Kitabı oku: «Gösta Berling: Erzählungen aus dem alten Wermland», sayfa 4
Das Weihnachtsfestmahl
Am Weihnachtstage gibt die Majorin Samzelius ein großes Festmahl auf Ekeby.
Da sitzt sie als Wirtin an ihrem Tisch, der für fünfzig Gäste gedeckt ist. Sie sitzt dort in Glanz und Herrlichkeit; der kurze Pelz, das gestreifte Kleid aus Beiderwand, die Tonpfeife sind verschwunden. Seide umrauscht sie, Gold ziert ihre Arme, Perlen kühlen ihren weißen Hals.
Wo aber sind die Kavaliere, wo sind die, die auf dem schwarzen Fußboden der Schmiede aus dem blanken Kupferkessel auf das Wohl der neuen Besitzer von Ekeby tranken?
In einer Ecke am Ofen sitzen die Kavaliere an einem Tisch für sich; heute ist kein Platz für sie an der großen Tafel. Zu ihnen gelangen die Speisen spät und die Weine spärlich, zu ihnen fliegen nicht die Blicke der schönen Damen hinüber, niemand lauscht dort Göstas Scherzen.
Die Kavaliere gleichen aber gezähmten Füllen, matten Raubtieren. Nur eine Stunde Schlaf hatte die Nacht für sie, dann fuhren sie beim Fackel- und Sternenschein zur Frühmesse. Sie sahen die Weihnachtskerzen, sie hörten die Weihnachtslieder, ihre Mienen wurden wie die sanfter Kinder. Sie vergaßen die Christnacht in der Schmiede, wie man einen bösen Traum vergißt.
Groß und mächtig ist die Majorin auf Ekeby. Wer wagt es, seinen Arm zu erheben, um sie zu schlagen, wer wagt es, den Mund zu öffnen, um gegen sie zu zeugen? Sicherlich nicht die armen Kavaliere, die jahrelang ihr Brot gegessen und unter ihrem Dach geschlafen haben. Sie setzt sie hin, wo es ihr beliebt, sie kann ihnen die Tür verschließen, wenn sie will, und sie können sich nicht einmal ihrer Macht entziehen. Gott steh ihnen bei! Fern von Ekeby können sie nicht leben.
An dem großen Tisch genießt man das Leben; dort strahlen Marianne Sinclaires schöne Augen, dort klingt das fröhliche Lachen der munteren Gräfin Dohna.
Bei den Kavalieren aber ist es still. Wäre es nicht recht und billig, wenn sie, die um der Majorin willen in den Abgrund gestürzt werden sollen, an demselben Tische säßen wie ihre anderen Gäste? Was für eine beschämende Einrichtung ist dies mit diesem Tisch unten in der Ofenecke? Als ob die Kavaliere nicht würdig seien, an der Gesellschaft der Honoratioren teilzunehmen!
Die Majorin brüstet sich, wie sie da zwischen dem Grafen auf Borg und dem Probst zu Bro sitzt. Die Kavaliere lassen die Köpfe hängen wie Kinder, die in die Ecke gestellt sind. Und währenddes fangen die Gedanken der Nacht an, bei ihnen zu erwachen.
Gleich scheuen Gästen kommen die munteren Einfälle, die lustigen Lügengeschichten zu dem Tisch in der Ecke. Dort halten der Zorn der Nacht, die Gelübde der Nacht ihren Einzug in die Gehirne. Wohl macht Patron Julius dem starken Hauptmann, Christian Bergh, weis, daß die gebratenen Haselhühner, die jetzt am großen Tisch herumgereicht werden, nicht für alle Gäste ausreichen, aber dieser Einfall ruft kein munteres Lachen hervor.
»Sie können nicht ausreichen«, sagt er. »Ich weiß, wie viele da waren. Aber deswegen ist man nicht in Verlegenheit, Hauptmann Christian, man hat für uns hier an dem kleinen Tisch Krähen gebraten.«
Aber Oberst Beerencreutz’ Lippen kräuseln sich nur zu einem matten Lächeln unter dem wüsten Schnurrbart, und Gösta sieht den ganzen Tag hindurch aus, als gehe er mit dem Gedanken um, irgend jemand totzuschlagen.
»Ist nicht jegliches Essen gut genug für die Kavaliere?« fragt er.
Da gelangt denn endlich eine hochgetürmte Schale voll prächtiger Haselhühner an den kleinen Tisch.
