Kitabı oku: «Preußen bewegt die Welt», sayfa 7
Dinwiddie und Washington
Virginias stellvertretender Gouverneur Robert Dinwiddie unterhielt keine besonders engen Beziehungen zum House of Burgesses, dem Parlament der Kolonie. Der 60-jährige Schotte vertrat erst seit zwei Jahren seinen dauerhaft abwesenden Vorgesetzten in Williamsburg, der damaligen Hauptstadt Virginias am Jamesfluss. Zuvor war Dinwiddie Zollbeamter der britischen Krone in Bermuda gewesen. Gegenüber der alteingesessenen Führungsschicht der Tabakpflanzer und Geschäftemacher war der Vertreter der Krone ein Außenseiter ohne politische Hausmacht. Schlimmer aber war, dass ausgerechnet in dieser kritischen Phase der Eskalation des Konflikts mit Frankreich Dinwiddie mit der Landesvertretung in einem ernsten Disput stand. Hinter seinen Plänen zur Einführung einer Bagatellgebühr beim Landerwerb witterte das misstrauische Parlament einen Versuch der britischen Krone, ein grundsätzliches Besteuerungsrecht einzuführen.131
Nicht zuletzt deswegen stieß der stellvertretende Gouverneur mit seinem Versuch, die Repräsentanten der Kolonie angesichts der französischen Bedrohung im Ohiotal zu größeren militärischen Anstrengungen zu bewegen, auf taube Ohren. Die Abgeordneten teilten auch keineswegs Dinwiddies Alarmstimmung. Der Ohio floss weit entfernt vom beschaulichen Williamsburg und die Pläne der Franzosen kümmerten sie daher nicht wirklich. Dass Dinwiddie auch noch Anteilseigner der Ohio-Kompanie war, konnte ebenfalls nicht hilfreich sein, lag doch der Verdacht nahe, dass er mehr die Interessen der Gesellschaft als die des Staates verfolgte. Obwohl ihn London wiederholt zu entschlossenen Maßnahmen gegen die neuen französischen Forts im Ohiotal gedrängt hatte, blieb Dinwiddie zunächst gar nichts anderes übrig, als auf Verhandlungen mit den Franzosen zu setzen.
Noch am 31. Oktober 1753 schickte er einen erst 21-jährigen Major der virginischen Miliz über die winterlichen Appalachen zu dem neu errichteten französischen Fort Le Boeuf am Ufer des Allegheny. Es war eine ungewöhnliche Entscheidung. Denn George Washington, der ehrgeizige Erbe eines früh verstorbenen Tabakpflanzers und mäßig reichen Eisenhüttenbetreibers, schien allein schon wegen seines Alters kaum die geeignete Wahl für eine derart brisante diplomatische Mission zu sein. Doch der groß gewachsene Mann, der so plötzlich in seinem Amtszimmer erschienen war, überzeugte Dinwiddie durch sein beherrschtes und sicheres Auftreten. Die Tatsache, dass er sich, sobald er durch einen vertraulichen Hinweis von der Sache erfahren hatte, sofort nach Williamsburg aufgemacht hatte, um sich freiwillig zu melden, bezeugte seine Ernsthaftigkeit. Im Grunde besaß Dinwiddie auch kaum Alternativen. Die beschwerliche monatelange Expedition erforderte eine robuste Konstitution und einige Erfahrung in den westlichen Grenzgebieten. Beide Voraussetzungen erfüllte der junge Washington, der sich schon am nächsten Tag mit wenigen Begleitern auf den beschwerlichen Weg machte, als fürchtete er, Dinwiddie könne es sich noch anders überlegen.
Washingtons winterliche Expedition ins Ohiotal war ein physischer Gewaltakt. Ein Marsch von fast 400 Kilometern lag vor der kleinen Gruppe. Oft mussten sich die Männer mit ihrem Führer Christopher Gist, einem Grenzgänger, der das Gebiet bereits für die Ohio-Kompanie in monatelangen Reisen erkundet hatte, durch hüfthohen Schnee oder tagelang anhaltenden Regen kämpfen, reißende Flüsse überwinden oder sich mit unzuverlässigen indianischen Kundschaftern herumschlagen, die plötzlich über Nacht verschwanden. Trotz einiger gefährlicher Notlagen verlief ihre Reise jedoch unspektakulär, bestätigte aber am Ende Dinwiddies ärgste Befürchtungen über die Ambitionen der Franzosen im Ohiotal und die bröckelnde Loyalität der dort lebenden Indianer.
