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Kitabı oku: «Auf zwei Planeten», sayfa 5

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6 - In der Pflege der Fee

Saltner schlug die Augen auf.

Was er da über sich sah, war es das Netzwerk des Ballons? Diese regelmäßigen, goldglänzenden Arabesken auf dem lichtblauen Grund? Nein, der Ballon war es nicht – der Himmel sieht auch nicht so aus – doch – was war denn geschehen? Er war ja ins Wasser gestürzt. Sieht es unten auf dem Meer so aus? Aber im Wasser ist man tot oder – er wendete den Kopf, doch die Augen fielen ihm wieder zu. Er wollte nachdenken, doch die Fragen waren ihm zu schwer, er fühlte sich so matt – jetzt bemerkte er, daß er einen Gegenstand zwischen den Lippen hielt, ein Röhrchen. – War es noch immer das Mundstück des Sauerstoffapparats? Nein. – Ein seltsamer Duft umwehte ihn – instinktiv sog er an dem Rohr, denn er empfand einen brennenden Durst. Ach, wie das wohltat! Ein kühler erquickender Trank! Wein war es nicht – Milch auch nicht –, gleichviel, es mundete – war es vielleicht Nektar? Seine Sinne verwirrten sich wieder. Aber der Trank wirkte wunderbar. Neues Leben rann durch seine Adern. Er konnte die Augen wieder öffnen. Aber was erblickte er? Also war er doch im Wasser?

Über ihm, höher als sein Kopf, rauschten die Wogen des Meeres. Aber sie drangen nicht bis zu ihm heran. Eine durchsichtige Wand trennte sie von ihm, hielt sie zurück. Der Schaum spritzte an ihr empor, das Licht brach sich in den Wellen. Dennoch konnte er den Himmel nicht sehen, ein Sonnendach mochte ihn abblenden. Hin und wieder stieß ein Fisch dumpf gegen die Scheiben. Vergeblich versuchte sich Saltner seine Lage zu erklären. Er glaubte zunächst, sich auf einem Schiff zu befinden, obwohl es ihn wunderte, daß sich im Zimmer nicht die geringste Bewegung spüren ließ. Aber nun blickte er etwas mehr zur Seite. War es denn nicht mehr Tag? Das Zimmer war doch von Tageslicht erhellt, aber dort links sah er direkt in dunkle Nacht. Ein ihm unbekanntes Bauwerk in einem nie gesehenen Stil lag im Mondschein vor ihm. Er blickte auf das Dach desselben, das von den Wipfeln seltsamer Bäume begrenzt wurde. Und wie merkwürdig die Schatten waren –! Saltner versuchte sich vorzubeugen, den Kopf zu heben. Da standen wirklich zwei Monde am Himmel, deren Strahlen sich kreuzten. Auf der Erde gab es etwas Derartiges nicht. Ein Gemälde konnte doch aber nicht so starke Lichtunterschiede zeigen – es müßte denn ein transparentes Bild sein –

Auf das leise Geräusch, welches seine Bewegung verursachte, schob sich auf einmal die Landschaft zur Seite. Eine Gestalt lehnte in einem Sessel und sah Saltner mit großen, leuchtenden Augen an. Einen Augenblick starrte er verwirrt auf diese neue Erscheinung. Noch nie glaubte er ein so herrliches Frauenantlitz gesehen zu haben. Schnell wollte er sich erheben, und nun erst warf er einen Blick auf seinen eignen Körper. Man hatte ihn während seiner Bewußtlosigkeit offenbar gebadet und mit frischer Leibwäsche versehen. Er fand sich in einen weiten Schlafrock von einem ihm unbekannten Stoff gehüllt.

Jetzt streckte die Gestalt eine Hand aus und drehte an einem der Knöpfe, die sich neben ihr auf einem Tisch befanden. in demselben Augenblick durchlief Saltner ein Gefühl, als wollte man ihn plötzlich in die Höhe heben. Die Hand, deren Stellung er verändern wollte, fuhr ein ganzes Stück höher, als er sie zu heben beabsichtigte. Mit Leichtigkeit richtete er seinen Oberkörper empor, aber bei dem Ruck flogen auch seine Beine in die Luft, und mit einer überraschenden Geschwindigkeit führte er einige unbeabsichtigte turnerische Übungen aus, bis es ihm gelang, sich in sitzender Stellung auf seinem Lager zu balancieren.

