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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 33

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42 - Das Protektorat über die Erde

Torm bewohnte in Berlin zwei bequem eingerichtete Zimmer in einem Hotel garni der Königgrätzer Straße. Nach seiner Rückkehr war er überall der Held des Tages gewesen, den man nicht genug feiern konnte und um so mehr feierte, als Grunthe sich sehr geschickt von der Öffentlichkeit zurückzuziehen wußte. Seit der Ankunft der Martier in Australien und dem Ausbruch ihres Krieges mit England waren aber die beiden Polarforscher, deren Reise die eigentliche Veranlassung war, daß die Martier mit den Staaten der Erde in Verbindung traten, ziemlich in Vergessenheit geraten. Das öffentliche Interesse hatte sich jetzt wichtigeren Gegenständen zugewendet.

Am 20. März, dem Tag nach der Ankunft Ills am Pol, hatte Torm zwei in Calais aufgegebene Depeschen erhalten, datiert aus Kla auf dem Mars, vom 2. März. Die erste enthielt nur die Worte:»Ich komme mit dem nächsten Raumschiff. Deine Isma.«

Die zweite war von Saltner und besagte, daß Frau Torm und er selbst die Erlaubnis zur Heimreise erhalten hätten, da sie aber zum Abgang des Regierungsschiffes nicht mehr zurechtkommen könnten, erst mit dem nächsten Schiff reisen und daher vor Mitte April nicht bei ihm eintreffen würden. Auch Ell habe sich entschlossen, sie zu begleiten. Seitdem hatte Torm keine Nachricht mehr erhalten und konnte auch keine erwarten. Denn kein anderes Raumschiff als der ›Glo‹ legte, wie Grunthe erklärte, bei der jetzigen Planetenentfernung den Weg unter fünf Wochen zurück.

Heute schrieb man den 12. April. Es war ein Festtag in Berlin, das in verschwenderischem Schmuck prangte. Die Gesandtschaft des Mars sollte vom Kaiser empfangen werden. Unter Glockengeläut und Kanonendonner drängte sich eine jubelnde Menge in den Straßen. In goldigem Eigenlicht wie die Morgenröte strahlend, mit nie gesehenen Verzierungen geschmückt, bewegte sich ein glänzender Zug kleiner Luftgondeln, in Mannshöhe über dem Boden schwebend, durch die Straßen; von den Fenstern aus überschütteten die Damen den Zug, trotz der frühen Jahreszeit, mit kostbaren Blumen. Brausende Hurrarufe betäubten das empfindliche Ohr der Martier.

Torm hatte seinen Platz auf der Tribüne im Lustgarten nicht benutzt. Ihm waren diese Martier verhaßt. Hatten sie ihm doch den Haupterfolg seiner Expedition und nun auch die Freude der Heimkehr ins eigene Haus geraubt. Unruhig ging er in seinem Zimmer auf und ab. Es klopfte, und Grunthe trat ein.

»Sie sind auch nicht draußen bei den Narren, ich dachte es mir«, empfing ihn Torm.

Grunthe runzelte die Stirn und blickte finster vor sich hin.

»Es ist eine Schmach«, sagte er, »die Menge bejubelt ihre Unterdrücker. Aber das tut sie immer. Morgen wird sie ebenso in Paris, übermorgen in Rom jubeln, und noch viel ärger. Wenn man das sieht, so kann man nur sagen, diese Menschen verdienen es nicht besser, als von den Martiern vernichtet zu werden. Sie werfen sich ihnen zu Füßen, und so werden sie als Mittel ihrer Zwecke zertreten werden.«

Torm zuckte die Achseln. »Was sollen sie tun? Nihilit ist kein Spaß.«

»Und ich sage Ihnen«, entgegnete Grunthe fast heftig, »kein Martier vermag den Griff des Nihilitapparates zu drehen, keiner einem Menschen seinen Willen aufzuzwingen, wenn ihm der Mensch mit festem, sittlichem Willen gegenübertritt, mit einem Willen, in dem nichts ist als die reine Richtung auf das Gute. Aber jene Engländer – und wir sind nicht besser – hatten nur das eigene Interesse, ihren spezifisch nationalen Vorteil, nicht aber die Würde der Menschheit im Auge, und so sind sie Wachs in den Händen der Martier. Sie können mir glauben, denn ich habe jenem Ill getrotzt, vor dem jetzt Kaiser und Könige sich neigen. Ich weiß es freilich, daß wir verloren sind. Ich habe Ill gesehen, wie er mit seinen Martiern nur einige Schritte durch den Garten der Sternwarte von Friedau schlich, auf Krücken gestützt und zusammenbrechend unter der Erdschwere. Und ich habe ihn heute gesehen, durch den Garten des Kanzlerpalais schreitend, aufgerichtet wie ein Fürst, im schimmernden Panzerkleid; unter den Knien schützten ihn weit nach den Seiten ausgebogene Schäfte und über dem Haupt, auf kaum sichtbaren Stäben, von der Schulter gestützt, der glänzende diabarische Glockenschirm gegen die Schwere. So haben sie es verstanden, sich von dem Druck der Erde unabhängig zu machen. Aber dies alles würde ihnen nichts nützen, wenn wir selbst wüßten, was wir wollen.«

