Kitabı oku: «Antike Geschlechterdebatten»

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Kordula Schnegg

Antike Geschlechterdebatten

Narr Francke Attempto Verlag Tübingen

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Dr.in Kordula Schnegg ist assoziierte Professorin am Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik der Universität Innsbruck. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen u.a. Geschlechter- und Körpergeschichte (Schwerpunkt: Antike) sowie Geschichte der sozialen Verhältnisse in der römischen Antike.

© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG

Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen

www.narr.de • info@narr.de

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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen

Print-ISBN 978-3-89308-459-3

ePub-ISBN 978-3-89308-016-8

Inhalt

  Vorwort

  1 Einführung: Geschichte – Geschlechtergeschichte 1.1 Der historische Raum 1.2 Vergangenheit, Geschichte, Quellen 1.3 Die antike Überlieferung 1.4 Die geschlechterhistorische Perspektive

  2 Periktione: Über die Ordnung der Geschlechter im Haushalt 2.1 Die Schrift „Über die Harmonie der Frau“ 2.2 Literarischer Diskurs und historische Deutung

  3 Die Scipionen: Das Erbe der Ahnen 3.1 Die Grabanlage der Scipionen: Erinnerungen an ein erfolgreiches Geschlecht 3.2 Die Cornelii Scipiones 3.3 Scipio Aemilianus: Die Sorge, der Herkunft nicht würdig zu sein 3.4 Die Regulierung der politischen Karriere 3.5 Römische Männlichkeit

  4 Hortensia: Der Kampf um die soziale Position 4.1 Die Besteuerung der reichen Römerinnen in der Überlieferung nach Appian 4.2 Die Rede der Hortensia vor den Triumvirn 4.3 Hortensia und ihre Familie 4.4 Römerinnen sprechen im öffentlichen Raum 4.5 Römerinnen gegen das Oppische Gesetz 4.6 Was Frauen dürfen und wofür Männer Sorge zu tragen haben

  5 Zusammenschau und Ausblick: Geschlechterdebatten in der Antike

 6 Anhang6.1 Zeittafel6.2 Stammbaum der Scipionen (im Auszug)6.3 Die Familienverbindung des Scipio Africanus6.4 Die Familienverbindung des Hortalus und der Marcia6.5 Blick auf den griechisch-ägäischen Raum (Karte)6.6 Blick auf das römische Reich im 1. Jh. v.u.Z. (Karte)6.7 Glossar6.8 Abkürzungen6.9 Literaturverzeichnis

Vorwort

Was zeichnet Frauen aus, was zeichnet Männer aus? Worin unterscheiden sich Frauen von Männern? Wozu dient die Unterscheidung beziehungsweise wem nützt sie? Diese und ähnliche gesellschaftspolitisch relevanten Fragen beschäftigen derzeit die Zivilgesellschaft, die Politik und die Wissenschaften. Aber Gedanken darüber, was Frauen und was Männer ausmacht, welche Aufgaben einzelne Personen in einer Gemeinschaft aufgrund ihres Geschlechtes übernehmen müssen, sind nicht nur aktuell, sondern lassen sich bereits für die griechische und römische Antike nachweisen. In der antiken Überlieferung werden soziale Verhältnisse, insbesondere die Geschlechterverhältnisse vielfältig thematisiert. Vor allem die antiken Texte bieten ein Panorama an Geschlechtervorstellungen und Geschlechternormen. Sie dokumentieren Erwartungshaltungen an Männer und Frauen und bieten Erklärungen für bestehende Geschlechterordnungen.

Wie differenziert sich die Geschlechterverhältnisse in der Antike gestalteten, will ich anhand dreier Beispiele illustrieren. Diese führen uns in die Welt der griechischen pólis (die Gemeinschaft der Bürger) und in das antike Rom. In allen drei Beispielen werden die Geschlechterverhältnisse im Zusammenhang mit dem Funktionieren der jeweiligen Bürgerschaft besprochen: Im Fall der Periktione ist die Bezugsgröße die soziale und politische Ordnung einer griechischen pólis, im Fall der Scipionen und der Hortensia ist die Bezugsgröße die soziale und politische Ordnung der römischen Republik (res publica).

Die geschlechterhistorische Perspektive, die hier vertreten wird, ermöglicht es dabei, die Geschlechterverhältnisse in ihrer Vielgestaltigkeit zu analysieren, Geschlecht als zentrales, aber nicht als einziges Kriterium für die Ausgestaltung der sozialen Verhältnisse in den Blick zu nehmen. Geschlecht wird in Relation zu weiteren sozialen Differenzierungsmerkmalen wie Klasse, ethnische Zugehörigkeit oder Alter untersucht.

