Kitabı oku: «Vom Kommen des Reiches Gottes», sayfa 2

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Es sei mit Nachdruck betont, dass hier von einer und nicht etwa verallgemeinernd von der Moderne die Rede ist. Das Problem hat bereits vor einem halben Jahrhundert Alois Grillmeier in seinem Münchener Vortrag Die Herrlichkeit Gottes auf dem Antlitz Jesu Christi. Zur Bild-Theologie der Väterzeit (1963) umrissen, der in erweiterter Fassung sein Buch Mit ihm und in ihm. Christologische Forschungen und Perspektiven (Freiburg i. Br. 1975) eröffnet, und zwar mit folgender Feststellung: »Ein Gespräch zwischen Künstlern und Theologen kann – über alle persönlichen Kontakte hinaus – in dem Maße zu gegenseitiger Anregung führen, als sich eine feste Brücke zwischen christlicher Kunst und Theologie schlagen läßt. Beiden kommt wohl die Notwendigkeit eines solchen Brückenschlages heute in gesteigerter Dringlichkeit zum Bewußtsein. Der gläubige Künstler fühlt mehr und mehr die Spannung zwischen den modernen Kunstrichtungen und dem religiösen Bildgehalt, den er darstellen soll. Er kann auch mit der ausschließlich zur Herrschaft gekommenen formalästhetischen Betrachtung des Bildes oder Bildwerkes nicht mehr zufrieden sein und muß eine philosophisch und theologisch unterbaute Bildtheorie fordern. Der Theologe aber – um vom Philosophen zu schweigen – muß verlegen gestehen, daß eine moderne Theologie des Bildes noch nicht erarbeitet ist.« Diesem Manko haben wir abgeholfen in Kreuz und Kairos. Eine eucharistische Grundlegung des Christusdogmas (Würzburg 2005), zunächst in Anlehnung an Grillmeiers Abhandlung Der Logos am Kreuz. Zur christologischen Symbolik der älteren Kreuzigungsdarstellung (München 1956), von der er später einige Kapitel in Die Herrlichkeit Gottes auf dem Antlitz Jesu Christi eingebaut hat. Doch sind wir nicht wie Grillmeier von Spätantike und Frühmittelalter ausgegangen, sondern von der Moderne – so im abschließenden Teil »III. Kreuz und Kairos: Drei Annäherungen: 1. Barnett Newman: Fourteen Stations of the Cross. Lema Sabachthani – eine Deklaration; 2. Miloslav Čelakovský: Kreuzesdarstellung (ohne Titel) – Versiegelung Christi; 3. Paul Klee: Das Lamm – die Entsiegelung Christi«. Kein Zufall, dass Newman, ein säkularisierter New Yorker Jude, der nach einer schweren Schaffens- und Gesundheitskrise seinen Kreuzweg malte, den antinominalistischen Charakter seiner Kunst betont. Denn dass die moderne Kunst subjektivistisch sei, wie Karl Barth empfand [wir kommen gleich darauf zurück], ist ein Vorurteil. Vielmehr ist die subjektive Reduktion, die reductio ad hominem, ein Wesenszug der neuzeitlichen Kunst und Philosophie; man könnte in der ästhetischen Moderne, von eher zweitrangigen Kunstwerken einmal abgesehen, wie auch in der modernen Philosophie – man denke an Wittgenstein – eher eine Umkehrung jener Reduktion im Zuge der sog. anthropologischen Wende der Neuzeit sehen. In diesem Sinne werden wir im Schlusskapitel dieses Buches, ausgehend von einschlägigen Überlegungen Edith Steins zum Begriff des Gehorsams sowie eigenen zur »Herrlichkeit Gottes auf dem Antlitz Jesu Christi« nach 2 Kor 3,4–4,6, zu einer theologischen Bestimmung des Begriffes Reich Gottes zu kommen suchen. Den Schlüssel zu einer theologischen Bildtheorie der Moderne lieferte freilich weniger die Christologie als vielmehr die Eschatologie, die Konstellation von Moderne und Apokalypse, wie sie Benjamin etwa in seinen Aufzeichnungen zum Passagen-Werk verzeichnet. Weit mehr als in der Bilderwelt des 19. Jahrhunderts, dem Benjamins Interesse in erster Linie gilt, hat jene Konstellation zwischen beiden Kriegen ihre Bestätigung erfahren und ihren Niederschlag vor allem in den Werken der »drei großen – Kraus, Kafka und Klee – gefunden, denen wir einen kleinen Exkurs widmen, und zwar nicht, weil ihre Namen in eine Hagiographie gehörten; viel zu widersprüchlich bzw. zu einseitig ihrer Kunst verpflichtet erscheint ihr Leben, als dass von ihm ein besonderes Licht ausginge. Vielmehr fällt das Licht der Offenbarung auf ihr Werk, in dem jedes auf seine Weise die finstersten Abgründe unserer Zeit erhellt; insofern buchstäblich ein Stück Apokalypsis (= Enthüllung, Offenbarung) verkörpert. Man