Kitabı oku: «Steine brennen nicht», sayfa 6
Kapitel 8
Aufgrund der Nachrichten Schtolls hielten Mindevol und andere es für erforderlich, die Ältesten aus den anderen Dörfern zusammenzurufen, um gemeinsam zu beratschlagen, was zu tun sei. Die Kuffer lebten in vielen, teilweise weit verstreuten kleinen und großen Dorfgemeinschaften. Früher hatten auch sie in monströsen, anonymen Städten gewohnt, die die ganze Erde überzogen hatten. Der Ältestenrat war die oberste Instanz, wenn es um die Regelung übergeordneter Angelegenheiten ging. Dorfinterne Dinge waren jeweils Sache des Dorfältesten oder eines gewählten Bürgermeisters. Die Versammlungen fanden an wechselnden Orten statt und diesmal war Seringat an der Reihe.
Die Zusammenkunft wurde für den April einberufen, in der Hoffnung, dass dann der Winter langsam zu Ende gehen würde.
Die Bewohner von Seringat freuten sich, bei diesem Ereignis die Gastgeber zu sein, obwohl schnell durchgedrungen war, dass es sich um eine sehr ernste Angelegenheit handelte. Die Einberufung des Ältestenrates war immer ein großes Ereignis, diesmal ganz besonders. Obwohl der Rat »Ältestenrat« hieß, waren seine Mitglieder nicht alle alt. Es waren verdiente Mitbürger, die jeweils in ihren Dörfern von den Mitbewohnern für die Dauer von zwei Jahren gewählt wurden, aber auch wieder gewählt werden konnten. Seitdem Effel denken konnte, war Mindevol Mitglied dieses Rates. Der Ältestenrat bestand aus vier Männern und vier Frauen. Das älteste Mitglied war Jelena aus Gorken, eine Frau von 92 Jahren und schon 20 Jahre lang die Vorsitzende der Ratsversammlungen. Bei Abstimmungen zählte ihre Stimme nur bei Stimmengleichheit doppelt.
Gorken lag an der südlichen Grenze des Landes, das die Kuffer bewohnten und es war für die alte Frau sicher eine anstrengende Fahrt gewesen, weil ja immer noch Schnee lag.
Den Besprechungen des Ältestenrates ging jedes Mal eine große Versammlung voraus, damit sich jeder anhören konnte, über was später beraten wurde. Auch war es Brauch, dass jeder der Anwesenden zu den Dingen seine Meinung äußern konnte, wenn er die Regeln der Versammlung einhielt, auch Kinder konnten ihre Meinung sagen.
Es war eines der wenigen Male, soweit Effel sich erinnern konnte, dass das Gemeinschaftshaus auf dem Dorfplatz von Seringat aus den Nähten zu platzen drohte.
An diesem Tag wollte jeder einen guten Platz ergattern. Es waren nicht nur Seringater da, sondern auch viele Leute aus den anderen Dörfern der Nachbarschaft. Die Meldungen hatten sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, auch weil fast jeder Dorfbewohner Verwandtschaft in den Nachbargemeinden hatte. Das Feuer im großen Kamin hätte gar nicht zu brennen brauchen, die Halle wurde schon durch die Körper der Menschen schnell erwärmt. Einige Jungen waren sogar nach oben auf die Deckenbalken geklettert, was normalerweise verboten war. Niemand dachte heute daran, sie zurechtzuweisen. Die Jungen waren so mit Festhalten und gespanntem Zuhören beschäftigt, dass sie nicht bemerkten, wer sonst noch dort oben saß.
Der Ältestenrat residierte etwas erhöht auf einer kleinen Bühne auf Stühlen mit hohen Lehnen, die mit prachtvollen Schnitzereien verziert waren, und alle sahen sehr würdevoll aus.
Auch Schtoll saß dort oben.
»Zunächst einmal möchte ich mich bei unseren Gastgebern bedanken, die es ermöglicht haben, dass wir heute hier zusammentreffen können«, eröffnete Jelena die Sitzung. Dabei schaute sie zuerst Mindevol an und dann ließ sie ihren Blick lange über die anwesenden Zuhörer schweifen. Alle waren da, die meisten sogar in Ihren Festtagsgewändern. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können und jeder hatte das Gefühl, Jelena schaue nur ihn an. »Ich freue mich, dass ich bei euch sein kann, und ich freue mich auch, dass ihr in solch großer Zahl erschienen seid«, fuhr sie fort.
