Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 31
39 - Die Martier sind auf der Erde!
Auf der Erde hatte die Nachricht von der Besetzung des Nordpols durch die Martier und der Existenz eines Luftschiffes, mit welchem sie siebenhundert Kilometer in der Stunde in der Erdatmosphäre zurückzulegen vermochten, ein Aufsehen erregt wie kaum ein anderes Ereignis je zuvor. Der Bericht Grunthes und die von ihm vorgelegten Beweise ließen keinen Zweifel zu, überdies war das Luftschiff in Italien, der Schweiz, Frankreich und England gesehen worden, ja, die Ankunft Grunthes und das Verschwinden Ells und Frau Torms waren auf keine andere Weise zu erklären. Die Schriften Ells, welche jetzt herauskamen, gaben eine hinreichende Auskunft über die Möglichkeit technischer Leistungen, wie sie von den Martiern vollzogen wurden.
Als daher Kapitän Keswick, sobald er mit der ›Prevention‹ die erste Telegraphenstation berührte, seinen Bericht an die englische Regierung abgab und Torm nach Friedau telegraphierte, daß er glücklich gerettet sei, erregten diese Nachrichten schon nicht mehr die Verwunderung, die man auf der ›Prevention‹ erwartet hatte. Wohl aber wurde in England die anfänglich für die Martier vorhandene Begeisterung stark abgekühlt und machte einer in der Presse sich äußernden, etwas bramarbasierenden Entrüstung Platz, daß man diesen Herrn vom Mars doch etwas mehr Respekt vor der britischen Flagge beibringen müsse. Indessen fehlte es nicht an Stimmen, die zur äußersten Vorsicht rieten und die Gefahren ausmalten, welche den Nationen des Erdballs von einer außerirdischen Macht drohten, der so ungewöhnliche und unbegreifliche Mittel zur Durchsetzung ihres Willens zu Gebote ständen wie den Martiern.
Diese Sorge, die Bedrohung durch eine unbestimmte Gefahr, beherrschte das Verhalten der Regierungen aller zivilisierter Staaten. Man wußte weder, was man zu erwarten habe, noch wie man einem etwaigen weiteren Vorgehen der Martier begegnen solle. Ein äußerst lebhafter Depeschenwechsel fand statt, man erwog den Plan, einen allgemeinen Staatenkongreß zu berufen, und konnte sich vorläufig nur noch nicht über das vorzulegende Programm und den Ort des Zusammentritts einigen. Während man sich auf der einen Seite einer gewissen Solidarität der politischen Interessen aller Staaten gegenüber den Martiern bewußt war, zeigten sich doch auf der andern Seite sehr verschiedene Auffassungen über den zu erwartenden kulturellen Einfluß der Martier. Die Presse aller Nationen beschäftigte sich aufs eifrigste mit der Mars-Frage, und eine unübersehbare Menge von Meinungen und abenteuerlichen Hypothesen erfüllte die Blätter und erhitzte die Gemüter.
Die Quelle aller dieser Erwägungen war das Buch von Ell über die Einrichtungen der Martier und die Erklärungen, welche Grunthe aus seinen Erfahrungen am Nordpol dazu geben konnte. Ein Verständnis derselben, wenigstens im größeren Publikum, war jedoch nicht zu erreichen. Der Sprung von der technischen und sozialen Kultur der Menschen zu der Entwicklung, welche diese bei den Martiern erreicht hatte, war zu groß, als daß man sich in letztere hätte finden können. Gerade die ersten Mahnungen Grunthes, man möge sich unter keinen Umständen in einen Konflikt mit den Martiern einlassen, weil ihre Macht alle menschlichen Begriffe überstiege, fanden am wenigsten Gehör; dazu waren sie schon viel zu wissenschaftlich in der Form.