könnte jene Namen durchaus um weitere ergänzen. So hat der frühe Chagall in La caduta dell’angelo (Der Sturz/Fall des Engels) [Öl auf Leinwand, 1923–1933–1947] mit den entsprechenden Variationen aus den Jahren 1933/34 ein Epochenbild geschaffen. Dann wäre Olivier Messiaen (1908–1992) zu nennen, dessen Quartett auf das Ende der Zeit mit dem wunderbaren Schlusssatz 1940 in deutscher Kriegsgefangenschaft entstand; auch spätere Kompositionen wie für Holz- und Blechbläser mit Schlagzeug Et exspecto resurrectionem mortuorum (1964). Auch eine zeitgenössische Komponistin wie Sofia Gubaidulina, auf deren Johannes-Passion wir kurz eingehen. Und nicht zuletzt Galina Ustwolskaja (1919–2006), über Messiaen hinaus die einzige Komponistin, der die Vertonung der Apokalypse gelungen ist, so in der Komposition Nr. 1 »Dona nobis pacem« (1972), in der Komposition Nr. 2 »Dies irae« (1972/73), Komposition Nr. 3 »Benedictus, qui venit« (1974/75), Sinfonie Nr. 2 » wahre, ewige Seligkeit!« (1979), Sinfonie Nr. 3 »Jesus Messias, errette uns!« (1983), einer Anrufung, die in Sinfonie Nr. 4 (1985/87) wie zuvor mit knappen Worten von Hermann dem Lahmen (Hermannus contractus, 1013–1054) untermauert wird. Schließlich in Sinfonie Nr. 5 »Amen« die Vertonung des Vaterunsers.

Verständlich, dass sich einer hedonistisch gestimmten (Post-)Moderne der theologische Gehalt einer Musik nicht erschließt, deren unaufhörliches procedendo den Eindruck vermittelt, als ob ein Engelsheer ganze Panzerarmeen niederwalzte. So vermerkt jüngst die Musikwissenschaftlerin Anja Städtler in ihrem Essay Kunst und Ethik. Spiritualität als Grundlage des Schaffens bei Komponistinnen und Komponisten aus dem Osten Europas (Sonderbeilage der NZZ zum Lucerne Festival Sommer 2012 unter dem Thema »Glaube« [9. August 2012], 3) anlässlich der Aussage der Komponistin »Meine Musik ist geistig, aber nicht religiös«, damit bringe sie »zum Ausdruck, dass sie ihre Kunst als individuelle Angelegenheit und individuellen Schöpfungsakt verstanden wissen will, der einen spirituellen Hintergrund hat, aber nicht mit traditionellen, kirchlichen Formen und Ritualen gleichgesetzt werden soll«. Zunächst ist dazu anzumerken, dass jegliche große Musik, auch tiefreligiöse, auf einem »individuellen Schöpfungsakt« beruht, und zwar aus dem rein theologischen Grund, weil jedwedes Charisma einem Einzelnen, also einem Individuum zugeteilt wird, auch wenn das daraus resultierende Wirken der Allgemeinheit dient. [Ein Pianist etwa, der zeitlebens nur für sich spielte, wäre eine ähnlich absurde Figur wie ein Beter, der lediglich für sich betete.] Außerdem lautet das Zitat genau: »Meine Werke sind zwar nicht religiös im liturgischen Sinne, aber vom religiösen Geist erfüllt, und – wie ich es empfinde – sie würden am besten in einem Kirchenraum erklingen, ohne wissenschaftliche Einführungen und Analysen. Im Konzertsaal, also in ›weltlicher‹ Umgebung klingen sie anders …« (Galina Ustwolskaja, Musikverlag Hans Sikorski, Hamburg 2006, 7). Allein ein Blick auf die oben genannten Titel zeugt von dem religiösen, ja hochtheologischen Charakter ihrer Musik. Dass sich bei deren Aufführung Galina Ustwolskaja »wissenschaftliche Einführungen und Analysen« verbeten hat, liegt auf der Hand in Anbetracht der massiven Unkenntnis des Liturgischen unter einigen Musikwissenschaftlern: Nicht nur würde ihr Benedictus aufgrund seiner Überlänge in keinem Sanctus aufgehen; vielmehr verweist Viktor Suslin in seinem Vorwort auf den Komponisten Boris Tischtschenko, auf dessen Vergleich der »›Dichte‹ ihres Stils mit dem gebündelten Licht des Laserstrahls, der in der Lage ist, Metall zu durchdringen« (vgl. ebd. 6). M. a. W., die Gemeinde wäre bei dem anschließenden eucharistischen Hochgebet, dem Höhepunkt der gesamten Liturgie, so verstört, dass so etwas wie eine innere Sammlung gar nicht zu denken wäre; ganz abgesehen davon, dass nach dem neueren Liturgieverständnis der katholischen Kirche die Gemeinde zu einer participatio actuosa, also zu einer aktiven Mitfeier der Liturgie, gehalten ist. Was schließlich die orthodoxe Liturgie betrifft, so beruht deren Gestaltung auf dem Chorgesang, den Ustwolskajas Musik so wenig kennt wie jene die Instrumentalmusik.