Zugleich hatte sich auch die weibliche Gestalt erhoben und schwebte auf ihn zu. Ein herzgewinnendes Lächeln lag auf ihren Zügen, und aus den wunderbaren Augen sprach die innigste Teilnahme.

Saltner wollte aufstehen, bemerkte aber schon beim ersten Anziehen seines Fußes, daß er Gefahr lief, in eine unbestimmte Höhe zu schnellen. Eine leichte Handbewegung der vor ihm stehenden Gestalt bedeutete ihm, seinen Sitz wieder einzunehmen. Nun endlich fand er die Sprache wieder in gewohnter Lebhaftigkeit.

»Wie Sie befehlen«, sagte er. »Es wäre mir eine große Ehre, wenn Sie ebenfalls Platz nehmen wollten und mir gütigst andeuten, wo ich mich eigentlich befinde.«

Bei seinen Worten ließ die Gestalt ein leises, silbernes Lachen vernehmen.

»Er spricht, er spricht!« rief sie in der Sprache der Martier. »Es ist zu lustig!«

»Fafagolik?« versuchte Saltner die fremden Laute wiederzugeben. »Was ist das für eine Sprache oder was für eine Gegend?«

Die Martierin lachte wieder und betrachtete ihn dabei vergnüglich, wie man ein merkwürdiges Tier abwartend anschaut.

Saltner wiederholte seine Frage französisch, englisch, italienisch und sogar lateinisch. Damit war sein Sprachschatz erschöpft. Da ihn die Fremde offenbar nicht verstand und er noch immer keine Antwort erhielt, sagte er wieder auf deutsch:

»Die Gnädige scheint mich nicht zu verstehen, aber ich will mich doch wenigstens vorstellen. Mein Name ist Saltner, Josef Saltner, Naturforscher, Maler, Photograph und Mitglied der Tormschen Polarexpedition, augenblicklich verunglückt und, wie mir scheint, mehr oder weniger gerettet. Eigentlich ist dabei gar nichts zu lachen, meine Gnädige, oder was Sie sonst sind.«

Darauf zeigte er mehrere Male mit dem Finger auf sich selbst und sagte deutlich: »Saltner! Saltner!« Sodann zeigte er mit der Hand rings auf seine Umgebung und zuletzt auf die schöne Martierin.

Diese ging sogleich auf seine Gebärdensprache ein. Sie bewegte die Hand langsam auf sich zu und sagte ihren Namen: »Se.«

Darauf deutete sie auf Saltner und wiederholte deutlich seinen Namen. Und noch einmal wiederholte sie mit den entsprechenden Gesten:

»Se! Saltner!«

»Se, Se?« sagte Saltner fragend. »Das ist also Ihr werter Name. Oder meinen Sie vielleicht, da draußen sei die See? Verstehen Sie vielleicht doch ein wenig Deutsch? Wo befinden wir uns denn hier?«

Auf seine fragende Handbewegung zeigte Se nach dem Meer, das vor den bis zum Fußboden reichenden Fenstern wogte, und nannte das Wort, das in der Sprache der Martier Meer bedeutet. Darauf zog sie an einem Handgriff, und anstelle des Meeres erschien die Landschaft, welche Saltner bewundert hatte. Er sah jetzt, daß dieselbe auf einen Wandschirm gemalt war, den Se soeben vor das Fenster geschoben hatte. Sie zeigte auf die Landschaft und sagte »Nu.« Das bedeutet ›Mars‹, aber Saltner war freilich mit diesem Wort nicht gedient.

Se ging nun weiter in das Zimmer zurück, das der Wandschirm bisher seinen Blicken verhüllt hatte, und suchte nach einem Gegenstand, den sie nicht sogleich zu finden schien. Saltner folgte ihr mit den Augen. Er glaubte noch nie etwas Anmutigeres gesehen zu haben, etwas Wunderbareres jedenfalls noch nicht.

Ein rosiger Schleier umhüllte den größten Teil der Gestalt, ließ jedoch hier und da den metallischen Schimmer des Unterkleides durchblicken. Die Haare kräuselten sich über dem Nacken in beweglichen Löckchen, die als Grundfarbe ein lichtes Braun zeigten, aber bei jeder Bewegung irisierten wie das Farbenspiel auf einer Seifenblase. Alle Bewegungen ihres Körpers glichen dem leichten Schweben eines Engels, der von der Schwere des Stoffes unabhängig ist. Und sobald der Kopf an eine dunklere Stelle des Zimmers geriet, leuchtete das Haar phosphoreszierend und umgab das Gesicht wie ein Heiligenschein.