Man stellte sich wohl vor, daß sich die Martier durch wunderbare Erfindungen eine ungeheure Macht über die Natur angeeignet hätten, aber man hatte keinerlei Verständnis dafür, wie ihre ethische und soziale Kultur sie den Gebrauch dieser Macht benutzen, mäßigen und einschränken ließ. Vor allem blieb das eigentliche Wesen ihrer staatlichen Ordnung trotz der Erläuterungen in Ells Buch ein Rätsel. Die individuelle Freiheit war so überwiegend, die Entscheidung des einzelnen in allen Lebensfragen so ausschlaggebend und so wenig von staatlichen Gesetzen überwacht, daß vielfach die Ansicht ausgesprochen wurde, das Gemeinschaftsleben der Martier sei durchaus anarchistisch. In der Tat, die Form des Staates war auf dem Mars an kein anderes Gesetz gebunden als an den Willen der Staatsbürger, und so gut ein jeder seine Staatsangehörigkeit wechseln konnte, so konnte auch die Majorität, ohne in den Verdacht der Staatsumwälzung oder der Staatsfeindschaft zu kommen, von monarchischen zu republikanischen Formen und umgekehrt übergehen. Keine Partei nahm das Recht in Anspruch, die alleinige Vertreterin des Gemeinschaftswohls zu sein, sondern in der gegenseitigen, aber nur auf sittlichen Mitteln beruhenden Messung der Kräfte sah man die dauernde Form des staatlichen Lebens. Es gab keinen regierenden Stand, so wenig es einen allein wirtschaftlich oder allein bildend tätigen Stand gab. Vielmehr war zwischen diesen Berufsformen ein stetiger Übergang, so daß ein jeder, ganz nach seinen Fähigkeiten und Kräften, diejenige Betätigungsform erreichen konnte, wozu er am besten tauglich war. Dies war freilich nur möglich infolge des hohen ethischen und wissenschaftlichen Standpunktes der Gesamtbevölkerung, wonach die Bildungsmittel jedem zugänglich waren, aber von jedem nur nach seiner Begabung in Anspruch genommen wurden. Natürlich bedeutete das nicht die Herrschaft des Dilettantismus, sondern jede Tätigkeit setzte berufsmäßige Schulung voraus, der Eintritt in höhere politische Stellen vor allem eine tiefe philosophische Bildung. Aber der Fähige konnte sie erwerben. Und dies beruhte wieder darauf, daß die Beherrschung der Natur durch Erkenntnis die unmittelbare Quelle des Reichtums in der Sonnenstrahlung erschlossen hatte.
Andere wieder behaupteten, die Staatsform der Martier sei durchaus kommunistisch. Auch hierfür schien manches zu sprechen. Denn wenn auch, was Ell nicht genügend hervorgehoben hatte, die Verwaltung der großen Betriebe der Strahlungssammlung, des Verkehrs und so weiter tatsächlich in der Hand von Privatgesellschaften lag, so war doch das Anlagekapital Staatseigentum. Es existierte auch eine staatliche Konzentration der wirtschaftlichen Tätigkeit, obwohl diese der Arbeit des einzelnen völlig freie Hand ließ und keineswegs die Güterproduktion durch Vorschriften regelte. Aber die Zentralregierung, deren Mitglieder auf eine zwanzigjährige Amtsdauer erwählt wurden, setzte unter Einwilligung des Parlaments einen ›Strahlungsetat‹ fest, das heißt, es war dadurch für ein Jahr im voraus bestimmt, welches Maximum von Energie der Sonne entnommen, also auch welches Maximum mechanischer Arbeit auf dem Planeten geleistet werden konnte. Sie setzte auch ein bestimmtes Kapital fest, das jeder als ein zinsloses Darlehen in Anspruch nehmen konnte, falls seine eignen Arbeitsmittel durch ungünstige Verhältnisse in Verlust geraten waren. Im übrigen aber war ein jeder auf seinen eigenen Fleiß angewiesen.
Auf dem Kulturstandpunkt der Menschheit erschienen die Einrichtungen des Mars als Utopien, und mit Recht; denn sie setzten eben Staatsbürger voraus, die in einer hunderttausendjährigen Entwicklung sich sittlich geschult hatten und theoretisch an der rechten Stelle alle die Mittel gleichzeitig zu benutzen wußten, deren Gebrauch im Lauf der sozialen Lebensformen nach irgendeiner Seite erprobt worden war. Ein Teil der Regierungen der Erdstaaten befürchtete nun, daß das Beispiel der Martier die Veranlassung zu übereilten Reformen, vielleicht zu gewaltsamen Umwälzungen geben würde. Die agrarische Bevölkerung geriet in Bestürzung über die drohende Konkurrenz der Lebensmittelfabrikation ohne Vermittlung der Landwirtschaft. Auf der anderen Seite begrüßten die Arbeiterschaft und alle für schnellen Kulturfortschritt enthusiasmierten Gemüter die Martier als die Erlöser aus der Not, deren Erscheinen nun bald bevorstünde. Durchweg aber war man im unklaren, was geschehen würde und was geschehen solle.