Auf der Treppe entstand Lärm. Man vernahm eine helle Stimme.

»Sakri, lassens mich los! Ich kenn’ mich schon aus.«

»Das ist Saltner«, rief Torm. Er stürzte zur Tür. Sie flog auf.

»Da bin ich halt wieder! Grüß Gott viel tausendmal!«

Er schüttelte beiden die Hände.

»Und meine Frau?« war Torms erste Frage.

»Machens sich keine Sorge!« sagte Saltner. »Die Frau Gemahlin wird bald nachkommen, es geht ja jetzt alle paar Tage ein Schiff nach der Erde.«

»So ist sie nicht mitgekommen?« rief Torm erbleichend.

»Sie hat halt nicht gekonnt. Sie ist ein bisserl bettlägrig, aber ’s hat weiter nichts auf sich, nur daß sie der Doktor nicht gerad wollt’ reisen lassen.«

»So hat sie geschrieben?«

»Schreiben konnte sie nicht. Aber grüßen tut sie gewiß vielmals.«

»So haben Sie sie gar nicht gesprochen?«

»Das war mir gerad in den Tagen nicht möglich, weil sie noch zu schwach war. Aber der Doktor sagt, sie wird bald soweit sein, daß sie reisen kann. Sie brauchen sich wirklich nicht zu ängstigen.«

Torm setzte sich.

»Und Ell?« fragte er finster. »Wo ist Ell?«

»Er ist zurückgeblieben, bis die Frau Gemahlin reisen kann. Er wollte sie nicht allein lassen. Es ist vielleicht unrecht, daß ich allein gereist bin und nicht gewartet hab. Aber schauen Sie, die Sehnsucht, und dann dacht’ ich, es wär doch besser, ich brächte Ihnen selbst die Auskunft, als daß wir bloß schreiben sollten.«

»Es ist recht, daß Sie kamen«, sagte Torm, sich erhebend, »verzeihen Sie, daß ich zuerst an mich dachte, ich habe Ihnen ja soviel und herzlich zu danken. Und jetzt komme ich sogleich wieder mit einer Bitte. Sie sollen mir einen Platz auf dem nächsten Raumschiff erwirken, ich will nach dem Mars!«

Saltner und Grunthe blickten ihn erstaunt an.

»Das werden Sie doch nicht tun!« rief Saltner. »Sie würden sich mit der Frau Gemahlin verfehlen.«

»Das werde ich nicht. Ill ist hier. Grunthe wird mir die Bitte nicht verweigern, er wird mit ihm sprechen, uns eine Lichtdepesche zu gewähren. Wir werden erfahren, ob Isma noch dort ist, wir werden uns verständigen. Und wenn ihre Krankheit noch anhält, so werde ich reisen. Ich werde.«

»Das Reisen läßt sich schon machen. Ich bin jetzt mit der Gesandtschaft, das heißt heute im Nachtrab, angekommen, daher weiß ich’s. Von jetzt ab geht alle Wochen ein Luftschiff von hier nach dem Pol, und von dort an jedem 15. des Monats ein Raumschiff nach dem Mars, das Menschen als Passagiere mitnimmt. Man will den Planetenverkehr eröffnen. Es kostet hin inklusive Verpflegung bloß 500 Thekel – 5.000 Mark wollte ich sagen.«

Torm sah ihn verwundert an. »Bloß?« fragte er.

»Ja, wir haben Geld. Fünftausend Mark sind die Währungseinheit.«

Torm ergriff seine Hand. »Setzen Sie sich erst und erzählen Sie dann.«

Saltner nahm Platz und begann zu sprechen. Grunthe fragte mitunter dazwischen. Torm aber hörte nur halb, seine Gedanken waren auf dem Mars. Sie war krank! Und immer wieder kam ihm die Frage, wie konnte Saltner dessen sicher sein? War sie auch wirklich krank? Und wenn sie nicht krank war?

