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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 29

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36 - Saltners Reise

Saltner lenkte seinen Radschlitten, dessen er sich sehr bald zu bedienen gelernt hatte, Frus Haus zu. Wie oft hatte er in diesen zwei Monaten, die er schon auf dem Mars weilte, den Weg zurückgelegt und die kürzeste Verbindung ausprobiert! Heute hatte er weite Umwege gemacht und im nächtlichen Park seinen Gedanken nachgehangen. Sonst konnte es ihm immer nicht schnell genug gehen, wenn er über die schmalen Parkwege hinglitt, die nach Las Wohnung führten. Wenn ihm das Verhältnis des Mars zur Erde Sorge machte, bei La fand er Trost und Ermunterung, von ihr wußte er ja, daß sie ihn nicht für gering hielt, weil er nur ein Mensch war –. Sie liebte ihn, die Nume, die herrliche. Sollte er nicht glücklich sein? Und doch – das Wort: »Vergiß nicht, daß ich eine Nume bin«, das sie zu ihm gesprochen, als sie zusammen auf die Erde hinabblickten, es ging ihm nicht aus dem Sinn, was er damals kaum beachtet, nicht verstanden hatte. Das Wort hatte er nicht vergessen, aber vielleicht die Warnung, die es enthielt. Sollte er jetzt daran erinnert werden? Durfte er es wagen, die Bitte auszusprechen, die sie ihm versagen mußte? Warum war er seit zwei Tagen nicht mehr bei La gewesen? Er hatte viel zu tun gehabt, gewiß; die Erdkommission hatte von ihm verschiedene Gutachten verlangt, auch Frau Torm hatte lange Unterredungen mit ihm, die Briefe nach der Erde nahmen seine Zeit in Anspruch. Zweimal hatte er auch La durch das Telephon angesprochen, doch beide Male war sie nicht zu Hause gewesen. Er wußte nicht einmal, womit sie so eifrig beschäftigt war. Seit acht Tagen war sie mit ihrer Mutter allein. Fru hatte sich bereits nach dem Pol begeben, um die Ausrüstung der Raumschiffe zu leiten. Es hatten lange Erwägungen in der Erdkommission stattgefunden, welche Kapitäne und Ingenieure bei der wichtigen und verantwortlichen Expedition nach dem Südpol der Erde zu verwenden seien. Schließlich wollte man, obgleich an tüchtigen Leuten kein Mangel war, doch des Rates Frus, als eines der bewährtesten Erdkenner, nicht entbehren, und er hatte sich entschlossen, die technische Leitung der Expedition zu übernehmen. Es war auch davon die Rede gewesen, daß La ihn begleiten solle. Die Aussicht, La so bald wieder zu verlieren, hatte Saltner schmerzlich erregt, und er hatte nun befreit aufgeatmet, als er hörte, daß La ihren Wunsch, auf dem Mars Liebe zu ihm der Hauptbeweggrund gewesen sei, der sie hier zurückhielt – er hatte sich dessen geschmeichelt. Aber warum war er in den letzten Tagen so zweifelhaft geworden? Warum hatte er nicht die Zeit gefunden, sie aufzusuchen? zu bleiben, durchgesetzt habe. Er schmeichelte sich, daß ihre

Er konnte es sich nicht verhehlen, er war eifersüchtig. Fast jedesmal in der letzten Zeit hatte er Ell bei La getroffen, oder sie war während seiner Anwesenheit von Ell aus der Ferne angesprochen worden. Und wie begegnete sie Ell! Jedes Wort, jeder Blick zwischen ihnen war sofort verstanden, ihren Gesprächen vermochte er nicht zu folgen, es waren zwei Nume, die sich unterhielten, die sich gefielen, die –. Es konnte ja gar kein Zweifel sein, wer mußte nicht La lieben, der sie näher kennenlernte? Und er, wie konnte er sich mit dem Martiersohn vergleichen, der La ebenbürtig war und doch den eigentümlichen Reiz des Menschentums besaß! Er hätte diesen Ell hassen mögen, er nannte ihn einen Verräter an der Menschheit und einen Räuber seines Glücks. Und doch, konnte man den einen Verräter nennen, der nur zu seinem eigentlichen Vaterland zurückkehrte, das ihm durch ein unverschuldetes Geschick geraubt war? Und welches Recht hatte er selbst an La? Was entbehrte er überhaupt? Sie entzog sich ihm nicht um Ells willen, sie war ebenso lieb und gut wie früher, ja vielleicht sorgsamer und zärtlicher wie je, sie zeigte ihm in jedem Augenblick, wie wert er ihr war. Aber sie zeigte es auch Ell. Das störte ihn, das empörte ihn, sie aber fand es offenbar ganz in Ordnung. Sie war eine Martierin. Sie hatte ihn ja gewarnt; wenn er sie liebte, mußte er mit der Sitte der Martier rechnen. Er aber war ein Mensch –