Als im Oktober die Parlamente der meisten Staaten zusammentrafen, gab es überall Interpellationen an die Regierungen über die Marsfrage. Und überall lautete die Antwort ausweichend dahin, es fänden Erwägungen statt über einen allgemeinen Staatenkongreß, worüber man indessen Näheres noch nicht mitteilen könne. Überall sprachen dann die Führer der verschiedenen Parteien die Ansichten über den Mars aus, die sie vorher in ihren Blättern hatten drucken lassen. Einige wollten die Martier enthusiastisch aufnehmen, andere sie dilatorisch behandeln, andere sie überhaupt von der Erde zurückweisen. Wie man das machen solle, wußte freilich niemand zu sagen. Der Erfolg war jedoch in allen Staaten der gleiche: neue Bewilligungen zur Vermehrung des Heeres und der Flotte.
Zum Glück für die Regierungen, die dadurch Zeit zur Beratung gewannen, hörte man nun nichts mehr von den Martiern. Das Luftschiff ließ sich nicht wieder sehen, die Martier schienen verschwunden.
Da plötzlich kam im Januar die Nachricht vom Wiedererscheinen eines Luftschiffs in Sydney. Am 2. Januar telegraphierte der Gouverneur von Neusüdwales nach London, daß in Sydney mehrere Luftschiffe eingetroffen seien, bestimmt, eine außerordentliche Gesandtschaft der Marsstaaten nach London zu bringen, falls die englische Regierung sich bereit erkläre, mit derselben wie mit der bevollmächtigten Gesandtschaft einer anerkannten Großmacht zu unterhandeln. Die Martier hatten sofort in Sydney einen berühmten Rechtsanwalt als Agenten engagiert, der die Verhandlungen mit den Behörden führte. Daß sie vom Mars mehr als 2.000 Kilogramm Gold in Barren mitgebracht und bei der Bank of New South Wales deponiert hatten, war eine so vorzügliche Empfehlung, daß ganz Neusüdwales für sie eingenommen war.
Die diplomatischen Verhandlungen waren inzwischen nicht weitergekommen. Auf Englands erneute Anregung einigte man sich jetzt endlich dahin, daß man die Marsstaaten als politische Macht anerkennen wolle, wenn sie gewisse Garantien gäben, daß sie sich dem auf der Erde geltenden Völkerrecht unterwärfen. Daraufhin beantwortete die englische Regierung die Depesche der Marsstaaten im Prinzip bejahend, knüpfte aber verschiedene Bedingungen an die Bewilligung weiterer diplomatischer Verhandlungen. Sie verlangte von den Martiern außer der Anerkennung der völkerrechtlichen Gewohnheiten der zivilisierten Erdstaaten, daß genau festgesetzt werde, worüber mit der Gesandtschaft verhandelt werden solle, und daß kein anderer Punkt zur Verhandlung käme, nachdem man die Martier in London zugelassen habe. Ihrerseits versprach natürlich die Regierung der Gesandtschaft den völkerrechtlichen Schutz auf der Erde.
Der Bevollmächtigte der Marsstaaten, Kal, ging hierauf ohne weiteres ein und stellte folgende Forderungen zur Verhandlung in einer Depesche vom 22. Januar:
Formelle Entschuldigung der englischen Regierung wegen des Angriffs, den die Mannschaft des Kanonenboots auf die beiden Martier und der Kapitän auf das Luftschiff unternommen hatten.
Bestrafung des Kapitäns Keswick und des Leutnants Prim.
Entschädigung für die beiden Martier von je hunderttausend Pfund.
Anerkennung der Hoheitsrechte der Marsstaaten auf die Polargebiete der Erde jenseits des 87. Grades nördlicher und südlicher Breite.
Anerkennung der Gleichberechtigung der Martier mit allen andern Nationen in Bezug auf Niederlassung, Verkehr, Handel und Erwerb.
Gleichzeitig depeschierte Kal an die Regierungen aller größeren Staaten den Wunsch der Marsstaaten, über die beiden letzten Punkte in Verhandlung zu treten.