Geschlechternormen werden in den antiken Zeugnissen reflektiert und thematisiert. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung damit macht die antiken Besprechungen als Debatten über Geschlechterverhältnisse greifbar. Es ist daher besonders passend, einzelne dieser antiken Debatten in der Reihe Dialoge zu präsentieren. Das vorliegende Buch bietet den Leser*innen die Möglichkeit, die griechisch-römische Antike aus einer geschlechterhistorischen Perspektive kennenzulernen und dabei Einblicke nicht nur in die Denkweisen der Antike, sondern auch in die Methoden der (post-)modernen Geschichtswissenschaft zu nehmen. Das altgriechische Wort „διάλογος“ (diálogos) bedeutet „Unterredung, Gespräch“. In diesem Sinne kann dieses Buch also auch dazu anregen, sich über Geschlechterverhältnisse und -normen im Allgemeinen auszutauschen, einen Dialog zu führen, an den antiken wie den aktuellen Debatten teilzunehmen.

Es sei hier noch all jenen gedankt, die mich bei der Fertigstellung des Buches unterstützt haben: Dem Narr Francke Attempto Verlag, vor allem Valeska Lembke und Corina Popp, danke ich für die professionelle Begleitung des Projektes. Das Buch präsentiert in Auszügen die Ergebnisse des Forschungsprojektes „Geschlechterdebatten in der Antike. Historische Materialien und ihre Auswertung“, das durch die Richard & Emmy Bahr Stiftung in Schaffhausen 2018 finanziell unterstützt wurde. In diesem Zusammenhang gilt mein besonderer Dank der Universität Innsbruck sowie der Projektmitarbeiterin Delila Jordan für die Unterstützung bei den Recherchearbeiten und bei der Erstellung der Grafiken.

Kordula Schnegg Innsbruck, Dezember 2020

1 Einführung: Geschichte – Geschlechtergeschichte

Bevor das Augenmerk auf die Geschlechterverhältnisse in der griechischen und römischen Antike gelenkt wird, sind drei Punkte vorab zu erläutern, die für eine historische Analyse der Geschlechterverhältnisse zentral sind.

1.1 Der historische Raum

Raum und Zeit sind die zwei Dimensionen, die in der Geschichtswissenschaft für die wissenschaftliche Strukturierung der Vergangenheit herangezogen werden und die in der Bezeichnung „historischer Raum“ ihren Ausdruck finden. Mit dem Hinweis auf einen historischen Raum wird auf die konkrete zeitliche und geographische Einordnung der untersuchten Verhältnisse aufmerksam gemacht. Demzufolge beziehen sich auch die Aussagen über das Zusammenleben von Frauen und Männern in der vorliegenden Darstellung stets auf einen konkreten historischen Raum. Daher sind die beschriebenen sozialen Verhältnisse und Geschlechterverhältnisse weder ahistorisch noch universalhistorisch, sondern räumlich und zeitlich bedingt.

Ahistorisch bedeutet „keine Geschichte zu haben“ und in diesem Sinne „unveränderbar, nicht wandelbar“ zu sein.

Universalhistorisch meint „allgemein gültig“, auf alle Kulturen und Gesellschaften zutreffend, unabhängig von Zeit und Raum.

1.2 Vergangenheit, Geschichte, Quellen

Für das historische Arbeiten ist es notwendig folgende Begriffe zu unterscheiden: Vergangenheit, Geschichte, Geschichtswissenschaft. Die Vergangenheit als solche ist für uns nicht mehr greifbar. Wir können die Vergangenheit nicht wiederbeleben. Was wir jedoch fassen können, sind Materialien (Hinterlassenschaften von Menschen), die sich aus vergangener Zeit erhalten haben, wie Artefakte, Texte, Gebäude. Nur über diese Materialien können wir uns mit der Vergangenheit auseinandersetzen.

In der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft werden die Materialien gängig als „Quellen“, mitunter auch als „Zeugnisse“ und „Überreste“ bezeichnet. Die Quellen müssen einer Analyse unterworfen werden, damit eine historische Aussage über die Vergangenheit erzielt werden kann. Denn weder sprechen die Quellen von selbst zu uns, noch reicht es aus, bloß einen Blick auf sie zu werfen, um in die Vergangenheit zu sehen. Vielmehr befasst sich die*der Historiker*in mit den Überresten aus der Vergangenheit, indem sie*er das Analysematerial darstellt und mit einer theoriegeleiteten Fragestellung und mit methodischem Werkzeug bearbeitet.

