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II. § 266 als „Garantietatbestand“ (Art. 103 Abs. 2 GG)

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Erheblich ist die Einordnung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals zudem für die Garantiefunktion des Tatbestands. Ein Strafgesetz genügt danach nur dann dem aus Art. 103 Abs. 2 GG fließenden Gebot nullum crimen sine lege, wenn das verbotene Verhalten präzise bezeichnet wird.[42] Ist die Pflichtwidrigkeit normatives Tatbestandsmerkmal, findet Art. 103 Abs. 2 GG auf die von diesem Merkmal in Bezug genommenen Vorschriften keine Anwendung.[43] Den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG müsste allein der Straftatbestand genügen.[44] Wäre § 266 hingegen ein Blankettstrafgesetz, müssten sich sowohl der Straftatbestand als auch die Ausfüllungsvorschrift an Art. 103 Abs. 2 GG messen lassen.[45] Auf tatbewertende Merkmale findet der Bestimmtheitsgrundsatz dergestalt Anwendung, dass sich das außerrechtliche Werturteil mit der allgemeinen Überzeugung decken muss. Strafbarkeitsbegründend sind danach nur gesicherte (Wert-)Urteile; Einzel- und Sonderansichten bleiben außer Betracht.[46] Die Kategorisierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals erlangt mithin auch auf der objektiven Tatbestandsseite des § 266 Relevanz.

Teil 1 Einführung in die Problematik › C. Grundlagen

C. Grundlagen

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Die Identifizierung des Pflichtwidrigkeitsmerkmals in § 266 als normatives Tatbestandsmerkmal, als Blankett- bzw. tatbewertendes Merkmal erlangt für den gesetzlichen Tatbestand und Garantietatbestand nach überwiegender Ansicht zentrale Bedeutung. Zum Verständnis ist es daher sinnvoll, sich zunächst mit dem Tatbestand des § 266 und den grundlegenden Begrifflichkeiten näher vertraut zu machen.

Teil 1 Einführung in die Problematik › C › I. Der Tatbestand der Untreue, § 266 Abs. 1

I. Der Tatbestand der Untreue, § 266 Abs. 1

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Der Tatbestand des § 266 ist unübersichtlich gestaltet. Nur mit Mühe sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale der beiden Varianten herauszulesen. Das Verständnis der Strafvorschrift wird erleichtert, wenn die drei Satzteile gesondert betrachtet werden. Der erste Satzteil betrifft die „Missbrauchsvariante“ der Untreue:

Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht […].

Der zweite Satzteil wird als „Treubruchsvariante“ bezeichnet:

[…] oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eine Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt […].

Der dritte Satzteil bezieht sich im Ausgangspunkt auf beide Varianten:

[…] und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, […].

Lange Zeit war unklar, ob auch für die Missbrauchsvariante die aus dem Relativsatz des dritten Satzteils gelesene Vermögensbetreuungspflicht zu fordern ist. Die Antwort ist davon abhängig, ob dem Relativsatz im dritten Satzteil auch für die Missbrauchsvariante eigenständige Bedeutung zukommt und bejahendenfalls, ob sich die inhaltlichen Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht in der Missbrauchs- und Treubruchvariante gleichen.

Während mittlerweile Einigkeit darüber herrscht, dass der Relativsatz ein selbstständiges Tatbestandsmerkmal in Form der „Vermögensbetreuungspflicht“ beschreibt und daher nicht etwa bloß formal die Person des Geschädigten bezeichnet,[47] ist die Frage nach den Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht in der Missbrauchsvariante streitig geblieben. Dieses Rechtsproblem ist Ausdruck der Uneinigkeit darüber, ob die Missbrauchs- und die Treubruchvariante jeweils selbstständige Tatbestände bilden.