»Ich muß reisen!« rief er plötzlich.

»Nun, nun«, sagte Saltner beruhigend. »Im Moment können Sie nichts tun. Ill ist jetzt gerade im Schloß.«

Torm sank auf seinen Platz zurück.

Erneuter Kanonendonner verkündete, daß sich der Kaiser neben dem Präsidenten des Polreichs vor dem jubelnden Volk zeigte.

Grunthe stand auf und schloß das Fenster.

***

Isma lag bleich und angegriffen auf ihrem Sofa. Langsam genas sie von der schweren nervösen Krankheit, die sie unter dem Zusammenwirken der ungewohnten Lebensverhältnisse und der seelischen Aufregungen ergriffen hatte.

Hil trat bei ihr ein.

»Wann kann ich reisen?« war, wie immer, ihre erste Frage.

»Nun, nun«, sagte er, »sobald wir kräftig genug sind.«

»Ach, Hil, das sagen Sie nun schon seit vierzehn Tagen. Lassen Sie es mich doch versuchen!«

»Erst müssen wir einmal einen Versuch machen, wie es Ihnen bekommt, wenn Sie hier in Ihrem Zimmer anfangen, wieder ein wenig mit der Welt zu verkehren. Es wartet da schon lange einer, der Sie gern einmal sprechen und sehen möchte, aber ich habe bis jetzt nicht erlaubt –«

»Und heute darf er kommen, ja?« unterbrach ihn Isma lebhaft.

Hil lächelte. »Es ist ein gutes Zeichen, daß Sie selbst danach verlangen. Aber hübsch ruhig, Frau Isma, und höchstens ein Viertelstündchen! So will ich es ihm sagen lassen.«

Er verabschiedete sich.

Es dauerte nur wenige Minuten, bis Ell eintrat.

Eine leichte Blutwelle drängte sich in Ismas Wangen, als sie ihm langsam die schlanke Hand entgegenstreckte, die er leidenschaftlich küßte. Lange hielt er die Hand fest, bis sie sie ihm sanft entzog.

»Sie sind schon lange zurück?« sagte sie endlich verlegen.

»Auf die Nachricht, daß Sie reisen dürften, kam ich hierher. Ich hätte Sie nicht allein reisen lassen, obwohl – doch sprechen wir von Ihnen. Ich fand Sie erkrankt. Es war unmöglich, Sie wiederzusehen.«

»Und Sie sind mir nicht mehr böse?«

»Isma!«

»Ich habe es eingesehen, ich war ungerecht gegen Sie. Und ich war doch schuld, daß Sie Ihren Posten auf der Erde verließen –«

»Sie wollten das Beste. Ich aber habe eine Schuld auf mich geladen – und ich werde sie büßen müssen. Jetzt ist für mich auf der Erde nichts mehr zu tun, aber die Zeit wird wieder kommen. Dann soll es nicht an mir fehlen.«

»Und Sie wollen mich begleiten?«

»Wenn Sie reisen dürfen. Aber –«

»Was haben Sie, Ell? Seien Sie aufrichtig, ich beschwöre Sie – sagen Sie mir die Wahrheit! Sie glauben, ich werde nie wieder –«

»Um Gottes willen, Isma, wenn Sie so sprechen, darf ich nicht hierbleiben. Sie dürfen sich nicht erregen. Sicherlich ist Ihr Gesundheitszustand in kurzer Zeit so vorgeschritten, daß Sie die Reise antreten dürfen. Nein, ich dachte nur an Verzögerungen, die möglicherweise aus anderen Gründen eintreten könnten, falls sich der Antritt der Reise nicht bald ermöglichen läßt –«

»Verbergen Sie mir nichts. Man sagt mir sehr wenig von der Erde. Ich denke, Ill ist mit so großartigem Jubel in Berlin aufgenommen worden. Und mein Mann ist gesund –«

»Darüber können Sie beruhigt sein. Ich darf Ihnen noch mehr sagen, Hil hat es jetzt erlaubt. Sollten Sie aus irgendeinem Grund an der Reise verhindert sein, so werden Sie Ihren Mann doch bald wiedersehen. Er ist an der Nordpolstation und erwartet dort die Nachricht, ob Sie kommen oder ob er nach dem Mars reisen soll.«

»Nach dem Mars will er kommen! Und das wissen Sie? Und ich –?«

»Briefe können noch nicht hier sein. Es kam nur eine Lichtdepesche von Ill. Aber Hil wollte Sie mit der Nachricht nicht aufregen – nun seien Sie auch vernünftig und zeigen Sie, daß Sie die Probe bestehen und uns nicht wieder kränker werden.«