Der Kommandant von Fort Le Boeuf, Hauptmann Jacques Legardeur de Saint Pierre, ein ergrauter und erfahrener Grenzoffizier, empfing den kleinen Trupp aus Neu-England, der Ende November nach vierwöchigem Marsch völlig erschöpft im Fort eintraf, mit ausgesuchter Höflichkeit und versprach, das ihm übergebene Schreiben Dinwiddies sogleich an Gouverneur Duquesne in Montreal weiterzuleiten. Legardeur ließ den Ankömmlingen zwei Wochen Zeit, sich von ihren Strapazen zu erholen, und nahm auch keinen Anstoß daran, dass der junge Washington und seine Begleiter sämtliche Verhältnisse um Fort Le Boeuf genau in Augenschein nahmen. Allerdings machte der Franzose den britischen Besuchern unmissverständlich klar, dass die Ansprüche seines Königs auf das Ohiotal nicht verhandelbar seien.132
Mit der schriftlichen Antwort des Franzosen, die ihm Washington Mitte Januar 1754 überbrachte, konnten weder Dinwiddie noch seine Londoner Vorgesetzten zufrieden sein. Vor allem die große Zahl von Kanus und Flachbooten, die Legardeur auf dem Allegheny bereitgehalten hatte, beunruhigte den stellvertretenden Gouverneur. Dinwiddie zweifelte keinen Augenblick daran, dass die Franzosen damit bei Beginn der Schneeschmelze auf die Ohio-Gabelung vorstoßen würden, um dort ein viertes Fort zu errichten. Wollte man Legardeur zuvorkommen, war keine Zeit mehr zu verlieren. Als Sofortmaßnahme setzte Dinwiddie eine kleine Expedition von knapp 100 Mann der Ohio-Kompanie über die Appalachen in Marsch, die den Ort des zukünftigen Forts noch vor der Ankunft der Franzosen besetzen und befestigen sollte. Er musste aber auch für rasche Verstärkung seiner Vorausgruppe sorgen und das ging nicht ohne das Parlament. Hier war noch Überzeugungsarbeit zu leisten, und so befahl Dinwiddie zunächst dem heimgekehrten Washington, einen Bericht über seine zweimonatige Expedition zu verfassen, den er umgehend veröffentlichen ließ. Zugleich bat er die Gouverneure der Nachbarstaaten um militärische Hilfe und brachte die Mitglieder des Oberhauses von Virginia auf seine Seite. Derart gewappnet, fand Dinwiddie nun auch endlich die Unterstützung des House of Burgesses. Die nach wie vor misstrauischen Abgeordneten bewilligten ihm Mitte Februar 1754 unter Auflagen immerhin 10 000 Pfund. Es war kein wirklich bedeutender Betrag, aber mit dieser knappen Zuteilung konnte Dinwiddie dem nunmehr zum Oberstleutnant der Miliz beförderten Washington den Auftrag erteilen, so schnell wie möglich 200 geeignete Männer anzuwerben und auszubilden. Sie sollten alsbald dem kleinen Vorkommando folgen, das am 16. Februar die Ohio-Gabelung noch unbesetzt vorgefunden hatte. Sogleich war darauf mit dem Bau eines Forts begonnen worden. Zwar schritten die Befestigungsarbeiten zügig voran, doch da die benachbarten Stämme wider Erwarten und trotz guter Preise nicht bereit waren, den Briten Lebensmittel zu liefern, traten schon im März ernste Versorgungsprobleme auf. Ein großer Teil der Gruppe musste sich daher auf die Jagd begeben. Nur etwa 40 Mann unter Führung eines Fähnrichs der Virginia-Miliz blieben im Fort zurück. Als die Franzosen am 17. April mit 800 Mann und 18 Geschützen unter Führung des Hauptmanns Claude-Pierre Pécaudy de Contrecoeur auf ihren Kanus und Flachbooten vor der Baustelle erschienen, blieb der Besatzung keine andere Wahl, als gegen freien Abzug zu kapitulieren. Dinwiddie hatte den Wettlauf zum Ohio verloren.