Saltner näherte sich der breiteren Straße, wo La wohnte. In seine Gedanken versunken hatte er nicht bemerkt, daß ein Transport der Umzugsgesellschaft ihm entgegenkam. Er hatte nur gerade noch Zeit, zur Seite auszuweichen und den Zug an sich vorüberzulassen. Ein Haus, auf breiten Gleitkufen stehend, wurde von einer Reaktionsmaschine vorwärtsgeschoben. Die Fenster waren geschlossen, es war alles dunkel im Hause. Die Bewohner schliefen offenbar. Wenn sie am Morgen aufwachten, stand ihr Haus viele Hunderte von Kilometern entfernt. Nun war die Bahn wieder frei. Die Straße lag, von den breiten Streifen des Fluoreszenzlichtes an beiden Seiten erleuchtet, hell vor ihm. Noch eine Minute, und sein Schlitten war vor ihrem Haus. Ob er sie heute noch würde sprechen können? Es war schon ziemlich spät geworden. Ob er nicht seinen Besuch auf morgen aufschieben sollte? Er hatte eine dringende Bitte an sie, aber wie, wenn sie sich dadurch beleidigt fühlte? Er mochte gar nicht daran denken, daß auch La ihn abweisen könnte.

Da war das Nachbarhaus, an seinen tulpenartig aufragenden Erkern kenntlich, und hier –. Er hielt den Schlitten an. Frus Haus war verschwunden, die Stelle war leer. Saltner traute seinen Augen kaum. La war wirklich fortgezogen, ohne ihn zu benachrichtigen?

Auf dem Rasenplatz, wo das Haus gestanden hatte, zeigte sich eine Tafel. Sie enthielt nur die Worte:

»Verzogen 29,36 nach Mari, Sei 614.«

Saltner stand ratlos. 29,36 – das war die Zeit der Abreise. Er verglich den Kalender, den er sich zur Umrechnung der martischen Zeit angelegt hatte, da ihm das duodezimale Zahlensystem und die Angabe der Stunden und Minuten in Bruchteilen immer noch Schwierigkeiten machte. Seine Uhr zeigte 29,37 – das war ein Unterschied von zehn Minuten –, vor zehn Minuten erst hatte der Transport des Hauses begonnen. So war es gewiß Las Wohnung gewesen, die er an sich hatte vorüberschieben sehen. Sie konnte noch nicht weit fort sein. Wenn er seinen leichten Schlitten in volle Eile versetzte, konnte er den Transport vielleicht noch einholen, ehe er die Gleitbahn erreichte, die ihn dann mit größter Geschwindigkeit davontrug. Schon wandte Saltner sein Fahrzeug – doch – was hätte dies genutzt? Er konnte doch La nicht in der Nacht aus dem Schlaf stören. Nachreisen konnte er auch morgen noch. Er notierte sich die Adresse. Mari – er wußte freilich nicht, wo dieser Staat oder Bezirk lag, ob die Entfernung groß sei – doch das läßt sich ermitteln. Also nach seiner Wohnung! Er war seit Mittag nicht zu Hause gewesen. Gewiß, zu Hause würde er auch Aufklärung finden, warum La so plötzlich verzogen war.

Saltners Wohnung war ganz in der Nähe. Als er die Tür öffnete, flammten die Lampen im Haus auf, und das erste, was er beim Eintritt ins Zimmer erblickte, war ein Zettel mit den deutschen Worten: ›Ich sprach ins Grammophon. La.