»Er will kommen! Aber wozu? Ich möchte doch lieber nach der Erde!«

»Das sollen Sie ja auch. Nur für den Fall –«

»Was für einen Fall?«

»Wenn zum Beispiel die Verhältnisse auf der Erde in der nächsten Zeit sehr unruhig werden sollten –«

»Ich denke, alles ist jetzt friedlich.«

»Die letzten Nachrichten sind weniger erfreulich.«

»Erzählen Sie, schnell! Unsre Viertelstunde ist bald um.«

»Die Mächte sind in Streit geraten. Was soll ich Sie mit den politischen Einzelheiten ermüden, die ich selbst nur mangelhaft hier kenne, weil bisher erst Lichtdepeschen hergelangt sind. Es ist der Streit um die englische Erbschaft. Frankreich und Italien, Deutschland und Frankreich, Österreich und Rußland rechten um ihre Grenzen im Kolonialbesitz in Afrika, Asien und der Türkei. Am Mittelmeer gibt es kaum einen Punkt, über den man sich einigen kann. England ist ohnmächtig, die Marsstaaten schützen es in einigen Punkten, und gerade diese möchten die andern haben. Die Staaten rüsten gegeneinander, schon sind an den Kolonialgrenzen Schüsse gefallen, man muß darauf gefaßt sein, daß ein Weltkrieg ausbricht. Dies werden die Martier auf keinen Fall zugeben, und so steht zu befürchten, daß wir zu neuen Gewaltmaßregeln gegen die Menschen, diesmal auch gegen Deutschland, getrieben werden. Deshalb wäre es gut, wenn Sie bald reisen könnten, ehe vielleicht wieder eine Sperrung eintritt. Auf jeden Fall aber würde Torm hierherkommen dürfen. Das hat Ill ihm zugesichert.«

Isma schüttelte den Kopf. »Was Sie da alles sagen, verwirrt mich, ängstigt mich –« Und nach kurzem Schweigen fuhr sie fort: »Aber ich will gesund sein! Ich will gar nicht darüber nachdenken. ich fühle, daß ich Ruhe brauche. Ich danke Ihnen herzlich, Ell, daß Sie gekommen sind. Nun weiß ich doch wieder, daß ich nicht verlassen bin.«

Sie reichte ihm die Hand.

»Leben Sie wohl, Isma. Sie können ganz ruhig sein. Sie werden bald gesund sein.«

Er sah sie an mit den alten, treuen Augen und ging. Sie lächelte müde und lehnte sich zurück. Die Lider fielen ihr zu.

»Ich will gesund sein«, dachte sie. Aber sie hörte schon nicht mehr, daß Hil bei ihr eintrat und sie teilnahmsvoll betrachtete.

***

Eine Woche später, es war ein herrlicher Maitag, tobte eine aufgeregte Volksmenge in den Straßen der europäischen Städte. Überall hörte man Beschimpfungen der Martier. Wo man vor vier Wochen gejubelt hatte und Hurra geschrien, ertönte jetzt: »Nieder mit dem Mars!« Die Geschäfte mit Marsartikeln, die wie Pilze in die Höhe geschossen waren, sahen sich genötigt, ihre Läden zu schließen. »Nieder mit den Glockenjungens«, hieß es in Berlin, wo man die Martier ihrer diabarischen Helme wegen mit diesem geschmackvollen Titel beehrte. Die Menge demonstrierte vor dem Gebäude, das die Marsstaaten für ihre Botschaft gemietet hatten. Auf dem flachen Dach ruhten die Luftschiffe, bereit, in der nächsten Stunde die Hauptstadt zu verlassen.

Aber nicht weniger erregt, vielmehr erfüllt von einem heiligen Zorn, war die Stimmung auf dem Mars. Die Nachricht von einem ungeheuren Blutvergießen der Menschen untereinander war angelangt. In der Türkei und in Kleinasien, wo man hauptsächlich nur aus Furcht vor England sich soweit im Zaume gehalten hatte, daß die europäischen Fremden sich sicher fühlen durften, war jetzt diese Schranke gefallen. Der mohammedanische Fanatismus flutete über. Auf einen heimlichen Wink der türkischen Regierung erhoben sich die Massen. Ein entsetzliches Gemetzel begann gegen die Christen. Die Gebäude der Botschaften wurden erstürmt, Männer, Kinder und Frauen binnen einer Nacht in gräßlicher Weise gemordet. Und furchtbar war die Rache. So weit die Kanonen der fremden Kriegsschiffe reichten, wurden am andern Tag die blühenden Küsten, Paläste und Moscheen Konstantinopels in Trümmerhaufen verwandelt. Und nicht genug damit. Zwischen den europäischen Staaten selbst entbrannte die Eifersucht, wer die Trümmer mit seinen Truppen besetzen sollte. Der Krieg war so gut wie ausgebrochen, ehe er formell erklärt war.