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Die Untreuevarianten basieren auf zwei Theorien, mit denen vor Erlass des § 266 in jetziger Fassung im Jahre 1933[48] versucht wurde, das Wesen der Untreue etwa in Abgrenzung zur Unterschlagung herauszustellen: die sog. Missbrauchs- und die Treubruchtheorie.[49] Ausgangspunkt war die umstrittene Auslegung des § 266 Nr. 2 der seit 1871 bis 1933 geltenden Untreue-Fassung. Danach machte sich der „Bevollmächtigte“ strafbar, der „über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nachteil desselben [verfügte]“, wobei im Streit stand, ob der Täter rechtsgeschäftlich wirksam über fremde Vermögensstücke verfügt haben musste. Die Anhänger der sog. Missbrauchstheorie sahen das Wesen der Untreue in der Vermögensschädigung durch Missbrauch rechtlicher Vertretungsmacht,[50] bejahten mithin dieses Erfordernis. Demgegenüber fassten die Vertreter der sog. Treubruchtheorie das Wesen der Untreue weiter und erkannten in der Untreue die vermögensschädigende Verletzung der Rechtspflicht zur Fürsorge für fremdes Vermögen.[51] Danach reichte es aus, auch in anderer Weise als rechtsgeschäftlich nachteilig auf das Vermögen des Auftraggebers einzuwirken, um „Beauftragter“ zu sein.

In der Neufassung des § 266 vom 26. Mai 1933[52] wurden die beiden Theorien vom Gesetzgeber in Absatz 1 des § 266 übernommen. Fortan wurden die Untreuevarianten überwiegend als selbstständige Tatbestände qualifiziert[53] (sog. ältere dualistische Theorie[54]), bis der BGH im Jahre 1972 in der Scheckkarten-Entscheidung[55] auch für die Missbrauchsvariante eine dem Treubruchtatbestand entsprechende Vermögensbetreuungspflicht verlangte und damit der Ansicht das Wort sprach, wonach die Missbrauchsvariante lediglich ein Unterfall der Treubruchvariante sei (sog. monistische Theorie)[56]. Diese Ansicht findet bis heute breite Gefolgschaft auch in der Literatur, sodass die monistische Theorie als herrschend bezeichnet werden darf.[57]

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Das Urteil stieß allerdings auch auf erheblichen Widerspruch. In der Literatur ist zwar anerkannt, dass sich der Relativsatz im dritten Satzteil auch auf den Missbrauchstatbestand bezieht und insoweit auch der Täter der Missbrauchsvariante Inhaber einer Vermögensbetreuungspflicht sein muss. Die Untreuevarianten verblieben jedoch selbstständige Tatbestände. Es überrascht daher nicht, wenn in der Literatur geringere Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht des Missbrauchstäters gestellt werden und sie etwa mit der rechtmäßigen Ausübung der eingeräumten Befugnis gleichsetzen (sog. neuere dualistische Theorie)[58] oder die Fremdnützigkeit der Dispositionsbefugnis des Täters fordern und diese als Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht des Täters der Missbrauchsvariante ausreichen lassen.[59]

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Einen anderen Ansatz verfolgt Schünemann. Er konzediert das dualistische Untreuekonzept, möchte dieses jedoch gemeinsam mit der monistischen Theorie zu einer typologischen Theorie weiterentwickeln. Das Untreueunrecht wird danach als ein Typus begriffen. Ein Typusbegriff zeichne sich durch mehrere für sich selbst abstufbare Merkmale aus, die nur durch fallgebundene Ähnlichkeitsregeln konkretisiert werden können. Die Merkmale (auch Dimensionen genannt) können verschiedener Ausprägung sein, sodass ein Merkmal mit besonders starker Ausprägung eines mit schwächerer Ausprägung kompensieren und gleichwohl der Typusbegriff bejaht werden könne.[60]

Die Merkmale des Untreueunrechts erkennt Schünemann in der rücksichtslosen Ausübung von Herrschaft über fremdes Vermögen, welche beide Untreuevarianten gleichermaßen auszeichne.[61] Herrschaft begreift er als „eingeräumte Zugriffsmöglichkeit bei Abwesenheit von Kontrolle“[62]. Lediglich die Art der Herrschaft unterscheide sich in § 266 darin, dass die Missbrauchsvariante eine rechtsgeschäftliche, die Treubruchvariante hingegen eine nichtrechtsgeschäftliche Herrschaft erfordere. Das Verhältnis zwischen der Missbrauchs- und der Treubruchvariante sei sodann vom Einzelfall abhängig.[63] Schünemanns typologische Theorie hat konkrete Auswirkungen bei der Auslegung der Pflichtwidrigkeit des § 266, die seines Erachtens strafrechtsautonom zu erfolgen habe und an gegebener Stelle problematisiert wird.[64]