Saltner eilte an das Instrument und löste den Verschluß. Das leichte Klopfen ertönte, womit der Beginn der Rede angezeigt wird. Dann vernahm er Las melodische, tiefe Stimme, er glaubte sie vor sich zu sehen, wie sie mit zärtlichem Vorwurf sagte:

»Wo stecktest du denn, mein geliebter Sal, dreimal habe ich dich angerufen, bei Frau Torm habe ich dich gesucht – du warst aber fortgegangen und sie gleichfalls, da bin ich in deine Wohnung geeilt, wo du auch nicht bist, und jetzt habe ich nur noch Zeit, dir schnell ein paar Worte ins Grammophon zu sagen, damit du nicht denkst, deine La wäre dir ohne Abschied davongegangen. Denn höre nur! Wir ziehen in einer halben Stunde nach Mari, Sei 614. Mari liegt ziemlich weit von hier nach Südwesten, am östlichen Rand der Wüste Gol. Gern tu ich’s nicht, wie gern wäre ich bei dir geblieben in unserm schönen Kla! In Mari ist es kühler, und das lockt meine Mutter. Aber der Hauptgrund ist ein anderer. Ihr bösen Menschen seid an allem schuld! Auf Gol werden die Versuche zum Schutz der Luftschiffe gegen die Geschütze der Menschen abgehalten, und dort kommt der Vater noch einmal hin, so daß wir vor seiner Erdreise noch Abschied nehmen können. Bis hierhin würde es zu weit sein für ihn. Dort werden wir auch Se noch einmal sehen. Leb also wohl, mein lieber Freund! Wir können alle Tage miteinander sprechen. Morgen zwischen drei und vier werde ich dich ansprechen, sei also zu Hause. Ich erwarte dich vorläufig nicht in Sei, man würde deine Reise dahin nicht gern sehen. Aber wenn erst die Raumschiffe fort sind und mehr Ruhe bei uns herrscht, dann wirst du uns hoffentlich besuchen. Also auf Wiederhören morgen! Deine La.«

Saltner hatte mit angehaltenem Atem gelauscht. Nun stellte er den Apparat zurück und ließ sich die Abschiedsworte Las noch einmal sagen. Dann dachte er lange darüber nach. Allerlei Fragen drängten sich ihm auf.

An die Wüste Gol erinnerte sich Saltner; La hatte sie ihm gezeigt, als das Raumschiff, das ihn nach dem Mars brachte, sich der Außenstation näherte. Sie war der große helle Fleck, nicht sehr weit vom Südpol, den die Astronomen der Erde die Insel Thyle I nannten. Sein Weg vom Pol nach Kla führte nicht weit davon vorüber, weil der direkte Weg damals im ersten Sommer noch durch Schnee unbequem gemacht war. Er erinnerte sich, daß er auf seiner Fahrt aus dem Fenster des Eilzugs zu seinem Erstaunen im ersten Morgengrauen wolkenähnliche Gebilde gesehen hatte, fern im Westen am Horizont, und daß man ihm gesagt hatte, daß dies die Morgennebel auf dem Hochplateau der Wüste Gol seien. Auch daß die Versuche mit den weittragenden Geschützen der Erdbewohner dort vorgenommen wurden, hatte er gehört. Die Martier hatten für derartige Schießplätze nur auf ihren Wüsten Raum, und Gol lag dem Südpol am nächsten. Aber warum mußte La ihre Abreise so beschleunigen? Sie sagte, um ihren Vater noch einmal zu sehen. Also mußte Fru sehr bald, wohl morgen schon, dort erwartet werden, und daraus war zu schließen, daß auch das Raumschiff bald abgehen werde. Er hatte somit keine Zeit zu verlieren, wenn er La noch persönlich vor Abgang des Schiffes sprechen wollte. Warum aber, wenn es sich bloß um ein Zusammentreffen mit dem Vater handelte, war sie mit dem ganzen Haus übergesiedelt? Es war doch noch ziemlich früh, um eine so südlich gelegene Sommerfrische aufzusuchen. Und warum sollte er ihr nicht nachkommen? Und was bedeutete diese hingeworfene Bemerkung über Se?

Doch über diese Fragen nachzudenken, war noch Zeit auf der Reise; denn La nachzueilen, um sie zu sprechen, dazu war Saltner sofort entschlossen. Was er mit ihr zu beraten, von ihr zu erbitten hatte, das konnte er nicht telephonisch erledigen, dazu mußte er ihr Aug’ in Auge sehen; fürchtete er doch mit gutem Grund, daß auch sie sich weigern würde. Aber diesem Schritt, der ihm schwer genug wurde, konnte und durfte er sich nicht entziehen, und er mußte sofort geschehen, solange noch das Raumschiff den Mars nicht verlassen hatte. Er hatte Isma das Versprechen gegeben, La um Hilfe anzugehen, das mußte er halten. Wichtigeres jedoch lag ihm selbst am Herzen. Er hielt es für seine Pflicht, die Staaten der Erde von den Maßnahmen der Martier zu unterrichten. Er erinnerte sich jenes Wortes von Grunthe, daß sie Kundschafter seien, an deren getreuen Diensten vielleicht das Wohl und Wehe der zivilisierten Erde hinge. Nicht von den Erklärungen allein, welche die Regierung der Martier abzugeben belieben würde, sollten die Menschen erfahren, sondern auch von den Ansichten, die hier auf dem Mars in der großen Antibatenpartei herrschten, und von dem Urteil, das er, als Mensch, über das Vorgehen der Martier sich gebildet hatte. Er mußte versuchen, seine von den Martiern nicht kontrollierten Briefe nach der Erde zu befördern, selbst in der schmerzlichen Aussicht, sich La zu entfremden.