Allerdings hat auch die neuere Theologie kaum ein Verhältnis zur Moderne noch zur ureigenen neutestamentlichen Eschatologie gefunden. Bezeichnenderweise blieb in Karl Barths Dogmatik die Eschatologie ungeschrieben. »Sicher sei nur, dass er sie unter den Titel der ›Apokalypsis‹ stellen würde.« Und es klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte, wenn Barth anschließend gegenüber seinem letzten Assistenten Eberhard Busch, der nach ihr fragte, bekennt: »Wenn der Hitler nicht dazwischen getreten wäre und ihn so lange in Atem gehalten hätte, dann wäre er vielleicht noch mit der Dogmatik fertig geworden.« (Busch, Meine Zeit mit Karl Barth, 444) Dabei hätte jene Zeit nicht nur reichlich Anschauungsunterricht für seine »Apokalypsis« geboten. Vielmehr entsprach sie der Apokalypsis, wie sie in Klees Bilderwelt und in Kafkas Schriften zum Ausdruck gelangt. Nicht nur dass Barth vor Kafkas Schloss-Fragment kapituliert (vgl. ebd. 512). »Er verstehe diese moderne Kunst einfach nicht« (ebd. 402). Denn »die modernen Gedichte, die er durchweg nicht mag, die modernen Bilder und Musikstücke, das alles sei anscheinend zu verstehen als ein endloses Sichausbreiten und Sichernstnehmen einer individualistischen Subjektivität.« Wäre dem so, so könnte bereits von ihr im Hinblick auf die Genieästhetik der Vormoderne die Rede sein. Doch um bei der modernen Prosa zu verbleiben – allein hier wird die individuelle Erfahrungswelt auf das Kommende hin überschritten. Kaum zufällig setzt Adalbert Stifters letzte Erzählung Aus dem bairischen Walde nach einem langgezogenen Spätsommer (»Der October war so sonnig und warm, wie ich selten einen erlebt hatte«) mit einem fulminanten Wintereinbruch ein, so dass »achtzigjährige Männer sagten, daß sie das nie erlebt hätten«. Und der Erzähler scheint über die Jahrhundertschwelle hinwegzuschauen, wenn er konstatiert: »Man konnte nur das Toben anschauen und hatte keine Ahnung, wohin das führen werde.« (Vgl. Sämtliche Erzählungen Bd. II, 1526 ff.) Wo Stifter endet, da beginnt Kafkas Schloss-Fragment mit den Worten: »Es war spät abends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloß an.« Nicht etwa Europas Landkarte sollte Kafkas Landvermesser neu vermessen; das war kurz zuvor in Versailles und Trianon geschehen. Sondern »das Reich des Fragwürdigsten«, das Reich des Todes, von dem Heideggers Philosophie Zeugnis ablegt: »die verborgene Geschichte der großen Stille«, die sich bald über Europa herabsenken wird. Von ihr zeugt nicht allein die große Literatur der Moderne, mehr noch die Musik in der »Detonation des Schweigens«, wie es im musikalischen Schaffen Galina Ustwolskajas zum Ausdruck gelangt, und zwar durch einen doppelten Bruch und die daraus resultierende persönliche Isolation bestimmt: einmal durch den Bruch mit ihrem Lehrer Schostakowitsch, dessen Heiratsantrag sie empört zurückwies; dann durch ein mehrjähriges Schweigen infolge des mysteriösen Todes eines befreundeten Komponisten Anfang der sechziger Jahre. Dass sie danach nicht einfach ihre frühere, durchaus eigenständige Kompositionsweise fortsetzte oder gar aus einer inneren Trauer heraus der schwermütigen Musik des von ihr verehrten Schubert nacheiferte, liegt auf der Hand: Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahre 1968 schien die