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Eine erneute Erörterung der Streitfrage nach den Anforderungen der Vermögensbetreuungspflicht in der Missbrauchsvariante kann im Rahmen dieser Untersuchung unterbleiben.[65] Ausreichend ist die Feststellung, dass nach allen Ansichten Täter der Untreue derjenige ist, der in vermögensschädigender Weise eine (irgendwie ausgestaltete) Vermögensbetreuungspflicht vorsätzlich verletzt; in der Missbrauchsvariante durch rechtsgeschäftliches Handeln, in der Treubruchvariante durch sonstiges Verhalten. Daher ist es auch gerechtfertigt, die von § 266 beschriebene Tathandlung verkürzt mit der Pflichtwidrigkeit oder -verletzung zu kennzeichnen.[66] Besteht über die tatbestandliche Struktur der Untreue insoweit Einigkeit, stellt sich nach allen Ansichten die Frage, in welcher Weise § 266 an seine Verweisungsobjekte dogmatisch anknüpft.[67]

Teil 1 Einführung in die Problematik › C › II. Begriffsbestimmung

II. Begriffsbestimmung

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Dass der Rechtsnatur eines Tatbestandsmerkmals im vorsatzrechtlichen Sachzusammenhang eine derart wichtige Bedeutung zukommt, ist auf die Entwicklung der Irrtumslehre seit Beginn des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Die Strafrechtswissenschaft wandte sich seinerzeit von der Dichotomie der Irrtumslehre (Rechts- und Tatirrtum) des Reichsgerichts ab und begann die Verschiedenartigkeit der in den Strafgesetzen vorgefundenen Tatbestandsmerkmale zu typisieren.[68] Heute sind vier Gruppen von Tatbestandsmerkmalen anerkannt, die in deskriptive und normative Merkmale einteilbar sind.[69] Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtwidrigkeit des § 266 kann nur unter die Sammelkategorie der normativ geprägten Merkmale eingeordnet werden.[70] Darunter fallen normative Tatbestandsmerkmale, Blankett- und gesamttatbewertende Merkmale.

1. Blankettmerkmale

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Der Begriff „Blankettstrafgesetz“ geht auf Binding zurück, der darunter ein Gesetz verstand, das durch ein Verbot „der Landes- oder Ortspolizeibehörde oder einer sonstigen Behörde oder von der Partikulargesetzgebung“ ausgefüllt werde.[71] Der Begriff wurde vom Reichsgericht[72], später auch vom BGH[73] übernommen und hat sich mittlerweile etabliert[74], nicht aber seine Bedeutung. Der Begriff des Blanketts ist ursprünglich im verfassungsrechtlichen Zusammenhang geprägt worden, mittlerweile ist er jedoch auch eine vorsatzrechtliche Kategorie. Der Sprachgebrauch des Blankettbegriffs ist bereits aus diesem Grund nicht einheitlich. Einigkeit besteht jedenfalls insoweit, als dem Blankettstrafgesetz der Verweis auf andere (traditionell verstanden als Rechts-) Vorschriften zu eigen ist. Dabei werden echte von unechten Blankettstrafgesetzen unterschieden.[75] Zu ersteren gehören die Sanktionsnormen, die auf Ausfüllungsvorschriften einer anderen Instanz Bezug nehmen, zu letzteren solche, die auf Ausfüllungsvorschriften desselben Gesetzgebers verweisen.[76]

2. Normative Tatbestandsmerkmale

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Seit der „Entdeckung“ der normativen Tatbestandsmerkmale Anfang des 20. Jahrhunderts durch Max Ernst Mayer[77] hat man versucht, ihre wesensbestimmende Eigenart herauszuarbeiten.[78] Heute wird überwiegend der normative Bezug bzw. die normative Ergänzungsbedürftigkeit der normativen Tatbestandsmerkmale als Charakteristikum hervorgehoben.[79] Engisch versteht unter normativen Tatbestandsmerkmalen solche Merkmale des Tatbestandes, die „überhaupt nur unter logischer Voraussetzung einer Norm vorgestellt und gedacht werden können.“[80] Normative Tatbestandsmerkmale lassen sich erst unter Heranziehen einer außerhalb ihrer Sanktionsnorm liegenden, von Menschen gesetzten rechtlichen oder außerrechtlichen „Norm“ interpretieren.[81] Die Bezugnahme auf außerhalb des Tatbestandsmerkmals liegende Wertungen wird folglich zum wesensbestimmenden Attribut von normativen Tatbestandsmerkmalen erhoben.