»Mein Dank gilt auch dir, Jussup«, sie deutete mit ihrer linken Hand auf einen Mann in der vorderen Reihe und lächelte ihm zu, »du hast mich in deinem schnellen Pferdeschlitten hierher gebracht. Zu Fuß hätte ich den Weg durch den Schnee wohl nicht mehr geschafft.«
Und dann an die Versammelten gerichtet: »Sehr warme Decken hatte er auch in seinem Schlitten.« Jussup lächelte verlegen, denn er wusste, dass jetzt alle Augen auf ihn gerichtet waren.
Jelena trug ein schlichtes, bis zu den Knöcheln reichendes, graues Wollkleid. Ihre schneeweißen Haare fielen über die Schultern wie ein Umhang. Ihr braun gegerbtes Gesicht verriet die Schönheit früherer Jahre und erzählte dem Betrachter von Freud und Leid eines erfüllten Lebens.
Der erste Redner war der Gast aus dem Süden. Schtoll berichtete den Versammelten, dass die Anderen sich ungeheurer Technologien bedienten, zu denen nach seinen Erkenntnissen auch die Beeinflussung des Klimas gehörte. So vermutete er, dass man seinem Volk den Regen regelrecht gestohlen und damit eine lange Dürre ausgelöst hatte. Das war zunächst einmal der Anlass gewesen, sich auf den Weg zu machen, um auch die Bewohner anderer Länder zu informieren.
Hier hörte er dann Ähnliches. Es war ihm schließlich gelungen, die Völker des Südens zu einem Rat zusammenzuschließen und dieser hatte ihn und andere mutige Männer auf die Reise geschickt, um andere zu warnen, aber auch um Mithilfe zu bitten.
»Wie ihr ja alle wisst«, legte Schtoll damals auf der Versammlung dar, »haben sich die Völker der Erde nach der Großen Katastrophe für zwei unterschiedliche Wege entschieden und dies in dem Ewigen Vertrag besiegelt. Der andere Teil der Menschheit geht weiterhin die Wege der Technik. 700 Jahre Entwicklung der Technik, man mag sich gar nicht vorstellen, was alles möglich geworden ist. Die Anderen sind davon überzeugt, dass ihr Weg zum Wohle aller ist. Das ist auch ihr Recht, so wie es unser Recht ist, auf unsere Art zu leben. Nun aber greifen sie nach mehr.« Unruhiges Raunen der Zuhörer erfüllte die große Halle.
Schtoll nannte den Weg der Anderen im Verlauf seiner Rede den »Machtweg«. Die Menschen in Effels Teil der Welt lebten mit der Natur in Einklang, so wie dies zu allen Zeiten von den Weisen empfohlen worden war. Schtoll, wie auch der Rat des Südens, befürchteten, dass alle Völker, die natürlich lebten, wieder unterdrückt und sogar vernichtet werden könnten.
Das alles hatte es schließlich schon einmal gegeben. Aber dann fuhr er fort: »Scheinbar überstürzen sich die Ereignisse, Freunde. Es geht nicht mehr nur um die Beeinflussung des Klimas, was ja an sich schon schlimm genug ist. Alles deutet darauf hin, dass die andere Seite dabei ist, den Ewigen Vertrag zu brechen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln und uns auf unsere Stärken besinnen. Wir müssen zusammenhalten, denn unser aller Leben hängt vielleicht davon ab! Ich bin einer der Gesandten, die geschickt wurden, die Kunde zu allen Menschen unserer Welt zu tragen.
Ich sage euch, das Damoklesschwert hängt über uns! Es hat eine Zeit lang gedauert, aber wir haben Informationen, denen zufolge etwas Großes in unserem Teil der Welt verborgen ist. Das werden sie suchen.
Madmut, der große, alte Seher des Südens, hat schreckliche Visionen davon gehabt, was passieren würde, wenn die Anderen es stehlen könnten. Unser aller Existenz ist in großer Gefahr. Wir sind uns sicher, Freunde, die Anderen werden den Ewigen Vertrag brechen. Sie werden nicht mit einer Armee kommen. Dazu wären sie zwar in der Lage, aber auf eine kriegerische Auseinandersetzung werden sie es zunächst einmal nicht ankommen lassen. Sie wissen, dass auch wir nicht wehrlos sind. Wir glauben, dass sie ein oder zwei Leute schicken, die hier zunächst einmal suchen und, wenn möglich, das Gesuchte auch gleich außer Landes schaffen sollen.«
Es sei höchste Zeit, so sein Schlussappell bei der Versammlung, dieser unheilvollen Entwicklung Einhalt zu gebieten.