Die Antworten ließen auf sich warten. Die Regierungen der Erde verhandelten zunächst untereinander, da sie in ihren vorangegangenen Verabredungen übereingekommen waren, gemeinsam vorzugehen, falls die Martier mit allgemeinen Fragen des internationalen Verkehrs an sie herantreten sollten. Die Vereinigten Staaten, Frankreich, Italien und Japan traten dafür ein, den Martiern entgegenzukommen, Deutschland, Österreich-Ungarn und andere zögerten noch, Rußland verhielt sich ablehnend. Die englische Regierung war zuerst geneigt, Verhandlungen einzuleiten. Aber sobald die Forderungen der Martier in der Bevölkerung bekannt geworden waren, erhob sich ein allgemeiner Entrüstungssturm. Das Nationalgefühl forderte ungestüm die Ablehnung des Ansinnens der Martier, das britische Selbstbewußtsein lasse nicht zu, daß man mit einem Haufen Abenteurer in Verhandlungen über Entschuldigungen und Entschädigungen trete. Es kam zu einer bewegten Parlamentssitzung, in welcher das friedlich gestimmte Ministerium gestürzt wurde. Ein Toryministerium, zu entschiedenem Vorgehen geneigt, trat an die Stelle und erklärte sofort, daß es jede weitere Unterhandlung mit den Marsstaaten zurückweise. Die ablehnende Note, welche nach Sydney zur Mitteilung an den Gesandten der Marsstaaten geschickt wurde, war in sehr kühlem und herablassendem Ton gehalten.
Die übrigen Staaten hatten jetzt, nachdem England eigenmächtig vorgegangen war, keine Veranlassung, sich gegenseitig zu binden, und erklärten nunmehr sämtlich im Prinzip sich zu Unterhandlungen bereit, indem sie sich jedoch völlige Freiheit ihrer weiteren Entschließungen vorbehielten.
Sobald die Martier in Sydney aus den Zeitungen, die sie aufs sorgfältigste verfolgten, entnommen hatten, daß sie in England vermutlich auf kein Entgegenkommen rechnen durften, sandte Kal nach dem Mars die Lichtdepesche, derzufolge die verabredeten Verstärkungen abzusenden seien. Ein Luftschiff vermittelte täglich den Verkehr zwischen Sydney und dem Südpol, von dessen Außenstation die Lichtdepeschen abgingen. Aber auch schon vorher hatte sich eine ansehnliche Macht am Südpol angesammelt. Es waren drei neue Raumschiffe angelangt, nachdem die früheren, um ihnen Platz zu machen, zurückgegangen waren, und hatten neue Luftschiffe und Mannschaften gelandet. Gegenwärtig befanden sich bereits vierundzwanzig Luftschiffe am Südpol, sämtlich mit Nihilitpanzern, Repulsitgeschützen und Telelyten ausgerüstet, eine furchtbare Macht, deren militärischen Oberbefehl ein energischer Martier aus dem Norden namens Dolf führte. Es ließ sich berechnen, daß binnen vier Wochen die Streitmacht der Martier auf 48 Fahrzeuge angewachsen sein würde. Mit dem letzten der Raumschiffe, dessen Ankunft im März zu erwarten war, wollte Ill selbst eintreffen, um die Leitung der Erdangelegenheiten zu übernehmen. Inzwischen hatte man Kal eine Anzahl anderer bedeutender Männer zur Seite gestellt, die als Gesandte an die Regierungen der Großmächte gehen sollten.
Als die Note der großbritannischen Regierung Kal übermittelt war, telegraphierte sie dieser sofort nach dem Mars. Die Antwort traf noch denselben Tag ein. Sie besagte nur, daß Kal genau nach den Instruktionen verfahren solle, welche für den Fall einer ablehnenden Haltung Englands festgesetzt seien. Am 15. März sei das Hauptquartier nach dem Nordpol zu verlegen, woselbst im Laufe des März nach und nach noch vierundzwanzig Raumschiffe mit durchschnittlich je sechs Luftschiffen eintreffen würden. Damit würde die Macht der Martier auf der Erde auf 144 große und eine Anzahl kleinerer Luftschiffe mit 3.456 Mann gebracht sein, eine Flotte, die den Martiern genügend schien, den Kampf im Notfall mit der gesamten Erde aufzunehmen.
Die Note der englischen Regierung war vom 18. Februar datiert. Am zwanzigsten erfolgte die Antwort Kals. Sie besagte, daß die Regierung der Marsstaaten hiermit an die großbritannische Regierung das Ultimatum richte, bis zum 1. März sämtliche gestellte Forderungen zuzugestehen, widrigenfalls sich die Marsstaaten als im Kriegszustand mit England betrachten würden. Diese Erklärung wurde gleichzeitig allen andern Regierungen mitgeteilt.