3. Gesamttatbewertende Merkmale

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Auch gesamttatbewertende Merkmale verweisen auf außertatbestandliche Wertungen. Im Unterschied zu Blankettmerkmalen folgen sie jedoch aus ungeschriebenen „Normen“.[82] Von den normativen Tatbestandsmerkmalen sollen sich die gesamttatbewertenden Merkmale dadurch unterscheiden, dass sie die ganze Tat bewerteten, während normative Tatbestandsmerkmale lediglich ein Teilstück des Sachverhalts beschrieben.[83] Gesamttatbewertende Merkmale bezeichneten nicht nur das typische, sondern bereits das im konkreten Einzelfall bestehende Unrecht der Tat.[84] Wessen Verhalten den Tatbestand verwirklicht, der handelt folglich zugleich rechtswidrig und wem ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht, handelt schon nicht tatbestandsmäßig.[85]

Dem heutigen Begriffverständnis entspricht es allerdings, auch solche Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes als „gesamttatbewertend“ einzuordnen, die nur einen Ausschnitt des Unrechtsgeschehens betreffen (z. B. „grob verkehrswidrig“ gem. § 315c Abs. 1 Nr. 2[86]). Die formale Begriffsanforderung erfüllen diese Tatbestandsmerkmale eigentlich nicht. Die Grenze zwischen der Beschreibung eines „Teilstücks des Sachverhalts“ und der „Bewertung der ganzen Tat“ wird aber ohnedies nicht immer trennscharf zu ziehen sein,[87] sodass der Regelungsumfang des Merkmals angesichts des eigentlichen Anliegens, nämlich einen bestimmten Vorsatzgegenstand begrifflich zu erfassen, als Spezifikum gesamttatbewertender Merkmale ausscheiden sollte.[88] Treffender ist es, unter „gesamttatbewertenden Merkmalen“ diejenigen (Tatbestands-) Merkmale zu verstehen, die durch ungeschriebene gesellschaftliche Wertung ausgefüllt werden.[89] Die verbleibende sprachliche Ungenauigkeit, durch die auch eindeutig nicht die gesamte Tat bewertende Merkmale (z. B. „pornographisch“ gem. § 184)[90] als „gesamttatbewertend“ bezeichnet werden, kann durch den Verzicht auf den Zusatz „gesamt“ behoben werden.[91]

Teil 1 Einführung in die Problematik › D. Verlauf der Untersuchung

D. Verlauf der Untersuchung

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Im zweiten Teil wird untersucht, nach welchen Kriterien die Unterscheidung von Tatbestands- und Verbotsirrtums im Fall des verweisenden Tatbestandsmerkmals der Pflichtwidrigkeit vorzunehmen ist. Es soll gezeigt werden, dass die Kategorisierungsbemühungen des Pflichtwidrigkeitsmerkmals als normatives Tatbestandsmerkmal, Blankettmerkmal oder gesamttatbewertendes Merkmal im vorsatzrechtlichen Problemzusammenhang nicht weiterführend sind. Nach Analyse und Kritik der in der Rechtsprechung und Literatur vorgeschlagenen formalen und materiellen Kriterien zur Abgrenzung von Tatbestands- und Verbotsirrtum wird sich zeigen, dass sich die Unterscheidung nach schuldtheoretischem Irrtumskonzept an dem sog. Postulat der Appellfunktion des Tatbestandsvorsatzes zu orientieren hat. Dabei wird es erheblich sein, welche Funktion dem Pflichtwidrigkeitsmerkmal in § 266 zukommt. Eingehend wird der Frage nachgegangen und im Ergebnis bejaht, ob § 266 über das Pflichtwidrigkeitsmerkmal verschiedene Verhaltensnormen teilweise in Bezug nimmt. Hierbei wird insbesondere untersucht, ob das in der Rechtsprechung und Literatur befürwortete allgemeine Schädigungsverbot als Kernbestandteil jedweder ungetreuen Handlung dieser Sichtweise entgegensteht.