Sie hatte gesagt: »Ich erwarte dich vorläufig nicht in Sei, man würde deine Reise hierher nicht gern sehen.« Er ließ sich die Worte noch einmal wiederholen. Das war also eine Meinungsäußerung Las, ein Rat vielleicht, kein direktes Verbot. Warum hatte sie sich so unbestimmt ausgedrückt, nicht mit der gewohnten Klarheit? Folgte sie vielleicht einem fremden Wunsch, der mit dem eigenen nicht übereinstimmte, oder war sie mit sich selbst im Zwiespalt? »Man würde deine Reise nicht gern sehen.« Wer ist das ›man‹? Sie hat also nicht gesagt, daß sie selbst sie nicht gern sehen würde. Das ›man‹ aber, die andern, also wohl die Regierung, die Martier, Ill, Ell und wer sonst, was ging ihn das an? Sie sollten nicht eher davon erfahren, als bis er dort wäre; hatte er erst mit La gesprochen, so war ihm alles übrige gleichgültig. Also vor allen Dingen sofort nach Mari!

Saltner war müde, er hätte sich gern niedergelegt. Aber zum Schlafen hatte er unterwegs Zeit. Er wußte, daß die Personenbeförderung auf große Entfernungen mit den schnellen Radbahnen alle Stunden stattfand, er konnte also jede Stunde abreisen. Seine Vorbereitungen waren schnell erledigt, eine kleine Handtasche, der Reisepelz, den er noch von der Erde mitgebracht, und sein ›Energieschwamm‹, das ist sein Kapital, aus welchem er die im Geldverkehr übliche Münze abzapfen mußte. Es war dies eine Büchse mit einem äußerst feinen und dichten Metallpulver, das in seinen Poren den höchst kondensierten Äther enthielt und dadurch eine bestimmte Arbeitsmenge repräsentierte. Ein Gramm dieses Pulvers hatte einen Wert von etwa fünftausend Mark, denn eine gleichwertige Arbeitskraft konnte man in dem geeigneten Apparat daraus entwickeln. Diese Währungseinheit hieß ein ›Eck‹ und war zugleich das Zehntausendfache der Strahlungseinheit. Man pflegte sich ein bis zwei Zentigramm, fünfzig bis hundert Mark, in die im Kleinverkehr gebräuchliche Münze einzuwechseln, was in jedem offenen Geschäft geschehen konnte.

Die Personenbeförderung auf den Radbahnen, die aber nur auf Strecken über dreihundert Kilometer stattfand, war sehr bequem, und Saltner wußte damit Bescheid. Um Fahrpläne, Anschlüsse und dergleichen brauchte man sich nicht zu kümmern. Die Beförderung war ungefähr in derselben Weise geordnet wie diejenige der Briefe auf der Erde. Die Überführung der Passagiere an den Kreuzungsstrecken fand ohne Zutun derselben auf dem kürzesten Weg durch die Bahnverwaltung statt.

Saltner begab sich nach der nächsten Station, die er mit Hilfe der Stufenbahn in einer Viertelstunde erreichte. Hier standen, in langen Reihen aufgestellt, die Reisecoupés; Schalter, Billets, Schaffner, alles dies gab es nicht. Ein einziger Beamter achtete darauf, daß, sobald eine Anzahl Coupés besetzt war, sofort neue herbeigeschoben wurden. Jede Person nahm ein solches Coupé für sich in Anspruch. Sie waren etwa einundeinviertel Meter breit, zweieinhalb Meter lang und drei Meter hoch. Sie bildeten also eine Kammer von ausreichender Größe für eine Person und waren mit allen Reisebequemlichkeiten versehen. Ein Handgriff genügte, um den vorhandenen Sessel und Tisch in ein bequemes Bett zu verwandeln. Auch ein Automat, der gegen Einwurf der betreffenden Münzen Speise und Trank lieferte, fehlte nicht. Der Eingang zum Coupé war von der schmalen Seite aus. Sie standen auf Gleitkufen und wurden vor Abgang der Züge geräuschlos auf die Wagen der Radbahn geschoben.