Plötzlich unterbrach sie ihr Suchen und rief:

»Wie bin ich doch zerstreut! Das hat ja alles noch Zeit. Der arme Bat hat gewiß Hunger, daran hätte ich zunächst denken sollen. Wart, mein armer Bat, ich will dir gleich etwas braten.«

Sie trat an den Tisch im Hintergrund des Zimmers und machte sich an dem Schrankaufsatz und verschiedenen Handgriffen zu schaffen. Dann war sie wieder neben ihm und sagte mit einem unnachahmlichen Ton, der ihn entzückte: »Saltner«, indem sie die nicht mißzuverstehenden Pantomimen des Essens machte.

»Glänzender Gedanke, holdselige Se«, rief Saltner, indem er die Pantomime wiederholte.

Auf einen Handgriff Ses, Saltner wußte nicht wie, stand auf einmal ein Tischchen vor seinem Lager, und Se setzte ihm eine Speise vor, die sie soeben bereitet hatte. Er untersuchte nicht lange, was es sei, zerbrach sich nicht den Kopf über die merkwürdigen Formen der ihm gereichten Instrumente, sondern gebrauchte sie, unbekümmert um Ses Lächeln, als Löffel, und tat dann einen langen Zug aus dem Mundstück eines mit Flüssigkeit gefällten Gefäßes. Sein Hunger war, wie er jetzt erst merkte, so groß, daß er selbst Ses Anwesenheit und seine ganze Umgebung momentan vergessen hatte. Erst nachdem der erste Reiz gestillt war, hörte er wieder aufmerksam auf Ses Erklärungen, die ihm die einzelnen Gegenstände in ihrer Sprache benannte, und es gelang ihm bald, einige Worte zu behalten.

Als er sein Mahl beendet hatte, betrachtete ihn Se wieder mit zufriedener Miene. Wie man ein Schoßhündchen streichelt, glitt sie mit der Hand über sein Haar und sagte:

»Der arme Bat war hungrig, nun wird er wieder gesund werden. War es gut, Saltner?«

Saltner verstand freilich ihre Worte nicht, aber den Sinn fühlte er deutlich heraus. Er kam sich auch etwas gedemütigt vor, denn er merkte wohl, daß ihn Se nicht als ein gleichberechtigtes Wesen behandelte. Aber wie sie seinen Namen aussprach, wie sie ihn mit den Augen ansah, die bis ins Innerste der Seele hineinzuleuchten schienen, konnte er nicht anders, als ihr mit den herzlichsten Worten danken. Und auch Se verstand den Dank, ohne die Worte zu kennen, die er sprach. Lächelnd sagte sie in ihrer Sprache:

»Saltner gefällt mir, er ist nicht wie ein Kalalek.«

Saltner hatte das Wort Kalalek verstanden, das die Eskimos den Martiern als die Bezeichnung ihres Stammes genannt hatten.

»Nein«, rief er entschieden, »meine schöne Se, ein Eskimo bin ich nicht, ich bin ein Deutscher, kein Eskimo – Deutscher!«

Und er begleitete die Worte mit so entschiedenen Gesten, daß Se ihren Sinn sofort verstand.

Sie eilte zu dem Bücherregal an der Zimmerwand – denn Bücher gehören bei den Martiern zur unentbehrlichen Ausstattung jedes Zimmers, eher würde man die Fenster entbehren als die Bibliothek – und holte einen Atlas herbei.

Inzwischen bestürmte Saltner seine Pflegerin mit Fragen nach dem Schicksal seiner Gefährten, ohne sich genügend verständlich machen zu können. Se kümmerte sich zunächst nicht um seine Worte und Gebärden, sondern hielt den Atlas an seinem Griff Saltner vor die Augen und ließ die Blätter desselben sich rasch umschlagen. Sein Erstaunen über diese Mechanik wurde aber übertroffen, als sie in ihrem Umblättern stillhielt und den Griff des Buches in einem Gestell auf dem Tischchen vor ihm befestigte. Er erkannte sofort die Karte der Gegenden um den Nordpol der Erde wieder, die er in dem Riesenmaßstab der Insel vom Ballon aus bewundert hatte.