Am 23. Februar drängte sich in Berlin auf der Wilhelmstraße, Unter den Linden und vor dem königlichen Schloß eine ungeheure Menschenmenge. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, eine Gesandtschaft der Martier sei eingetroffen, sie befinde sich im Palais des Reichskanzlers und werde vom Kaiser empfangen werden. Die Schaulust der Menge sollte jedoch nicht befriedigt werden, dagegen wurde der gesamten Bevölkerung eine andere Überraschung zuteil durch eine Nachricht, welche der Reichsanzeiger in einer Extraausgabe brachte. Es wurde darin mitgeteilt, daß sich allerdings in der Nacht eine Gesandtschaft der Martier in Berlin befunden, die Stadt aber bereits am Morgen verlassen habe. Die Beziehungen zur Regierung der Marsstaaten seien äußerst freundliche, und man hoffe, daß auch ein Einvernehmen mit England hergestellt werden würde. Bald darauf teilte der Telegraph aus allen Hauptstädten ähn liche Nachrichten mit.
In aller Stille nämlich hatten die Martier mit den Mächten einzeln verhandelt, und in der Nacht vom 22. zum 23. Februar waren gleichzeitig in Washington, Paris, Berlin, Wien, Rom und Petersburg Gesandtschaften der Martier heimlich eingetroffen, um durch mündlichen Verkehr mit den leitenden Staatsmännern die Lage zur Klärung zu bringen. In Berlin hatte ein Luftschiff mehrere Stunden im Garten des Reichskanzlerpalais gelegen, und der martische Gesandte hatte sich mit dem Reichskanzler besprochen. Aber weder aus Deutschland noch aus irgendeinem andern Staat konnte man erfahren, was der Gegenstand und das Resultat dieser Unterredungen gewesen sei. Man vermutete, daß es sich um Erklärungen der Martier über ihre Absichten und um die Vermittlung der Mächte zwischen den Marsstaaten und Großbritannien handle. Man bezweifelte nicht, daß die Martier friedliche Versicherungen gemacht hätten, aber man setzte kein Vertrauen darauf, daß die Vermittlungsvorschläge der Mächte bei England günstige Aufnahme finden würden.
Sie waren wohl auch hauptsächlich in der Absicht zugesagt, die Geschäftswelt einigermaßen zu beruhigen; denn auf die erste Nachricht vom Ultimatum der Martier hatten die Börsen aller Länder mit einem gewaltigen Sturz aller englischen Werte geantwortet, und die dadurch eingerissene Panik dauerte fort. Die Nachrichten aus England aber wurden nicht günstiger. Die Stimmung war kriegerisch. Nur wenige Blätter wagten einem Nachgeben gegen die Martier das Wort zu reden, und sie wurden tumultuarisch überschrien. Krieg gegen den Mars war die Losung geworden. Krampfhaft rüstete man in Heer und Flotte, obwohl man nicht wußte, in welcher Form man einen Angriff zu gewärtigen habe. Fieberhafte Tätigkeit herrschte in den Arsenalen und Werkstätten, wo man hauptsächlich damit beschäftigt war, die Konstruktion der Geschütze so umzuändern, daß sie eine größere Elevation gestatteten. Denn man erwartete, den Kampf mit einem Gegner führen zu müssen, der sich in der Luft befand. Man tröstete sich mit der Sicherheit, daß die Martier jedenfalls nicht imstande seien, außerhalb ihrer Luftschiffe irgend etwas auszurichten, weil ihre Körper unter dem Einfluß der Erdschwere zu Kraftleistungen, ja zur einfachen Bewegung untauglich seien. Man hoffte daher, wenn man sich nur die Luftschiffe vom Halse halten konnte, nichts Ernstliches zu befürchten zu haben und den auf der Erde fremden Gegner bald zu ermüden.