Sowjetherrschaft nach innen wie außen auf unabsehbare Zeit so gefestigt und die politische Eiszeit im sog. Kalten Krieg auf ihren Höhepunkt gelangt, dass es letzthin nur die Wahl gab zwischen einer resignierenden Unterwerfung bzw. einem melancholischen Rückzug ins eigene Innere oder aber einem Voran, ebenjenem Ton eines unablässigen procedendo, den ihre Kompositionen im Geiste der christlichen Apokalyptik in den folgenden Jahren anschlagen werden, um den zerstörerischen Mächten ihrer Zeit den Untergang, den Dies Irae, zu verkünden. Dass es sich hierbei nicht um Kirchenmusik im herkömmlichen Sinne handelt, liegt auf der Hand: Keine Glocken können so laut läuten, kein Chor so laut singen und keine Orgelregister gezogen werden, wie jene Cluster auf dem Klavier ertönen, wie jene Pauken- und Posaunenklänge oder Sirenenklänge der Streicher, die das Nahen des Gerichts bzw. das Benedictus dessen, der da kommt, ankündigen. Denn anders als ein fader christlicher Humanismus, der seinen Frieden mit der Welt geschlossen hat, in unseren Tagen glaubt, hat die Apokalypse nur zu fürchten, wer das Gericht zu fürchten hat; nicht umsonst heißt es schon bei dem Propheten Jesaja: »Denn dein Gericht ist ein Licht für die Welt, / die Bewohner der Erde lernen deine Gerechtigkeit kennen.« (Jes 26,9b) Und wie eine Antwort auf die Komposition Nr. 1 »Dona nobis pacem« kurz darauf: »Herr, du wirst uns Frieden schenken; denn alles, was wir bisher erreichten, hast du für uns getan.« (Jes 26,12) Daher kennt Ustwolskajas Musik Phasen der Stille wie kaum eine andere; ja alle Kompositionen enden nicht in einem Klangchaos oder münden einer klassischen Sinfonie gleich in ein dramatisches Finale, sondern in ein Schweigen, das der Erwartung des Kommenden Raum gibt; der Erwartung Dessen, der das Werk der Erlösung vollendet.

Deshalb begrüßt auch der heilige Johannes in seiner brieflichen Einleitung zur Apokalypse die sieben Gemeinden in der Provinz Asien: »Gnade sei mit euch und Friede von Ihm, der ist und der war und der kommt« (Offb 1,4), weil es für Christen keinen anderen Frieden geben kann als von dem kommenden Gott her, mögen sie noch so sehr dazu neigen, mit ihrer Welt, mit ihrer Zeit Frieden zu schließen und das Kommen ihres Gottes in dieser Zeit zu übersehen. Denn mochte es für eine Galina Ustwolskaja noch so aussichtslos erscheinen, in jenen Jahren an der Arbeit an ihren apokalyptisch akzentuierten Kompositionen auf einen politischen oder gesellschaftlichen Wandel zu hoffen; ja trennte einen Karl Kraus, als er 1908 Apokalypse (Offener Brief an das Publikum) schrieb, nur wenige Jahre von dem Ersten Weltkrieg – eines sollte sich nicht allein der Christ vor Augen führen, wenn er auf die letzten hundert Jahre zurückblickt, in denen mehr Leid angehäuft worden ist als je zuvor in der Geschichte: Nahezu alle Weltmächte sind seitdem verschwunden oder gewissermaßen auf ihr Normalmaß zurückgestutzt worden: zunächst Preußen und Österreich-Ungarn, später das Britische Empire und die Kolonialmächte, das Italien Mussolinis und das Tausendjährige Reich Hitlers, zuletzt die Sowjetunion; und die noch vor 20 Jahren als »unilaterale« Weltmacht dastehenden Vereinigten Staaten von Amerika versinken im Schuldensumpf, aus dem auch das neue Europa kaum hinausfindet; schließlich dürfte kaum