Kitabı oku: «Der Kaplan», sayfa 5
Die Szene gelangt zu einem fröhlichen Höhepunkt – die singenden KINDER tanzen um den KAPLAN, die NONNEN rufen »Nicht so wild, Kinder!«, die MÜTTER lassen sich erschöpft wieder auf ihre Stühle fallen; das ROTKREUZ-MÄDCHEN jubelt: »Hier ist es lustiger!«
BLENDE
23: AUSSEN, STRADA STATALE 65 …: Nicht weit vom Dorf entfernt. Es ist dunkel. Der militärische Verkehr ist so dicht wie zuvor. Die abgedunkelten Fahrzeuge bewegen sich langsam durch Nebel und Sturm.
Die Kamera fährt auf einen Wagen zu, der mit technischen Geräten ausgerüstet ist, um geheime Radiosender zu lokalisieren. Eines der Geräte, die dafür benutzt werden, gibt ein »Tick Tack«-Geräusch von sich, das, wenn möglich, im gleichen Rhythmus tickt wie das Lied am Ende der vorigen Szene – wie ein Echo.
Im Wagen ZWEI AMERIKANISCHE SOLDATEN (Funk-Experten der Signal Corps Intelligence Section).
ERSTER SOLDAT: »Es muss hier irgendwo sein …«
ZWEITER SOLDAT: »Im Dorf? Schon möglich …«
Der Wagen biegt in die Dorfstraße ein.
BLENDE
24. INNEN, WOHNZIMMER …: Das Fest geht weiter – jetzt auf geregeltere, feierliche Art. Die KINDER, die in der Mitte des Raums stehen, singen ein italienisches Weihnachtslied; die ERSTE NONNE dirigiert. Die anderen NONNEN und die MÜTTER stehen dabei und hören zu. Das ROTKREUZ-MÄDCHEN, der junge LIEUTENANT, JACK und TOM ruhen bequem auf Kissen auf dem Fußboden. Der KAPLAN betrachtet die idyllische Szene aus einer Ecke des Raums.
Plötzlich wird die Tür zur Straße von außen geöffnet. Der Sturm bläst Schnee und Regen in den Raum. In der offenen Tür – die beiden SOLDATEN des Signal Corps: nass, verfroren, schlammbespritzt – zwei grimmig blickende, feindselige Eindringlinge.
Aufregung. Alle im Raum stehen auf. Rufe der AMERIKANER: »Was ist los? – Was zum Teufel wollen die? – Macht die Tür zu!« usw. – Rufe der ITALIENER: »Mamma mia … Madonna …« usw. SIGNORA SILOTTI starrt die beiden Männer an – blass, unbeweglich, mit schreckgeweiteten Augen.
ERSTER SOLDAT: »Hier drin muss es sein …«
ZWEITER SOLDAT: »Lass uns die verdammte Bude durchsuchen.«
Sie kommen in den Raum herein. Der KAPLAN, der wie die anderen aufgestanden ist, tritt ihnen mit einer gewissen Autorität entgegen.
KAPLAN: »Was kann ich für euch tun, Jungs?«
ERSTER SOLDAT: »Nanu, Kaplan Martin! Guten Abend, Kaplan.«
ZWEITER SOLDAT: »Zu dumm, dass wir Ihre Feier stören müssen. Die Pflicht, Sie verstehen.«
KAPLAN: »Worum geht es? Wonach sucht ihr?«
ZWEITER SOLDAT: »Nun, sehen Sie, es gibt einen Geheimsender …«
ERSTER SOLDAT (mit strafendem Blick auf seinen Kumpel): »Sei still! Vor all diesen Spaghettifressern!« (Er flüstert dem Kaplan etwas zu.)
KAPLAN: »Ich glaube nicht … Ich hoffe nicht, dass ihr hier etwas finden werdet.«
ERSTER SOLDAT (grinsend): »Sie werden sich wundern, Kaplan.«
ZWEITER SOLDAT: »Unser Apparat da draußen im Wagen macht normalerweise keine Fehler.«
KAPLAN: »Nun, dann an die Arbeit.«
ERSTER SOLDAT (zu seinem Kumpel): »Wo schauen wir zuerst nach?«
ZWEITER SOLDAT: »Ich denke, wir können ruhig gleich hier anfangen.«
KAPLAN (nach einem kurzen Zögern): »Wenn ich einen Vorschlag machen darf, Jungs: Ich glaube, die Chance ist größer, dass ihr im zweiten Stock etwas findet – wenn überhaupt …«
ERSTER SOLDAT (ein wenig überrascht): »Okay – wenn Sie das sagen. Uns ist es egal.«
ZWEITER SOLDAT: »Da oben?«
Sie gehen nach oben. SIGNORA SILOTTI macht eine hilflose kleine Bewegung, als ob sie sie zurückhalten wollte; aber es ist zu spät. Ohne sichtbare Gefühlsregung steht sie da – lauschend, abwartend, zitternd –, als die ZWEI SOLDATEN das obere Stockwerk erreichen.