Se zeigte mit ihrem schlanken, zierlichen Finger, an dem ihm die große Beweglichkeit der einzelnen Glieder auffiel, auf Grönland und die nächsten Landmassen um den Pol; dazu sagte sie wiederholt: »Kalalek, Bat Kalalek.« Dann zeigte sie auf Saltner, ergriff seine Hand und führte sie über die andern Teile des Kartenbildes, indem sie dabei fragte: »Bat Saltner?«

Saltner suchte auf der Karte die Gegend von Deutschland, die allerdings perspektivisch schon stark verkürzt erschien, und machte ihr durch Zeichen begreiflich, daß hier seine Heimat sei. Da er aus dem öfter gehörten Wort ›Bat‹ schloß, daß dies wohl soviel wie Mensch oder Volksstamm bedeute, so zeigte er auf den Pol und fragte dazu:

»Bat Se?«

Se antwortete mit einer lebhaft abwehrenden Bewegung. Sie legte die ganze Hand auf die Karte und sagte: »Bat.« Dann zeigte sie auf sich selbst und sprach mit Selbstbewußtsein: »Se, Nume.«

Und als Saltner sie fragend anblickte, wies sie mit ausgestrecktem Arm nach einer bestimmten Stelle des Bodens und wiederholte noch einmal: »Nume.« Wie sie so dastand, leuchteten ihre Augen in verklärtem Glanz, und Saltner konnte nicht zweifeln, daß er ein höheres Wesen vor sich habe. Aber sogleich neigte sie sich wieder mit liebenswürdigem Lächeln zu ihm und ließ einige Blätter des Atlas zurückschlagen. Es zeigte sich eine Gruppe geometrischer Figuren, in denen Saltner ohne Schwierigkeit einen Aufriß der Planetenbahnen im Sonnensystem erkannte. Se wies auf den Mittelpunkt und sagte: »O.«

»Sonne«, antwortete Saltner, indem er zugleich nach der Richtung hinzeigte, in welcher die Sonnenstrahlen auf der Oberfläche des Meeres spielten.

Se nickte befriedigt, beschrieb dann mit ihrem Finger auf der Karte die Erdbahn und wiederholte den Namen der Erde: »Ba«, und, auf Saltner weisend: »Bat!« Dann aber wieder mit dem ganzen Stolz der Martier den Namen ›Nume‹ aussprechend, bezeichnete sie auf der Karte die Bahn des Mars und sagte mit einem hoheitsvollen Blick auf Saltner: »Nu.«

»Der Mars!« Es kam fast tonlos von Saltners Lippen. Er merkte, wie sich alle seine Begriffe zu verwirren drohten. Hilflos sah er zu Se empor, die kaum seine Aufregung bemerkt hatte, als sie ihm schon bedeutete, sich niederzulegen. Zwar wollte er trotz der Mattigkeit, die er jetzt an sich spürte, aufspringen, um seine Wißbegierde weiter zu befriedigen, aber ein Blick, der keinen Widerstand zuließ, bannte ihn auf sein Lager.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür des Zimmers, und in derselben erschien zusammengebeugt und schleppend, auf zwei Stäbe gestützt, die Gestalt des Arztes Hil. Kaum aber hatte Hil das Zimmer betreten, als er sich in voller Höhe aufrichtete, die Stäbe fortwarf und schnell auf das Lager zuschritt. Er ergriff sofort Saltners Hand, und während er den Puls beobachtete, sagte er mit leichtem Vorwurf:

»Aber Se Se, was machen Sie mir für Geschichten. Stellen Sie nur gleich die Abarie ab. Unser Bat muß seine richtige Erdschwere haben, sonst geht er uns ein, ehe wir ihn wieder kräftig sehn.«

»Seien Sie nur nicht böse, Hil Hil«, lachte Se, »ich habe ihn ja so schön gepflegt und gefüttert – sehen Sie die Schüssel – 150 Gramm Eiweiß, 240 Gramm Fett und –«

Hil sah nach der Federwaage, die sich unter jedem Speisegerät der Martier befand und sofort konstatierte, wieviel Nahrungsstoffe man auf dieselbe gelegt oder dem Körper zugeführt hatte.

»Aber Sie haben die Schwere abgestellt, davon stand nichts in Ihrer Instruktion.«

»Ja, Hil Hil, Sie können doch nicht verlangen, daß ich im Zimmer herumkriechen soll, wenn er wach ist.«

»Ach so, die liebe Eitelkeit!«

»Oh, vor dem Bat! Aber als er aufwachte, mußte ich doch schnell hin, und dann mußte ich die Pastete backen, und – ja, wenn Sie wüßten: Er heißt Saltner und ist kein Kalalek, sondern ein – ja, das Wort habe ich vergessen, doch ich zeige Ihnen auf der Karte die Gegend.«

»Erst lassen Sie es schwer werden – aber halt, noch einen Augenblick, ich will mir zuvor einen Stuhl holen – so –«

»Und ich will mich auch erst setzen«, sagte Se.