jemand auf die aufstrebende Wirtschaftsmacht China Wetten abschließen, die einmal dort stehen könnte, wo sich das in den achtziger Jahren aufstrebende Japan heute befindet. – Wie sich aber nach dem alttestamentlichen Buch Daniel in des Propheten Auslegung von Nebukadnezzars Traum von den Weltreichen ein kleiner Stein von einem Abhang löst und das große, im Traum geschaute Standbild, den Inbegriff aller Weltreiche, vernichtet, so entfaltet das Reich Gottes, so unscheinbar es wirken mag, seine Kraft durch die Geschichte: »Zur Zeit jener Könige wird aber der Gott des Himmels ein Reich errichten, das in Ewigkeit nicht untergeht; dieses Reich wird er keinem anderen Volk überlassen. Es wird all jene Reiche zermalmen und endgültig vernichten; es selbst aber wird in alle Ewigkeit bestehen. Du hast ja gesehen, dass ohne Zutun von Menschenhand ein Stein vom Berg losbrach und Eisen, Bronze und Ton, Silber und Gold zermalmte. Der große Gott hat den König einst wissen lassen, was dereinst geschehen wird. Der Traum ist sicher und die Deutung ist zuverlässig.« (Dan 2,44 f.) Bis in unsere Zeit hat sie ihre Bestätigung erfahren, mögen sich jene Reiche auch heutzutage mit Stahl vergleichen oder ihr Gewicht mit Dollarnoten oder Derivaten aufzuwiegen suchen, die am Ende nicht einmal das Papier wert sind.

In der Verkennung des Kommens Gottes bzw. des Reiches Gottes liegt die eigentliche Schwäche einer Christenheit, die sich, um zu überdauern, in der Vergangenheit der Protektion historischer Mächte unterstellte, in neuerer Zeit gar Ideologien und Philosophien andiente, selbst wenn deren Repräsentanten – wie etwa Hegel – die Rede vom Reich Gottes lediglich mit Spott bedachten, oder – wie Heidegger – seinen Platz »das Reich des Fragwürdigsten« einnehmen ließen. Es ehrt die Christen der ersten Jahrhunderte, dem widerstanden zu haben. So vermerkt Laktanz, ein christlicher Autor des 4. Jahrhunderts, den noch als Heiden Kaiser Diokletian, der letzte große Christenverfolger, als Lehrer der lateinischen Beredsamkeit in seine neue Hauptstadt Nikomedien berief, in seinem Abriss der göttlichen Unterweisungen, die Christen sollten sich mit aller Kraft und Geduld bemühen, Gott die Treue zu halten. »Der Tod darf uns nicht schrecken noch der Schmerz uns beugen; wir müssen die Kraft des Geistes und die Standhaftigkeit unerschütterlich bewahren.« Dieser Widerstand ist es, der nicht aus eigener Kraft erfolgt als vielmehr aus der »Kraft des Geistes«, der dessen Wirken in der Geschichte Rechnung trägt, mögen auch die Zeiten dagegensprechen, die Mächte des Untergangs anscheinend triumphieren. Resistenza (Résistance, Widerstand) lautet bezeichnenderweise der Titel gleichsam eines Epochengemäldes Chagalls aus den Jahren 1937–1948 (Öl auf Leinwand, Nizza, Musée national), das eine Welt in Auflösung zeigt – doch mittendrin der gekreuzigte Christus als einzigen Fixpunkt. Keine andere Ordnung ist einer Zeit mehr gegeben, die ihre raison d’être in der Auflösung aller Ordnung erblickt, in Erhebung und Fall – und nicht in Widerstand und Ergebung, wie das theologische Vermächtnis Dietrich Bonhoeffers überschrieben ist. Ganz in diesem Geiste der Widerstand einer Ustwolskaja, der sich nicht auf sich selbst beruft, sondern in Sinfonie Nr. 3 im Ausruf: »Jesus Messias, errette uns!« gründet.