Tiefe Empörung ergriff die Bevölkerung der Marsstaaten. Der Antibatismus gewann die Oberhand. Das Parlament forderte von der Regierung die sofortige Unterdrückung der Greuel und die Herstellung des Friedenszustandes auf der Erde. Am 12. Mai beschloß das Parlament unter Zustimmung des Zentralrats folgendes:

»Da die Menschen nicht fähig sind, aus eigener Macht unter sich einen friedlichen Kulturzustand zu erhalten, sieht sich die Regierung der Marsstaaten gezwungen, hiermit das Protektorat über die gesamte Erde zu erklären und jede politische Aktion der Erdstaaten untereinander, ohne vorherige Zustimmung der Marsstaaten, zu verbieten. Der Präsident des Polreichs der Nume auf der Erde wird beauftragt und bevollmächtigt, alle Maßregeln sofort anzuordnen, die er für notwendig erachtet, um dem ausgesprochenen Willen der Marsstaaten auf der Erde, und zwar zunächst in Europa, Geltung zu verschaffen.«

Es war dieser Beschluß der Marsstaaten und die von Ill hinzugefügte Erklärung, wodurch die Bevölkerung aller zivilisierten Staaten in so außerordentliche Aufregung geraten war. Die Mitteilung an die Regierungen war gleichzeitig in Form einer Bekanntmachung in den europäischen Staaten von den Martiern verbreitet worden. Man zerriß jetzt die Blätter, die sie enthielten, man entfernte die Plakate von den Häusern. Die Bekanntmachung lautete folgendermaßen:

»Indem ich den vorstehenden Beschluß der Marsstaaten zur allgemeinen Kenntnis bringe, übernehme ich mit dem heutigen Tage in ihrem Namen die Schutzherrschaft über alle Staaten der Erde und bestimme wie folgt:

Alle Regierungen und Nationen werden bis auf weiteres in ihren verfassungsmäßigen Rechten bestätigt und sind in ihren inneren Angelegenheiten frei, mit Ausnahme der unten angegebenen Bestimmung über das Heerwesen.

Alle internationalen Verträge und Kundgebungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der durch mich zu vollziehenden Bestätigung der Marsstaaten.

Alle Kriegsrüstungen sind verboten. Die von den europäischen Regierungen ausgegebenen Mobilisierungsbefehle sind aufzuheben. Die Friedenspräsenzstärke ihrer Heere wird auf die Hälfte der bisherigen herabgesetzt. Die Hauptwaffenplätze werden unter Oberaufsicht eines von mir zu ernennenden Beamten gestellt.

Alle Regierungen werden eingeladen, bevollmächtigte Vertreter zu der Weltfriedenskonferenz zu entsenden, die am 30. Mai unter meinem Vorsitz am Nordpol der Erde wird eröffnet werden.

Von der Bevölkerung der Erde erwarte ich, daß sie die Bemühungen der Marsstaaten, ihr die vollen Segnungen des Friedens und der Kultur zu bringen, mit allen Kräften unterstützen wird.

Gegeben am Nordpol der Erde, den 15. Mai

Ill,

Präsident des Polreichs der Nume.

Bevollmächtigter Protektor der Erde.«

Mit klingendem Spiel und von der Menge mit Hochrufen begrüßt rückten zwei Kompagnien der Garde vor das Gebäude der Botschaft der Marsstaaten, um dasselbe gegen etwaige Übergriffe der aufgeregten Bevölkerung zu schützen. Ein Adjutant begab sich in das Haus, um dem Botschafter zu melden, daß die Regierung Seiner Majestät dem Präsidenten des Polreichs nach dem bereits telegraphisch übermittelten Protest nichts weiter mitzuteilen habe.

Eine Viertelstunde später erhoben sich die Luftschiffe der Martier und richteten unter dem tobenden Gejohle der Menge ihren Flug nach Norden.

