Kitabı oku: «Die Mätresse aus dem Hurenhaus», sayfa 2
Wortlos machte Clara sich auf den Weg. Der Wald war dicht mit Tannen bewachsen.
Abseits des Weges drang kaum Licht in ihn hinein. Hier konnte man sich gut verstecken.
Nur die Wagen müsste sie noch unterbringen. Clara eilte zurück.
„Ich brauche eine Axt.“
Johanna kramte im Wagen und hielt ihr eine entgegen. Mühselig schlug Clara eine kleine Schneise in den Tannenwald und trieb die Tiere mit den Wagen hinein. Dann stellte sie einige Bäume notdürftig am Wegesrand wieder auf, deckte die Wagen mit Tannenzweigen ab. Sie kämpfte sich durch das Gestrüpp und begutachtete ihr Werk vom Weg aus. Wer nicht genau wusste, dass sie dort ein Versteck gebaut hatte, der würde sie auch niemals entdecken. Nur die Tiere würde sie tiefer in den Wald bringen müssen. Durch sie konnte das Versteck doch noch aufliegen.
Sie spannte das Pferd ab und führte es mühsam durch das Unterholz, danach holte sie den Ochsen. Johanna kümmerte sich unterdessen um Georg.
„Es tut mir so leid“, keuchte dieser, als Clara zu ihm in den Wagen hineinsah.
„Gar nichts muss Euch leidtun. Wir haben nun ein sicheres Versteck, die Tiere sind gut untergebracht. Wir brauchen jetzt nur noch Futter. Vor einiger Zeit sind wir an einer Waldwiese vorbeigekommen. Dort müssen wir Gras holen.“
Schweren Herzens ließ Johanna ihren Mann im Wagen zurück und machte sich mit Clara auf den Weg. Die beiden Frauen kämpften sich über den aufgeweichten Boden. Es regnete immer noch.
„Wir werden heute Nacht kein Feuer machen können. Solche Wälder werden gerne von Dieben und Vogelfreien aufgesucht.“ Clara hatte wirklich viel bei den Zigeunern gelernt. Trotz der Ungewissheit fühlte Johanna sich in ihrer Gegenwart sicher.
Die Lichtung war nicht so weit entfernt, wie sie dachten. Sofort machten die beiden Frauen sich an die Arbeit. Clara stapfte am Rand der Wiese entlang. Johann wollte mitten durch.
„Nicht! Du machst so Spuren. Dann kann jeder sehen, dass wir hier waren.“ Clara ging weiter. Johanna verstand das Mädchen nicht, tat es ihr jedoch nach. Keuchend rissen sie an dem nassen Gras, bis Clara plötzlich den Kopf hob und lauschte.
„Reiter. Versteck dich.“
Ängstlich hockten die beiden Frauen sich hin. Vorsichtig spähte das Mädchen auf den Weg. Eine Gruppe von fünf schwer bewaffneten Männern preschte an ihnen vorbei. Der Schlamm spritzte zu allen Seiten. Abrupt stoppten sie ihren wilden Ritt und starrten auf den Waldboden.
„Hier sind Wagen entlanggefahren“, johlte ein Reiter.
„Die Spuren sind frisch, die kriegen wir noch.“ Ein schmutziger Kerl mit einem Auge schien der Anführer der Gruppe zu sein.
„Hoffentlich sind ein paar Weibsleute dabei“, lachte ein anderer und machte dabei eine anzügliche Bewegung.
Johanna war schreckensbleich. Gerade noch konnte Clara ihr den Mund zuhalten. Entsetzt keuchte die Frau auf.
„Georg.“
„Sie werden ihn nicht finden“, beruhigte Clara sie. Sie hoffte inständig, dass sie recht behalten würde.
„Weiter“, schrie der Anführer. Er schien angetrunken zu sein. Mit halsbrecherischem Galopp stoben die Männer davon.
„Wir müssen sofort zurück“, jammerte Johanna.
„Warte, lass uns das Gras mitnehmen. Die Tiere müssen zu Kräften kommen.“ Beide Frauen sammelten so viel auf, wie sie tragen konnten.
„Bitte Herrgott, lass sie nicht meinen Georg gefunden haben. Bitte, bitte …“
Clara konzentrierte sich auf die Umgebung. Sie befürchtete, dass die Männer auch ihre Spuren entdecken und zurückkehren würden.
Erst als Clara ihr gut getarntes Versteck entdeckte, erkannte sie, dass sie in Sicherheit waren.
