hat er mir ein paar Bücher vorgelegt, die ich dann staunend gelesen habe, zum Beispiel eines von Pater Marie-Dominique Chenu über den heiligen Thomas. Noch heute besitze ich es. Allerdings musste ich dann jeweils selbst sehen, was ich mit den Büchern anfangen sollte. Aber das kann ja seitens Dechant Josef Winter auch als ein Akt des Vertrauens in mich gedeutet werden, dass ich mit den zur Verfügung gestellten Inhalten schon würde umgehen können.
Das heißt : Sie haben damals schon früh viel gelesen.
Ja. Zum Lesen gesellte sich allerdings mein großes Interesse an der Kunstgeschichte. Goslar ist eine mittelalterliche Stadt, deren Züge ich auswendig kenne. Mein Interesse an künstlerischen Darstellungen nahm zu, je mehr ich mich mit der alten Goslarer Kathedrale, dem Goslarer Dom befasste. Zwei Jahre vor dem Abitur habe ich eine Sammlung von mittelalterlichen Glockeninschriften aus vielen Gegenden Europas angelegt, die in Latein verfasst sind. Zum Teil musste ich die Kirchtürme besteigen, um sie zu erkunden. Diese 5000 Glockeninschriften bin ich im Laufe meines Lebens immer wieder durchgegangen. Sie haben mir theologische Weiten und Welten erschlossen, zu denen man sonst keinen Zugang findet. Zum Beispiel diese aus dem 13. Jahrhundert : „Gott, durch dein Kreuz herrsche im Himmelreich“.
Außerdem haben Sie früh begonnen, mit Handpuppen zu spielen.
Das Handpuppenspiel ist Teil meiner Person. Ich wirke seit 1948 als Direktor eines Puppentheaters, und das mit allem, was dazugehört : Teufel, König, Räuber, Student, Gretchen, Kasper und Pastor, zwei Affen und ein Löwe.
Und der Löwe ist der „Löwe Peter“, von dem Sie in unseren früheren Unterhaltungen schon mehrmals gesprochen haben ?
Der ist der Wichtigste von allen. Dieses Puppentheater war bedeutsam, weil ich theologische Vorlesungen öfter, also zwei- oder dreimal im Jahr, am Katheder als Puppenspiel gestaltet habe. Die Studenten fanden das jedenfalls immer glänzend, die Leute in Stuttgart, die teilweise ohne Humor sind, dagegen nicht. Handpuppen kommen bei Pietisten zumeist nicht gut an. Man kann ihnen nicht mit Handpuppen kommen, weil hier alles Theater als Lüge gilt.
Diese Dinge flankierten Ihre Beschäftigung mit der geistigen Welt der Theologie. Hatten Sie Vorbilder der akademischen Theologie ?
Herrn Rudolf Schnackenburg, den Neutestamentler, kannte ich, da sein Bruder als Pfarrer in meiner Pfarrgemeinde wirkte. Zweimal im Jahr war er im Jakobushaus, in der katholischen Akademie. Aber imponiert hat mir an ihm die Andacht, mit der er zelebrierte, sowie die Tatsache, dass er ein frommer Exeget war. Trotzdem wollte ich zunächst nicht Professor werden, sondern ich wollte mich um die Menschen kümmern.
Spürten Sie eine Freiheit Ihrer Existenz, die Sie nutzen wollten, oder suchten Sie verzweifelt nach Ihrem beruflichen Weg, wie dies manche junge Menschen heute tun, die gar nicht genau wissen, wo es in die Zukunft langgeht ?
Verzweifelt und unwissend war ich nie. Ab und zu machten die französischen Arbeiterpriester in Goslar Urlaub. Ich durfte sie dann durch die Stadt und die Gegend führen und wollte zumindest ein wenig so wie sie werden, das heißt : mit den Menschen leben, ihren Alltag teilen und mit Phantasie Wege erdenken, wie man das Evangelium buchstabieren kann.