Die Darstellung der Analyseergebnisse in erzählender Form ist Geschichte. Eine Wissenschaft, die sich explizit mit Quellen und Geschichte beschäftigt, ist die Geschichtswissenschaft.

Die Quellen bilden die Grundlage für das historische Arbeiten. Ohne Quellen können keine historischen Aussagen über die Vergangenheit getroffen werden.

Literaturhinweise

Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse (Historische Einführungen, Band 4), Frankfurt am Main 2008.

Achim Landwehr, Die anwesende Abwesenheit der Vergangenheit. Essay zur Geschichtstheorie, Frankfurt am Main 2016.

1.3 Die antike Überlieferung

Für die Antike sind uns Materialien unterschiedlicher Art überliefert: Texte, Inschriften, Gebrauchsgegenstände, Überreste von Wohnhäusern oder von ganzen Städten. Diese Zeugnisse sind jedoch im Vergleich etwa zum Mittelalter, dessen bauliche Spuren vielerorts in Europa noch Teil des Stadtbilds sind, oder zum 19. Jahrhundert, dessen Dokumente Bibliotheken und Archive füllen, für die Antike weit weniger zahlreich vorhanden. Bestimmte Aspekte, vor allem das soziale Leben betreffend, können daher historisch nur vage festgemacht bzw. allein mittels theoriegeleiteter Fragestellungen historisch reflektiert werden. Es gibt soziale Gruppen in der griechischen und römischen Antike, deren Lebensverhältnisse überwiegend aus einer Fremdperspektive vermittelt sind, weil von ihnen selbst kaum historisches Material überliefert ist. Zu diesen sozialen Gruppen zählen Sklav*innen, Freigelassene, Fremde, die fern ihrer Heimat ihr Dasein fristen, aber auch die ärmeren Bevölkerungsschichten – Menschen, die sich in ihrer rechtlichen und ökonomischen Position in der Gesellschaft zum Teil deutlich unterscheiden. Es sind vor allem die Berichte der Elite, auf die unsere Erkenntnisse über diese Personen zurückgehen.

Quer durch alle Gesellschaftsschichten sind es jedoch die Frauen, deren Leben und Handeln nur punktuell überliefert sind. Es ist für die althistorische Forschung eine Herausforderung, Frauen als historische Personen sichtbar zu machen und individuelle Lebensführungen aufzuzeigen. Das gilt selbst für Frauen aus der Elite, jener sozialen Gruppe, auf die ein Großteil der materiellen Hinterlassenschaften zurückgeht. Ein genauer Blick auf diese Quellen zeigt nämlich, dass es vor allem die Aktionen und Handlungsräume der Männer sind, über die berichtet wird. Frauen finden dabei vor allem Berücksichtigung, wenn sie die männlich bestimmten Handlungsräume streifen. So wüsste die Forschung beispielsweise nur wenig über die Römerin Cornelia zu berichten, wäre sie nicht als Mutter der Gracchen, die in den 130ern und 120ern v. u. Z. Rom in eine politisch prekäre Situation brachten, in den antiken Quellen erinnert worden.1

Für die Antike ist es also aufgrund der Quellenlage schwierig, individuelle Lebensführungen und konkrete Lebenssituationen von Frauen und Männern aus den unterschiedlichen sozialen Schichten zu rekonstruieren. Für eine geschlechterhistorische Analyse bietet sich daher an, die antike Überlieferung nach Wertvorstellungen, Vorschriften und Verhaltenscodices zu untersuchen. Damit lassen sich Geschlechtervorstellungen und Normen fassen, die als abstraktes Regelwerk vermittelt sind und vornehmlich von Vertretern der Elite stammen.

Eine zentrale Quelle für den folgenden Einblick in antike Geschlechterdebatten bilden antike Texte in einer bestimmten Auswahl, die Erwartungshaltungen an Männer und Frauen vor dem Hintergrund des zeitgenössischen Wertekanons der sozialen Elite thematisieren. Die in diesem Zusammenhang besprochenen Geschlechtervorstellungen sind Teile eines Diskurses über korrektes Verhalten und standesgemäßes Auftreten, das je nach Geschlecht normativ bestimmt ist. Die überaus spannende, aber für unseren Gegenstand kaum zu beantwortende Frage, wie die Normen individuell umgesetzt wurden, wird punktuell theoretisch reflektiert, um darauf aufmerksam zu machen, dass Ideal und Wirklichkeit sich nicht notwendigerweise entsprechen müssen. Denn Normen können in der Praxis gebeugt werden.