Hier und da war ein »Richtig« aus dem Zuhörerraum zu vernehmen »Dann spüren wir sie auf und werfen sie aus unserem Land!«, rief Soko, der Schmied. Dabei wirbelte er seine riesige Faust wild in der Luft herum, so als würde er jeden Moment zuschlagen wollen. Einige der Umstehenden lachten.
»Das wird nicht einfach sein«, erwiderte Schtoll ganz ruhig.
»Diejenigen, die kommen, werden kein Schild um den Hals tragen und ich bin mir sicher, dass die Verantwortlichen keine Schlafmützen schicken.«
Damit beendete er seine Rede.
Die meisten Leute von Seringat waren erschüttert, einige schüttelten ungläubig den Kopf und ein paar Leute weinten sogar. Dann trat Schweigen ein. Man lebte hier so weit weg von allem in seiner eigenen kleinen, heilen Welt, dass das Wissen um eine mögliche Bedrohung leicht verdrängt wurde.
Jeder ermaß für sich selbst die Tragweite des eben Gehörten. Es war für viele unglaublich. Sollte es wirklich Menschen geben, die aus dem, was passiert war, scheinbar nichts gelernt hatten und sogar bereit waren, den Ewigen Vertrag zu brechen?
Die Große Katastrophe und die darauf folgende Umsiedelung waren zwar schon lange her, aber Schtolls aufrüttelnde Rede verfehlte ihre Wirkung nicht. Jedenfalls galt das für die Mehrzahl der Anwesenden. Die Geschichten, die schon die Kinder in der Schule lasen und hörten, handelten von ihr, und wie es dazu gekommen war. Nie mehr dürfe es geschehen und es müsse alles getan werden, das zu verhindern, endeten diese Erzählungen immer. Und jetzt sollte es wieder soweit sein?
Das Leben hier war zwar nicht immer leicht, aber es war lebenswert und niemand wollte sich das wieder nehmen lassen.
Deshalb bewerteten die meisten Leute die letzte Katastrophe auch nicht negativ, obwohl sie damals so vielen Menschen das Leben gekostet hatte und es weltweit zu solch großen Veränderungen gekommen war. Mindevol sagte immer, die Menschen hätten zu allen Zeiten nur durch Leid gelernt und deshalb hatte alles so passieren müssen.
»In der Tat ist der Anlass so wichtig«, ergriff Jelena erneut das Wort, »dass wir zu einem Entschluss darüber kommen sollten, was wir tun können. Ich möchte aber gleichzeitig auch zu bedenken geben, dass wir uns von der Heftigkeit der Nachrichten nicht zu übereilten Entscheidungen hinreißen lassen dürfen. Weiß man denn schon etwas über den Zeitpunkt? Wann werden sie kommen, Schtoll?«
Jelena brauchte nicht laut zu sprechen, denn wenn sie redete, war es immer mucksmäuschenstill im Raum. Kein Wort wollte man sich entgehen lassen.
»Nein, Jelena«, antwortete Schtoll, »über den Zeitpunkt wissen wir nichts Genaues. Sie werden aber auch Zeit brauchen, um diejenigen zu finden, die kommen werden.«
Jetzt trat Mindevol hervor und ergriff den Redestab. Wer den Redestab, einen verzierten Eichenstock, in der Hand hielt, konnte sich der Aufmerksamkeit aller Anwesenden sicher sein.
»Im Namen meines Dorfes, das in diesen Tagen die Ehre hat, euer Gastgeber zu sein, begrüße ich euch alle herzlich. Auch ich bin immer noch über das, was unser Freund berichtet hat, aufgewühlt, wenngleich ich etwas länger Zeit hatte, mich mit seiner Botschaft zu beschäftigen.