„Pass auf! Mach keine Spuren“, warnte sie Johanna. Die Frau kämpfte sich mit ihrer schweren Last durchs Unterholz, warf das Gras hin und verschwand im Wagen. Clara schleppte, so viel sie tragen konnte, zu den Tieren, die sich sofort dankbar darüber hermachten.
Als sie in den Wagen zu Georg und Johanna kroch, schauten diese sie ängstlich an.
„Danke, Kind.“ Der Mann sah sie mit fiebrigen Augen an. Besorgt betrachtete sie ihn. Sein Zustand hatte sich durch die Reise erheblich verschlechtert. Unbemerkt gab sie Johanna ein Zeichen, ihr nach draußen zu folgen.
„Sein Zustand ist sehr bedenklich. Ich mache mir Sorgen“, flüsterte sie. Johanna brach in Tränen aus.
„Hoffentlich überlebt er. Wie sollen wir die Reise sonst fortsetzen?“
Zum ersten Mal seit Tagen kamen Clara Zweifel. Sie kroch wieder in den Wagen und fühlte an Georgs Stirn. Schweiß tropfte aus seinen Haaren. Mit zittrigen Fingern schaute sie nach seinem gebrochenen Bein und erschrak. Das Bein war dick geschwollen und zeigte schwarze Flecken. Dass diese Flecken nichts Gutes bedeuteten, wusste sie von Esmeralda. Der Tod hatte seine gierigen Klauen ausgestreckt. Es würde nicht mehr lange dauern. Doch damit wollte sich das Mädchen nicht abfinden. Eilig deckte sie das Bein mit einigen Decken wieder ab.
„Ich brauche frisches Moos zum Kühlen“, rief sie Johanna zu. Diese machte sich sofort auf die Suche.
Georg schaute Clara erschöpft an.
„Bitte kümmere dich um sie, wenn ich nicht mehr bin.“
„Du musst gesund werden.“
„Ach, du weißt genau, dass ich sterbe, Kind.“
„Nein, du darfst nicht sterben.“
„Doch, du weißt es genau. Bitte versprich mir, dass du dich um sie kümmerst“, flehte er erneut.
Sie nickte langsam. Ihr war klar, dass der Mann sterben musste. Alles, was sie tat, würde ihm nicht mehr helfen. Sein Kopf fiel zur Seite, er hatte das Bewusstsein verloren.
„Was ist mit ihm?“, heulte Johanna leise auf, als sie in den Wagen zurückkehrte.
„Er schläft“, log Clara.
Wieder machte sie sich am verletzten Bein zu schaffen, wechselte Verbände und legte das kalte Moos darauf.
Die Nacht brach herein, ohne dass Georg wieder zu Bewusstsein gekommen war. Johanna murmelte Gebete vor sich hin, während Clara ihm immer wieder den Schweiß von der Stirn wischte. Im Morgengrauen erlag der Mann seinen Verletzungen, Johanna schrie wie von Sinnen. Clara musste ihr einige Male ins Gesicht schlagen, bis sie endlich schluchzend in ihre Arme sank. Lange saßen die beiden Frauen neben dem Toten. Das Mädchen summte die Melodie eines Kinderliedes, welches Esmeralda ihr immer vorgesungen hatte. Seltsamerweise beruhigte es ungemein.
„Wir müssen ihm ein ordentliches Grab verschaffen“, raffte Johanna sich auf.
Gemeinsam liefen sie ein Stück in den Wald, bis dieser sich etwas lichtete. Sie fanden eine geeignete Stelle und gruben.
„Tief genug, sonst holen ihn die Tiere“, befahl Clara.
Still gingen sie der schweren Arbeit nach. Dann holten sie den in Decken gewickelten Leichnam und ließen ihn vorsichtig herab.
Erneut weinte Johanna. Jetzt war die Zeit gekommen, um Abschied zu nehmen. Sie betete wieder und Clara stand wortlos neben ihr. Dann schütteten sie Erde auf die Leiche und legten noch Steine zum Schutz gegen Tiere auf das Grab.
Die Nacht verbrachten die beiden Frauen gemeinsam in Johannas Wagen. Clara quälten starke Unterbauchschmerzen, doch sie sagte nichts. Wird schon wieder weggehen, dachte sie sich still. Aber als sie am nächsten Tag Blut in ihren Unterröcken sah, war es dann doch um sie geschehen. Erschrocken zeigte sie Johanna die Misere.