Als beide Platz genommen hatten, griff Se an einen Wirbel, und Saltner sah, wie Se und Hil sichtlich in ihren Sesseln zusammensanken und ihre gelegentlichen Bewegungen mühsam und schwerfällig wurden. Er aber merkte, wie das eigentümliche Gefühl des Schwindels, das ihn beherrscht hatte, verschwand, seine Gliedmaßen konnte er wieder normal dirigieren, und er legte sich behaglich auf sein Lager zurück.

Der Arzt sah ihn mit seinen großen, sprechenden Augen wohlwollend an.

»Also man ist wieder lebendig?« sagte er, was Saltner freilich nicht verstand. Dann fügte er in der Sprache der Eskimos hinzu: »Versteht ihr vielleicht diese Sprache?«

Saltner erriet die Frage und schüttelte den Kopf. Dagegen sagte er nunmehr selbst in der Sprache der Martier, was er von Se gelernt hatte:

»Trinken – Wein – Bat gut Wein trinken –«

Se brach in ihr feines, silbernes Lachen aus, und Hil sagte belustigt: »Sie haben ja ausgezeichnete Fortschritte gemacht – nun werden wir uns wohl bald unterhalten können.«

Dabei wies er auf das neben Saltner stehende Trinkgefäß hin, und dieser bediente sich desselben mit Erfolg zu neuer Stärkung.

Das Schicksal seiner Gefährten lag ihm am schwersten auf der Seele. Er versuchte noch einmal, darüber Erkundigungen einzuziehen, indem er einen Finger aufhob und dazu sagte: »Bat Saltner.« Dann erhob er drei Finger und suchte durch weitere Zeichen verständlich zu machen, daß drei ›Bate‹ mit dem Ballon angekommen und herabgestürzt seien.

Hil, der zum ersten Mal einen Europäer sah, hatte seine Aufmerksamkeit mehr auf den ganzen Menschen als auf sein Anliegen gerichtet, und blickte jetzt fragend zu Se hinüber, als sich Saltner mit der von Se gehörten Anrede ›Hil Hil‹ direkt an ihn wendete.

Se erklärte:

»Er meint, daß drei Bate angekommen und in das Meer gestürzt sind. Wir haben aber doch nur zwei gefunden?«

»Allerdings«, sagte Hil, »und dem andern geht es auch besser. Der Fuß ist nicht schlimm verletzt und wird in einigen Tagen geheilt sein. Ich habe mich durch La ablösen lassen, um einmal hier nach dem Rechten zu sehen. Ich glaube übrigens, daß er bei Bewußtsein ist, er hat wiederholt die Augen geöffnet, doch ohne zu sprechen. Hoffentlich hat er keine schwere Erschütterung davongetragen. Wir wollen ihn nicht anreden, um ihn nicht vorzeitig aufzuregen. Wollen Sie nicht einmal hinübergehen?«

»Recht gern, aber wer bleibt bei Saltner?«

»Der muß jetzt schlafen. Und dann müssen wir überhaupt eine andere Einrichtung treffen. Wir bringen sie beide zusammen in ein Zimmer, und zwar in das große. Aus der einen Seite lasse ich die abarische Verbindung entfernen, desgleichen in den beiden Nebenräumen. Dort werden ihre Betten und alle ihre Geräte hingebracht, so daß sie in ihren gewohnten Verhältnissen leben können. Und wir können uns dann bei ihnen aufhalten und sie studieren, ohne fortwährend unter diesem Druck umherkriechen zu müssen, indem wir uns in dem andern Teil des Zimmers die Schwere erleichtern.«

»Schön«, sagte Se, »aber ehe Sie meinen armen Bat einschläfern, will ich noch einmal mit ihm verhandeln.«

Sie wandte sich zu Saltner und machte ihm so gut wie möglich begreiflich, daß noch einer seiner Gefährten gerettet sei und daß er ihn bald sehen solle. Dann brachte sie auf geschickte Weise in Erfahrung, wie jener heiße, und ließ sich einige deutsche Worte so lange vorsagen, bis sie sich dieselben eingeprägt hatte. Während sie Saltner aus ihren großen Augen lächelnd ansah, streckte Hil die Hand gegen sein Gesicht aus und bewegte sie einige Male hin und her. Saltner fielen die Augen zu. Noch war es ihm, als wenn zwei strahlende Sonnen vor ihm leuchteten, dann wußte er nicht mehr, ob dies zwei Augen seien oder die Monde des Mars, und bald lag er in traumlosem Schlaf.