40 - Ismas Leiden
Inzwischen war man auf dem Mars recht ungeduldig. Nachdem die Abreise des ersten Raumschiffs sich bereits verzögert hatte, vergingen weitere fünfundzwanzig Tage, bis die erste kurze Lichtdepesche die glückliche Ankunft desselben auf der Außenstation am Südpol der Erde meldete. Dann dauerte es wieder einige Tage, bis man erfuhr, daß die übrigen Raumschiffe ebenfalls angelangt und die Luftschiffe in Betrieb gesetzt seien. Die Verzögerung der Antwort seitens der britischen Regierung wirkte verstimmend. Man war daher angenehm überrascht, als man vernahm, daß die Regierung zu einem tatkräftigen Vorgehen entschlossen war, und als das Ultimatum an England bekannt wurde, wurden dem Zentralrat und insbesondere Ill lebhafte Ovationen dargebracht. Die nach der Erde mit Verstärkung abgehenden Schiffe wurden mit begeisterten Abschiedshuldigungen gefeiert. Man bedauerte nur, daß die Nachrichten von der Erde so kurz und spärlich waren, weil man auf den schwierigen Verkehr durch Lichtdepeschen angewiesen war.
Mit Spannung sah man der Rückkehr des ersten Raumschiffes entgegen, welches ausführlichere Nachrichten bringen mußte. Aber da die Planeten jetzt von Tag zu Tag sich weiter voneinander entfernten, dauerte die Überfahrt länger. Jetzt war seine Ankunft indessen jeden Tag zu erhoffen. Ill wollte nur dieses Ereignis abwarten, um sich selbst nach der Erde zu begeben.
Niemand aber ersehnte die Ankunft des Schiffes ungeduldiger als Isma. Sollte es ihr doch Nachrichten von der Erde bringen. Sie wußte zwar, daß sie mit diesem Schiff noch keinen Brief von ihrem Mann erhalten konnte, denn es hatte die Erde verlassen, ehe eine Antwort auf ihr Schreiben in Sydney eintreffen konnte. Aber sie hoffte auf Zeitungen, die ja über die Rückkehr Torms Auskunft geben mußten.
Isma lebte einsam und traurig in Ills Haus, und alle Bemühungen der guten Frau Ma, sie zu erheitern, waren vergeblich. Ell begleitete Ill auf seinen häufigen Reisen nach dem Südpol und der Schiffsbaustätte. Bei Isma ließ er sich nicht mehr sehen, und heimlich bereute sie ihre leidenschaftliche Trennung von dem alten Freund. La war in der Ferne. Zu andern Martiern vermochte sie in kein vertrauteres Verhältnis zu kommen. Ihr einziger näherer Umgang war Saltner, der seinen Sprachunterricht in Kla wieder aufgenommen hatte. Aber auch er war nicht mehr der übermütige, lustige Mann wie früher, und Isma bemerkte wohl, daß ihn noch eine andere Sorge drückte als das Heimweh und der Kummer um das Schicksal der Menschen. Und doch war es schon schwer genug, hier in der Verbannung zu leben, während das Vaterland in drohendster Gefahr schwebte.
Und endlich, heute war die Depesche gekommen, daß das Raumschiff in der Nacht gelandet sei. Kaum vermochte Isma ihre Aufregung zu beherrschen. Doch die Aufgaben des Tages mußten erledigt werden, sie zwang sich zur Ruhe, obwohl sie bei jedem Geräusch hoffte, man bringe die ersehnten Nachrichten.
Die französische Konversationsstunde war beendet. Isma schloß die Klappe des Fernsprechers und setzte sich an ihren Schreibtisch. Er war ein Geschenk Ells, der ihn nach dem Muster ihres Schreibtisches in Friedau aus der Erinnerung so gut wie möglich hatte herstellen lassen, weil er wußte, daß Isma die Schreibmaschine und die Möbel der Martier nicht sehr liebte. Sie zog wieder ihr Tagebuch hervor. Die Zeitrechnung machte ihr Schwierigkeiten, denn der Marstag war um 37 Minuten länger als der Erdentag, da sie aber stets einen Marstag gleich einem Erdentag in ihrem Buch gerechnet hatte, so mußte sie alle neununddreißig Tage einen Erdentag überspringen, um nicht gegen den Kalender der Erde zu weit zurückzubleiben. Das war nun jetzt zum viertenmal der Fall – so lange weilte sie auf dem Mars! Sie fand, daß heute auf der Erde der 27. Februar sei, ein Sonntag! Und der Geburtstag ihres Mannes! Wie glücklich hatte sie diesen Tag sonst verlebt, und mit welchen Hoffnungen im vorigen Jahr! Und wo mochte Hugo jetzt weilen? Der Trost, den seine Rettung ihr gewährte, hatte nur auf kurze Zeit angehalten. Die Unmöglichkeit, sich mit ihm so zu verständigen, wie es ihr Herz verlangte, erhöhte nur ihre Sehnsucht und ihre Sorge. Was hatte er von ihr gehört, in welchem Licht mußte sie ihm erscheinen, wie würde er ihre Handlungsweise beurteilen? Konnte er ihr Glauben schenken? Wie enttäuscht und einsam mußte er sich fühlen wenn er das Haus leer fand, wo er sein Glück wiederzufinden hoffte!