43 - Die Besiegten

Es war an einem regnerischen Augustabend des Jahres, das auf die tumultuarische Abreise der Gesandtschaft der Marsstaaten aus Berlin gefolgt war, als ein Mann, in einen Reisemantel gehüllt, hastig die menschenleere Straße hinaufstieg, die nach der Sternwarte in Friedau führte. Ein dichter Bart und der tief ins Gesicht gerückte Hut ließen wenig von seinen Zügen erkennen. Hin und wieder warf er aus scharfen Augen einen scheuen Blick nach der Seite, als fürchtete er, beobachtet zu werden. Aber niemand bemerkte ihn. Die Laternen waren noch nicht angezündet, und der leise niederrieselnde Regen verschluckte das letzte Licht der Dämmerung.

Je näher der Fremde dem eisernen Gittertor der Sternwarte kam, um so mehr verzögerte sich sein Schritt, als suche er einen Augenblick hinauszuschieben, den er noch eben so eilig erstrebte. Vor dem Tor stand er eine Weile still. Er spähte nach den dunkeln Fenstern des Gebäudes. Er nahm den Hut ab und trocknete die Stirn. Sein Gesicht war tief gebräunt und trug die Spuren harter Entbehrungen und schwerer Sorgen, die ihm das Haar gebleicht hatten. Mit einem plötzlichen Entschluß zog er die Klingel.

Es dauerte lange, ehe sich ein Schritt hören ließ. Ein junger Hausbursche öffnete die Tür.

»Ist der Herr Direktor zu sprechen?« fragte der Fremde mit tiefer Stimme.

»Der Herr Doktor Grunthe ist ausgegangen«, antwortete der Diener. »Aber um halb neun kommt er wieder.«

»Ist denn Herr Dr. Ell nicht mehr hier?«

»Den kenne ich nicht. Oder – Sie meinen doch nicht etwa – aber das wissen Sie ja –«

»Ich meine den Herrn Dr. Ell, der die Sternwarte gebaut hat.«

»Ja – der Herr Kultor residieren doch in Berlin –«

Der Fremde schüttelte den Kopf. »Ich werde in einer Stunde wiederkommen«, sagte er dann kurz.

Er wandte sich um und ging. Der Herr Kultor? Was sollte das heißen? Er wußte es nicht. Gleichviel, er würde ihn finden. Also Grunthe war hier. Das war ihm lieb, bei ihm konnte er Auskunft erhalten. Aber wohin inzwischen?

Einige Häuser weiter, in einem Nebengäßchen, leuchtete eine rote Laterne. Er fühlte das Bedürfnis nach Speise und Trank. Er wußte, die Laterne bezeichnete ein untergeordnetes Vorstadtlokal; von den Gästen, die dort verkehrten, kannte ihn gewiß niemand, würde ihn niemand wiedererkennen. Dorthin durfte er sich wagen.

Er trat ein und nahm in einer Ecke Platz. Das Zimmer war fast leer. Er bestellte sich etwas zu essen.

»Wünschen Sie gewachsen oder chemisch?« fragte der Wirt.

»Was ist das für ein Unterschied?«

Der Wirt sah den Fremden erstaunt an. Dieser bedauerte seine Frage, da er sah, daß er dadurch auffiel, und sagte schnell: »Geben Sie mir nur, was das Beste ist.«

»Das ist Geschmackssache«, sagte der Wirt. »Das Gewachsene ist teurer, aber wer nicht für das Neue ist, zieht es doch vor.«

»Was essen Sie denn?« fragte der Fremde.

»Immer chemisch, ich habe eine große Familie. Und – es schmeckt auch besser. Aber, wissen Sie, man will es mit keinem verderben – und das Gewachsene gilt für patriotischer. Ich habe sehr patriotische Gäste.«

»Vor allen Dingen bringen Sie mir etwas, ich habe nicht viel Zeit. Also chemisch.«

»Kohlenwurst, Retortenbraten, Mineralbutter, Kunstbrot, alles modern, aus der besten Fabrik, à la Nume.«

»Was Sie wollen, nur schnell.«

Der Wirt verschwand, und der Fremde griff eifrig nach einer Zeitung, die auf dem Nebentisch lag. Es war das ›Friedauer Intelligenzblatt‹. Mit einer plötzlichen Regung des Ekels wollte er das Blatt wieder beiseite schieben, aber er überwand sich und begann zu lesen. Zufällig haftete sein Blick auf ›Gerichtliches‹.