Im dritten Teil wird die Frage behandelt, welche Umstände gem. § 16 erkannt sein müssen, damit den Täter ein Unrechtsimpuls erreicht, der ihm die Pflichtwidrigkeit seines Handelns verdeutlicht. Dabei wird im Besonderen zu problematisieren sein, welcher Maßstab bei der Beurteilung der Appellwirkung des jeweiligen Lebenssachverhalts anzulegen ist („Expertenstrafrecht“). Im Anschluss wird der Gegenstand des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes gesondert für die verschiedenen Pflichtenquellen des § 266 untersucht. Im Ergebnis soll gezeigt werden, dass der Gegenstand des Pflichtwidrigkeitsvorsatzes im Verhältnis zur Pflichtenquelle steht und insoweit nicht einheitlich zu bestimmen ist.

Die Frage, ob diese Betrachtung auch dann sachgerecht ist, wenn über das Pflichtwidrigkeitsmerkmal ungenaue Pflichten Eingang in § 266 finden, steht im Mittelpunkt der Untersuchung des vierten Teils. Die allgemein gehaltenen Pflichtenprogramme werden dabei als Problem des Bestimmtheitsgrundsatzes gem. Art. 103 Abs. 2 GG aufgefasst. Um die erforderliche Bestimmtheit ungenauer Pflichten sicherzustellen, wird das objektive Restriktionsmodell einer näheren Untersuchung unterzogen. Der von weiten Teilen der Literatur und Rechtsprechung befürworteten Begrenzung der Pflichtwidrigkeit auf „evidente“ resp. „gravierende“ Pflichtverstöße wird ein subjektiver Restriktionsansatz gegenüber gestellt, dem zufolge der Mangel an Bestimmtheit des objektiven Handlungsgebots über den Vorsatz behoben werden kann. Zur Untermauerung des subjektiven Restriktionsansatzes wird insbesondere die Risikoverteilung zwischen Treugeber und Treunehmer näher thematisiert, um die Fragen zu klären, wer sich im Fall unbestimmter Verhaltensgebote für die fehlerhafte Ausübung zuvörderst verantwortlich zu zeichnen hat und welche Auswirkungen diese Sichtweise für den Pflichtwidrigkeitsvorsatz im Allgemeinen und für den Vorsatzgrad im Besonderen hat.

Mit der hier konstatierten verhaltensnormenvermittelnden Eigenschaft des Pflichtwidrigkeitsmerkmals eng verbunden ist das Problem, ob ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG unter dem Aspekt des Parlamentsvorbehalts droht, wenn § 266 auf ausländische Pflichtenprogramme zugreift. Diese Rechtsfrage wird zu Beginn des vierten Teils erörtert.

Anmerkungen

[1]

Binding GS 81 (1913), 19, 21.

[2]

Maurach/Zipf AT I, § 37 Rn. 48 („derzeit am wenigsten gelösten Problem der gesamten Irrtumslehre“); Jakobs AT 8. Absch. Rn. 52 („Konfuse Lage“); Schünemann in: LK-StGB, § 292 Rn. 65 („dogmatisches Labyrinth“); Kindhäuser GA 1990, 406, 420 („dogmatische Konfusion“).

[3]

Vgl. die Besprechung der Literatur bei Tiedemann ZStW 107 (1995), 639 ff.

[4]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 153.

[5]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 153.

[6]

BGHSt 50, 331 ff.

[7]

LG Düsseldorf NJW 2004, 3275 ff.

[8]

LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3285.

[9]

BGHSt 50, 331 ff.

[10]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 83 (insoweit nicht in BGHSt 51, 331 ff. abgedruckt); zustimmend Vogel in: LK-StGB, § 16 Rn. 32.

[11]

EuGH NJW 2003, 3331 ff.

[12]

EuGH NJW 1999, 2027 ff.

[13]

EuGH NJW 2002, 3614 ff.

[14]

Dazu etwa Rönnau ZGR 2005, 832 ff.; Schlösser wistra 2006, 81 ff.; BGH 5 StR 428/09 Rn. 21 f.

[15]

Exemplarisch ist die Kommentierung Fischers § 266 Rn. 8, die erst seit der 55. Auflage Ausführungen zur Rechtsnatur des § 266 enthält.