KAPLAN (zu den Kindern und Frauen, so fröhlich und beruhigend wie möglich; auf Italienisch): »Keine Sorge, Freunde. Lasst uns noch ein Lied hören, Kinder.«
Die KINDER fangen wieder an zu singen. Ihre Stimmen klingen etwas zittrig. Alle starren nach oben – wo die beiden Soldaten gerade verschwunden sind. Die Kamera folgt der Richtung, in die alle blicken.
SCHNITT AUF:
25: INNEN, ERNESTOS ZIMMER …: Das Zimmer ist dunkel, die Tür zum Korridor offen. Die SOLDATEN vom Signal Corps leuchten den Raum mit einer Taschenlampe aus.
ERSTER SOLDAT (durchsucht den Raum): »Ich wäre nicht überrascht, wenn das verdammte Ding hier irgendwo wäre …«
ZWEITER SOLDAT (singt ein bekanntes amerikanisches Lied): »Come out – come out wherever you are …«
ERSTER SOLDAT (setzt denselben Musical-Hit fort): »I know – I know you are not very far …«
ZWEITER SOLDAT (singt weiter): »So – come out …« (Das Licht der Taschenlampe fällt auf ERNESTO, der in einer Ecke hinter der Tür steht, flach an die Wand gedrückt.) »Also, komm raus! Und besser etwas flott, kleiner Mann!«
Die ZWEI SOLDATEN prusten vor Lachen. ERNESTO kommt widerstrebend aus seinem Versteck – das Gesicht verzerrt vor Angst und Wut.
ERNESTO (auf Italienisch): »Sucht ruhig weiter. Hier werdet ihr nichts finden.«
ERSTER SOLDAT: »Sag das noch mal – auf Englisch.«
ERNESTO (auf Englisch): »Nichts hier. Nicht möglich etwas finden.«
ERSTER SOLDAT: »Ach so? Reg dich nur nicht auf, Bürschchen, immer mit der Ruhe. Wir finden das schon, deshalb sind wir hier.«
Sie suchen weiter – klopfen die Wände ab usw. An einer Stelle hört der ERSTE SOLDAT einen hohlen Ton.
ERSTER SOLDAT (an seinen Kumpel gewandt): »Hör mal, Mac –: klingt komisch, oder?«
ZWEITER SOLDAT: »Sehr komisch … Mal sehen …«
Sie ziehen einen losen Ziegel aus der Mauer. Hinter dem Ziegel: der Geheimsender!
ERSTER SOLDAT (triumphierend): »Schau dir das an!«
ZWEITER SOLDAT: »Hab ich’s nicht gesagt?«
ERSTER SOLDAT: »Von wegen, du Sohn einer … Wer hat hier denn die ganze Zeit gesagt …«
In ihrer freudigen Erregung haben sie die Gegenwart ERNESTOS vorübergehend vergessen. Der Bucklige hat inzwischen eine große, altmodische Pistole hervorgezogen. Die Pistole auf die beiden Amerikaner gerichtet, springt er auf sie zu, reißt dem ERSTEN SOLDATEN die Taschenlampe aus der Hand und wirft sie aus dem Fenster. Vollkommene Dunkelheit.
ERNESTO (schon an der Tür; mit schriller, hysterischer Stimme; auf Italienisch): »Mich kriegt ihr nicht … Ihr seid Narren … Narren, Narren, Narren …«
Er verlässt den Raum – zurück bleiben die ZWEI SOLDATEN.
ERSTER SOLDAT (in völliger Dunkelheit): »Was zum Teufel …«
ZWEITER SOLDAT (gleichzeitig): »Verdammt …«
ERSTER SOLDAT: »Hast du Streichhölzer?«
Die Kamera folgt ERNESTO, der den dunklen Korridor entlangläuft, hin zur Treppe.