»Wegen mangelhaften Besuchs der Fortbildungsschule für Erwachsene wurden achtundzwanzig Personen mit Geldstrafen belegt; eine Person wurde wegen dauernder Versäumnis dem psychologischen Laboratorium auf sechs Tage überwiesen. Dem psychophysischen Laboratorium wurden auf je einen Tag überwiesen: drei Personen wegen Bettelns, eine Person wegen Tierquälerei, fünf Personen wegen Klavierspielens auf ungedämpften Instrumenten. Die Klaviere wurden eingezogen. Der ehemalige Leutnant v. Keltiz, welcher seinen Gegner im Duell verwundete, wurde zu zehnjähriger Dienstleistung in Kamerun, die beiden Kartellträger zu einjähriger Deportation nach Neu-Guinea verurteilt. Allen wurden die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt. Der vom Schwurgericht zum Tode verurteilte Raubmörder Schlack wurde zu zehnjähriger Zwangsarbeit in den Strahlenfeldern von Tibet begnadigt.«

Kopfschüttelnd sah der Fremde nach einer andern Stelle und las:

»Die Petition, welche mit mehreren tausend Unterschriften aus Friedau an den Verkehrsminister gerichtet war und die Bitte aussprach, unserer Stadt eine Haltestelle für das Luftschiff Nordpol-Rom zu gewähren, hat wieder keine Beachtung gefunden. Unsere Leser wissen wohl, warum unsere Stadt bei gewissen einflußreichen Numen schlecht angeschrieben steht. Wir werden uns trotzdem nicht abhalten lassen, immer wieder darauf hinzuweisen, daß das rätselhafte Verschwinden unseres großen Mitbürgers und Ehrenbürgers Torm im Mai vorigen Jahres noch immer nicht aufgeklärt worden ist, wie unangenehm die Erinnerung daran auch für manche sein mag.«

Das Blatt zitterte in der Hand des Fremden. Seine Augen überflogen noch einmal die Stelle. Da trat der Wirt mit den Speisen herein. Der Gast legte die Zeitung möglichst unbefangen beiseite.

»Der Retortenbraten ist leider ausgegangen«, sagte der Wirt. »Aber die Kohlenwurst ist zu empfehlen, von richtiger Friedauer Schweinewurst gar nicht zu unterscheiden. Bestes Mineralfett darin, nicht etwa Petroleum, die Kohle ist aus atmosphärischer Kohlensäure gezogen, der Wasserstoff aus Quellwasser, der Stickstoff ist vollständig argonfrei, die Zellbildung nach neuester martischer Methode im organischen Wachstumsapparat hergestellt mit absoluter Verdaulichkeit –«

»Es ist wirklich sehr gut«, sagte der Gast, mit großem Appetit essend. »Aber wo haben Sie denn Ihre Chemie her?«

»Ich? Was meinen Sie denn? Muß ich nicht jeden Tag zwei Stunden in der Fortbildungsschule sitzen? Denken Sie, ich gehe nur hin, um meine zwei Mark Lern-Entschädigung einzustreichen? Da war neulich einmal so ein König oder Herzog vom Mars hier durchgereist, der sich die Erde beschauen wollte, der wollte mich durchaus als chemischen Küchenchef mitnehmen, habe es aber abgeschlagen, weil es auf dem Mars keine Hühner gibt. Und ein richtiges Rührei, das ist das einzige Erdengut, wovon ich mich nicht trennen kann. Soll ich Ihnen vielleicht eins machen lassen?«

»Ich danke, geben Sie mir noch ein Glas Bier.«

»Sofort. Nicht wahr, das ist fein? Das exportieren wir sogar nach dem Mars. So was haben sie dort noch gar nicht gekannt, wie das Friedauer Batenbräu.«

»Verkehren denn auch Martier bei Ihnen?«

»Nume meinen Sie? Oh, ich könnte sie schon aufnehmen, habe ein paar Extrazimmer. Gewiß verkehren sie hier, ich meine, sie werden noch verkehren, ich werde auf dem Mars annoncieren lassen. Fritz, noch ein Bier für den Herrn! Das ist mein Oberkellner. Ist so vornehm daß er erst abends um acht Uhr antritt. Sie werden gleich sehen, wie voll mein Lokal wird, jetzt ist nämlich die Fortbildungsschule aus, dann kommen die Herren hierher.«

»Wo ist denn die Fortbildungsschule?«

»Die Kaserne ist gleich nebenan, in der nächsten Straße.«

»Das weiß ich, aber die Schule?«

Der Wirt machte wieder ein erstauntes Gesicht. »Entschuldigen Sie«, sagte er, »sind Sie denn nicht aus Europa? Dann müßten Sie doch wissen, daß die Kasernen so ziemlich alle in Schulen umgewandelt sind?«