[16]

Arzt/Weber § 22 Rn. 69; Baumann in: FS Welzel, S. 533, 542; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 227; Jakobs NStZ 2005, 276, 277; ders. in: FS Dahs, 49, 62; Kubiciel NStZ 2005, 353, 357; Dittrich S. 239; Schmitz Europäisierung des Strafrechts, 199, 208: „[Ein] normatives Tatbestandsmerkmal, das freilich in die Nähe eines Blanketts rückt, da die Pflichtwidrigkeit gerade auch im Zusammenhang mit den gesellschaftsrechtlichen Normen interpretiert wird“; Gross/Schork NZI 2006, 10, 15; Vogel/Hocke JZ 2006, 568, 571; Lüderssen in: FS Schroeder, S. 569, 571; ders. in: FS Richter II, S. 373, 377; Werle/Jeßberger in: LK-StGB, Vor § 3 Rn. 335; Hellmann ZIS 2007, 433, 443; Hellmann/Beckemper S. 128; Beckemper ZJS 2010, 554, 557; Ransiek/Hüls ZGR 2009, 157, 177; Schreiber/Beulke JuS 1977, 656, 660; Laskos S. 135; Burger S. 258; Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 258; nunmehr auch Rönnau ZStW 119 (2007), 887, 905.

[17]

Fischer § 266 Rn. 5; Sax JZ 1977, 663, 664; Deiters ZIS 2006, 152, 159; Dierlamm in: MK-StGB, § 266 Rn. 229; ders. StraFo 2005, 397, 401 („blankettartig“); Mosiek StV 2008, 94, 95; Nelles S. 505 („blankettartig“); Worm S. 112; Hantschel S. 86; Seier Symposion Geilen, S. 145, 150, der die Blanketteigenschaft auf die Treubruchvariante beschränkt. Unklar Schlösser wistra 2006, 81, 86, der § 266 StGB als eine „Sanktionshülle“ versteht, dessen Inhalt durch (mitgliedstaatliches) Gesellschaftsrecht auszufüllen sei. Früher Rönnau/Hohn NStZ 2004, 113 („Blankett“); Rönnau ZGR 2005, 832, 854 („blankettartig“).

[18]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 153; Puppe GA 1990, 145, 170 f.

[19]

Offen gelassen Radtke GmbHR 2008, 729, 735; Walter Der Kern des Strafrechts, S. 261; Mankowski/Bock ZStW 120 (2008), 704, 705, 756 f.

[20]

OLG Stuttgart wistra 2010, 34 ff.

[21]

BGH 5 StR 428/09 Rn. 21 f.

[22]

BVerfG 2 BvR 2559/08, Rn. 97; zustimmend BGH 1 StR 220/09 (BGH NJW 2011, 88, 91).

[23]

Weitere Sachfragen im Zusammenhang mit der Rechtsnatur eines Tatbestandsmerkmals als normatives Tatbestandsmerkmal bzw. Blankettmerkmal (dazu etwa Walter in: FS Tiedemann, S. 969 ff.) bleiben im Folgenden ausgeblendet.

[24]

Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 3; Tiedemann Tatbestandsfunktionen, S. 3 u. 282; ders. ZStW 107 (1995), 643; zu den weiteren Funktionen des Tatbestands siehe nur Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 3 ff.

[25]

Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 12 Rn. 100; Frister AT, 11. Kapitel Rn. 33; Wessels/Beulke § 7 Rn. 243.

[26]

Grundlegend Welzel MDR 1952, 584, 586; Warda Abgrenzung, S. 36.

[27]

Frister 11. Kapitel Rn. 42. Beachte aber Lüderssen in: FS Richter II, S. 373, 377: Er verlangt für den Vorsatz bzgl. (gesamt-)tatbewertender Merkmale Rechtskenntnis; vgl. auch Kunert S. 102; Schroth S. 24.

[28]

Z. B. BGHSt 34, 379, 390; BGH wistra 1986, 25; BGH StV 2000, 490; BGH wistra 2003, 464; BGH NJW 1991, 990, 991.

[29]

Z. B. LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3285.

[30]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 81.

[31]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 81.

[32]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 83.

[33]

Ransiek NJW 2006, 814, 816; Lackner/Kühl § 266 Rn. 19.

[34]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 83.

[35]

Hohn wistra 2006, 161, 164.