In der Geschichte der Menschheit hat es immer ruhige und auch sehr bewegte Zeiten gegeben. Die Ankunft unseres Freundes aus dem Süden scheint nun wieder eine bewegte Zeit anzukündigen und ich möchte mich hier vor euch allen auch in eurem Namen bei Schtoll bedanken. Er hat weder Mühen noch Gefahren gescheut, den langen Weg zu uns in den Norden zu kommen, dazu noch in einer schwierigen Jahreszeit.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Seringat, liebe Nachbarn, lasst euch nicht von der Angst beherrschen, sondern behaltet einen kühlen Kopf und ein warmes Herz. Die Problematik ist so schwerwiegend, dass der Ältestenrat sich auf eine mehrtägige Beratung einrichten wird. Aber jeder hat ja gehört, was Schtoll uns berichtet hat. Wir von Seringat, und das darf ich im Namen aller meiner Mitbewohner sagen, sind bemüht, euch, unseren Gästen, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Für Essen und Trinken ist gesorgt und jeder wird ein Dach über dem Kopf haben. Die meisten von euch kennen sich ja von anderen, erfreulicheren Gelegenheiten und viele haben sogar ihre Familienbande in unserem Dorf geknüpft.«
Mindevol war dem Anlass entsprechend festlich gekleidet. Er trug eine helle Leinenhose, dazu ein dunkelbraunes Lederhemd in der Farbe seiner Augen, das ihm fast bis an die Knie reichte.
Seine weißen Haare und der fast leuchtende Bart ergaben einen starken Kontrast zum Braun des Hemdes.
»Lasst uns der Realität ins Auge schauen, Freunde. Mit unserem Frieden hier, und nicht nur hier, könnte es bald vorbei sein«, fuhr er fort, »da schließe ich mich der Meinung unseres Freundes aus dem Süden an. Nie war unsere Heimat so gefährdet.
Es mag hart klingen, aber es macht keinen Sinn, etwas zu beschönigen. Wie wir gehört haben, schicken sie eine Person oder vielleicht zwei, die etwas aus unserem Teil der Welt entwenden sollen. Wir wissen weder was es ist, noch wo sie suchen werden. Wir wissen auch nicht, wie viele Personen kommen werden. Aber wir werden es herausbekommen. Glaubt mir, wir werden es bald wissen.
Es dürfte klar sein, dass sie nur jemanden einschleusen werden, der mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ausgestattet ist. Ich bin mir aber auch sicher, ja ich weiß, dass Menschen unter uns leben, die dieser Person ebenbürtig sind. Darum lasst uns die Herausforderung mutig annehmen. Wir werden nicht tatenlos zusehen. Das würden uns nachfolgende Generationen niemals verzeihen.«
Ein zustimmendes Murmeln ging durch die Reihen.
»Aber jetzt möchte ich unserem Freund aus Verinot das Wort erteilen. Danke, Marenko, dass du gekommen bist.«
Der Bürgermeister von Verinot, der sich heftig zu Wort gemeldet hatte, war inzwischen nach vorne gekommen. Er atmete schwer, denn er musste seinen fülligen Leib durch die Menge drängen. Während er die kleine Bühne erklomm, wischte er sich mit einem Tuch einige Schweißperlen von der Stirn. Es war inzwischen sehr warm im Versammlungshaus. Das Feuer im Kamin und die Menschen verbreiteten ja auch noch ihre eigene Wärme. Mindevol übergab Marenko den Redestab.
»Freunde, Freunde!«, rief dieser. »Ich danke euch für die Einladung. Wenn ich genauer gewusst hätte, worum es geht, hätte ich mehr Leute aus meinem Dorf mitgebracht. Wie tragisch, das alles hören zu müssen. Ich hoffe nur, es ist nicht ganz so schlimm und wir können heute Abend meine beiden Gastgeschenke, die dort draußen noch im Koben quieken, in Ruhe verspeisen. Was immer der Ältestenrat beschließen wird, meine Gemeinde trägt es mit, das darf ich euch als Bürgermeister von Verinot versichern. So haben wir es immer gehalten und so wird es auch bleiben. Möge ein guter Geist mit dieser Versammlung sein und dem Rat helfen, zu einem weisen Entschluss zu kommen.« Damit stieg Marenko wieder von der Bühne herunter und drängte zu seinem Platz zurück.
»Typisch Marenko«, flüsterte Jobol seinem Bruder Effel ins Ohr, »er denkt wieder nur ans Essen.« Alle, die das gehört hatten, mussten lachen.
Bis vor kurzem war auch ein Bewohner aus Verinot Mitglied im Rat gewesen. Leider war er im letzten Herbst bei einer Treibjagd von einem wilden Eber so schwer verletzt worden, dass keine Hilfe mehr möglich war. Bald darauf hatte Marenko angekündigt, sich im nächsten Frühjahr zur Wahl zu stellen. Er würde zwar dann das Amt als Bürgermeister abgeben müssen, aber das Ansehen eines Mitgliedes des Ältestenrates war ungleich höher.