Der Verkennung des göttlichen bzw. des messianischen Wirkens in der Gegenwart im Zuge einer historistischen Geschichtsauffassung korrespondiert die Verkennung des Diabolischen in der Geschichte im Geiste der Aufklärung, durch deren Reduktion der Religion auf Moral alles, was mit Teufel oder Hölle zusammenhängt, ins Reich der Phantasie verwiesen wird. Schon Hegel befand mit Blick auf eine nominalistische Theologie, selbst die Lehre von der ewigen Seligkeit und der ewigen Verdammnis seien lediglich »Worte, die in sogenannter guter Gesellschaft nicht gebraucht werden dürfen; solche Ausdrücke gelten für – ἄρρτα. Wenn man sie auch nicht leugnet, so wäre man doch geniert, sich darüber zu erklären.« (Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Bd. 3, 68)

Mehr als phantasielos, geradezu grotesk mutet es daher an, wenn in einem Zeitalter, in dem mehr Menschenleben vernichtet wurden als je zuvor, Theologen »Abschied vom Teufel« (Herbert Haag) nehmen wollen oder über die Existenz der Hölle streiten. Wie real diese ist, mag ein Blick in das von dem britischen Historiker Antony Beevor edierte Kriegstagebuch des großen Romanciers Wassili Grossman belegen, dessen Stalingradroman Leben und Schicksal vom sowjetischen Geheimdienst konfisziert wurde. Grossman selbst blieb nur deshalb verschont, weil er als Kriegsberichterstatter der Armeezeitschrift Roter Stern äußerst populär war. Obschon weder Parteimitglied noch von soldatischer Statur, hat er an vorderster Front erst den Rückzug, dann den Vormarsch der Roten Armee begleitet, erlebte auf einem nur drei Kilometer breiten Landstreifen an der Wolga die Schlacht um Stalingrad mit, hatte also zahlreiche Menschen leiden und sterben gesehen und zudem die Ermordung seiner Mutter bei dem Massaker von Babi Jar zu verkraften. Was jedoch Grossman nach, wohlgemerkt nach der Befreiung des KZ Treblinka zu sehen bekam, ließ ihn nach seinem Bericht für Monate verstummen. »Und mir scheint«, heißt es am Ende, »das Herz müsste mir stehen bleiben, zusammengepresst von solcher Trauer und solchem Leid, die kein Mensch ertragen kann.« (Beevor, Ein Schriftsteller im Krieg, 377) Wie Beevor abschließend anmerkt, sei es »nicht verwunderlich, dass Grossman dieser Tortur nicht gewachsen war. Als er im August [1944] nach Moskau zurückkehrte, befiel ihn eine schwere Nervenkrise.« Denn was er zu Augen bekam – das ist die Hölle, gemäß dem Diktum Kafkas, es gebe nichts Teuflischeres als das, was ist.

Allein deshalb hat die Theologie in ihrer Methodik der Wirklichkeit Rechnung zu tragen, statt sich in Interpretationen, in die Philologie irgendwelcher Lesarten zu flüchten, die oft genug nicht einmal den überlieferten Texten gerecht werden, geschweige denn der Offenbarung, die in der Wirklichkeit statthat und so real ist, wie nur das Kreuz Christi real ist. Allein von hier aus hat eine Deutung der Geschichte zu erfolgen, nicht nach unseren Vorgaben und Maßgaben; allein von hier aus hat nicht allein der Geschichtsschreiber zu gewärtigen: »Der Messias kommt ja nicht nur als der Erlöser; er kommt als der Überwinder des Antichrist.«

Dass sich zu dieser Einsicht Benjamins – von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen – die zeitgenössische Theologie kaum durchrang, ist eine Sache; eine andere die, dass schon nach Benjamins Tod der heute herrschende Zeitgeist den Ton angab. Sollte doch in den folgenden Jahrzehnten vollauf seine Bestätigung finden, was Brecht in seinem Arbeitsjournal vom August 1941 vermerkt, nachdem er »die letzte arbeit« Benjamins, von dessen Tod er gerade erfahren hat, in den Händen hält: »günther stern [Günther Anders] gibt sie mir mit der bemerkung, sie sei dunkel und verworren, ich glaube, das Wort ›schon‹ kam darin vor.« Und nach ihrer Lektüre das Resümee: »– kurz, die kleine Arbeit ist klar und entwirrend (trotz aller metaphorik und judaismen), und man denkt mit schrecken daran, wie klein die anzahl derer ist, die bereit sind, so was wenigstens mißzuverstehen.« (B. Brecht, Arbeitsjournal. Erster Band 1938 bis 1942, hrsg, von W. Hecht, Frankfurt am Main 1973, 294) Dabei ist es bis heute geblieben, mag die Benjamin-Literatur auch ins Unabsehbare angewachsen sein. Mehr denn je findet Benjamins Feststellung am Ende der ersten These Über den Begriff der Geschichte ihre volle Bestätigung von der Theologie, »die heute bekanntlich klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen«. (GS I.2, 693) Dem kommt die Theologie insofern entgegen, als sie es aufgegeben hat, die Zeichen der Zeit zu deuten – im Licht der Offenbarung des kommenden Gottes. Eher zieht es einen in die Vergangenheit zurück.