Das Herabfallen der Fernsprechklappe schreckte sie aus ihren Gedanken.
»Liebe Isma, sind Sie da? Ja? Ich bringe Ihnen etwas!« Es war die Stimme von Frau Ma. Im Augenblick war Isma aufgesprungen. Schon erschien Ma an der Tür.
»Da, Frauchen«, rief sie, »da haben Sie die ganze Post für Sie. Ein großes Paket, nicht wahr? Ill hat alle deutschen Zeitungen aufkaufen lassen, die in Sydney zu haben waren. Und nun ängstigen Sie sich nicht, es wird alles gut werden. Ich will Sie jetzt nicht stören.« Sie küßte Isma auf die Stirn und ging.
Das Paket, von einem leichten Korbgeflecht umhüllt, lag auf dem Tisch. Ismas Hände zitterten, als sie den Verschluß auseinanderbog. Ein Haufen Zeitungen lag vor ihr. Sie setzte sich und zwang sich zur Ruhe. Systematisch nahm sie ein Blatt nach dem andern zur Hand, sah nach dem Datum und entfaltete es. Die Blätter waren offenbar schon von einer kundigen Hand geordnet. Das erste war vom 24. September vorigen Jahres. Gleich nach dem Leitartikel enthielt es in fettem Druck die Nachricht, daß das englische Kanonenboot ›Prevention‹ auf der Rückkehr begriffen sei. Es habe in der Nähe von Grinnell-Land einen siegreichen Kampf mit einem Luftschiff, angeblich den Bewohnern des Planeten Mars gehörig, bestanden. An Bord befinde sich der Leiter der deutschen Nordpolexpedition, Torm, der von wandernden Eskimos dahin gebracht sei – –
Isma las nicht weiter. Sie ergriff ein neues Blatt. »Torm in London.« Sie überflog nur die Zeilen. »Tiefergreifend wirkten auf den kühnen Forscher die Nachrichten über das Schicksal der übrigen Expeditionsmitglieder, insbesondere die glückliche Heimkehr Grunthes und die Rettung der wissenschaftlichen Resultate. Aber alles tritt im Augenblick in den Hintergrund gegenüber der Tatsache, daß die Martier –« – Weiter – »Der Festabend der geographischen Gesellschaft litt unter der getrübten Stimmung des Gefeierten, den traurige Familiennachrichten niederdrückten –«
Isma seufzte tief. Sie vermochte kaum zu lesen. Jeden Augenblick fürchtete sie auf ihren Namen zu stoßen und die Verleumdung öffentlich ausgesprochen zu sehen. Aber es war nichts weiter gesagt. Ein anderes Blatt! »Torm in Hamburg. Begeisterter Empfang.« – Weiter! »Torm in Berlin. – Rührendes Wiedersehen von Torm und Grunthe. – Allgemein bedauerte man die Abwesenheit Friedrich Ells, des geistigen und pekuniären Vaters der Expedition, der sich bekanntlich nach dem Mars begeben hat. – Wie wir hören, beabsichtigt Torm, seinen Wohnsitz vorläufig in Berlin zu nehmen –«
Isma atmete auf. Diese Zeitung wenigstens schien diskret zu sein – man wollte offenbar den verdienten Forscher schonen.
Und sie, sie sollte schuld sein, daß man ihn schonen mußte? Was mochten andere von ihr sagen? Und warum sagte man nicht offen, weshalb sie fortgegangen war – Grunthe wußte es doch, er konnte sie rechtfertigen.