SCHNITT AUF:
26. INNEN, WOHNZIMMER …: Die KINDER singen – mit ziemlich dünnen, zittrigen Stimmen. Als ERNESTO an der Treppe erscheint, hören sie sofort auf. Die folgende Szene spielt sich in atemberaubendem Tempo ab. Mit erstaunlicher Gewandtheit rennt ERNESTO die Treppe hinab, während die ZWEI SOLDATEN durch die Dunkelheit des oberen Korridors stolpern.
ERSTER & ZWEITER SOLDAT (gleichzeitig): »Stoppt den Schweinehund … Haltet ihn fest … Lasst ihn nicht entkommen …«
Panik erfasst die FRAUEN und KINDER. ERNESTO hat die Tür zur Straße schon erreicht. Er steht mit dem Rücken zur Tür – schwer atmend richtet er die Pistole auf die verschreckte Versammlung.
LIEUTENANT (starrt ihn an, als wäre er eine Teufelserscheinung): »Ja, das ist er … dasselbe Monster, genau …«
ERNESTO (bedroht die Menge mit der Pistole; auf Italienisch): »Ich töte jeden, der sich bewegt.« (Er wiederholt die Drohung auf Englisch:) »Jeder … der … bewegt … tot –: sofort!«
SIG. SILOTTI (flüstert mit beinahe gelähmten Lippen; auf Italienisch): »Ernesto … das ist nicht wahr … mein Sohn …«
ERNESTO (auf Italienisch): »Hast du nicht gehört, Mutter? Ich töte jeden, der sich bewegt. J e d e n!«
SIG. SILOTTI: »Ernesto … Was hast du getan?«
ERNESTO (hysterisch kreischend): »Ja, ich hab’s getan, Mutter! Ich habe über Funk Nachrichten übermittelt, ich habe unseren Leuten militärische Informationen gegeben …«
SIG. SILOTTI: »An u n s e r e Leute, Sohn? Das sind nicht unsere Leute, das sind Feinde. Sie haben unseren Padre getötet …«
ERNESTO: »Nicht unsere Leute, Mutter? Weißt du denn nicht, wer meine Nachrichten empfangen hat?«
SIG. SILOTTI (fast tonlos): »Dein Vater …«
ERNESTO (in einer Art wahnsinnigem Triumph): »Natürlich war es Vater – wer sonst? Er ist bei den Faschisten! Ich bin bei den Faschisten – und ich bin stolz darauf!«
KAPLAN: »Ernesto! Hör mir zu! Du bist ja verrückt! Gib mir den Revolver!«
ERNESTO: »Hier sind Sie also, Priester? Ich wusste, Sie würden mich verraten – ich wusste, das alles war eine Falle: Das habe ich die ganze Zeit gewusst! Sie schleimiger Heuchler! Sie Spitzel! Sie … Sie Christ! …« (Die Pistole auf den Kaplan gerichtet, versucht er, die Tür mit dem Ellbogen des linken Arms zu öffnen. Mit zischender Stimme:) »Ich töte dich, Verräter – und wenn es das letzte ist, was ich auf dieser verkommenen Welt tue!«
Er hat es geschafft, die Tür zu öffnen, und macht einen Schritt rückwärts, sodass er jetzt draußen steht – noch immer hat er die Versammlung im Blick und noch immer bedroht er sie mit dem Revolver. Doch nun konzentriert er sich ganz auf den Priester. Er starrt ihn mit unbeschreiblichem Hass an und wiederholt seine Drohung – jetzt in gebrochenem Englisch.
ERNESTO (zischt; auf Englisch): »Töte dich, Priester … Töte dich … Töte … töte … töte …«
Der junge LIEUTENANT nutzt den Wechsel in ERNESTOS Aufmerksamkeit aus: Er zieht seine eigene Pistole und zielt auf den hysterischen Krüppel.
LIEUTENANT: »Das reicht jetzt, Buckliger.«
ERNESTO (zuckt zusammen; kreischt): »Buckliger …«
Der LIEUTENANT schießt. ERNESTO, ins Herz getroffen, fällt und rollt die Stufen hinunter.
SCHNITT AUF:
27. AUSSEN, STRASSE …: Vor dem Haus. ERNESTO rollt die Stufen hinunter und liegt mit dem Gesicht im Schlamm. Der KAPLAN stürzt aus dem Haus, die Stufen hinunter; beugt sich über den sterbenden Jungen.