Nach Frankreich oder Italien zu gehen, um dort die Ferien zu verbringen, das stand damals aber wohl noch nicht an. Das dürfte nicht die Zeit gewesen sein.
Zwar war das nicht die Zeit dafür. Ich war aber trotzdem dort, und zwar mit einem Freund, der Schornsteinfeger war, und sieben weiteren Schornsteinfegern. Wir waren eine Woche lang in Paris und haben natürlich hauptsächlich Kirchen angesehen, zumindest der Freund und ich. Mit meiner Tante war ich ab und zu in Italien und habe den romanisch-byzantinischen Dom des Patriarchats Venedig-Grado studiert.
Sie waren weder auf Goslar noch auf Hildesheim beschränkt und haben also bereits die Weite schnuppern können.
Ja, Hildesheim war ja auch zerstört. Selbst der Dom lag in Trümmern.
Das waren die Jahre vor dem Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Für mich war in Hildesheim die Michaeliskirche schon immer sehr beeindruckend. Die ersten fünf Jahre meines Lebens haben wir in Hildesheim gewohnt und ich bin täglich in die Michaeliskirche gegangen. Neulich hat mir einer meiner habilitierten Schüler ein Modell der Michaeliskirche geschenkt, das man aus Bauklötzchen zusammensetzen kann. Das hat mich gefreut.
Sie haben die Bauklötzchen gleich zur Michaeliskirche zusammengesetzt ?
Ich habe sie gleich zusammengesetzt. Das Modell steht jetzt in unserem Esszimmer.
Haben Sie bereits als Kind, Jugendlicher und junger Mann die Kirchengebäude und Kunstwerke als Vehikel für die Weitergabe der christlichen Botschaft wahrgenommen ?
Als mich mein Vater einmal fragte, warum ich Theologie studieren wollte, sagte ich zu ihm : Ich möchte die alten, schönen und heiligen Dinge gebrauchen, um dadurch die Menschen für Christus zu gewinnen.
Heimat : „Die Vergangenheit der Kindheit und Jugend ist immer in mir da“
Wie hat Sie Goslar und überhaupt Ihre Umgebung beeinflusst ?
Mein Vater war in einer mittelalterlichen Apotheke tätig, wo ich aufgewachsen bin. Sie war eine der ältesten Apotheken in Deutschland mit komplett erhaltenem gotischen Bestand, also : gotischen Kellern und Nebenkellern, Stiegen und Treppen, geheimnisvollen Standgefäßen und Apparaten von vorsintflutlicher Technik. Die Mauern waren teilweise bis zu sechs Meter dick, damit, wenn etwas explodiert, nicht die halbe Stadt zusammenbricht, sondern nur das Labor. Das Aufwachsen in einem solchen Gebäude hat mich bis in die Wurzeln geprägt.
Ihr Verhältnis zu Architektur und allem Bauwesen ist hier geprägt worden ?
Ja.
Das erinnert ein wenig an das Verhältnis Thomas Manns zu seinem spitzgiebeligen Lübeck vor dem Untergang.
Zu meinem Wesen gehört vor allem die Liebe zum Garten meiner Großmutter mit den alten Apfelbäumen bei Goslar. Wenn ich nicht einschlafen kann, dann träume ich davon, in dem uralten Garten am Rammelsberg zu liegen, in einer der Mulden dort am Berghang. Die Mulden sind dadurch entstanden, dass die Schächte eingesunken sind, in denen man Erz gefördert hatte. Das ist seit 100 Jahren der Garten der Familie, und dort gibt es auf nicht so großem Raum unglaubliche Fruchtbarkeit, schöne Beeren und Kirschen und alte Apfelbäume, die den besonderen Charme der Anlage ausmachen. Daraus kann man einmalig gutes Apfelgelee herstellen.
Was ist der Rammelsberg ?
Das ist der Erzberg hier in Goslar, benannt nach dem Ritter Ramm, wo das alte tausendjährige Bergwerk steht. Der Berg umrandet die Stadt. Eine Besonderheit des Gartens ist es, dass hier der Cäsium-Gehalt 2500fach über dem Erlaubten liegt.