»Es glaubt ihm niemand!« Wie ein Schrei entrang es sich Isma. Mechanisch blätterte sie weiter. Da haftete ihr Auge auf einer Stelle:
»Infolge der gehässigen Angriffe, die von gewissen Blättern gegen den Martier-Sohn Friedrich Ell gerichtet werden und die sich bemühen, die Gattin unseres großen Landsmanns Torm zu verleumden, sehen wir uns gezwungen, von unserm Grundsatz abzugehen, wonach wir um persönlichen Klatsch uns nicht kümmern. Wir sind jedoch in der Lage, aus bester Quelle jene schamlosen Hetzereien zurückzuweisen, die, soviel wir wissen, ihren Ursprung aus einem Artikel des Friedauer Intelligenzblattes genommen haben. Es war dort gesagt, jedermann in Friedau wisse, daß zwischen Ell und Frau Torm intime Beziehungen seit Jahren bestanden hätten. Die Polarexpedition, so deutete man an, sei von Ell angeregt, um Torm zu entfernen. Auf die Nachricht von seiner zu erwartenden Rückkehr habe Frau Torm ihr Haus verlassen und sei aus Friedau verschwunden. Man vermute, daß sie mit ihrem Freund nach dem Mars gegangen sei, und so weiter. – Dies alles ist erbärmliche Lüge. Herr Dr. Karl Grunthe, der Begleiter Torms, an dessen Wahrhaftigkeit wohl selbst das Friedauer Intelligenzblatt nicht zu zweifeln wagen wird, schreibt uns, daß Frau Torm in seiner Gegenwart in einer mit Ell geführten Unterredung sich entschlossen habe, das Luftschiff der Martier zu benutzen, um auf demselben Nachforschungen nach dem Verbleib ihres verschollenen Gemahls anzustellen und die Rettung desselben zu betreiben. Ohne Zweifel ist es dasselbe Luftschiff, welches in Konflikt mit dem englischen Kanonenboot ›Prevention‹ geraten ist, zu einer Zeit, als sich Torm noch bei den Eskimos befand. Nicht aufgeklärt bleibt nur, warum das Luftschiff Friedau eher als geplant, mitten in der Nacht, verlassen hat und warum es dann, entgegen der Zusage des Befehlshabers, nicht nach Friedau zurückgekehrt ist. Man kann hieraus die Befürchtung ziehen, daß ihm irgendein Unglücksfall zugestoßen ist, und dies um so mehr, als der Kapitän Keswick versichert, durch seine Beschießung das Luftschiff beschädigt zu haben. Alle andern Schlüsse aber sind als Verleumdungen zurückzuweisen. Der heldenmütige Entdecker des wahren Nordpols, den der unerklärliche Verlust seiner geliebten Gattin tief niederdrückt, verdiente wohl, daß man ihn im eigenen Vaterland nicht noch in seinem Teuersten beschimpft.«
Die Nummer der Zeitung war bereits vom November des vorigen Jahres. Die folgenden Nummern, die bis zum Anfang Januar dieses Jahres reichten, schienen nichts weiter über diese Angelegenheit zu enthalten. Wenigstens fand Isma beim eiligen Durchblättern keine dahinzielende Notiz, und sie hoffte schon, die Erklärung habe ihre Wirkung getan.
Isma saß lange unfähig ihre Gedanken zu ordnen, den Kopf in die Hände gestützt. Dann begann sie weiterzusuchen. Es folgten jetzt Exemplare anderer Zeitungen, sogar einige Witzblätter. Da sah sie mit Abscheu und Entsetzen, daß man offenbar im großen Publikum sich nicht an die gegebene Aufklärung kehrte. Wo von Ell die Rede war – und sein Buch über die Martier wurde überall erwähnt – da fand sich auch irgendeine hämische oder witzelnde Bemerkung. Was mußte Torm dabei fühlen! Isma wollte nichts mehr sehen, sie ballte die Hände zusammen. Da erblickte sie auf der halbgebrochenen Seite eines Witzblattes unverkennbar das Gesicht Torms – sie schlug das Blatt auf. Es war eine Karikatur – Torm in einem Luftballon auf dem Nordpol, über ihm ein Luftschiff der Martier, worin Ell und Isma ihm lange Nasen drehen – Sie las nicht, was darunter stand, sie sprang auf und ergriff den Rest der noch nicht durchblätterten Papiere, um sie fortzuschleudern.
Da, was fällt da herab? Ein zusammengelegtes, geschlossenes Papier – eine telegraphische Depesche – ein Formular des Telegraphenamts in Sydney – die Adresse ist in englischer Sprache geschrieben – ›An die Gesandtschaft der Marsstaaten für Frau Torm‹.