KAPLAN (auf Italienisch): »Ernesto … Ernesto … Kannst du mich hören?«
ERNESTO (sein Körper zuckt in letzten Konvulsionen; er starrt den Kaplan an; murmelt): »Geh weg … hau ab … Verräter …«
KAPLAN: »Ernesto … willst du nicht beten?«
ERNESTO (starrt ihn unentwegt an): »Zur Hölle mit dir … du Schwindler … zur Hölle mit euch allen … zur Hölle … zur Hölle …« (Er stirbt.)
Inzwischen hat sich eine Menschenmenge angesammelt – bestehend aus GIs, DORFBEWOHNERN und allen TEILNEHMERN DER FEIER. SIGNORA SILOTTI ist in den Armen einer der NONNEN ohnmächtig geworden. Einige der KINDER, die einen Halbkreis um diese Ansammlung bilden, fangen an zu weinen: das tote Gesicht – verzerrt und über und über mit Schlamm verschmiert – sieht beängstigend aus.
EIN KLEINES MÄDCHEN (weinend; auf Italienisch): »Mutter … er ist so hässlich … Warum ist er so hässlich, Mutter?«
KAPLAN: »Möge der Herr seiner armen Seele gnädig sein. Sein Gesicht sieht so aus, als hätte er die Hölle schon hier erlebt, auf Erden.«
Mitleidig bedeckt er das schreckliche Gesicht mit einem Schal – demselben Schal, den er Ernesto als Weihnachtsgeschenk gegeben hatte.
*
Anmerkungen
1 Das Alter ist handschriftlich eingefügt, später heißt es, der Junge sei 17.
2 Im Original Limies, gängiges Spottwort der Amerikaner für britische Seeleute, die zum Schutz gegen Skorbut Zitronensaft trinken.
3 EM = Enlisted Men, PX = Post Exchange.
4 WAC = Women Army Corps, d. h. weibliche Militärpersonen.
5 Im Typoskript trägt diese Szene, wie schon die vorige, die lfd. Nr. 2; die lfd. Nummern sind im Folgenden deshalb korrigiert.
6 Im Typoskript mordial statt cordial.
7 Im Original deutsch / italienisch.
8 Im Folgenden von Klaus Mann abgekürzt als »Sig. Silotti«. Korrekt eigentlich als »Sig.ra« abgekürzt.
9 Beim amerikanischen Militär werden Offiziers- und Mannschaftsdienstgrade nach der Soldstufe durchnummeriert und mit einem »O« für Offizier bzw. »E« für Enlisted Men, also Mannschaften, versehen.
10 Im II. Weltkrieg wurde zusätzlich das Präfix »T« für Techniker verwendet, Tom ist also »Technician 5th Grade« und wird als Corporal oder Tech-Corporal angeredet.
Abb. 2 und 3: Original Typoskript Klaus Mann: The Chaplain,© Münchner Stadtbibliothek / Monacensia.
Fredric Kroll
Der Kaplan: Klaus Manns Zusammenarbeit mit Roberto Rossellini am Film Paisà
Anfang 1941 im New Yorker Exil gründete Klaus Mann eine literarische Monatsschrift mit dem Titel Decision. Die Entscheidung, um die es sich dabei handelte, bestand darin, eine allgemeine Völkerverständigung aufzubauen – als Gegenentwurf zum apokalyptischen Krieg, der weltweit ringsum tobte.
Eines der schwierigsten Hindernisse für die Völkerverständigung ist die sogenannte »babylonische Sprachverwirrung« – es existieren zahllose Sprachbarrieren zwischen den Menschen, welche die Kommunikation erschweren. Im August-Heft von Decision veröffentlichte Klaus Mann einen Artikel: What’s Wrong with Anti-Nazi Films. In den damals im Umlauf befindlichen ersten Anti-Nazi-Filmen traten zwangsläufig handelnde Personen mit unterschiedlichen Muttersprachen auf. Klaus Mann schrieb in seinem Artikel unter anderem vom Problem, »wie die verschiedenen Idiome« in den Anti-Nazi-Filmen angewendet wurden: »Englisch, Amerikanisch, Deutsch, Deutsch mit amerikanischem Akzent, Englisch mit deutschem Tonfall. Meistens handhaben die Regisseure diese heikle Frage auf höchst willkürliche Weise. Oft hören wir, wie die Nazi-Bösewichter unter sich fließend Englisch reden; gelegentlich haftet den ›schlimmsten‹ Deutschen ein dicker Akzent an, während die ›guten‹, vornehmlich die Damen, in der fremden Zunge offenbar vollkommen zu Hause sind.«[1]
Gut vier Jahre später, mit der US-Armee in Italien, hatte Klaus Mann optimale Gelegenheit, die Sprachverwirrung am eigenen Leibe zu erleben: Seine engste Umgebung sprach US-amerikanisches Englisch; dabei war es seine Aufgabe als Angehöriger des Psychological Warfare Branch, deutsche Kriegsgefangene zu verhören, um anhand von deren Aussagen Flugblätter zu entwerfen, die die deutschen Soldaten im Feld zum Desertieren überreden sollten.[2] Im Hintergrund sprachen die Menschen, die schon vor dem Krieg immer dort gewesen waren, untereinander natürlich Italienisch. Diese durchaus unheimliche Situation der Sprachunterschiede wird besonders deutlich in Klaus Manns Tagebucheintragung vom 25. Dezember 1944 mit dem einen Satz zusammengefasst: »Bei GI-Fest für italienische Kinder zugeschaut.«[3] Dieses Fest mag die Grundlage in der Realität bzw. der Anstoß gewesen sein für den späteren Drehbuchtext Der Kaplan.