„Du bist jetzt eine erwachsene Frau“, erklärte diese ihr mit einem beruhigenden, leichten Lächeln.
„Das verstehe ich nicht.“
„Diese Blutung wird dir zukünftig einmal im Monat widerfahren. Es ist ganz natürlich. Hier
hast du Leinen, leg es dir vor den Unterleib.“
Clara nahm das Leinen und verschwand damit aus dem Wagen. Nun sollte sie plötzlich eine Frau sein? Nur weil sie blutete?
Johanna nahm sich vor, mit dem Mädchen darüber in den nächsten Tagen zu reden. Doch erst mussten sie sich besprechen, was nun ohne Georg passieren sollte. Würden sie den Weg auch alleine nach Regensburg schaffen? Könnte sie den Stoffhandel weiterführen?
Sie musste es versuchen. Hoffentlich blieb Clara noch eine Weile bei ihr. Gemeinsam waren sie auf jeden Fall stärker.
Als Clara nach kurzer Weile zurück in den Wagen kam, nahm Johanna sie in den Arm.
„Ist nicht schlimm, Kleines.“
„Was passiert jetzt? Wollen wir weiter nach Regensburg reisen?“ Dem Mädchen war die Situation sehr unangenehm, doch Johanna erinnerte sie mit ihrer mütterlichen Art ein wenig an Esmeralda.
„Wir müssen und ich würde mir wünschen, dass du bei mir bleibst.“
Clara machte sich sofort an die Arbeit und brach das Lager ab. Den alten Ochsen band sie hinten an Johannas Gespann, ihren kleinen Wagen schob sie tiefer in den Wald und deckte ihn mit Tannenzweigen ab. Ab sofort würde ein Wagen ausreichen müssen. Schweren Herzens ließ sie die Erinnerung aus Kindertagen im tiefen Wald zurück.
„Eines Tages komme ich wieder und dann hole ich dich“, flüsterte sie leise.
Johanna nahm auf dem Wagen Platz und Clara führte den Braunen, der sich mit seinen tellergroßen Hufen durch den Schlamm kämpfte. Der Regen hatte bereits am Vortage aufgehört, was die Reise etwas erleichterte.
Ingrid
Johanna war froh, dass Clara bei ihr war. Ohne sie wäre jetzt alles verloren. Clara würde bald im heiratsfähigen Alter sein, dachte Johanna bedrückt. Allerdings würde das aufgrund ihrer Herkunft nicht leicht werden. Wer wollte schon ein Mädchen ohne Mitgift heiraten? Johanna hing ihren schweren Gedanken nach, als der Wagen abrupt stoppte. Neugierig sah sie nach vorne. Was sie dort zu sehen bekam, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
Die Wagen ihrer ehemaligen Reisegruppe lagen am Wegesrand. Umgekippt, das Vieh verschwunden.
„Lass mich alleine vorlaufen, warte hier“, flüsterte Clara aufgebracht mit einer Handbewegung, die keine Widerworte zuließ. Vorsichtig stapfte das Mädchen los. Als Erstes sah sie eine leblose Hand unter einem der Wagen. Je näher sie kam, desto mehr Leichen sah sie. Die Frauen waren teilweise völlig entkleidet und geschändet. Die Gesichter der Toten ließen auf schreckliche Qualen schließen. Clara übergab sich.
„Was ist los?“ Johanna stand auf ihrem Wagen, um besser sehen zu können.
„Nein, bitte nicht! Bleib, wo du bist“, rief Clara schrill. In diesem Moment war es ihr egal, ob die Mörder vielleicht wieder zurückkommen würden. Sie dachte nicht einmal darüber nach. Die Wagen waren geplündert worden, doch anscheinend hatten die Mörder Angst vor Zeugen gehabt und die Kaufleute deshalb auch noch allesamt gefoltert und umgebracht.
Clara traten Tränen in die Augen. Sie untersuchte die Leichen und hoffte auf ein Lebenszeichen. Erst bei Ingrid, Josefs ältester Tochter, hörte sie ein leises Wimmern.
Auch sie trug nichts mehr am Leibe und man hatte ihr in Brust und Bauch geschnitten. Die Blutungen hatten längst aufgehört, dicke Blutkrusten bedeckten ihren Körper.
„Ingrid, hörst du mich?“ Die Verletzte weinte leise und fing an zu zittern.
„Beweg dich nicht, ich helfe dir.“ Hastig raffte Clara die Röcke und rannte ein Stück zu Johanna.