Saltner trat vor ein unbesetztes Coupé, zog einen Thekel, eine Goldmünze im Wert von etwa zehn Mark, aus der Tasche und steckte sie in die hierzu angebrachte Öffnung an der Tür. Die bisher verschlossene Tür sprang auf, und Saltner trat ein. Die Zeit des Eintritts markierte sich selbsttätig an der Tür, und Saltner hatte nunmehr das Recht erhalten, sich einen vollen Tag lang in dem Coupé aufzuhalten und hinfahren zu lassen, wohin er Lust hatte.

Aus einem im Wagen befindlichen Kästchen nahm er ein kleines Kärtchen, um die Adresse seines Coupés, sein Reiseziel, daraufzuschreiben. Jetzt stutzte er einen Augenblick. Genügte auch die Angabe ›Mari Sei‹? Wenn es vielleicht noch ein anderes Mari gab, und er, statt in der Nähe des Südpols, sich am Äquator oder am Nordpol wiederfand? Aber das Coupé war selbstverständlich mit der erforderlichen Bibliothek versehen. Es fand sich da das Meisterwerk statistischer und tabellarischer Kunst, das Mars-Kursbuch, in welchem die Beförderungszeiten, Wege und Reisedauer angegeben waren. Durch eine höchst scharfsinnig konstruierte, verschiebbare Tabelle konnte man die Wegdauer zwischen je zwei beliebigen Stationen sofort finden. Als Saltner ›Mari‹ nachschlug, fand er, daß es allerdings noch einen Bezirk gleichen Namens auf der nördlichen Halbkugel gab und daß er die Bezeichnung ›Gol‹ beizufügen hatte. Er schrieb also die Adresse auf das kleine Kärtchen und steckte dies in einen hierzu bestimmten Rahmen im Innern der Tür. Dadurch erschien die Adresse stark vergrößert und hell beleuchtet außen an der Tür. Ein leises Summen begann gleichzeitig. Dies dauerte so lange, bis der Wagen die Station verlassen hatte, und diente als Merkzeichen für den Reisenden, daß er nicht etwa bei der Abholungszeit übersehen war. Wenn es wieder begann, so war es das Signal, daß das Reiseziel nach Angabe der Adresse erreicht war.

Saltner hatte aus dem Kursbuch ersehen, daß seine Reise acht Stunden in Anspruch nehmen würde, denn die Entfernung betrug etwa 3.000 Kilometer. Es war jetzt bald Mitternacht, er traf also am Vormittag ziemlich zeitig auf der Station Mari ein. Übrigens brauchte er sich nicht darum kümmern, ob er zur rechten Zeit erwache, da sein Coupé so lange auf der Station halten blieb, bis er die Adresse entfernt hatte oder der ganze bezahlte Tag abgelaufen war. Aber er wußte nicht, wie weit er noch von der Bahnstation nach Las Wohnort habe. Darüber wollte er sich am Morgen während der Fahrt vergewissern, da die Bibliothek des Coupés genaue Reisehandbücher über alle Teile des Mars enthielt. Früher als am Nachmittag konnte er indessen nicht darauf rechnen, La anzutreffen, weil die Beförderung des Hauses, die auf der Gleitbahn stattfand, mindestens die doppelte Zeit in Anspruch nehmen mußte als seine Eilfahrt.

Jetzt zog er den Handgriff, welcher das Coupé in ein Schlafzimmer umgestaltete, und legte sich zu Bett. Kein Schienenrasseln, kein Pfiff, kein Ruf und Signal störte ihn. Er merkte noch, daß das leise Summen aufgehört und er somit seine Fahrt angetreten hatte. Er dachte, es sei doch eine gute Einrichtung, daß hier jeder für zehn Mark seinen eigenen Salonwagen haben könne, bequemer, als es sich auf der Erde ein Fürst leisten kann. Dreitausend Kilometer –. Und es fiel ihm ein, das war gerade die Entfernung von Ses Wohnort –. Ob der wohl in der Nähe war? La wollte sie ja wieder sehen. Wie lange hatte auch er sie nicht gesehen, obwohl gesprochen – aber sehen –. Saltner entschlummerte, während sein Coupé, auf dem Radwagen stehend, unter den Häuserreihen zwischen geradlinigen Kanälen nach Südwesten jagte.