Aber Hauptmann Christian ist wütend. Hat er nicht den ganzen Haß seines Lebens den Krähen geweiht, diesen abscheulichen, schreienden Geschöpfen. So bitter war sein Haß, daß er im Herbst Frauengewänder anlegte und sich zum Gespött für alle machte, nur um bis auf Schußweite an sie heran zu gelangen, wenn sie das Korn auf den Feldern verzehrten. Er überraschte sie im Frühling beim Liebestanz auf den kahlen Feldern und erschlug sie. Er suchte im Sommer ihre Nester auf und warf die schreienden, federlosen Jungen heraus oder vernichtete die halbausgebrüteten Eier.
Jetzt rückt er die Schale mit den Haselhühnern zu sich heran.
»Glaubst du etwa, daß ich die nicht kenne?« brüllt er dem Diener zu. »Glaubst du, daß ich sie krächzen hören muß, um sie zu kennen? Zum Teufel mit euch, Christian Bergh Krähen anzubieten! Zum Teufel, sage ich!«
Damit nimmt er ein Haselhuhn nach dem andern und schleudert es gegen die Wand. Sauce und Fett spritzen ringsumher. Die zermalmten Vögel prallen von der Wand ab und fliegen über den Fußboden hin. Und der ganze Kavalierflügel jubelt.
Da dringt die erzürnte Stimme der Majorin an das Ohr der Kavaliere: »Werft ihn zur Tür hinaus!« ruft sie den Dienern zu.
Aber das wagen diese nicht. Ist er doch Christian Bergh, der starke Hauptmann!
»Werft ihn zur Tür hinaus!«
Er hört den Ruf. Und schreckeinflößend in seinem Zorn wendet er sich nun an die Majorin, wie sich ein Bär von einem gefallenen Feind gegen den neuen Angreifer wendet. Er tritt an den hufeisenförmig gedeckten Tisch. Der Fußboden erbebt unter den Schritten des Riesen. Er bleibt ihr gegenüber stehen, den Tisch zwischen sich und ihr.
»Werft ihn zur Tür hinaus!« ruft die Majorin noch einmal.
Er aber ist rasend; seine gerunzelte Stirn, seine grobe, geballte Faust sind schrecklich zu schauen. Er ist groß wie ein Riese, stark wie ein Riese. Gäste und Diener zittern und wagen nicht, Hand an ihn zu legen. Wer sollte es auch wohl wagen, jetzt, wo ihm der Zorn den Verstand geraubt hat?
Er steht der Majorin gerade gegenüber und droht ihr. »Ich schleuderte die Krähen gegen die Wand. Hatte ich nicht ein Recht dazu?«
»Hinaus mit dir, Hauptmann!«
»Du Weibsbild! Christian Bergh Krähen zu bieten! Handelte ich gegen dich, wie du es von Gottes und Rechts wegen verdienst, so nähme ich dich mitsamt deinen sieben Teufeln …«
»Bei allen Teufeln, Christian Bergh, untersteh dich nicht zu fluchen – hier darf nur ich allein fluchen.«
»Glaubst du, daß ich mich vor dir fürchte, du Hexe? Glaubst du, daß ich nicht weiß, woher du deine sieben Besitztümer hast?«
»Schweige, Hauptmann!«
»Als Altringer starb, gab er sie deinem Mann, weil du seine Liebste gewesen warst.«
»Schweig, sage ich dir!«
»Weil du eine so treue Gattin gewesen warst, Margarete Samzelius. Und der Major nahm die sieben Güter ruhig an und überließ dir die Verwaltung und tat, als wisse er von nichts. Und der Teufel hat die ganze Geschichte angezettelt. Jetzt aber soll es ein Ende haben mit dir!«
Die Majorin setzt sich, sie ist bleich, sie zittert am ganzen Leibe. Dann bestätigt sie seine Worte mit einer sonderbar leisen Stimme: »Ja, jetzt ist es aus mit mir, und das ist dein Werk, Christian Bergh!«
Bei dem Ton erbebt der starke Hauptmann; seine Züge verzerren sich, Tränen der Angst treten ihm in die Augen.