„Komm her, treib den Braunen an. Ingrid lebt! Sie ist schwer verletzt.“ Johanna tat sofort, was Clara befahl. Mühsam trieb sie das erschöpfte Pferd an. Als sie näher an die Unglücksstelle kam, stockte ihr der Atem. Alle waren tot. Sie versuchte, nicht genauer hinzusehen, doch auch sie musste sich übergeben.
„Bitte, Johanna. Hilf mir! Ich schaffe es nicht alleine.“
Eilig suchte die Frau einige Decken in ihrem Wagen zusammen und stürzte damit zu Clara. Als sie Ingrid sah, musste sie sich erneut übergeben. Auch vor dem Mädchen hatte man nicht Halt gemacht. Angestrengt halfen die beiden Frauen Ingrid in den Wagen.
„Du bist jetzt in Sicherheit, beruhige dich.“ Johanna legte Ingrids Kopf auf ihren Schoß und strich ihr über das verklebte Haar.
„Wir werden noch ein Stück des Weges gehen, dann machen wir Rast für die Nacht“, rief Clara, während sie an dem Pferd zog, das ihr mit einem matten Schnauben folgte.
Der Weg wurde langsam besser und die Frauen kamen etwas leichter voran. Ingrid war erschöpft eingeschlafen, schreckte jedoch einige Male hoch. Der Schock über das Erlebte steckte ihr tief in den Knochen. Johanna hatte die Wunden versorgt und war sich sicher, dass Ingrid zumindest die körperlichen Verletzungen überstehen würde.
Clara brachte das Pferd zum Stehen und schaute in den Wagen.
„Wie geht es ihr?“
„Sie schläft, doch ihre Seele kommt nicht zur Ruh“, antwortete Johanna sorgenvoll. Ingrid stöhnte qualvoll im Schlaf.
„Wir werden heute noch ein ganzes Stück schaffen müssen, der Weg ist besser geworden.“ Clara drehte sich um und gab dem Pferd einen Klaps. Der Gaul verstand sofort und setzte sich in Bewegung. Als sie den Wald hinter sich brachten, sahen sie einige ärmliche Hütten.
„Ein Dorf“, freute Johanna sich.
Begegnungen
„Hier sind wir in Sicherheit und werden die Nacht verbringen.“ Clara befreite das Pferd von seinem Geschirr und band den Ochsen los. Zweifelnd schaute sie das alte Tier an.
„Vielleicht sollten wir versuchen, den Ochsen zu verkaufen“, schlug sie Johanna vor. Diese überlegte nur kurz und nickte. Das Geld würden sie gut gebrauchen können.
„Dort ist eine Herberge.“ Johanna zeigte auf ein Haus. Sicherlich wäre es für Ingrid besser, wenn sie die Nacht in einem Bett und nicht wie vorgesehen im Wagen verbringen würde. Sie raffte die Röcke und stieg vom Wagen. Erstaunt sah Clara, wie Johanna energisch an die schwere Holztür klopfte.
„Ja, ja … Wer ist dort zu so später Stunde?“ Eine Frauenstimme erklang leicht verärgert.
„Wir sind ehrsame, brave Frauen und suchen ein Quartier für die Nacht.“
„Ehrsame, brave Frauen? Wo sind eure Ehemänner?“
„Das ist eine etwas längere Geschichte. Bitte öffnet die Tür und lasst uns hinein in Eure Stube.“ Ein schwerer Riegel wurde beiseitegeschoben und die Tür einen Spalt geöffnet.
Misstrauisch musterte ein altes Mütterlein Johanna von oben bis unten, dann öffnete sie vollständig die Tür. Johanna trat ein und schaute sich neugierig im Gasthaus um. Es schien hier sauber zu sein, nach den Wochen im Wagen freute sie sich darüber.
„Könnt Ihr uns eine warme Stube für die Nacht anbieten? Wir sind drei Frauen auf dem
Weg nach Regensburg.“
„Gar nicht ungefährlich. Wie seid ihr durch den Wald gekommen? Seit einiger Zeit treiben dort Mörder ihr Unwesen“, schnarrte die Alte mit schiefem Blick. In kurzen Sätzen berichtete Johanna über das Geschehene. „Gut, die Übernachtung macht drei Pfennig.“
Johanna kramte in ihrem Geldbeutel, der gut versteckt am Innenbund ihres Rockes befestigt war, und beförderte einige Münzen hervor. „Könnt ihr uns auch ein gutes Mahl anbieten?“
„So setzt euch“, wies die Frau auf eine Bank. Während sie ein Talglicht entfachte, machte Johanna sich auf, um Clara und Ingrid zu holen. Leicht gebückt und unter starken Schmerzen ließ Ingrid sich von den beiden Frauen stützen. Schweiß lief ihr von der Stirn, sie keuchte. Erschrocken blickte die Gastwirtin auf, als sie die junge Frau im Türrahmen erblickte.