[36]

Die Feststellung des Sachverhalts wäre dem neuen Tatrichter vorbehalten gewesen, die aufgrund der vorläufigen Verfahrenseinstellung gem. § 153a Abs. 2 StPO vom 29. November 2006 unterblieb, vgl. http://www.lg-duesseldorf.nrw.de/presse/pressearchiv/06-09.pdf.

[37]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 83.

[38]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 85.

[39]

Näher dazu siehe Rn. 23.

[40]

BGH StV 2007, 468.

[41]

BGHSt 9, 358, 360; BGH wistra 1989, 263, 264; zu dieser Widersprüchlichkeit siehe Walter in: FS Tiedemann, S. 969, 972, 977; Weidemann wistra 2006, 132 f.

[42]

Siehe nur Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 2; ausführlich dazu Rn. 59 ff.

[43]

Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 149.

[44]

Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 149.

[45]

Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 151.

[46]

Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 206; vgl. auch BGHSt 4, 24, 32: „Als Verstoß gegen die guten Sitten kann deshalb in diesem strafrechtlichen Sinne nur angesehen werden, was nach dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zweifelslos kriminell strafwürdiges Unrecht ist“.

[47]

So aber noch Bockelmann BT/1, S. 141.; wohl auch Schröder in: Schönke/Schröder, StGB-Kommentar, 18. Auflage, § 266 Rn. 4a. Nach Heimann-Trosien JZ 1976, 549, 550, sei es sogar „ganz unwahrscheinlich“, dass sich die Wendung „dem, dessen Vermögen er zu betreuen hat“ gem. § 266 Abs. 1 nach dem Wortsinn auf die Missbrauchsvariante beziehe. Dem dritten Satzteil komme nur die formale Bedeutung zu, auch für den Missbrauchstatbestand einen (Vermögens-) Nachteil vorzuschreiben. Kritisch siehe nur Kargl ZStW 113 (2001), 565, 569 (die grammatikalische Auslegung stehe „auf schwachen Füßen“).

[48]

Nach 1933 wurde der § 266 nur geringfügig geändert (z. B. Streichung die Regelbeispiele in Abs 2. S. 2). Näheres zur Gesetzgebungsgeschichte siehe Nelles S. 627 ff.; Dierlamm in: MK-StGB, § 266 Rn. 7 ff.; Schünemann in: LK-StGB, § 266 am Anfang.

[49]

Maurach/Schroeder/Maiwald § 45 II Rn. 8.

[50]

Binding Normen I, S. 20 ff.

[51]

RGSt 1, 172, 174; 3, 283, 285; 14, 184, 186; 20, 262, 264; 41, 265, 266; 45, 434, 435; 61, 228, 230 f.; 62, 15, 20; 68, 70, 74. Im Überblick Hübner in: LK-StGB, 10. Auflage, § 266 Rn. 2.

[52]

RGBl. I 295.

[53]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 7; Labsch Jura 1987, 343, 344.

[54]

Bezeichnung von Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 7.

[55]

BGHSt 24, 386; siehe auch BGHSt 33, 244 (Kreditkartenentscheidung).

[56]

Hübner in: LK-StGB, 10. Auflage, § 266 Rn. 5.

[57]

Anstatt vieler Dierlamm in: MK-StGB, § 266 Rn. 13 ff.; Wittig in: Beck’scher Online-Kommentar zum StGB, § 266 Rn. 12.

[58]

Labsch NJW 1986, 104, 106; ders. Jura 1987, 344, 345; Otto JZ 1985, 29, 30; ders. Grundkurs BT, § 54/8 ff.; Ranft JuS 1988, 673.

[59]

Schlüchter JuS 1984, 675, 676; Steinhilper Jura 1983, 401, 408; Wegenast S. 137; Perron in: Schönke/Schröder, StGB-Kommentar, § 266 Rn. 2; ähnlich Bringewat JA 1984, 347, 353.

[60]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 17 ff.; Puppe Kleine Schule, S. 38 f.

[61]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 20.

[62]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 20.

[63]

Schünemann in: LK-StGB, § 266 Rn. 25.

[64]

Ausführlich dazu Rn. 96 ff.

[65]

Siehe umfassend dazu anstatt vieler Wegenast S. 9 ff.

[66]

Kritisch Martin S. 153 f.; siehe auch Hantschel S. 74 f.