7 - Neue Rätsel

Grunthe erwachte aus seiner Bewußtlosigkeit in einem Zimmer, das ganz ähnlich eingerichtet war wie dasjenige, in welches man Saltner gebracht hatte. Denn es gehörte zu derselben Reihe von Gastzimmern, die für den vorübergehenden Aufenthalt von Martiern auf der Erdstation bestimmt waren. Auch er konnte von seinem Lager aus nichts erblicken als die großen Fensterscheiben, hinter denen das Meer wogte, und den Wandschirm, der den übrigen Teil des Zimmers verbarg. Dieser Schirm war ebenfalls mit einer Nachtlandschaft des Mars verziert, welche beide Monde des Mars zeigte – ein bei den Malern des Mars sehr beliebter Lichteffekt. Hier aber befanden sich außerdem im Vordergrund zwei Figuren, von denen die eine nach einem besonders hell leuchtenden Stern hinwies, während eine zweite das stark vergrößerte Bild jenes Sternes beobachtete, wie es von einem Projektionsapparat auf einer Tafel entworfen erschien.

Grunthe suchte seine Gedanken zu sammeln. Er lag sorgfältig gebettet und in einem Schlafgewand, das nicht das seinige war, in einem erwärmten Zimmer. Seinen Fuß, der ihn übrigens nicht schmerzte, konnte er nicht bewegen; dieser befand sich in einem festen Verband. Er fühlte sich matt, aber vollständig bei Sinnen und ohne merkliche Beschwerden. Kopf und Arme, bis zu einem gewissen Grad auch den Oberkörper, konnte er willkürlich bewegen. Er war also nach seinem Sturz ins Wasser gerettet worden. Wo aber befand er sich, und wer waren die Retter?

Die anfängliche Täuschung, daß er an der Stelle, wo der Schirm stand, in eine wirkliche Nachtlandschaft sehe, konnte bei ihm nicht lange anhalten, da diese Figuren enthielt, welche sich nicht bewegten. Er hatte also ein Bild vor sich. Demnach war das Meer, wie er auch aus der Farbe und Art der Beleuchtung schloß, wohl nichts anderes als das Polarmeer, in welches der Ballon gestürzt war, er befand sich auf der Insel, und seine Retter waren die Bewohner dieser Insel. Wer waren sie, und was hatte er von ihnen zu erwarten? Darauf konzentrierten sich alle seine Gedanken.

Er bewegte seine Arme, er beobachtete seine Atmung, seinen Puls, er hörte das Rauschen des Meeres – alle Erscheinungen der Natur waren unverändert, er war auf der Erde, und doch konnten die Wesen, die hier wohnten, keine Menschen sein. Der Stoff seines Gewandes, seiner Decke, seines Lagers war ihm vollständig unbekannt, daraus konnte er keinen Schluß ziehen. Aber das Bild! Was stellte das Bild vor? War es nicht möglich, daraus zu erkennen, in wessen Gewalt er sich befand?

Die beiden Gestalten auf dem Bild waren, wie es schien, menschlicher Art. Die stehende Figur, welche nach dem Stern hinwies, sah nicht anders aus als eine ideale Frauengestalt mit auffallend großen Augen; um ihren Kopf spielte ein seltsamer Lichtschimmer – sollte dies eine symbolische Figur mit einem Heiligenschein sein? Die Gewandung – soweit überhaupt von solcher die Rede war – ließ keine Schlüsse zu, sie konnte ja einer Laune des Künstlers entsprungen sein. Die sitzende Gestalt, welche das Bild des Sternes beobachtete und dem Beschauer den Rücken zuwandte, schien einen enganliegenden metallenen Panzer zu tragen; in der Hand hielt sie einen Grunthe unbekannten Gegenstand. Sollten diese beiden Figuren Vertreter der Bewohner der Polinsel sein? Aber die Landschaft selbst war keine Landschaft der Erde. Also wohl eine Erinnerung an die Heimat, aus welcher die Polbewohner stammten? Und wenn es so war – diese beiden Monde –, sie konnten keiner andern Welt angehören als dem Mars.