„Bringt sie am besten schon in die Stube und wechselt die Kleidung. Hinter dem Haus ist eine Waschstelle, dort könnt ihr waschen. Hängt die Röcke dann dort neben die Feuerstelle. Bis morgen in der Früh müsste dann alles wieder trocken sein.“
Während Clara sich um die Verletzte kümmerte, schrubbte Johanna die Kleidung. Mühselig entfernte sie die getrockneten Blutflecken. Die Mörder hatten Ingrid übel mitgespielt. Wahrscheinlich hatten sie nicht damit gerechnet, dass die junge Frau diese Verletzungen an Brust und Schoß überleben würde. Ingrid stöhnte unter Schmerzen und versuchte, ihre Scham zu bedecken. Clara zog ihre Hände beiseite.
„Lass mich dir helfen.“
Die Augen starr an die Zimmerwand gerichtet, ließ Ingrid nun alles wehrlos mit sich geschehen. Als Clara fertig war, deckte sie die zitternde Frau mit mehreren Decken zu und legte ihr einen feuchten Leinenstreifen auf die Stirn. Als sie sich wenig später in die Gaststube begab, wurde sie bereits von Johanna erwartet.
Der Tisch war mit Haferschleim gefüllten Schüsseln, Brot und Krügen mit verdünntem Wein gedeckt. Die Gastwirtin setzte sich ungefragt zu ihren Gästen und griff ebenfalls zu. Selten hatte sie in ihrer Herberge Gesellschaft.
„Mein Mann ist ebenfalls tot und mein Sohn ein Tunichtgut. Ich bekomme ihn kaum zu Gesicht. Darum führe ich den Gasthof hier mehr oder weniger alleine. Seit die Mörder im Wald ihr Unwesen treiben, steht es auch hier im Dorf um uns schlechter …“
Durch ein Gepolter von draußen wurde die Frau in ihrem Redeschwall unterbrochen. „Mein Sohn …“
In diesem Moment wurde die Gasthaustür grob aufgestoßen und ein ungepflegter Mann trat ein.
„Mutter, ich habe Hunger.“
Johanna und Clara saßen wie vom Blitz getroffen. Es war einer der Mörder! Der Sohn der Gastwirtin gehörte zur Mordsbande aus dem Wald! Clara fasste sich als Erste und stieß Johanna unter dem Tisch an.
„Lass dir nichts anmerken“, zischte sie leise.
Im Moment war es für sie nicht gefährlich, der Mann erkannte sie nicht. Hart schluckte Johanna ihren Brocken Brot hinunter und spülte verdünnten Wein hinterher.
„Ich werde Ingrid etwas Essbares bringen.“ Schnell klaubte sie etwas Essen zusammen, nahm einen Becher Wein und verschwand. Sie musste Ingrid warnen. Clara aß unterdessen seelenruhig weiter. Unauffällig beobachtete sie den Mann mit wachsamen Augen.
„Mutter, was für ein hübscher Gast“, lachte dieser, als er Clara entdeckte.
„Sei still! Du vergraulst mir noch meine einzigen Gäste, drei Frauen. Sie sind den Mördern im Wald entkommen, die eine ist grausam entstellt …“
Clara verfluchte die Redseligkeit der Wirtin. Misstrauisch blickte der Mann sie an. Er versuchte, aus ihrem Blick etwas zu lesen, doch Clara gab sich scheinbar unwissend.
Nach einigen Minuten ließ der Mann zufrieden von ihr ab. Erleichtert atmete sie auf.
Gefasst verließ sie die Gaststube, um nach Ingrid zu sehen. Offenbar hatte Johanna ihr bereits alles berichtet. Mit aufgerissenen Augen sah sie Clara an, als diese die kleine Stube betrat.
„Keine Angst, ich bin es nur.“
„Wir, wir sind hier nicht mehr sicher. Wir sind im Mörderhaus“, keuchte Ingrid aufgebracht.