[67]

Es ist freilich umstritten, ob sich in der Missbrauchsvariante die Pflicht des der Befugnis zugrunde liegenden Grundverhältnisses, die die Vertreter der dualistischen Theorien mit der Vermögensbetreuungspflicht gleichsetzen, aus einem Treueverhältnis ergeben kann; vgl. dazu Nelles S. 516 ff.; Samson/Günther in: SK-StGB, § 266 Rn. 19. Unterschiede bestehen aber allenfalls in dem Umfang der Verweisungsobjekte, nicht aber wie § 266 auf die Verweisungsobjekte dogmatisch Zugriff nimmt.

[68]

Zur Geschichte der Irrtumsdogmatik siehe etwa Schroth S. 15 ff.

[69]

Der Begriff des „deskriptiven“ Tatbestandsmerkmals ist ungenau, da es rein beschreibende Begriffe ohne normativen Einschlag nicht geben kann, vgl. anstatt vieler Hassemer/Kargl in: NK-StGB, § 1 Rn. 33.

[70]

BGH 3 StR 470/04, Rn. 81 („stark normativ geprägte objektive Tatbestandsmerkmal“).

[71]

Binding Normen I, S. 162.

[72]

RGSt 7, 206; 46, 393, 395; 76, 37, 41.

[73]

BGHSt 6, 30, 41.

[74]

Neumann S. 13; andere Bezeichnungen wie „absolut unvollständiges Gesetz“ (Neumann, S. 6), „Rahmenstrafgesetz“ (BayObLGSt 4/191), „blinde Strafgesetze“ (RGSt 7, 206) haben sich nicht durchsetzen können. Nachweis über die verschiedenen Bezeichnungen bei Neumann S. 11 f. und Lohberger S. 12.

[75]

BGHSt 6, 30, 40, „echtes Blankettgesetz“. Synonyme: „Blankett im eigentlichen bzw. weiteren Sinne“ (z. B. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 62) und „Außen- bzw. Binnenverweisung“ (z. B. Dannecker in: LK-StGB, § 1 Rn. 148; Vogel in: LK-StGB, § 16 Rn. 36; BVerfGE 14, 245, 252; BVerfG NStZ-RR 2004, 275, 278); Otto Jura 2005, 538 f.

[76]

Baumann/Weber/Mitsch § 8 Rn. 102; Gribbohm in: LK-StGB, § 1 Rn. 34; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT, S. 62.

[77]

Mayer, S. 184 f.

[78]

Zur Entwicklungsgeschichte des Begriffs, siehe Schlüchter Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, S. 7 ff.; Engisch in: FS Mezger, S. 147 ff.

[79]

Jescheck/Weigend S. 270; Otto Grundkurs AT, § 7 Rn. 12; Kühl § 5 Rn. 92; Fischer § 16 Rn. 4; Frister 11. Kapitel Rn. 33 ff.; Jakobs AT, 8. Abschn. Rn. 48.

[80]

Engisch in: FS Metzger, S. 147; siehe ferner Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 12 Rn. 100; Rudolphi in: SK-StGB § 16 Rn. 21.

[81]

Schlüchter Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale, S. 23.

[82]

Puppe GA 1990, 145, 171; Frister 11. Kapitel, Rn. 40.

[83]

Herdegen in: FS BGH 25 Jahre, S. 195, 201; kritisch Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 51; Walter in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 56.

[84]

Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 45; ders. Offene Tatbestände, S. 135 ff.

[85]

Vgl. Roxin Strafrecht AT, Bd. I, § 10 Rn. 45.

[86]

Walter in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 55; Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB-Kommentar, § 15 Rn. 22.

[87]

Puppe GA 1990, 145, 178; Walter in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 56; ders. Kern des Strafrechts, S. 106.

[88]

Kritisch daher Walter in: LK-StGB, Vor § 13 Rn. 57; ders. Kern des Strafrechts, S. 107, der die Begriffskategorie der gesamttatbewertenden Merkmale insgesamt für überflüssig erachtet.

[89]

Vgl. Frister 11. Kapitel Rn. 41.

[90]

Frister 11. Kapitel Rn. 40.

[91]

Vgl. Frister 11. Kapitel Rn. 40; Puppe in: NK-StGB, § 16 Rn. 52.

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