37 - Die Wüste Gol

Saltner hatte Se nicht wiedergesehen, seitdem er mit Frus die Reise nach Kla angetreten hatte. Aber er hatte öfter mit ihr telephonisch gesprochen – wenn sie ihn anrief, und auch dies war in der letzten Zeit seltener geschehen. Solange er mit La zusammen war, verblaßte der Eindruck, den sie auf ihn gemacht hatte, und La sprach mit ihm nach ihrer Gewohnheit fast niemals über Se. Das letzte, was er von Se gehört hatte, war ihre erneute Einberufung zum Dienst in der chemisch-technischen Abteilung des Arbeitsheeres.

Nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen bildeten sich auf dem Mars für einen besonderen Beruf aus, doch bestand zwischen der Art dieser Ausbildung und des Betriebes der Berufsarten zwischen beiden Geschlechtern ein wesentlicher Unterschied. Nichts lag den Martiern ferner als der Gedanke einer schablonenhaften Gleichmacherei; Gleichheit gab es für sie nur im Sinne der gleichen Freiheit der Bestimmung als Persönlichkeit, aber die tatsächlichen Verhältnisse gestalteten sich durchaus verschieden nach dieser Selbstbestimmung. Die Frauen erwählten daher Berufsarten, die ihren Eigentümlichkeiten entsprachen und ihnen insbesondere eine gewisse Freiheit in der Wahl der Arbeitsstunden gestatteten. Se hatte einen wissenschaftlichen und praktischen Kursus in der Chemie durchgemacht. Da die Herstellung aller Nahrungsmittel auf dem Mars chemische Studien voraussetzte, war dies unter den Martierinnen einer der verbreitetsten Berufszweige. In dieser Eigenschaft war Se auch, als sie ihre einjährige Arbeitspflicht abzuleisten hatte, in die chemische Arbeitsabteilung eingetreten und auf ihren Antrag der Erdstation zugeteilt worden. Sie war nicht, wie La, in Begleitung ihrer Eltern, sondern in ihrer eigenen Dienstleistung nach der Erde gegangen. Auf Grund dieser besonderen Anstrengung konnte sie nach der Rückkehr auf zwei Monate beurlaubt werden. Dieser Urlaub war nun vorüber, und sie hatte noch einige Monate ihrer Dienstzeit zu absolvieren. Sie war jetzt aber von der Abteilung für Lebensmittel in die artilleristische Abteilung versetzt worden und bei den neuen Versuchen beschäftigt, zu denen der Konflikt mit den Engländern die Martier veranlaßt hatte. Saltner hatte davon nur soviel gehört, daß man entdeckt hatte, wie das Repulsit in eine neue Verbindung mit ganz wunderbaren Eigenschaften umgewandelt werden konnte, die man jedoch, wenigstens ihm gegenüber, bisher als Geheimnis behandelte. Se hatte damit zu tun, sie wohnte daher jetzt seit einer Woche ebenfalls am Rand der Wüste Gol, zwar nicht in Mari, aber dicht an der Grenze, im Bezirk Hed.

Als Saltner durch das Schütteln seines Kopfkissens erwachte, dessen Rüttel-Wecker er auf eine Stunde vor seiner Ankunft – nach seiner gewohnten Rechnung sieben Uhr morgens – gestellt hatte, zog er den Fenstervorhang beiseite und sah zu seiner Verwunderung, daß der Tag noch nicht angebrochen war. Er hatte nicht berücksichtigt, daß er nach Westen fuhr und daher an seinem Reiseziel die Ortszeit um etwa vier Stunden zurück sei. Er würde etwa um Sonnenaufgang in Sei ankommen. Dennoch machte er Toilette, benutzte den Frühstücksautomaten und begann, sich aus dem Reisehandbuch über den Staat Mari zu unterrichten. Er erkannte daraus, daß Sei unmittelbar am Abhang der Wüste Gol läge und die Station ebenfalls, aber ungefähr hundert Kilometer südlicher. Die Radbahn zog sich in einer Strecke von dreihundert Kilometern direkt am Ostabhang der Wüste Gol hin, so daß er diese zur Rechten hatte. Um nach Sei zu gelangen, wo die Radbahn nicht anhielt, mußte er von der Station aus die letzten hundert Kilometer auf der Stufenbahn zurückfahren. Da ihm die Wege und die Lage der Wohnung Las nicht genau bekannt waren, mußte er eine Stunde auf den Weg von der Station bis zum Haus rechnen. Es blieben ihm also noch ungefähr sechs Stunden zur freien Verfügung, da er nicht eher bei La eintreffen wollte, als zu der Zeit, die sie zur telephonischen Unterhaltung bestimmt hatte. Er nahm an, daß sie diese Zeit gewählt habe, weil sie dann sicher in ihrem neuen Wohnort angekommen sei.