»Ich bin betrunken!« ruft er. »Ich weiß nicht, was ich sage, ich habe nichts gesagt. Hund und Sklave, Hund und Sklave und nichts weiter bin ich in diesen vierzig Jahren für sie gewesen. Sie ist Margarete Celsing, der ich mein ganzes Leben lang gedient habe. Ich sage nichts Böses von ihr. Sollte ich etwas über die schöne Margarete Celsing sagen? Ich bin der Hund, der ihre Tür bewacht, der Sklave, der ihre Lasten trägt. Sie kann mich schlagen, mich mit Füßen stoßen, aber ihr seht ja, daß ich schweige und leide. Ich habe sie vierzig Jahre lang geliebt. Wie sollte ich wohl etwas Schlechtes von ihr sagen!«
Und ein wunderlicher Anblick ist es, wie er sich ihr zu Füßen wirft und um Verzeihung bittet, und da sie an dem andern Ende des Tisches sitzt, geht er auf seinen Knien um den Tisch herum, bis er zu ihr gelangt; da beugt er sich herab, küßt den Saum ihres Gewandes und benetzt den Fußboden mit seinen Tränen.
Aber nicht weit von der Majorin sitzt ein kleiner, wohlbeleibter Mann. Er hat krauses Haar, kleine, schielende Augen und einen vorstehenden Unterkiefer. Er gleicht einem Bären. Ein wortkarger Mann ist er, er geht am liebsten seine eigenen Wege und kümmert sich nicht um die Welt und ihr Treiben. Das ist Major Samzelius.
Er erhebt sich, als er Hauptmann Christians letzte Worte hört, und die Majorin erhebt sich, und alle die fünfzig Gäste tun ein gleiches. Die Frauen weinen aus Angst vor dem, was da kommen wird. Die Männer stehen verzagt da, und zu den Füßen der Majorin liegt Hauptmann Christian und küßt den Saum ihres Gewandes, während seine Tränen den Fußboden netzen.
Die breite, behaarte Hand des Majors ballt sich langsam, er erhebt den Arm.
Sie aber redet zuerst. Es ist ein dumpfer Klang in ihrer Stimme, der ihr sonst fremd ist.
»Du hast mich gestohlen!« ruft sie aus. »Du kamst wie ein Räuber und nahmst mich. Daheim zwang man mich mit Hieben und Schlägen, mit Hunger und bösen Worten, dein Weib zu werden. Ich habe gegen dich gehandelt, wie du es verdienst.«
Die breite Faust des Majors hat sich geballt. Die Majorin zieht sich einen Schritt zurück. Dann spricht sie weiter: »Ein lebender Aal windet sich unter dem Messer, eine zur Ehe gezwungene Gattin schafft sich einen Liebhaber an. Willst du mich für das schlagen, was vor zwanzig Jahren geschah? Weshalb schlugst du mich damals nicht? Weißt du nicht mehr, daß er auf Ekeby wohnte und wir auf Sjö? Hast du vergessen, wie er uns aus unserer Armut half? Wir fuhren in seinem Wagen, wir tranken seinen Wein. Haben wir dir etwas verheimlicht? Waren nicht seine Diener unsere Diener? Füllte sein Gold nicht deine Taschen? Nahmst du die sieben Besitzungen nicht an? Damals hast du geschwiegen und alles angenommen; da hättest du dreinschlagen sollen, Berndt Samzelius, da hättest du dreinschlagen sollen!«
Der Mann wendet sich von ihr ab und sieht alle Anwesenden an. Er liest auf ihren Gesichtern, daß sie ihr recht geben, daß sie alle geglaubt haben, er habe Geld und Gut für sein Schweigen genommen.
»Ich wußte es nicht!« sagt er und stampft auf den Fußboden.
»Ein Glück, daß du es jetzt weißt!« unterbricht sie ihn mit schneidender Stimme. »Ich fürchtete, du würdest sterben, ohne es erfahren zu haben. Ein Glück, daß du es jetzt weißt, da kann ich offen mit dir reden, der du mein Herr und mein Gefängniswächter gewesen bist. So wisse denn, daß ich ihm doch angehört habe, dem du mich gestohlen hast. Alle, die mich verklatscht haben, sollen es wissen!«
Es ist die alte Liebe, die in ihrer Stimme jubelt, die aus ihren Augen strahlt. Sie sieht ihren Mann mit erhobener, geballter Faust vor sich stehen. Entsetzen und Verachtung liest sie auf den fünfzig Gesichtern vor sich. Sie fühlt, daß dies die letzte Stunde ihrer Macht ist. Aber sie kann nicht umhin, sich zu freuen, daß sie offen von den schönsten Erinnerungen ihres Lebens reden darf.