Nachdem viereinhalb Monate später der Krieg zu Ende gegangen war, verspürte Klaus Mann das Bedürfnis, einen Überblick über die kulturelle Lage in den verschiedenen europäischen Ländern unmittelbar nach Kriegsende in einem Buch zusammenzufassen mit dem Arbeitstitel The New Face of European Culture (Das neue Gesicht der europäischen Kultur). Vermutlich machte Klaus Mann während seiner Recherchen für dieses geplante, aber niemals verwirklichte Buch die Bekanntschaft mit dem politischen Journalisten Raffaele Cafiero, der ihn am 28. Juli 1945 in eine Vorführung von Roberto Rossellinis Film Roma città aperta (»Rom, Offene Stadt«) mitnahm. Im Laufe der nächsten zwei Tage entstand – in Zusammenarbeit mit Rossellinis Produzenten in spe, dem 1915 geborenen US-amerikanischen Soldaten Rod Geiger – die Idee einer Mitarbeit Klaus Manns an Roberto Rossellinis nächstem Film.[4]
Er sollte aus sieben Episoden bestehen, die der Route der Befreiung Italiens von Faschismus und Nationalsozialismus durch die US-amerikanische Armee folgen würden. Die geplanten Stationen waren: 1. Sizilien; 2. Neapel; 3. Anzio; 4. Littoria; 5. Rom; 6. Florenz; 7. Die Partisanen der Po-Ebene. Der Arbeitstitel lautete: The Seven from the U. S. Im schließlich realisierten und fertiggestellten Film Paisà ist die Reihenfolge der Episoden geändert in: 1. Sizilien; 2. Neapel – aber mit anderem Inhalt; 3. Rom; 4. Florenz; 5. Romagna; 6. Die Partisanen der Po-Ebene.
Der einer verarmten Großbürgerfamilie entstammende Roberto Rossellini, ein halbes Jahr älter als Klaus Mann, sah diesem, dank der vorspringenden Nase und den »Geheimratsecken«, entfernt ähnlich, doch waren die Gesichtszüge des italienischen Regisseurs entschieden schnittiger und härter als die des exilierten Schriftstellers. Roberto Rossellinis Schulfreund Marcello Pagliero, der in Roma città aperta die tragende Rolle des Partisanen Giorgio Manfredi gespielt hatte und nun dem Team der Drehbuchautoren angehören sollte, hatte seine früheste Kindheit in England verlebt und konnte daher »noch leidlich Englisch«. Somit war der Weg für einen in mehreren Sprachen gedrehten Film geebnet. Bereits Roma città aperta war in italienischer und deutscher Sprache gedreht worden, und genau einen solchen Film hatte sich Klaus Mann, wie wir gesehen haben, spätestens seit 1941 erträumt. Als entscheidender Mitstreiter auf dem Weg zum in mehreren Sprachen gedrehten Film erwies sich nun auch Rod Geiger, dem Roberto Rossellini gegen Ende des Frühjahres 1945 privat die noch ungeschnittene Todesszene der Anna Magnani aus Roma città aperta vorgeführt hatte. Rod Geiger, der daraufhin die Vorführrechte am Film für die Vereinigten Staaten erworben und an den unabhängigen Vertrieb Mayer-Burstyn weiterverkauft hatte, erinnerte sich später: »Es erschien mir großes Kino, und wir haben uns entschlossen, einen zweiten Film zu produzieren […].« Laut Rod Geigers veröffentlichten Memoiren ging in der Folge alles sehr schnell: »Dann rief ich Klaus Mann herbei, den Sohn von Thomas Mann, und Alfred Hayes, die beide als Soldaten in Rom waren, und wir begannen, Paisà zu schreiben.«[5]
Alfred Hayes, der wie Klaus Mann für die US-amerikanische Armeezeitung Stars and Stripes geschrieben hatte, wurde nach seiner Erinnerung von Marcello Pagliero um Ideen für einen Film gebeten, den dieser mit Roberto Rossellini und dem 1904 geborenen erfahrenen Drehbuchautor Sergio Amidei plante. Roberto Rossellini berichtet in seiner Autobiographie, dass der Redaktionssitz der Stars und Stripes sich in unmittelbarer Nähe zum behelfsmäßigen Filmstudio befunden habe, das in einem ehemaligen Wettbüro in der Via degli Avignonesi für die Innenaufnahmen von Rom, offene Stadt eingerichtet worden war. Ein Mitarbeiter der Armeezeitung habe ihm dabei geholfen, Stromkabel aus der Redaktion zum Filmset zu verlegen, um damit die Beleuchtung zu speisen – auf diese Weise könnten sich weitere persönliche Verbindungen zwischen den Filmleuten und der Redaktion ergeben haben.