Das Fenster seines Coupés, welches der Tür gegenüberlag, sah nach Osten. Noch konnte er keinen Schimmer der Dämmerung erkennen, die freilich auf dem Mars nur kurz und schwach war. Dennoch lag über der Gegend ein rötliches Licht, das er sich nicht erklären konnte. Die Monde des Mars gaben keinen derartigen Schein. Wo die Reihe der Häuser, unter denen der Zug fortraste, unterbrochen war, und das war in dieser Gegend mehrfach der Fall, sah er, daß das rötliche Licht von Westen her auf die hier weniger dicht belaubten Riesenbäume einfiel. Um nach der Seite zu sehen, auf welcher die Wüste Gol lag, mußte Saltner die Tür seines Coupés öffnen. Sie führte auf den schmalen Wandelgang, der sich durch den Wagen hinzog. Hier konnten die Insassen der Coupés sich ergehen. Hier sah man durch die großen Fenster, als der Zug eine Häuserlücke passierte, die Felsenmauern der Wüste dunkel aufragen, über ihnen aber lag eine rosig glänzende Lichtschicht. Die Nebel über der Wüste, in ihrer Höhe von mehreren tausend Metern, waren bereits von der Morgensonne beleuchtet.

Der Beamte, welcher den Radwagen begleitete, durchschritt den Wandelgang und sagte zu jedem der wenigen sich hier aufhaltenden Passagiere leise: »Bitte einzusteigen.« Der Zug näherte sich der Station, und während des Haltens auf dieser mußte sich jeder in seinem Coupé befinden, er verlor sonst das Recht der Weiterbeförderung. Denn sobald der Wagen hielt, klappte die ganze Seitenwand herab und die einzelnen Coupés wurden mit großer Gewandtheit sortiert, um je nachdem auf der Station zu bleiben oder auf die kreuzenden Linien übergeführt zu werden. Bald verriet das erneute leise Summen an seiner Tür Saltner, daß sein Bestimmungsort, die Station Mari, erreicht war. Er packte seine Sachen zusammen und trat aus dem Coupé ins Freie. Er fand die Luft so kalt, daß er seinen Pelz umhing. Es waren nur wenige Coupés auf der Station zurückgeblieben, und ihre Insassen waren noch nicht zum Vorschein gekommen; sie schienen es vorzuziehen, ihren Schlaf nicht vorzeitig zu unterbrechen. Während Saltner noch unschlüssig stand, was er jetzt beginnen solle, trat jedoch aus einem der Coupés ein Fahrgast, der, nachdem er einen Blick auf den Himmel geworfen hatte, dem Ausgang der Station zuschritt wie jemand, der genau mit der Örtlichkeit vertraut ist. Er trug das dunkle Arbeitskleid eines Bergmanns und schien keine Zeit zu verlieren zu haben. Saltner gedachte ihn anzureden und folgte vorläufig seinen Schritten. Der Bergmann überschritt die hinter der Station vorüberführende Stufenbahn auf einer Brücke und trat dann in den Eingang eines Hauses. Da Saltner hier zögerte und der Martier bemerkte, daß ihm Saltner gefolgt war, wandte er sich nach ihm um und sagte:

»Wenn Sie noch zum Sonnenaufgang hinaufwollen, müssen Sie sich beeilen, der Wagen geht gleich ab.«

»Ich bin ganz fremd hier«, erwiderte Saltner. »Wenn Sie erlauben, schließe ich mich Ihnen an.«

Der Bergmann machte eine höfliche Bewegung und ging voran. Sie gelangten an einen gondelartig gebauten Wagen, welcher die Aufschrift trug: ›Abarische Bahn nach der Terrasse‹. Saltner stieg mit dem Martier ein, ein Schaffner nahm ihnen eine kleine Fahrgebühr ab. Der Wagen, der nur schwach besetzt war, begann sehr bald sich zu bewegen. Er glitt erst mit schwacher Steigung aufwärts, dann, als die fast senkrecht abfallende Felswand der Wüste erreicht war, sehr steil empor, indem er sich durch seine Schwerelosigkeit erhob. Ein Drahtseil, an dem er hinglitt, schrieb ihm die Bahn vor. Vorspringende Felswände verhinderten den Umblick. Die ganze Fahrt dauerte nur wenige Minuten. Die Einrichtung war, wie Saltner erfuhr, noch nicht lange in Betrieb.