Washington war erst am 2. April mit nicht mehr als 160 Mann von Alexandria zum Ohio aufgebrochen. Schon die Vorbereitungen hatten unter einem schlechten Stern gestanden, denn die vom Parlament zugesagten 10 000 Pfund hatten längst nicht zur Begleichung aller Kosten gereicht und in der Truppe herrschte Unzufriedenheit wegen der knappen Besoldung. Dinwiddies Instruktionen für die bescheidene Streitmacht waren daher reichlich realitätsfremd. Washington solle sämtliche Maßnahmen zum Schutz der im Bau befindlichen Befestigung ergreifen und gegnerischen Störungen des Vorhabens notfalls auch mit Waffengewalt entgegentreten. Noch herrschte in Europa Friede, aber in Virginia hatte ein stellvertretender Gouverneur aus Schottland die Tür zum Krieg der beiden Weltmächte bereits weit geöffnet.
Noch auf seinem Weg über die Appalachen erhielt Washington am 20. April die deprimierende Meldung, dass das provisorische britische Fort an der Gabelung des Flusses inzwischen aufgegeben werden musste und die Franzosen mit starken Kräften begonnen hatten, ihrerseits eine noch größere Befestigung an der Ohio-Gabelung anzulegen. Washington musste eine Entscheidung treffen. Was konnte er mit seiner schwachen Truppe jetzt noch tun? Immer noch galt Dinwiddies Weisung, den Aktionen der Franzosen notfalls mit Gewalt zu begegnen. Dass die Franzosen allerdings mit beinahe 1000 Mann ins Ohiotal vorgedrungen waren, hatte auch der stellvertretende Gouverneur bei aller Besorgnis nicht geahnt.
Obwohl er vorerst gegen den mehrfach überlegenen Feind kaum etwas ausrichten konnte, beschloss Washington, wenigstens in Reichweite zu dem neuen französischen Fort zu bleiben. Als Stützpunkt bot sich eine befestigte Handelsstation der Ohio-Kompanie am Red-Stone-Bach, die nur 60 Kilometer von der Ohio-Gabelung entfernt lag. Dort könnte er auch das Eintreffen von Verstärkungen erwarten, die ihm Dinwiddie oder die Gouverneure der Nachbarstaaten vielleicht noch schickten. Der Weg zum Red Stone war allerdings extrem beschwerlich, da für die Wagen seiner Kolonne eigens noch Schneisen durch die Urwälder geschlagen werden mussten. Nach etwa einem Monat mühevollen Vorarbeitens hatten Washington und seine Männer ein Tal erreicht, das den Namen Great Meadows trug und etwa in der Mitte zwischen den Flüssen Monongahela und Youghioheny lag. Da meldeten ihnen indianische Kundschafter, dass eine Gruppe bewaffneter Franzosen nur noch wenige Kilometer entfernt sei. Gerüchte über angebliche Überfälle durch kleinere Feindkommandos machten bereits länger die Runde und daher entschloss sich Washington, der ihm gemeldeten Gruppe einen Hinterhalt zu legen. Dazu teilte er seine kleine Streitmacht auf. Mit etwa 75 Leuten wollte er dem Gegner unverzüglich entgegenmarschieren, dem Rest befahl er, an Ort und Stelle ein mit Palisaden befestigtes Lager als Basis zu errichten.
Nach einem Nachtmarsch im strömenden Regen erreichte Washingtons Gruppe am Morgen des 28. Mai 1754 das gegnerische Lager. Washington konnte nicht wissen, dass die kleine Abordnung von 35 Männern keinen Kampfauftrag hatte. Sie sollte im Auftrag Contrecoeurs den Briten, deren Anwesenheit den Franzosen nicht entgangen war, ein Schreiben überreichen, das die Empfänger höflich, aber bestimmt aufforderte, unverzüglich das von Frankreich beanspruchte Territorium zu verlassen. Die französische Gruppe unterstand dem Fähnrich Joseph Coulon de Villiers de Jumonville. Ehe der Fähnrich jedoch das Wort an die Angreifer richten konnte, hatten Washingtons Männer seine Gruppe am Morgen umstellt und mit zwei gut gezielten Salven zur Kapitulation gezwungen. Washington berichtete einige Tage später an Gouverneur Dinwiddie, dass das kurze Gefecht den Gegner zehn Tote und einen Verletzten gekostet habe, darunter auch Jumonville. Das war eine glatte Beschönigung der Ereignisse, was schon durch das ungewöhnliche Verhältnis der Toten und Verletzten auf französischer Seite leicht hätte entlarvt werden können. Den Berichten einiger entkommener Franzosen zufolge sei der junge Jumonville aber zunächst nur verwundet worden und habe sein Schreiben noch an den Anführer der Briten übergeben können. Ein Indianer Namens Tanaghrisson, der mit seiner Gruppe die Briten begleitet hatte, ein Demi-Roi (Halbkönig) der Seneca, habe dem verletzten Jumonville aus Hass gegen die Franzosen den Schädel eingeschlagen, auf ähnlich brutale Weise seien auch die übrigen verletzten Franzosen umgekommen.