»Marenko, Bürgermeister von Verinot«, ergriff Mindevol wieder das Wort, »ich danke dir für deine Unterstützung und dein Gastgeschenk, das bestimmt seinen Weg in unsere Mägen finden wird. Sei versichert, dass wir hier gründlich beraten, so wie wir es immer tun. Jetzt ist es wichtiger denn je, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Es wird auch alles aufgeschrieben werden, sodass du es später deinen Leuten übermitteln kannst.
Wenn diese Versammlung beendet ist, Marenko, wird noch genügend Zeit für ein ausgiebiges Nachtmahl sein. Auch frisch gebrautes Bier ist genügend vorrätig und der junge Wein wird euch allen munden.«
Viele hatten sich noch zu Wort gemeldet und ihre Meinung geäußert, bevor Jelena die Versammlung dann für beendet erklärte.
»Ich danke euch für eure zahlreichen Beiträge. Wir werden sie bei unserer Beratung berücksichtigen, so wie wir es immer getan haben. Bitte lasst euch trotz der Nachrichten nicht von einem schönen Abend abhalten. Und hebt uns etwas vom Essen auf «, endete sie lachend.
Der Ältestenrat hatte sich direkt im Anschluss an diese Versammlung zu einer ersten Sitzung in Mindevols Haus zusammengefunden.
»Jelena, bitte nimm du in meinem Sessel Platz, da hast du es am bequemsten«, bot Mindevol ihr an, als sie in seinem Haus angekommen waren. »Minka kann sich auch woanders hinsetzen und wir anderen haben am Tisch genügend Platz. Kommt Freunde, setzt euch.« Minka stand von ihrem Lieblingsplatz auf, machte einen Katzenbuckel, schaute sich um, erkannte, dass sie keine Chance haben würde zu bleiben und verließ würdevoll ihren Stammplatz. Sie verschwand in der Küche, wo Mira schon dabei war, etwas für die hohen Gäste herzurichten.
Jelena nahm den Sessel gerne an und als alle anderen auch Platz genommen hatten, sagte sie lächelnd: »Ich hoffe, Minka verzeiht mir das, Mindevol«, und dann: »Wir müssen einen weisen Entschluss fassen. Hast du schon mit deinen Freunden, den Krulls, gesprochen?«
Jeder der hier Anwesenden wusste, dass Mindevol sehr gute Verbindungen zu den Krulls hatte.
»Ja, Jelena, sie haben mich ja über der Ankunft Schtolls informiert, auch über den Grund seiner Reise. Außerdem habe ich einen von ihnen heute Abend auf unserer Versammlung gesehen. Wenn auch nicht unten in der Halle. Er saß oben bei den Jungs auf den Dachbalken.«
»Das dachte ich mir schon, dass sie jemanden schicken«, Jelena musste schmunzeln, »und was meinen sie zu der ganzen Geschichte?«
»Sie nehmen die Sache ebenfalls sehr ernst«, antwortete Mindevol und ließ dabei seinen Blick in die Runde schweifen.
»Sie haben ihrerseits bereits Maßnahmen eingeleitet. Euch kann ich es ja sagen: Sie haben Emurks nach drüben geschickt.«
Ein Raunen ging durch die Runde am Tisch.
»Emurks? Mein Gott, wenn das herauskommt. Die Anderen werden dann nicht lange fackeln. Damit brechen die Krulls den Ewigen Vertrag!« Herzel, mit 40 Jahren das jüngste Ratsmitglied, war vor Erregung aufgesprungen und hatte dabei mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
»Beruhige dich, Herzel«, schaltete Jelena sich wieder ein, »die Verträge wurden zwischen Menschen geschlossen, die Krulls sind nicht daran gebunden und werden sich bestimmt auch nicht von irgendwelchen Richtlinien, die von Menschen aufgestellt werden, beeinflussen lassen.«
»Ja, aber die Anderen werden es trotzdem uns in die Schuhe schieben, sie warten doch nur auf einen Anlass! Wenn das stimmt, was Schtoll uns berichtet hat. Die Krulls müssen ihre Leute sofort zurückpfeifen! Mein Gott, wenn das herauskommt, sind wir alle verloren! Dann waren die letzten 700 Jahre umsonst!« Herzel stand immer noch und redete sich allmählich in Rage.
»Die Krulls werden sich von uns nicht sagen lassen, was sie zu tun haben, sie sind freie Wesen, und warum sollten die Anderen die Emurks mit uns in Verbindung bringen? Wenn sie sie überhaupt entdecken, was ich nicht für wahrscheinlich halte«, wendete Freya, ein anderes Ratsmitglied, ein.