Kann man da überhaupt hingehen ?
Uns hat es trotzdem nicht geschadet. Wir haben die Früchte immer gegessen, ohne irgendwelche Beschwerden.
Wenn Sie ein solch intensives Verhältnis zu diesem Garten haben, drängt sich der Vergleich mit dem Paradies förmlich auf. Aber jetzt erzählen Sie von Cäsium.
Wenn man das von Jugend an gewöhnt ist, schadet es einem anscheinend nicht. Wir sind immer hingegangen, wenn gegen Ende des Krieges Bombenalarm war. In der Weihnachtszeit haben wir im Schnee die Kerzen eines Weihnachtsbaumes für die Rehlein und Häslein angezündet. Es war besonders schön, wenn man am Samstagabend von dort aus hörte, wie die Kirchenglocken der Stadt den Sonntag einläuten. Das wurde meistens vom West- oder Ostwind dorthin getragen. Aber das ist Romantik.
Sie sprachen immerhin von Bombenalarm.
Goslar hat nur eine Bombe abbekommen. Sie fiel auf den Bahnhof. Er ist hässliche und seelenlose Neuromanik. Das passte nicht zur übrigen Stadt. Als er gebaut wurde, meinten das aber die Leute. Sie haben ja sogar den Goslarer Dom abgerissen, um daraus eine Kaserne zu errichten. Das hätten sie wohl mit anderen Kirchen auch gemacht, um darauf einen Bahnhof zu stellen.
Wann hat der Abriss des Goslarer Domes stattgefunden ?
Von 1819 bis 1822. Dann gab es die Domkaserne. Der Dom aber war der größte und schönste romanische Dom diesseits der Alpen und rechts des Rheines.
Ist diese Vergangenheit Ihrer Kindheit und Jugend, über die wir in diesem Kapitel sprechen, eine in Ihnen versunkene Welt, die jetzt wie eine Kathedrale aus dem Meer aufsteigt und zu Ihrem Erstaunen da ist, wenn wir über diese Dinge sprechen ? Oder schwingt dies in Ihrem Wesen mit in dem Sinne, dass die Vergangenheit für Sie immer präsent ist ?
Sie ist immer da. Deshalb ist auch die lateinische vorkonziliare Liturgie, die ich vor dem Abitur ganz auswendig konnte, die Sprache meiner Gebete. Besonders die Welt des Mittelalters im zwölften Jahrhundert hat mich geprägt. Deshalb bin ich später aus sicherem Instinkt den Zisterziensern in die Arme gelaufen.
Haben Sie die Sprachen, die für die Theologie notwendig waren, in der Schule gelernt ?
Ja, mit Begeisterung. In Latein habe ich niemals eine Zwei geschrieben, sondern immer nur Einser. In Griechisch verhielt es sich nicht anders. In beiden Fächern war ich der beste Abiturient seit Kriegsende. Das war eine große Erleichterung für mein Studium. Im Studium selbst lernte ich Hebräisch, Aramäisch, Syrisch, Äthiopisch, Arabisch und Koptisch dazu. Wenn man sich mit der Alten Kirche ernsthaft beschäftigt, dann muss man sich in diesen Sprachen auskennen, jedenfalls wenn man sich mit der Alten Kirche so beschäftigen möchte, wie ich dies tue.
In der Schule haben Sie die Sprachen dann schon in dem Wissen gelernt, dass Sie sie als Schlüssel zur Theologie benötigen ?
Nein, als ich mich für Griechisch entschied, da war es zunächst die Begeisterung für die Schönheit dieser Sprache und meine im Verhältnis dazu weniger ausgebildete Neigung zur Mathematik. Man hatte damals zwischen Griechisch und den Naturwissenschaften zu wählen. Für mich lag der Fall klar. Außerdem war mein Großvater väterlicherseits Studienrat für Deutsch, Latein und Griechisch gewesen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.