Als die Nachricht von dem Massaker in Frankreich eintraf, war die Empörung riesig. Auch wenn Washington von der plötzlichen Mordsucht der Wilden selbst überrascht war, fiel doch deren Untat auf ihn als den Befehl habenden Offizier zurück. Das Publikum in Paris sah darin einen erneuten Beweis britischer Heimtücke und der junge Poet Antoine Léonhard Thomas veröffentlichte über Jumonvilles Tod ein anklagendes Gedicht, das ihn rasch im ganzen Land bekannt machte.133 Willem van Keppel, der britische Botschafter in Versailles und 2. Lord von Albemarle, nahm dagegen an dem Tod des jungen französischen Aristokraten keinen Anstoß, beklagte aber das Ungeschick der Kolonisten. Als Gouverneur der Kolonie Virginia, die er allerdings noch nie betreten hatte und auch niemals betreten würde, war Albemarle pikanterweise Dinwiddies Vorgesetzter und damit der Hauptverantwortliche für das Geschehen. Washington blieb dagegen optimistisch. Dinwiddie hatte ihm nicht nur bestätigt, dass seine Mission ein großer Erfolg gewesen sei, er hatte ihm auch endlich Verstärkungen geschickt, die seine kleine Streitmacht auf nunmehr knapp 400 Mann anwachsen ließen. Washington hatte nach dem unglücklichen Zusammenstoß mit den Franzosen seinen ursprünglichen Plan, eine Position am Red-Stone-Bach zu beziehen, wieder aufgenommen und versuchte weiterhin, den Weg dorthin passierbar zu machen. Zugleich ließ er aber im Great-Meadows-Tal als Zwischenbasis eine kleine Befestigung errichten, der er den Namen Fort Necessity gab. Eine kreisförmige Palisade um zwei Blockhäuser bot immerhin allen Vorräten sowie 60 Mann Schutz. Der Rest seiner Leute musste sich dagegen mit einem etwa 80 cm tiefen Graben und Erdaufwürfen um das Fort begnügen. Da das Fort und seine unmittelbare Umgebung von bewaldeten Höhen in der Nähe gut unter Feuer genommen werden konnte, war Washingtons Wahl alles andere als geschickt.
Inzwischen hatte Contrecoeur in Fort Duquesne beträchtliche Verstärkungen aus Kanada erhalten. Der Generalgouverneur hatte noch einmal 1000 Mann ins Ohiotal entsandt, die ausgerechnet unter dem Kommando von Louis Coulon de Villers standen, dem älteren Bruder des ermordeten Jumonville. Villers brannte darauf, den Tod seines Bruders zu rächen, und erhielt von Contrecoeur die Erlaubnis zu einer Expedition gegen die Briten. Washingtons bescheidene Streitmacht hatte keine Chance, als am 3. Juli 1754 etwa 600 Franzosen sowie 100 Shawnee, Delaware und Mingo das Fort umzingelten und die Milizionäre aus überhöhten Positionen nach Art der Indianer beschossen. Nach einem etwa sechsstündigen Schusswechsel in strömendem Regen war ein Drittel der Verteidiger tot oder verwundet, der Rest hatte in den mit Wasser halb vollgelaufenen Gräben ohne trockene Munition jeden Mut verloren. Andere hatten sich der Whiskeyvorräte innerhalb der Palisade bemächtigt. Bei Einbruch der Dunkelheit musste sich Washington auf Kapitulationsverhandlungen einlassen und ein von Villers vorbereitetes Dokument unterzeichnen, indem er sich schuldig am Tod von Jumonville erklärte und einwilligte, ein Jahr lang keinen weiteren Vorstoß ins Ohiotal zu unternehmen. Gegen die Stellung von zwei Offizieren als Geiseln durften die Briten mit allen Waffen und Vorräten am nächsten Vormittag abziehen. Für Washington war die Kapitulation in den Great Meadows alles andere als ein verheißungsvoller Beginn seiner militärischen Karriere. Indem er bei seiner Rückkehr behauptete, der Feind habe immerhin gleich hohe Verluste erlitten, versuchte er das Desaster noch zu beschönigen.