»Das stimmt«, ergriff Mindevol wieder das Wort, »aber sie haben mir auch versichert, dass sie die Besten schicken und es mit dem Teufel zugehen müsse, wenn sie aufflögen. Wir sollten froh sein, dass die Krulls uns freundlich gesonnen sind.«
»Hach, und ich dachte schon, die Emurks seien Teufel!« Herzel wollte sich nicht damit abfinden, hatte sich aber wieder hingesetzt.
»Herzel, beruhige dich doch bitte«, bat Jelena, »wir müssen einen kühlen Kopf behalten, du hast ja Recht damit, dass die Lage ernst ist. Und wir alle wissen auch, was euch passiert ist. Wenn die Emurks es schaffen, unsichtbar zu bleiben ...«
»Das glaubt ihr doch wohl selber nicht«, wurde sie von Herzel unterbrochen, »im Gegenteil, sie werden sich einen Spaß daraus machen. Ihr wisst doch, wie sie es lieben, Leute zu erschrecken. Was haben sie schon zu befürchten? Sie brauchen ja keine Angst vor den Konsequenzen zu haben. Wie konnten die Krulls bloß auf eine solche Idee kommen? Emurks schicken sie, ausgerechnet Emurks! Entschuldige bitte, Jelena, dass ich dich unterbrochen habe.«
»Nun verbreite bitte keine Panik«, schaltete sich Mindevol wieder ein. »Ich kann ja deine Aufregung verstehen, Herzel. Aber du musst nicht gleich von einem Emurk auf alle anderen schließen. Sie sind besser als ihr Ruf, glaube mir, und die Krulls wissen sicher, was sie tun. Aber wir sind hier versammelt, um zu entscheiden, was wir tun können.«
»Die Krulls wissen was sie tun?« Herzel ließ nicht locker. »Klar wissen sie, was sie tun. Wahrscheinlich schicken sie die Emurks, weil sie sich nicht selbst in Gefahr bringen wollen. Für sie sind die Typen doch nur Kanonenfutter! Ihr wisst alle, dass ich die Emurks nicht leiden kann, aber das haben sie auch wieder nicht verdient.«
»Herzel«, wieder war es Mindevol, der sprach. »Seien wir doch einfach froh, dass die Krulls uns Informationen liefern. Sie gehen mit Sicherheit sehr verantwortungsvoll mit dieser schwierigen Situation um.«
In diesem Moment kam Mira aus der Küche. Sie stellte ein Tablett mit einem dampfenden Krug und mehreren Gläsern auf dem Tisch ab.
»Ihr müsst von meinem Punsch probieren, ihr habt doch bestimmt Durst und etwas Warmes kann euch nicht schaden. Ich habe ihn auch nicht so stark gemacht. Trinkt nur.«
Mira schaute in die Runde und ließ ihren Blick etwas länger auf Herzel ruhen.
Jeder begrüßte die kleine Unterbrechung.
»Die Krulls vielleicht, Mindevol, um die mache ich mir auch keine Sorgen. Aber Emurks! Da brauchen wir gar nichts mehr zu entscheiden, wenn mit diesen Kerlen etwas schief geht. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es grob fahrlässig war, solche Wesen mit einer so wichtigen Aufgabe zu betrauen«, sagte Herzel, jetzt äußerlich zwar ruhiger, aber immer noch sehr bestimmt. »Ich hoffe nur, dass die Krulls die Emurks hart an der Kandare haben. Danke Mira, dein Punsch ist jetzt genau das Richtige.«
Herzel nahm einen Becher und schüttete aus dem Krug von dem heißen Getränk ein. Dann füllte er auch die anderen Becher und reichte sie weiter. Er hatte selbst gemerkt, dass er etwas zu weit gegangen war und dies war seine Art, sich dafür zu entschuldigen.
»Vielen Dank, Mira«, sagte Jelena und nippte an ihrem heißen Getränk.
»Wenn wir dich nicht hätten.« Dabei zwinkerte sie Mira zu.