So hat jüngst Rémi Brague, der Inhaber des Münchener Guardini-Lehrstuhls, im Fazit seines Aufsatzes über Das Scheitern des Atheismus die Forderung erhoben: »Wir brauchen ein neues Mittelalter. Oder: Wir müssen dem neuzeitlichen Versuch, sich vom Mittelalter loszusagen, den Garaus machen. Wir brauchen ein echtes Mittelalter, auf keinen Fall dagegen das Zerrbild, das die Neuzeit daraus gemacht hat, um sich zu rechtfertigen. Ja, wir brauchen ein Mittelalter, das den Errungenschaften der Neuzeit positiv nachkommt und sie in eine neue Synthese integriert.« (Internationale Katholische Zeitschrift Communio 41 [2012], 279–288, hier 287) Gegen jenes Zerrbild ist bereits vor einem Menschenalter der Scheler-Schüler Paul Ludwig Landsberg angegangen in seiner Schrift Die Welt des Mittelalters und wir. Ein geschichtsphilosophischer Versuch über den Sinn eines Zeitalters (Verlag von Friedrich Cohen, Bonn 1922); auch täte zumal unserer Zeit eine Rückbesinnung auf den mittelalterlichen Ordo-Begriff durchaus gut.

Nun hat Romano Guardini, ausgehend vom »Daseinsgefühl und Weltbild des Mittelalters« wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ein kleines Buch verfasst unter dem Titel Das Ende der Neuzeit. Ein Versuch zur Orientierung (Basel 1950; hier zit. nach der Werkbund-Ausgabe, Würzburg o. J. [1950]). Bemerkenswerterweise dachte Guardini zunächst an eine Studie zu Pascal, der anders als sein Zeitgenosse und Gegner Descartes nicht in seiner Zeit aufging, doch ist daraus ein Epochenbild geworden, das Bild einer im Untergang begriffenen Epoche. Entscheidend ist die Lossage des neuzeitlichen Menschen von der Offenbarung, um sein Dasein auf sich selbst zu begründen, ohne aber solche Werte wie die Freiheit und Einzigartigkeit der menschlichen Person, die sich ihr verdanken, zu verneinen. Auch wenn, ja weil es nach Guardini keine Rückwendung zum Mittelalter im Sinne der Romantik geben kann, müsse der Nicht-Glaubende »aus dem Nebel der Säkularisation heraus«, wie schon Nietzsche den Nicht-Christen gewarnt habe, dieser »habe noch gar nicht erkannt, was es in Wahrheit bedeute, ein solcher zu sein.« (110) Guardini geht dabei weder der Zweideutigkeit des modernen Menschenwesens nach noch der »Dialektik der Aufklärung«; ja nicht einmal – wie zehn Jahre zuvor Benjamin in seinen Aufzeichnungen Über den Begriff der Geschichte – von den zurückliegenden Katastrophen. Ausgehend von der Offenbarung, könnte man von einem Offenbarwerden des Menschen sprechen. »Wenn wir die eschatologischen Texte der Heiligen Schrift richtig verstehen«, heißt es abschließend, »werden Vertrauen und Tapferkeit überhaupt den Charakter der Endzeit bilden. Was umgebende christliche Kultur und bestätigende Tradition heißt, wird an Kraft verlieren. Das wird zu jener Gefahr des Ärgernisses gehören, von welcher gesagt ist, daß ihr, ›wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten erliegen würden‹ (Mt 24,24).« Obgleich die Endzeit, neutestamentlich gesehen, die gesamte Christuszeit umfasst, erkennt Guardini mit dem Ende der Neuzeit eine dramatische Zuspitzung: »Die Einsamkeit im Glauben wird furchtbar sein. Die Liebe wird aus der allgemeinen Welthaltung verschwinden (Mt 24,12). Sie wird nicht mehr verstanden noch gekonnt sein. Um so kostbarer wird sie werden, wenn sie vom Einsamen zum Einsamen geht; Tapferkeit des Herzens aus der Unmittelbarkeit zur Liebe Gottes, wie sie in Christus kund geworden ist. Vielleicht wird man diese Liebe ganz neu erfahren: die Souveränität ihrer Ursprünglichkeit, ihre Unabhängigkeit von der Welt, das Geheimnis ihres letzten Warum. Vielleicht wird die Liebe eine Innigkeit des Einvernehmens gewinnen, die noch nicht war. Etwas von dem, was in den Schlüsselworten für das Verständnis der Vorsehungsbotschaft Jesu liegt: daß um den Menschen, der Gottes Willen über Sein Reich zu seiner ersten Sorge macht, die Dinge sich wandeln (Mt 6,33).