Die Franzosen, die tatsächlich nur drei Tote und 17 Verwundete zu beklagen hatten, brannten die Reste von Necessity nieder und verschonten auch die Niederlassung der Ohio-Kompanie am Red-Stone-Bach nicht. Bei Villers Rückkehr nach Fort Duquesne wurden er und seine Männer mit Salut empfangen. Frankreich beherrschte jetzt das gesamte Ohiotal, die Indianer standen auf seiner Seite und nichts deutete darauf hin, dass sich dieser Zustand noch einmal ändern könnte.
General Braddocks Niederlage am Monongahela
Washingtons Kapitulation in den Great Meadows am 4. Juli 1754 veranlasste die Regierung in London zu einem dramatischen Kurswechsel. Die demütigende Niederlage von 300 zerlumpten und erschöpften Milizionären gegen gut ausgerüstete Franzosen unter einer entschlossenen Führung zeigte dem neuen leitenden Minister Thomas Pelham-Holles, Herzog von Newcastle, dass die Neuengland-Staaten trotz ihrer weit überlegenen Ressourcen nicht fähig waren, aus eigener Kraft mit der französischen Bedrohung im Ohiotal fertigzuwerden.134
Das vorhersehbare Versagen eines sich selbst überschätzenden Oberstleutnants der Virginia-Miliz löste somit Reaktionen aus, die weit über Virginia und die Neuengland-Staaten hinaus strahlten. Horace Walpole schüttete wie gewöhnlich seinen beißenden Spott auf den lethargischen Newcastle, der so plötzlich zum Falken mutierte.135 Newcastle, der erst wenige Wochen zuvor das höchste Regierungsamt von seinem im März 1754 verstorbenen Stiefbruder Henry Pelham übernommen hatte, erhöhte nun den Einsatz. Großbritannien würde nicht nur reguläre Truppen aus dem Mutterland in die Kolonien schicken, sondern auch sämtliche dort zu mobilisierenden militärischen Kräfte der energischen Leitung eines britischen Generals unterstellen.
Der Gegenschlag musste schnell, erfolgreich und vor allem lokal begrenzt sein. Der Premierminister wollte keine Eskalation, nur ein klares Zeichen sollte gesetzt werden, das Frankreich zum Einlenken zwang. Newcastles Problem war allerdings, dass er sich zur Verwirklichung seiner Pläne mit William Augustus, dem Herzog von Cumberland, verbünden musste. Der damals einflussreichste Militär des Vereinigten Königreiches war der bevorzugte Sohn Georgs II. und wie Kriegsminister Henry Fox ein glühender Franzosenhasser. Seit seinem Sieg bei Culloden im Jahre 1746 über die Anhänger von Prinz Charles Stuart galt der erst 33-jährige Prinz als bedeutendster Befehlshaber der Armee, eine Einschätzung, die auch durch seine eher unglückliche Kriegführung in Belgien nicht gelitten hatte. Cumberland war weder ein großer Stratege noch ein Diplomat, seine rabiaten Methoden gegen die Aufständischen im Hochland hatten ihm sogar den wenig schmeichelhaften Namen des »Schlächters von Culloden« eingebracht.
All dies war Newcastle durchaus bekannt, aber er brauchte unbedingt Cumberlands Unterstützung, wenn er den König von seinen Absichten in Nordamerika überzeugen wollte. Der erste gemeinsame Operationsentwurf vom September 1754 fand dann auch zu Newcastles Erleichterung die volle Zustimmung des Monarchen. Zwei irische Regimenter mit insgesamt 1000 Mann sollten nach Virginia verschifft werden. Hinzu kamen zwei in den Kolonien beheimatete Regimenter, die allerdings noch reaktiviert werden mussten. Zusammen mit den Kolonial-Milizen würden alle diese Truppen einem britischen General mit weitreichenden Vollmachten unterstellt sein.
Außer den vier umstrittenen Forts im Ohiotal umfasste die britische Angriffsliste jetzt auch noch Fort Frédéric am Champlainsee sowie Fort Beauséjour am Isthmus von Neuschottland. Dass damit gleich zwei gefährliche Brandherde neu entfacht würden, die soeben noch mit Mühe unterdrückt worden waren, schien Cumberland ebenso wenig zu stören wie Lord Halifax, den Vorsitzenden des für die Kolonien zuständigen Board of Trade, die wohl treibende Kraft hinter der Ausweitung des militärischen Einsatzes.