»Ich war allerdings zwei Jahre verreist, in China und Indien –«

»Zwei Jahre! Ei, da wissen Sie wohl gar nicht –. Militär haben wir ja nicht mehr, bis auf fünf Prozent der früheren Präsenzstärke. Dafür bekommt jeder eine Mark pro Stunde, die er in der Fortbildungsschule sitzt. Ich sage Ihnen, gelehrt sind wir schon, das ist kolossal. Nächstens gebe ich ein philosophisches Buch heraus, auf das will ich Stadtrat werden, oder vielleicht Regierungsrat. Nämlich wegen der Schwerkraft. Auf dem Mars ist doch alles leichter. Nun schlage ich vor, wenn man schwer von Begriffen ist, so geht man auf den Mars, und dort – ah, guten Abend, Herr von Schnabel, guten Abend, Herr Doktor, guten Abend, Herr Direktor –, entschuldigen Sie, ich will nur die Herren bedienen –«

Der Wirt wandte sich zu den eingetretenen Gästen, die sich an ihren Stammtisch setzten.

Der Fremde hatte seine Mahlzeit beendet. Er sah nach der Uhr, es war noch zu früh, um Grunthe zu treffen. Er rückte sich tiefer in die Ecke, blickte in die Zeitung und wandte den Gästen den Rücken zu. Sie waren ihm bekannt. Seltsam, dachte er im stillen, während er, scheinbar in seine Lektüre vertieft, auf ihre Stimmen hörte, wie kommen die Leute in diese Vorstadtkneipe? Früher hatten sie ihren Stammtisch im ›Fürst Karl Sigmund‹, dieser Schnabel führte da das große Wort. Er scheint auch jetzt wieder zu schimpfen.

Die halblauten Stimmen der Stammgäste waren deutlich vernehmbar, insbesondere das hohe, quetschige Organ Schnabels.

»Haben Sie wieder den Knicks von der Warsolska gesehen«, sagte Schnabel, »wie der Kerl, der Dor, rausging? Und wie die Anton die Augen verdrehte? Und die haben am allermeisten geschimpft, als die ersten Instruktoren herkamen. Und jetzt fletschen sie vor Vergnügen die Mäuler.«

»Und bei Ihnen war’s umgekehrt, lieber Schnabel«, sagte Doktor Wagner, mit einem Auge blinzelnd. »Jetzt schimpfen Sie, aber ich kenne einen, der an den ersten Instruktor Wol einen großen Rosenkorb geschickt hat mit den schönen Versen:

Sei mir gegrüßt, erhabner Nume,

Dich kränzet zu der Erde Ruhme

Ein Bat mit seiner schönsten Blume –«

»Ach, hören Sie auf«, rief Schnabel ärgerlich. »ich hatte mir die Geschichte anders gedacht. Ich bin von den Numen enttäuscht worden –«

»Und die Warsolska ist wahrscheinlich nicht enttäuscht worden.«

»Die verdammten Kerle. Aber die Anton ist doch eigentlich über die Jahre hinaus –«

»Pst! meine Herren, Vorsicht!« sagte der Fabrikbesitzer Pellinger, den der Wirt mit Herr Direktor angeredet hatte. »Das Klatschgesetz ist bereits in erster Lesung angenommen. § 1: Wer unberufenerweise das Privatleben abwesender Personen beurteilt, wird mit psychologischem Laboratorium nicht unter zwölf Tagen bestraft.« Und sein kahles Haupt über den Tisch beugend, richtete er seine schwarzen Augen auf Schnabel und fuhr fort: »Wie sagt doch der Dichter?

Denn herrlicher als Kant und Hume

Hebt uns die Weisheit hoher Nume

Empor zu freiem Menschentume.«

Darauf brach er in ein kräftiges Lachen aus.

»Seien Sie endlich still mit Ihren Versen, es ist gar nicht zum Lachen«, brummte Schnabel.

»Es sind ja auch gar nicht meine Verse.«

»Na, meine auch nicht.«

»Ei, ei«, sagte Wagner, »von wem haben Sie sie denn machen lassen?«

»Ich glaube, Sie wollen mich beleidigen!« rief Schnabel.

»§ 2 des Klatschgesetzes!« sagte Pellinger: »Der Begriff der Beleidigung ist aufgehoben. Eine Minderung der Ehre kann nur durch eigene unwürdige Handlungen, niemals durch die Handlungen anderer erfolgen.«

»Das ist die richtige dumme Martiermoral. Wie kann der Reichstag sich auf solche Gesetze einlassen? Die Demokraten haben ja freilich die Majorität. Aber die Regierung! Sie dürfte sich nicht von den Martiern einschüchtern lassen.«

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
820 s. 1 illüstrasyon
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