»Ich danke dir auch, Mira«, sagte Mindevol und fuhr fort, »wir müssen unsere persönlichen Animositäten zurückstellen, so schlimm war es ja auch wieder nicht, Herzel. Deine Frau lebt ja noch.«
»Ja, aber in Ohnmacht ist sie gefallen damals, und ich dachte sie sei tot. Es war der Schreck meines Lebens.«
»Meine Freunde, die Krulls haben mir versichert, dass es das Beste ist, was man tun kann, um gesicherte Informationen zu bekommen. Jeder andere würde drüben sofort auffallen. Du weißt doch, wozu sie energetisch in der Lage sind. Wir sind ständig in Kontakt und ich bekomme sofort Bescheid, wenn es etwas Neues gibt. Bald wissen wir, wonach sie suchen und wen sie schicken. Schon morgen treffe ich mich mit einem Freund. Lasst uns den morgigen Tag abwarten, auf einen Tag kommt es bestimmt nicht an, so eilig es auch sein mag. Kommt, nehmen wir an dem Fest teil, das wird andere auch beruhigen, und außerdem habe ich Hunger.«
Mira sagte: »Jelena, ich habe für dich unser Gästezimmer hergerichtet. Es ist eingeheizt und du kannst gerne schon hinein.«
»Danke, meine Liebe, aber ich bin noch nicht müde und werde noch mit auf das Fest gehen. Ich möchte Marenko doch nicht beleidigen.«
Es wurde noch ein ausgelassener Abend und die Entscheidungen, die zu treffen waren, traten erst einmal in den Hintergrund. Die Leute aus Seringat verstanden es zu feiern und bewiesen das auch an diesem Abend. Man hatte absolutes Vertrauen in den Ältestenrat. Im Dorfhaus, das vor einigen Stunden noch Ort der Versammlung war, brieten jetzt die beiden Gastgeschenke Marenkos an Spießen über einem großen Feuer. Entlang der Wände hatte man Tische und Bänke aufgestellt, an denen jetzt fröhliche Menschen saßen und in der Mitte der Halle spielte eine Musikgruppe zum Tanz auf.
Am nächsten Morgen traf sich der Ältestenrat wieder in Mindevols Haus. Jelena hatte im Gästezimmer übernachtet, die anderen bei Freunden oder Verwandten.
»Nun, haben sich deine Freunde schon gemeldet, Mindevol, gibt es etwas Neues von den Krulls?«, fragte Herzel gleich, kaum dass sie am Tisch beisammen saßen. Er hatte noch nicht einmal darauf gewartet, dass Jelena die Ratssitzung eröffnete.
In Anbetracht der Lage wollte aber auch niemand auf das Einhalten der Ordnung bestehen. Jelena lächelte nur milde.
»Ja, Herzel, ich habe Neuigkeiten.«, und zu Jelena gewandt fuhr er fort: »Es muss drüben in der anderen Welt eine Gruppe von Leuten geben, die auf bestimmte Unterlagen aus sind, die in unserem Teil, vielleicht sogar hier in Flaaland, versteckt sein sollen. Das ist ja auch schon ungefähr das, was uns Schtoll bereits berichtet hat. Was aber die Leute um Schtoll nicht herausgefunden haben, ist dies: Es soll sich um Baupläne für eine Maschine handeln. Offensichtlich ist ihnen diese Maschine so wichtig, dass sie es sogar riskieren, den Ewigen Vertrag zu brechen. Jetzt tritt also doch das ein, wovor Effels Großvater immer gewarnt hat.«
»Die Pläne für eine Maschine?« Jelena runzelte die Augenbrauen und fuhr fort: »Warum brauchen sie die Pläne einer Maschine, die ja, wenn sie hier versteckt sind, mindestens 700 Jahre alt sein müssten? Sie sind doch sicher inzwischen viel weiter in ihrer Forschung. Da muss noch etwas anderes dahinter stecken. Und wie wollen sie die Pläne finden? Sie können keine großen Suchtrupps schicken, wie Schtoll schon gesagt hat. Es sei denn, es ist ihnen wirklich alles egal. Und wenn sie Karten von der damaligen Zeit haben, nutzt ihnen das auch nicht viel. Inzwischen sieht hier alles anders aus. Da, wo früher Land war, ist jetzt vielleicht Wasser, oder umgekehrt.«
»Perchafta, so heißt einer meiner Freunde bei den Krulls, meinte, die Anderen würden nur eine Person auf die Suche schicken, weil sie hoffen, es geheim halten zu können. Hat Schtoll eigentlich gesagt, woher er seine Informationen hat?