Newcastle bestand zwar anfangs noch darauf, dass nach der Vertreibung der Franzosen aus dem Ohiotal alle weiteren Operationen angehalten werden sollten, um neue Verhandlungen zu ermöglichen. Doch der Plan mit seinen ausufernden Zielen war jetzt schon weit mehr als nur eine angemessene Demonstration britischer Stärke. Es war eine Generaloffensive mitten im Frieden.
Trotz seiner fast 30-jährigen Erfahrung als Außenstaatssekretär für die nördliche Hemisphäre (Nordeuropa und Russland) und seiner unzweifelhaft genauen Kenntnis des europäischen Staatensystems riskierte der britische Politiker mit Cumberlands Plan einen großen Krieg der beiden alten Rivalen. Dabei unterschätzte er offenbar vollkommen die öffentliche Erregung in Frankreich, wo die brutale Ermordung des jungen Jumonville sofort den alten Hass auf die Briten neu entfacht hatte. An ein Nachgeben war nicht zu denken.
Dabei wusste Newcastle, dass Großbritannien die kommende Auseinandersetzung mit Frankreich ohne die Hilfe seines alten österreichischen Alliierten würde führen müssen.136
Dass die Franzosen auch noch durch eine Indiskretion in der Zeitung The Gazette bereits am 8. Oktober von der Entsendung frischer Truppen nach Nordamerika Wind bekamen, machte es für Newcastle nicht leichter.137 Er versuchte daher ein Doppelspiel, als er zwei Tage später seinen Botschafter in Versailles, Lord Albemarle, vorsorglich anwies, die Franzosen mit allen Tricks und Beschwichtigungen erst einmal hinzuhalten.
Albemarle müsse die britischen Verteidigungsmaßnahmen als so harmlos darstellen, dass die französischen Minister sich nicht zu beklagen wagten. »Die Marquise (von Pompadour) und der Herzog von Mirepoix (der Botschafter Frankreichs in London, der sich aber damals gerade in Versailles aufhielt) könnten dabei hilfreich sein.« Dann aber brach der für Newcastle so typische flatterhafte Ton unvermittelt ab und der Premier schloss mit einer ernsten Warnung: »Lassen Sie es mich ganz frank und frei sagen. Wir befinden uns am Rande eines Abgrundes und ich setze sehr darauf, dass Sie uns helfen können, die prekäre Lage zu überwinden.«138
Newcastle spürte nur zu deutlich, dass ihm die Entwicklung längst aus den Händen geglitten war und dass Cumberland und Fox ihn überspielt hatten. Der Herzog war immer ein fleißiger Aktenleser gewesen und dazu ein manischer Briefeschreiber, mit einnehmenden Umgangsformen, aber doch unsicher und schwankend in seinem politischen Urteil. An einem großen Krieg gegen Frankreich hatte er keinerlei Interesse und an seinem persönlichen Friedenswillen konnte kein Zweifel bestehen. Jetzt aber fehlte ihm die Kraft, sich dem in der Öffentlichkeit und auch im Königshaus rasant ausbreiteten Franzosenhass entgegenzustellen.
Hilflos musste Newcastle mit ansehen, wie die Falken im Kriegsministerium seine ursprüngliche Absicht einer begrenzten Demonstration britischer Macht zu einem umfassenden Angriffsplan auf das französische Kanada ummünzten. Der Leiter der britischen Politik erhob dann auch nur müden Protest, als die ehrgeizigen Londoner Schreibtischstrategen in völliger Unkenntnis der schwierigen Wegeverhältnissen in der amerikanischen Wildnis auch noch das Fort Niagara am Ontario-See auf die Liste ihrer Eroberungswünsche setzten. Jetzt sollten sogar alle vier Ziele gleichzeitig angegriffen werden, um die Truppen des Gegners zu verzetteln. Weder Cumberland noch Kriegsminister Fox schienen es in Betracht gezogen zu haben, dass die Franzosen auf der inneren Linie kämpften. Sie konnten ihre Kräfte auf den Wasserstraßen nach Belieben zu jedem bedrohten Punkt befördern, während sich die Briten in jedem Fall nur mühsam ihrem Angriffsziel auf miserablen Wegen oder auf erst noch durch die Wildnis zu bahnenden Pfaden nähern konnten.