Die hier präsentierten Textauszüge sind in altgriechischer oder lateinischer Sprache verfasst. Zentrale Begriffe und eine Auswahl an Zitaten führe ich in Originalsprache mit deutscher Übersetzung an, um einen Einblick in lateinische und altgriechische Texte zu bieten. Längere Zitate sind ausschließlich in deutscher Übersetzung angeführt, um den Lesefluss nicht zu unterbrechen. Über die Zitation der antiken Texte können diese Stellen jedoch bei Interesse in entsprechenden Editionen aufgefunden werden.

Die wissenschaftliche Zitation der antiken Texte erfolgt nach bestimmten Regeln. Demgemäß steht beim Zitat an erster Stelle das Kürzel für den Namen des*der Autor*in, an zweiter Stelle das Kürzel für das Werk. Dem folgen die Angaben zur Abschnittsgliederung, wie sie sich für die jeweiligen Werke etabliert haben (z.B. Buchnummer, Kapitel und Paragraph).

Eine Auflösung der im Buch verwendeten Kürzel ist im Kapitel „Abkürzungen“ zu finden.

1.4 Die geschlechterhistorische Perspektive

Geschlechtergeschichte setzt sich mit den Lebensverhältnissen von Frauen und Männern in der Vergangenheit auseinander. Sie fragt danach, was es in einem konkreten historischen Raum bedeutete, eine Frau oder ein Mann zu sein; welche Aufgaben, Verpflichtungen Personen aufgrund ihres weiblichen oder männlichen Geschlechts übernehmen mussten und welche Möglichkeiten ihnen offen standen. Geschlechtergeschichte untersucht die vielfältigen Beziehungen zwischen Frauen und Männern. Sie sucht nach den Merkmalen, die zur Unterscheidung der Menschen in Männer und Frauen im jeweiligen historischen Raum definiert wurden. Dies bedeutet zugleich die Verabschiedung von der Vorstellung, dass Geschlechterdifferenzen ahistorisch bzw. universalhistorisch oder von der „Natur“ bestimmt seien. Vielmehr zeigt sich, dass Weiblichkeit und Männlichkeit vom kulturellen und gesellschaftlichen Kontext des historischen Raums geprägt sind. Des Weiteren befasst sich Geschlechtergeschichte mit den Bedeutungen, die aus den sozial und kulturell festgelegten Geschlechterdifferenzen gefolgert wurden. Geschlechtergeschichte erforscht die aus diesen Differenzen abgeleiteten Geschlechterordnungen, -hierarchien und Machtverhältnisse sowie Marginalisierungen und Ausschlüsse von Personen aufgrund ihres Geschlechtes. Sie setzt sich ebenso mit dem Zusammenwirken verschiedener sozialer Differenzierungsmerkmale auseinander wie Klasse (class), Ethnizität (race) und Geschlecht (gender). Denn nur auf diese Weise lässt sich die Positionierung einer Person im sozialen Raum hinreichend erfassen.

Im antiken Rom zum Beispiel strukturierte sich das Verhältnis einer Frau zu einem Bürger stark nach sozialem Stand und Alter. Für die zwischenmenschliche Begegnung war es entscheidend, ob die Frau Sklavin oder Freigelassene war oder aus der Bürgerschicht kam. Für die Frau aus der Bürgerschicht bestimmten zudem die mit ihrem Alter verbundenen sozialen Erwartungen, die sich zentral auf die Ehe und das Muttersein bezogen, das Aufeinandertreffen mit einem Bürger.

Die hier dargelegten geschlechterhistorischen Ausführungen beruhen zum einen auf der Definition von Geschlechtergeschichte nach Claudia Opitz-Belakhal und zum anderen auf der Definition von Geschlecht als analytischer Kategorie nach Joan W. Scott.

Literaturhinweise

Claudia Opitz-Belakhal, Geschlechtergeschichte (Historische Einführungen, Band 8), Frankfurt am Main 2010.

Joan W. Scott, Gender: A Useful Category of Historical Analysis. In: American Historical Review 91 (1986), S. 1053–1075.

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