« Dabei konnte Guardini schwerlich Edith Steins Kreuzesliebe kennen, die damit ernst machte. Denn was Guardini im letzten Abschnitt mit Blick auf die Zukunft zu erkennen glaubt, das ist in Edith Steins Leben sowie im Leben und Sterben vieler anderer Christen in den Jahren zuvor bereits Wirklichkeit geworden. »Dieser eschatologische Charakter wird sich, scheint mir, in der kommenden religiösen Haltung anzeigen. Damit soll keine wohlfeile Apokalyptik verkündet werden. Niemand hat das Recht zu sagen, das Ende komme, wenn Christus selbst erklärt hat, die Dinge des Endes wisse der Vater allein (Mt 24,36). Wird also hier von einer Nähe des Endes gesprochen, so ist das nicht zeithaft, sondern wesensmäßig gemeint: daß unsere Existenz in die Nähe der absoluten Entscheidung und ihrer Konsequenzen gelangt; der höchsten Möglichkeiten wie der äußersten Gefahren.« Das freilich gilt für eine christliche Existenz von Anbeginn, nicht zuletzt aber für die zurückliegenden Jahre, die »das Ende der Neuzeit« markieren. Und wenngleich niemand das Recht habe, zu sagen, das Ende komme, so besitzt seine Erwartung durchaus eine »zeithafte«, also temporäre Bedeutung, insofern im kommenden Gott die ontologische Ordnung durchbrochen wird, wie auch mit Blick auf die »Offenbarung [apokalypsis] Jesu Christi« (Offb 1,1), also auf den Anfang der Apokalypse, Erik Peterson in seiner Auslegung der Offenbarung des Johannes (vgl. 14) auf den »eigenartigen Doppelsinn« hingewiesen hat; es heiße »eben nicht einfach Enthüllung Jesu Christi in seiner Zukunft, in seiner Parusie, sondern das heißt zugleich auch Offenbarung, die er seinen Knechten und im besonderen seinem Knecht Johannes schon jetzt hat zuteil werden lassen«. Über seine Zeit hinaus gilt die Aktualität des ihm Offenbarten, wie Johannes selbst bezeugt: »Dieser hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt: alles, was er geschaut hat. Selig, wer diese prophetischen Worte vorliest und wer sie hört und wer sich an das hält, was geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.« (Offb 1,2 f.) Dass die Zeit nahe ist, folgt also nicht etwa aus menschlicher Spekulation, sondern aus prophetischer Einsicht in die Aktualität des Messianischen. Ist doch die messianische Welt »die Welt allseitiger und integraler Aktualität« (vgl. GS I.3, 1235), wie Benjamin in Neue Thesen K, im Rahmen seiner Aufzeichnungen Über den Begriff der Geschichte notiert. Die Aktualität der messianischen Botschaft vom Kommen des Reiches Gottes bewusstzumachen, wie sie nahezu alle neutestamentlichen Texte bekunden, bildet das zentrale Anliegen der vorliegenden Abhandlung, ganz entgegen den bis in die zeitgenössische Theologie hinein vorherrschenden Zeitauffassungen zumal Hegels und Heideggers, die dem christlichen Begriff der messianischen bzw. eschatologischen Zeit völlig inkompatibel, ja konträr sind, wie nicht zuletzt aus den Lebenszeugnissen und dem Martyrium Edith Steins ersichtlich wird. Ganz im Gegensatz zum Geist ihrer Zeit wie dem Geist unserer Zeit, der zwischen Selbstübersteigerung und Nietzsches »Lust am Selbstuntergang« taumelt, konstatiert sie, dass die Kreuzesnachfolge Christi »eine starke und reine Freudigkeit« gebe, und die es dürften und könnten, »die Bauleute an Gottes Reich«, seien »die echtesten Gotteskinder« (vgl. GT II, 113).

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