Auch General Edward Braddock, der im Dezember 1755 nach Nordamerika aufgebrochen war, hatte es nicht gewagt, Bedenken gegen Cumberlands ehrgeizige Planungen zu äußern. Schließlich zählte der fast 60-jährige Generalmajor nicht unbedingt zur Elite der britischen Generalität. Braddocks Soldatenlaufbahn war eher schleppend verlaufen und hatte dem vormaligen stellvertretenden Befehlshaber der Festung Gibraltar reichlich Routine in militärischer Verwaltungsarbeit beschert. Erfahrung auf dem Gefechtsfeld besaß er dagegen kaum, was nicht ausschließlich ihm anzulasten war, hatten doch die drei Dekaden nach dem Utrechter Frieden wenig Gelegenheit geboten, sich vor dem Feind auszuzeichnen. Im Krieg gegen die Jakobiten hatte er zwar unter Cumberland in Schottland gedient, aber dabei kaum einen Feind gesehen. Immerhin dürfte die Nähe zum Herzog und seine starke Loyalität ausschlaggebend gewesen sein, Braddock das amerikanische Kommando zu übertragen.
Gesellschaftlich stand er wegen seiner Spielsucht nicht in hohem Ansehen. Dass seine jüngere Schwester 30 Jahre zuvor ihrem von Skandalen geprägten Leben durch Suizid ein Ende gesetzt hatte, war in höheren Kreisen noch längst nicht vergessen.
Nachdem er am 23. Februar 1755 im virginischen Hampton Road an Land gegangen war, erwies sich Braddock sogleich als harter, aber auch fähiger Organisator, der keine Zeit mit diplomatischen Floskeln verlor. Von den Gouverneuren erwartete er denselben Gehorsam, mit dem er im Dienste des Königs zum Generalmajor aufgestiegen war. Mit einer Flut von Briefen forderte er von ihnen Geld, Verpflegung, Männer, Zugpferde, und das alles sofort. Dem Gouverneur des Quäkerstaates Pennsylvania, der es gewagt hatte, auf die Mitspracherechte seines Parlaments hinzuweisen, drohte er mit der Einquartierung seiner irischen Truppen.
Auf einer für Anfang April 1755 in Alexandria einberufenen Konferenz wies Braddock sämtliche Gouverneure in seine Planungen ein, die einen gleichzeitigen Angriff auf vier französische Forts vorsahen. Die berechtigten Bedenken der Gouverneure hinsichtlich der Versorgung der Truppe und der zeitlichen Abfolge der Angriffe überging der General, der sich immer noch genauestens an Cumberlands Weisungen gebunden fühlte.139 Auch die angebotene Hilfe der Shawnee, Mingo und Delaware lehnte Braddock hochmütig ab. Von der Kampfweise dieser »Wilden« hielt der mit den Verhältnissen in den Grenzgebieten unvertraute General wenig, die Ansprüche ihrer Häuptlinge, das Ohiotal als ihr angestammtes Jagdgebiet behalten zu dürfen, bezeichnete er als absurd.
Als Braddock Anfang Mai in seinem Feldlager in Fort Cumberland am Zusammenfluss von Potomac und Wills Creek eintraf, wurde er schon von George Washington erwartet. Der junge Virginier hatte sich als freiwilliger Adjutant ohne Dienstgrad und Bezahlung gemeldet und hoffte, falls er sich gegen die Franzosen bewähren konnte, auf ein britisches Offizierpatent. Braddock war klug genug, die Hilfe eines Mannes dankbar anzunehmen, der sich im zukünftigen Kampfgebiet bestens auskannte.140 Mit der Hilfe eines anderen ehrgeizigen Neuengländers, Benjamin Franklin, gelang es auch, die notorischen Transportprobleme der Briten zu mildern. Denn der damalige stellvertretende Postmeister der Kolonien sorgte dafür, dass sein Heimatstaat Pennsylvania 500 Packpferde und dazu 150 Wagen nebst Wagenführern für die bevorstehende Expedition bereitstellte.141
Am 29. Mai 1755 brach Braddock mit seiner für amerikanische Verhältnisse beachtlichen Armee zum Monongahela-Fluss auf. Seinem Kommando unterstanden nun 3000 Mann, dazu kamen vier Zwölfpfünder-Geschütze, sechs Sechspfünder und acht Mörser sowie einige Hundert Wagen voller Verpflegung, Munition und sonstigem Heeresbedarf. Etwa 200 Kilometer trennten sie von Fort Duquesne, und sollte es den Briten tatsächlich gelingen, ihre schweren Zwölfpfünder bis zur Ohio-Gabelung zu schaffen, wäre es um die Festung geschehen gewesen. Doch spätestens jetzt zeigte sich, dass Cumberlands Vorstellungen von der Durchquerung einer Region, die noch ein Jahrhundert später treffend als Wilderness bezeichnet werden sollte, absolut irreal waren. Braddocks kilometerlanger Heerzug schaffte zunächst kaum mehr als drei Kilometer am Tag, da immer wieder der Weg für die schweren Wagen verbreitert oder freigeholzt werden musste. Nach einer Woche Marsch traf der ungeduldig gewordene britische Befehlshaber eine durchaus zweckmäßige Entscheidung. Er beschloss, seine Streitmacht zu teilen und eine etwa 1300 Mann starke Vorausabteilung zu bilden, deren Verpflegung, wie es ihm Washington von Anfang an geraten hatte, allein auf Packpferden mitgeführt wurde. Dieser schnellen Gruppe gelang es, sich bis zum 7. Juli auf etwa 15 Kilometer ihrem Ziel zu nähern.