»Er war ein Mann, ein herrlicher Mann! Wer warst du, daß du dich zwischen uns stellen durftest? Nie habe ich seinesgleichen gesehen. Er schenkte mir Glück, er schenkte mir Hab und Gut. Gesegnet sei sein Andenken!«
Da senkt der Major den erhobenen Arm, ohne zuzuschlagen – jetzt weiß er, wie er sie strafen soll.
»Hinaus!« brüllt er, »hinaus aus meinem Haus!«
Sie regt sich nicht.
Die Kavaliere aber stehen mit bleichen Gesichtern da und starren einander an. Jetzt ging ja alles in Erfüllung, was der Schwarze geweissagt hatte. Jetzt sahen sie die Folge davon, daß der Kontrakt der Majorin nicht erneut war. Wenn dies wahr ist, so ist es wohl auch wahr, daß sie seit mehr denn zwanzig Jahren Kavaliere in die Hölle hinabgesandt hat, daß auch sie zu dieser Reise bestimmt gewesen sind. O diese Hexe!
»Hinaus mit dir!« wiederholte der Major. »Erbettle dir dein Brot auf der Landstraße. Du sollst keine Freude mehr von seinem Geld haben, du sollst nicht auf seinen Gütern wohnen. Jetzt ist es aus mit der Majorin auf Ekeby. An dem Tage, wo du deinen Fuß in mein Haus setzt, schlage ich dich tot!«
»Verjagst du mich aus meinem Heim?«
»Du hast kein Heim! Ekeby gehört mir!«
Da kommt ein Geist der Verzagtheit über die Majorin. Sie weicht zurück bis an die Tür, und er folgt ihr auf den Fersen.
»Du, der du das Unglück meines Lebens gewesen bist,« klagt sie, »sollst du nun auch Macht haben, mir dies anzutun?«
»Hinaus, hinaus mit dir!«
Sie lehnt sich gegen den Türpfosten, faltet die Hände und hält sie vor das Gesicht. Sie denkt an ihre Mutter und murmelt vor sich hin: »Möchtest du verleugnet werden, wie ich verleugnet worden bin. Möge die Landstraße dein Heim, der Graben dein Bett, der Kohlenmeiler deine Feuerstätte sein. So sollte es also doch geschehen, so sollte es also doch geschehen!«
Der gute alte Pfarrer aus Bro und der Landrichter aus Munkerud traten nun an den Major heran und versuchten, ihn zu beruhigen. Sie sagten ihm, daß er am besten daran tue, wenn er alle diese alten Geschichten ruhen lasse, wenn er alles beim alten ließe, vergessen und vergeben. Er aber schüttelt die sanften Hände von seinen Schultern ab. Es ist gefährlich, sich ihm zu nahen, so wie vorhin Christian Bergh.
»Das ist keine alte Geschichte!« ruft er. »Ich habe bis zum heutigen Tag nichts gewußt. Ich habe die Ehebrecherin bisher nicht strafen können.«
Bei diesem Wort richtet die Majorin den Kopf in die Höhe, ihr alter Mut kehrt wieder.
»Du sollst vor mir aus dem Hause hinaus! Glaubst du, daß ich dir weiche?« sagte sie. Und sie tritt von der Tür zurück.
Der Major antwortet nicht, aber er verfolgt eine jede ihrer Bewegungen mit den Augen, bereit zuzuschlagen, wenn er sie nicht auf andere Weise los werden kann.
»Helft mir, ihr guten Herren,« ruft sie, »damit wir den Mann binden und hinausschaffen können, bis er seine Vernunft wiedererlangt hat! Bedenkt, wer er ist, und wer ich bin! Bedenkt das, ehe ich ihm weichen muß! Ich verwalte die ganze Wirtschaft auf Ekeby, und er sitzt den ganzen Tag in der Bärengrube und füttert die Bären. Helft mir, ihr guten Freunde und Nachbarn! Hier wird ein Elend ohnegleichen entstehen, wenn ich nicht mehr hier bin. Der Bauer hat seine Nahrung und Behausung davon, daß er mir Holz im Walde fällt, daß er Erz für mich fährt. Der Köhler lebt davon, daß er mir Kohlen schafft, und der Flößer davon, daß er mein Holz stromabwärts führt. Ich teile alle diese wohlstandverbreitende Arbeit aus. Glaubt ihr, daß der da mein Werk aufrechterhalten kann? Ich sage euch, wenn ihr mich fortjagt, öffnet ihr der Hungersnot das Tor!«
Abermals erhoben sich eine Menge Hände, um der Majorin zu helfen, abermals legen sich milde Hände überredend auf die Schultern des Majors.