Das Sujet von Roma città aperta war bereits von Sergio Amidei entworfen worden, und auch das Grundkonzept von Paisà stammte wahrscheinlich von Amidei. Des Weiteren berichtet Alfred Hayes über Gespräche mit Roberto Rossellini in einer armseligen Trattoria voller Fliegen über Filmästhetik: Roberto Rossellini ging bewusst dokumentarisch vor, indem er bei Außenaufnahmen grundsätzlich vor Ort drehte und entweder mit Laien arbeitete oder den Schauspielern ihren routinemäßigen Schliff auszutreiben suchte.[6]
Am 4. August fand zum ersten Mal eine »Diskussion« zwischen Roberto Rossellini, Marcello Pagliero, Rod Geiger und Klaus Mann über ein offenbar bereits vorliegendes »Filmmanuskript« statt.[7] Am 11. August 1945 unterzeichneten Rod Geiger und Roberto Rossellini den Vertrag über die Produktion des Films,[8] und am 14. August nahm Rod Geiger Klaus Mann unter Vertrag.[9] Und von diesem Augenblick an saß der Wurm in der Angelegenheit drin, denn Roberto Rossellini wusste nichts davon, dass Rod Geiger Klaus Mann unter Vertrag nehmen wollte, und hatte keine Erlaubnis dazu erteilt.[10]
Soweit man der Interpretation des Regisseurs Rudolf Thome zustimmt, Paisà sei einer der »trostlosesten« ihm bekannten Filme, war Klaus Mann zweifellos von vornherein ein denkbar geeigneter Mitarbeiter für ein solches Werk. Die italienische Presse kündigte Klaus Manns Mitarbeit am Film denn auch mit großem Wohlwollen an:
Das Treatment des Films, unter dem Titel Sette Americani (Sieben Amerikaner), stammt von Klaus Mann, dem Sohn des berühmten antinationalsozialistischen deutschen Schriftstellers Thomas Mann, der in Amerika Zuflucht gefunden hat. […] In der Handlung schwingt eine Strömung von tiefer Menschlichkeit und vor allem von profundem Verständnis für unsere Leiden mit.[11]
Am 28. August wurde Roma città aperta vor zahlreichen Zuschauern in der US-amerikanischen Botschaft vorgeführt. Klaus Manns Mitarbeit an The Seven from the U. S. erreichte bereits am 1. September eine Art Höhepunkt: »Konferenz, mit Rossellini, Pagliero […] das ganze Drehbuch diskutiert. Restaurant, Nachtessen zusammen.«[12] Im Laufe der nächsten zwei Wochen verfasste Klaus Mann ein 47 Seiten langes Treatment »aus der Synthese des ihm zunächst brauchbar Scheinenden« aus den halbwegs fertigen Exposé-Entwürfen, die Sergio Amidei, Marcello Pagliero und Alfred Hayes für mehrere Episoden bereits erarbeitet hatten. Der Kunsthistoriker und Filmforscher Thomas Meder beschreibt Klaus Manns darauf folgende Tätigkeit recht zutreffend als »Chefredakteur […], dessen Schreibtisch die Arbeiten der anderen Co-Autoren passieren mussten«. Roberto Rossellini habe alsdann »aus dem Material aller Autoren die Rosinen herauspicken« können.[13]
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