Als Saltner den Wagen verließ, fand er sich auf einer kahlen Felsstufe, die sich, so weit er sehen konnte, in nördlicher wie südlicher Richtung einige hundert Schritt breit hinzog. Sie war mit zahlreichen Baulichkeiten bedeckt, die meist elektrische Schmelzöfen enthielten. In der ganzen Längserstreckung der Terrasse lief ein Bahngeleis hin. Sie war eine Stufe am östlichen Abfall der Wüste Gol. Nach Westen hin erhob sich das Gebirge noch weiter und trug das Hochplateau der Wüste, die sich in einer Erstreckung von etwa 600 Kilometer von Norden nach Süden und 1.000 Kilometer nach Westen hin ausdehnte. Über derselben glänzten, in ihren oberen Schichten hell beleuchtet, große Wolkenmassen, die sich in der Nacht gebildet hatten, jetzt aber schon unter den Strahlen der Sonne zu schwinden begannen.

Als sich Saltner dem Tal zuwendete, bot sich ihm ein herrlicher Anblick. Sein Auge schweifte weithin über die Landschaft, die vom Widerschein der erleuchteten Nebel schwach erhellt war. Nur im Südosten erhob sich ein heller rötlicher Schimmer, das baldige Nahen der Sonne anzeigend. Zwischen dem grünlichen Grau der Baumkronen, auf die er hinabblickte, zogen sich, noch künstlich erleuchtet, die geradlinigen Streifen breiter Straßen hin. Am dunkeln, klaren Himmel standen die Sterne, einer aber von ihnen, gerade im Osten, strahlte mit besonders hellem Licht, ein glänzender Morgenstern. Saltner konnte sich von seinem Anblick nicht losreißen. Ein tiefes Heimweh ergriff ihn. Zum erstenmal seit seiner Landung auf dem Mars sah er die Erde wieder.

Die Stimme des Bergmanns, der sich zu ihm gesellte, weckte ihn aus seiner Träumerei.

»Nicht wahr«, sagte dieser, »das ist schön. Da unten sieht man das nicht vor lauter Bäumen, oder man muß erst zwischen die Maschinen auf die Dächer steigen. Jetzt ist die Ba am hellsten, Sie haben sie wohl noch nie so deutlich gesehen? Die letzten Monate hat sie zu nahe an der Sonne gestanden.«

»Ich habe sie schon ganz in der Nähe gesehen«, sagte Saltner, »denn ich bin schon dort gewesen.«

»So, so«, erwiderte der Bergmann lebhaft, »da sind Sie also ein Raumschiffer. Das freut mich, daß ich einmal einen treffe, ich habe nämlich noch keinen gesehen. Muß ein seltsames Handwerk sein! Sie kamen mir gleich so fremdartig vor, einen solchen Mantel sah ich noch nie.«

»Der ist von dem Fell der Tiere, wie sie auf der Erde leben.«

Der Bergmann befühlte neugierig das Pelzwerk.

»Da sagen Sie mir doch«, begann er wieder, »ist es denn wahr, was die Zeitungen jetzt so viel schreiben, daß es dort auch Nume gibt? Ich meine, so wie wir, mit Vernunft?«

»Etwas Vernunft mögen sie schon haben.«

Der Bergmann schüttelte den Kopf. »Viel wird es wohl nicht sein«, sagte er. »Warum wären sie sonst nicht schon zu uns gekommen? Wir glauben nämlich hier nicht recht daran, daß dort viel zu holen ist, wir meinen, die Regierung nimmt nur jetzt den Mund recht voll, weil nächstes Jahr Wahlen zum Zentralrat sind. Da heißt es, wenn wir auf die Erde gehen, da können wir die Sonne sozusagen mit Händen greifen, da bekommen wir soviel Geld, daß jeder den doppelten Staatszuschuß erhält.«

Saltner zuckte plötzlich zusammen und wandte sich ab. Ohne daß die Dämmerung sich merklich verstärkt hätte, hatte unvermittelt ein blendender Sonnenstrahl seine Augen getroffen. Das aufgehende Gestirn beschien die Terrasse, und bald verbreitete sich sein Licht auch über die tieferliegenden Lande.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
820 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
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