Oder beziehen sich seine Befürchtungen ausschließlich auf die Visionen des Sehers Madmut? Ich werde ihn später danach fragen. Wir sollten doch heute Abend bei der nächsten Versammlung im Dorfhaus eine klare Entscheidung verkünden, wie wir dieser Ungeheuerlichkeit begegnen wollen. Ich schlage vor, wir suchen ebenfalls jemanden aus unseren Reihen aus, der diese andere Person aufspürt, findet und unserer Gerichtsbarkeit zuführt. Wir riskieren sonst, dass sich jeder auf eigene Faust auf die Suche macht. Ihr habt ja Soko gesehen, gestern bei der Versammlung. Das ist übrigens auch der Vorschlag der Krulls.«
»Die Krulls schlagen ebenfalls vor, nur eine Person zu schicken? Warum nicht zwei? Und an wen hast du da gedacht?« Es war Reijssa, die diese Frage stellte.
»Ich denke dabei an Raphael, Effel oder Gernot. Alle drei sind junge, ausdauernde und gute Jäger. Außerdem sind sie intelligent. Und Effel und Raphael haben noch etwas anderes, was ihnen helfen wird.«
»Warum reist Schtoll so weit, und dann noch um diese Jahreszeit? Was sucht er? Warum kommt er ausgerechnet in unser Dorf? Gab es unterwegs keine Freiwilligen?« Herzel hatte scheinbar ein neues Opfer gefunden.
»Du hast es doch gehört, Herzel, es ist dringend. Nun hör aber mal auf mit deiner Schwarzmalerei, wir sollten froh sein, überhaupt Bescheid zu wissen, so kenne ich dich ja gar nicht«, schalt Reijssa ihn. »Jetzt können wir wenigstens reagieren und vielleicht Schlimmes abwenden.«
»Was heißt denn Schlimmes?«, erwiderte Herzel. »Woher wollen wir das wissen? Warum bilden wir nicht einen Suchtrupp, finden diese verdammten Pläne und geben sie ihnen? Was wollen wir mit Maschinen? Sollen sie doch Maschinen bauen, so viele sie wollen.«
»Die Krulls meinen, es geht um mehr, wie ich eben schon sagte«, wollte Mindevol die Wogen glätten.
»Sie befürchten, dass eine viel größere Sache dahinter steckt. Sie brauchen allerdings auch Zeit, alles herauszufinden. Die Informationen, die wir brauchen, stehen drüben nicht gerade in der Zeitung.«
»Schon wieder die Krulls, was habt ihr nur mit euren Krulls?« Jelena mischte sich wieder ein, auch um das Gespräch nicht
eskalieren zu lassen: »Die drei, die du genannt hast, Mindevol, halte ich auch für geeignet. Was meint ihr anderen dazu?«
»Baut Effel nicht gerade an einem Haus?«, es war Reijssa, die diese Frage stellte.
»Ja, das tut er«, erwiderte Mindevol, »aber er ist bald fertig damit. Wie ich neulich gesehen habe, sind nur innen noch einige Dinge fertig zu stellen. Er wird bald einziehen können. Sein Bruder Jobol und ein paar andere helfen ihm ja täglich.«
Keiner der Anwesenden hatte einen Einwand gegen einen der drei.
Herzel schaltete sich noch einmal ein.
»Wenn die Krulls und die Emurks so toll sind, warum müssen wir dann jemanden schicken? Sollen sie doch alles regeln!«
»Weder die Krulls noch die Emurks dürfen sich in menschliche Belange einmischen. Wenn die Menschen sich die Köpfe einschlagen wollen, so ist das Sache der Menschen«, ergriff Jelena das Wort. »Wir können froh sein, dass sie uns Informationen liefern, uns möglicherweise auch Wege weisen. Das ist aber auch nur legal, weil sie es uns von sich aus angeboten haben. Aber in einen direkten Konflikt dürfen sie nicht eingreifen. Das ist Bestandteil viel älterer Verträge, aber das weißt du doch, Herzel.«
»Natürlich weiß ich das, Jelena, aber die andere Seite bricht den Ewigen Vertrag, warum nehmen wir Rücksicht?«
»Es mag ja sein, dass sich die Menschen nicht an die Verträge halten, aber letztlich wird sich kein anderes Wesen in irgendwelche Geschichten hineinziehen lassen, die die Menschen untereinander auszutragen haben, das haben sie noch nie getan, zu keiner Zeit. Ich weiß zwar nicht, was passiert, wenn durch unsere Querelen auch ihre Existenz bedroht wird, aber bisher ist mir solch ein Fall noch nicht bekannt geworden. Letztlich werden wir auf uns ganz alleine gestellt sein, ihr werdet sehen. Krulls oder Emurks, ganz egal, wir werden uns auf unsere Kräfte, unsere Ideen und unseren Mut verlassen. Das ist mein Appell. Lasst uns unseren Mann finden und dann werden unsere Gedanken ihn begleiten.«