Bewohner des Mars haben den Pol besiedelt! Der Gedanke war Grunthe schon einmal aufgestiegen, als er zuerst vom Ballon aus die Insel mit ihren Vorrichtungen und dem merkwürdigen Kartenbild der Erde betrachtet hatte. Er hatte ihn als zu phantastisch zurückgedrängt, er wollte nichts mit so unwahrscheinlichen Hypothesen zu tun haben, so lange er noch auf eine andere Erklärung hoffen konnte. Doch als der Ballon von jener unerklärlichen Kraft in die Höhe gerissen wurde, mußte er wieder an diese Hypothese denken. Und jetzt, die merkwürdige Rettung, die seltsamen Stoffe, das Bild! Was war das für ein Stern, der auf diesem Bild beobachtet wurde? Er strengte seine scharfen Augen an, um die Abbildung auf der Tafel zu erkennen. Eine hell beleuchtete schmale Sichel, der übrige Teil der Scheibe in einem matten Schimmer – und diese dunklen Flecke, die weißen Kappen an den Polen – kein Zweifel, das war die Erde, wie sie vom Mars aus bei starker Vergrößerung erschien, die schmale Sichel im Sonnenschein, das übrige schwach vom Mondlicht erhellt. – Grunthe konnte sich nicht länger der Ansicht verschließen, daß er bei den Marsbewohnern sich befinde – ein Gast, ein Gefangener – wer konnte es wissen?

Wie konnten Marsbewohner auf die Erde kommen? Grunthe wußte die Frage nicht zu beantworten. Nahm man aber die Tatsache einmal als gegeben, so erklärten sich die andern Erscheinungen sehr leicht, der Wunderbau der Insel, die Beeinflussung des Ballons, die Rettung, die Einrichtung des Zimmers – die Hypothese der Marsbewohner war doch wohl die einfachste –

Und auf einmal zuckte Grunthe zusammen – eine Erinnerung wurde ihm plötzlich lebendig –, seine Lippen schlossen sich fest aufeinander, und zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine tiefe senkrechte Falte – Er spannte sein Gedächtnis aufs äußerste an –

Ell, Ell!, sagte er bei sich. – Was war es doch, was ihm Ell gesagt hatte, ehe er die Reise antrat? Friedrich Ell, der Freund Torms, lebte als Privatgelehrter in Friedau seinen Studien, aber er war der eigentliche geistige und der pekuniäre Urheber der Expedition, die Seele der internationalen Vereinigung für Polarforschung. Mit ihm hatte er oft über die Möglichkeit disputiert, wie die Bewohner des Mars mit der Erde in Verbindung treten könnten. Und Ell hatte immer gesagt: Wenn sie kommen, so haben wir sie am Nordpol oder am Südpol zu erwarten. Man springt auf einen Eisenbahnzug nicht, wo er in Fahrt ist, sondern wo er steht. Wer weiß, was Sie am Pol finden! Grüßen Sie mir die – ja, das Wort hatte er vergessen. Er hatte kein Gewicht darauf gelegt. Man wußte nicht immer bei Ell, ob er scherze oder im Ernst spräche. »Grüßen Sie mir die –« Es fiel ihm nicht ein. Aber wohl erinnerte er sich, wie Ell eines Abends sehr erregt geworden war, als man von den Bewohnern des Mars wie von Fabelwesen gesprochen hatte. Er hatte dann das Gespräch plötzlich abgebrochen.

Grunthe wurde aus seinem Nachsinnen gerissen. Hinter dem Bild der Marslandschaft wurden Stimmen laut. Was war das für eine Sprache? Grunthe kannte sie nicht, er verstand kein Wort.

Hinter dem Schirm hatte, von Grunthe unbemerkt, La gesessen. Es war ihr sehr unbequem, unter dem Druck der irdischen Schwerkraft auszuhalten, und sie hatte sich deshalb unbeweglich auf ihr Sofa gestreckt. Jetzt kam Se schwerfällig herbei und ließ sich ebenfalls nieder.

»Wie geht’s dem Bat?« fragte sie.

»Ich weiß es wirklich nicht«, sagte La, »ich habe noch nicht gehört, daß er sich bemerklich gemacht hätte, und unter diesem Druck kannst du nicht verlangen, daß ich zu ihm hingehe.«

»So machen wir es leicht!« rief Se und streckte die Hand nach dem Griff des abarischen Apparates aus.

»Aber Hil hat es verboten«, erwiderte La. »Es könnte schädlich wirken.«

»Ach, ich habe es drüben auch so gemacht, auf kurze Zeit tut es dem Bat nichts. Hast du ihn denn schon gefüttert?«

»Nein, wie konnte ich?«

»Und doch ist es nötig, meint auch Hil. Und so lange müssen wir mindestens uns frei bewegen können. Also, auf meine Verantwortung.«

Se stellte den Apparat auf die normale Marsschwere ein. Die beiden Damen erhoben sich und atmeten erleichtert auf.