Den Franzosen in Fort Duquesne war die Annäherung des Gegners nicht entgangen und allmählich gerieten sie in Alarmstimmung, da sie den Briten numerisch deutlich unterlegen waren. Das starke Milizaufgebot aus dem Vorjahr war wieder entlassen worden und Hauptmann Contrecoeur konnte daher im Augenblick nicht mehr als 400 Mann aufbieten. Die Hälfte davon, darunter auch 72 Mann der Kolonialtruppe der Marine, unterstellte er seinem Stellvertreter, dem Hauptmann der Marinetruppen Daniél Liénard Beaulieu. Den Löwenanteil seines Aufgebots bildeten die verbündeten Stämme mit mehr als 600 Kämpfern, darunter auch Angehörige der Shawnee, Mingo und Delaware, die nur wenige Monate zuvor noch Braddock ihre Hilfe angeboten hatten. Contrecoeur und Beaulieu hatten sich zu einer Verzweiflungstat entschlossen. Mit kaum 900 Mann sollte Beaulieus Truppe die anderthalbfach so starken Briten angreifen, noch ehe sie das Fort mit ihren Geschützen erreicht hatten. Der 44-jährige Offizier, der sich im Kampf nach Art der Indianer kleidete, verunsicherte die verbündeten Häuptlinge zutiefst, als er noch vor dem Abmarsch niederkniete und betete. Einige Anführer, die von der Überlegenheit der Briten wussten, kommentierten das ungewohnte Bild in abfälligem Ton: Der Franzose beabsichtige wohl zu sterben und wolle sie dabei alle opfern, brachte einer von ihnen das allgemeine Unbehagen zum Ausdruck. Beaulieus Beteuerungen, dass er fest an den Sieg glaube, überzeugten die Indianerführer nicht.142
Die Briten hatten inzwischen zweimal den Monongahela an günstigen Stellen überschritten, um das abschüssige Ufer des Turtelcreek, eines rechten Nebenarms des Flusses, zu vermeiden. Trotz ihrer Erschöpfung nach den zurückliegenden Gewaltmärschen und trotz ihrer mageren Verpflegung während der letzten Tage waren Braddocks Männer jetzt zuversichtlich. Nachdem sich auch an der zweiten Furt kein Feind gezeigt hatte, hofften sie, dass die Franzosen das Fort bereits aufgegeben und sich den Allegheny aufwärts zurückgezogen hatten. Wo sonst als an diesem Übergang hätte der Gegner sie mit Aussicht auf Erfolg aufhalten können? Die Truppe formierte sich nach dem Uferwechsel wieder in drei Gruppen. An der Spitze marschierten 300 Mann der leichten Infanterie sowie eine Grenadierkompanie. Dahinter folgten eine Kompanie der New Yorker Miliz sowie 250 Pioniere unter dem Kommando von Hauptmann Horatio Gates. Gates war ein britischer Offizier, der im Unabhängigkeitskrieg auf die Seite der Aufständischen wechseln sollte und als General im Oktober 1777 bei Saratoga am Hudson eine britische Armee zur Kapitulation zwang. Die Hauptgruppe mit General Braddock und seinem Stab bestand aus zwei parallelen Kolonnen zu je 250 Mann, in deren Mitte der Wagenpark und die Artillerie rollten. Auf beiden Flanken marschierten außerdem jeweils 100 Mann im Abstand von einigen hundert Metern durch das Waldgelände, auf dem heute ein heruntergekommenes Industriegelände den südlichen Rand der Stadt Pittsburg bildet. Die Nachhut der Kolonie bestand nochmals aus 100 Milizionären aus Virginia.143
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.