»Nein,« sagt er, »weg mit euch! Wer will die Ehebrecherin verteidigen? Ich sage euch, wenn sie nicht gutwillig geht, so nehme ich sie auf meine Arme und trage sie hinab zu meinen Bären.«
Bei diesen Worten sinken die erhobenen Hände wieder herab.
Da, in ihrer äußersten Not, wendet sich die Majorin an die Kavaliere.
»Wollt auch ihr ruhig zusehen, daß ich aus meinem Hause verjagt werde, Kavaliere? Habe ich euch des Winters im Schnee frieren lassen, habe ich euch starkes Bier und süßen Branntwein versagt? Habe ich Lohn oder Arbeit von euch angenommen, weil ich euch Kleidung und Nahrung gab? War’t ihr nicht geborgen bei mir, wie die Kinder bei der Mutter? Sind nicht Munterkeit und Freude euer tägliches Brot gewesen? Laßt nicht diesen Mann, der das Unglück meines Lebens gewesen ist, mich aus meinem Hause verjagen, Kavaliere! Laßt mich nicht zur Bettlerin auf der Landstraße werden.«
Gösta Berling beugt sich zu einem schönen, dunkelhaarigen Mädchen hinab, das an dem großen Tisch gesessen hat. »Du verkehrtest vor fünf Jahren viel auf Borg, Anna,« sagt er. »Weißt du, ob die Majorin Ebba erzählt hat, daß ich ein abgesetzter Pfarrer bin?«
»Hilf der Majorin, Gösta!« antwortet sie ihm.
»Du wirst begreifen, daß ich erst Klarheit darüber haben muß, ob sie mich zum Mörder gemacht hat.«
»Ach, Gösta, was sind das für Gedanken! So hilf ihr doch!«
»Ich merke schon, du willst nicht antworten. Dann hat Sintram doch die Wahrheit geredet.« Und Gösta kehrt zu den Kavalieren zurück. Er rührt keinen Finger, um der Majorin zu helfen.
Ach, hätte doch die Majorin die Kavaliere nicht an einen Tisch für sich in die Ecke gesetzt! Jetzt sind die Gedanken der Nacht in ihren Gehirnen erwacht, jetzt funkelt in ihren Augen ein Zorn, der nicht geringer ist als der des Majors. Muß nicht alles, was sie sehen, die nächtlichen Gesichte bestätigen?
»Es ist sehr wohl zu merken, daß ihr Kontrakt nicht erneuert wurde«, murmeln sie.
Nein, von dieser murrenden, drohenden Kavalierschar hat die Majorin keine Hilfe zu erwarten.
So weicht sie denn wieder zurück bis an die Tür und hebt die gefalteten Hände vors Gesicht.
»Mögest du verleugnet werden, wie ich verleugnet worden bin!« ruft sie sich selber in bitterem Schmerz zu. »Möge die Landstraße dein Heim, der Graben dein Bett werden!«
Dann legt sie die eine Hand auf das Türschloß, die andere aber hebt sie hoch in die Höhe: »Merkt es euch, ihr, die ihr mich jetzt fallen laßt! Merkt es euch, daß eure Stunde gar bald kommen wird. Jetzt werdet ihr euch zerstreuen, und euer Platz wird leer stehen. Wie werdet ihr stehen können, wenn ich euch nicht stütze? Du, Melchior Sinclaire, der du eine schwere Hand hast und die Deinen sie fühlen läßt, nimm dich in acht! Du, Pfarrer zu Broby, nun kommt das Strafgericht! Du, Frau Uggla, gib acht auf dein Haus, die Armut kommt! Ihr jungen, schönen Frauen, Elisabeth Dohna, Marianne Sinclaire, Anna Stjärnhök, glaubt nicht, daß ich die einzige bleibe, die von ihrem Hause fliehen muß! Und ihr, Kavaliere, nehmt euch in acht, jetzt kommt ein Sturm übers Land gezogen. Ihr werdet von der Erde fortgefegt werden, jetzt ist eure Zeit um! Ich klage nicht meinetwegen, sondern euretwegen, denn der Sturm wird über eure Häupter hinfahren, und wer vermag zu stehen, wenn ich gefallen bin? Ach, mein Herz blutet um der armen, elenden Menschen willen! Wer wird ihnen Arbeit schaffen, wenn ich fort bin?«
Die Majorin öffnet die Tür; da aber hebt Hauptmann Christian den Kopf in die Höhe und sagt: »Wie lange soll ich hier zu deinen Füßen liegen, Margarete Celsing? Willst du mir nicht verzeihen, auf daß ich aufstehen und für dich streiten kann?«
Da kämpft die Majorin einen harten Kampf mit sich selber; aber sie sieht, daß er, wenn sie ihm verzeiht, sich erheben und mit ihrem Gatten kämpfen wird, und daß der Mann, der sie vierzig Jahre lang treu geliebt hat, zum Mörder werden muß.