In demselben Augenblick wollte Grunthe eine Bewegung ausführen, aber sein Arm fuhr plötzlich viel höher, als er beabsichtigt hatte. Sogleich probierte er die Bewegung noch einmal und konstatierte, daß alle seine Gliedmaßen sowie die Decke seines Bettes viel leichter geworden waren. Er suchte nach einem Gegenstand, den er in die Höhe werfen wollte, um das wunderbare Phänomen zu studieren. Da er jetzt trotz des Verbandes an seinem Fuß den Oberkörper leicht aufrichten konnte, erblickte er auf einem Wandbrett über seinem Lager einige Gegenstände, die ihm gehörten; man hatte sie offenbar in seinen Taschen gefunden. Er ergriff sein Taschenmesser, hielt es so hoch wie möglich über den Boden und ließ es fallen. Er konnte den Fall bequem mit den Augen verfolgen; es dauerte eine Sekunde, ehe das Messer den Boden erreichte. Grunthe schätzte die Höhe und sagte sich: Die Schwerkraft ist geringer geworden, und zwar beträgt sie nur etwa ein Drittel soviel wie gewöhnlich. Das ist die Schwere auf dem Mars. Und wieder mußte er an Ell denken, der so oft gesagt hatte: »Von der Schwere frei werden, heißt das Weltall beherrschen.«

Auf das leichte Geräusch, welches das Auffallen des Messers erzeugte, hatte Se den Wandschirm beiseite geschoben und war mit La auf Grunthe zugetreten. Dieser hatte seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Schirm gerichtet und schrak daher mit einer Bewegung der Überraschung zusammen, als er plötzlich die beiden schönen Martierinnen vor sich sah. Kaum hatte er erkannt, daß sich zwei lebendige weibliche Gestalten ihm näherten, so legte er sich mit eisiger Miene zurück und heftete die Augen starr an die Decke. Da er La und Se nicht anzusehen wagte, konnte er nicht bemerken, mit welch freundlichen und teilnahmsvollen Blicken sie ihn betrachteten. Nur an dem Ton der Stimmen, mit welchem sie in ihrer Sprache einige Worte an ihn richteten, erkannte er die gute Gesinnung. La zupfte ihm die Decke zurecht, Se aber beugte sich über ihn und sah mit ihrem leuchtenden Blick tief in seine Augen. Diese Damengesellschaft war ihm schrecklich; lieber hätte er sich von feindlichen Wilden umgeben gesehen. Ach, und nun fühlte er eine weiche Hand auf seinem Kopf, Se streichelte sein Haar – unwillig stieß er die Hand zurück.

»Armer Mensch«, sagte Se, »er scheint noch ganz verwirrt. Wir müssen ihm vor allen Dingen zu trinken geben.« Sie legte die Hand wieder auf seine Stirn und sagte: »Fürchte dich nicht, wir tun dir nichts, armer Mensch.«

»Ko bat«, so lautete das letzte Wort Ses in ihrer Sprache, »Ko bat« – es wirkte überraschend auf Grunthe –, das war einer der seltsamen Ausdrücke Friedrich Ells. So pflegte Ell zu sagen, wenn er mit einer seiner wunderlichen Ansichten nicht durchdringen konnte, wenn er sein Mitleid mit dem Mangel an Verständnis bei den Menschen bezeichnen wollte. Oft hatte ihn Grunthe gefragt, wo diese Redensart herstammen wie er dazu käme. Dann hatte Ell immer nur still gelächelt und wiederholt: »Ko bate, das versteht ihr nicht, arme Menschen!« Diese Erinnerungen waren mit dem Wort in Grunthe wieder aufgetaucht. Er verhielt sich jetzt ganz ruhig.

Inzwischen hatte La ein Trinkgefäß herbeigeholt, mit dem wunderbaren Nektar der Martier gefüllt. Die Martier tranken stets durch einen mit Mundstück versehenen Schlauch, der in dem Gefäß befestigt war, und dieses Mundstück versuchte La jetzt Grunthe zwischen die Lippen zu schieben. Aber das war vergebliches Bemühen, Grunthe hielt sie fest geschlossen und wandte sein Gesicht zur Seite.

»Die Bate sind aber unliebenswürdige Geschöpfe«, sagte La lachend.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
820 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain

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