»Soll ich nun auch noch verzeihen?« sagt sie. »Bist du nicht schuld an all meinem Unglück, Christian Bergh? Kehre zurück zu den Kavalieren und freue dich deines Werkes!«
Und damit ging die Majorin. Sie ging in Ruhe, aber sie ließ Entsetzen hinter sich zurück. Sie fiel, aber selbst in ihrer Erniedrigung war sie nicht ohne Größe. Sie gab sich keinem weichlichen Schmerz hin, aber noch im Alter jubelte sie über ihre Jugendliebe. Sie gab sich keiner Klage, keinen feigen Tränen hin, als sie alles begriff; sie schreckte nicht davor zurück, mit dem Bettelstab und Sack das Land zu durchwandern. Sie bemitleidete nur die armen Bauern und die frohen, sorglosen Menschen an den Ufern des Löfsees, die armen Kavaliere, alle die, die sie gestützt und beschützt hatte. Von allen verlassen war sie, und dennoch besaß sie die Kraft, ihren letzten Freund von sich zu weisen, um ihn nicht zum Mörder zu machen.
Eine merkwürdige Frau war sie, groß in ihrer Kraft und in ihrem Tatendrang. Ihresgleichen werden wir so leicht nicht wiedersehen.
Am nächsten Tage brach Major Samzelius von Ekeby auf und zog nach Sjö, das ganz nahe bei dem großen Eisenwerk liegt. In Altringers Testament, kraft dessen der Major die sieben Eisenwerke bekommen hatte, stand mit klaren, deutlichen Worten geschrieben, daß nichts davon verkauft oder verschenkt werden dürfe, sondern daß alles nach dem Tode des Majors auf seine Gattin oder auf deren Erben übergehen solle. Da er also das verhaßte Erbe nicht vergeuden konnte, setzte er die Kavaliere als Herren darüber ein, in dem Glauben, daß er dadurch Ekeby und den andern sechs Besitzungen den schlimmsten Schaden zufüge.
Da nun niemand im Lande daran zweifelte, daß der böse Sintram die Befehle des Satans ausführte, und da alles, was er ihnen versprochen hatte, so glänzend in Erfüllung gegangen war, so waren die Kavaliere fest überzeugt, daß der Kontrakt Punkt für Punkt erfüllt werden würde, und sie waren fest entschlossen, das ganze Jahr hindurch nichts Kluges oder Nützliches oder Schurkenhaftes zu tun, auch waren sie ganz davon durchdrungen, daß die Majorin eine böse Hexe sei, die ihr Verderben gewollt habe.
Der alte Onkel Eberhard, der Philosoph, machte sich über diese Anschauung lustig; aber wer kümmerte sich um so einen, der so verhärtet in seinem Glauben war, daß er, selbst wenn er mitten in den Flammen der Hölle gelegen und alle Teufel um sich herum hätte stehen und ihn auslachen sehen, doch behauptet haben würde, daß sie nicht existierten, weil sie nicht existieren könnten. Denn Onkel Eberhard war ein großer Philosoph.
Gösta Berling sagte niemand, was er glaubte. Das steht fest, er war der Ansicht, daß er der Majorin keinen Dank schulde, weil sie ihn zum Kavalier auf Ekeby gemacht hatte; er glaubte, es wäre besser für ihn gewesen, tot zu sein, als sich mit dem Bewußtsein herumzutragen, schuld an Ebba Dohnas Selbstmord zu sein. Er erhob nicht die Hand, um sich an der Majorin zu rächen, aber auch nicht, um ihr zu helfen. Er konnte es nicht.
Die Kavaliere aber waren zu großer Macht und Herrlichkeit gelangt. Das Weihnachtsfest mit seinen Gastmählern und Zerstreuungen stand vor der Tür, die Herzen der Kavaliere waren voller Jubel, und welch Kummer auch Gösta Berlings Herz bedrücken mochte, so trug er ihn nicht auf dem Antlitz oder auf den Lippen.