„Du brauchst dich wirklich nicht zu fürchten“, flüsterte Clara beruhigend. Sie hatte selbst Angst, wollte sich aber nichts anmerken lassen. Johanna streichelte Ingrid beruhigend übers Haar. Wie eine Mutter, dachte Clara wehmütig. Esmeraldas Gesicht erschien vor ihrem inneren Augen, eine wohltuende Ruhe breitete sich in ihrem Körper aus. Fast schien es so, als würde ihr die alte Zigeunerin beruhigend über das Haar streichen.
„Schlaft ihr, ich halte die erste Nachthälfte Wache. Danach löst Johanna mich ab.“ Clara setzte sich auf einen kleinen Hocker und schaute aus dem Fenster in die Nacht.
Rache
Während die anderen Frauen tief und fest schliefen, kämpfte Clara gegen die aufsteigende Müdigkeit an. Immer wieder rieb sie ihre brennenden Augen. Der Tag war anstrengend und Erschöpfung überfiel sie. Sie fror und legte sich eine Decke um die Schultern. Wieder schaute aus dem Fenster, in die Dunkelheit. Doch was war das? Machte sich da jemand an ihrem Wagen zu schaffen? Clara kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Gespannt hielt sie den Atem an. Ja, da war zweifellos ein Fremder an ihren Sachen. Leise glitt Clara aus der Stube und schlich auf den Hof. Beiläufig griff sie an der Feuerstelle zum schmiedeeisernen Schürharken. Prüfend tastete sie ihn ab. Das war eine gute Waffe. Der Wagen rumpelte und sie hörte leises Fluchen.
„Verdammt, verdammte Stoffballen. Verdammte Weiber.“ Stoff riss, der Fremde durchwühlte anscheinend alles bis in die kleinsten Ecken. Clara verschränkte ihre Arme hinter dem Rücken. Mit festem Griff hielt sie ihre Waffe.
„Wer ist da?“ Halblaut rief sie in den Wagen. Plötzlich war es totenstill. Vor Aufregung hörte sie das Blut in ihren Ohren rauschen. Dann sprang der Sohn der Wirtin mit einem Satz aus dem Wagen.
„Na, wen haben wir denn da?“ Er lachte schmierig.
„Was macht Ihr euch an unserem Eigentum zu schaffen?“ Clara bebte, der Zorn siegte über ihre Angst.
„Nur ein wenig schauen, mein riesiges Täubchen. Möchtest Du mal einen echten Mann
spüren?“ Lüstern blickte er sie von oben bis unten an. Trotz Dunkelheit konnte Clara sehen, wie er sich die Lippen leckte. Er kam langsam näher und starrte auf ihre Brüste.
„Nun sollst du meinen Pfahl in dir spüren. Ich will dir zeigen, welch Kerl ich bin.“ Seine Stimme klang äußerst erregt.
Clara dachte an Ingrid. Hatte dieser Widerling ihr das angetan? Als könne er ihre Gedanken lesen, wandte er sich erneut an sie.
„Deine kleine Freundin durfte ihn auch schon spüren. Leider war ich nicht der Erste, ich kam erst an dritter Stelle. Da hat sie schon nicht mehr mitgemacht. War einfach ohnmächtig. Selbst die Kitzeleien mit dem Messer konnten ihre Lebensgeister nicht zurückbringen. Dafür werde ich jetzt bei dir der Erste sein und du wirst schön brav mitmachen. Dafür bekommt ihr euer Leben.“
Clara stockte. Jetzt wusste sie genau, was die Kerle der armen Ingrid angetan hatten. Ihre Hand umklammerte den Schürharken fester. Doch eine plötzlich aufsteigende Angst hielt sie davon ab, zuzuschlagen. Keuchend atmete sie und wich zurück. Dies sah der Wirtssohn als Einladung. Schmerzhaft kniff er ihr in die Brust, mit der anderen Hand versuchte er, ihre Röcke hochzuschieben. Endlich löste Clara sich aus ihrer Erstarrung.
Sie stieß ihn wütend von sich und schlug zu. Einmal, zweimal und immer wieder. Erst als ihr Blut ins Gesicht spritzte, kam sie zu Verstand. Eine Hand fasste ihr von hinten an die Schulter, sie erschrak. Johanna schaute entsetzt auf den leblosen Körper auf dem Boden. Stockend erzählte Clara, was geschehen war.
„Du hast das Richtige getan.“
„Wohin mit dem Toten?“ Clara konnte noch keinen klaren Gedanken fassen.
„Dort in den Schweinestall. Da gehört er hin.“
Mühsam schleppten die beiden Frauen den Leichnam über den Hof und warfen in kopfüber in den Stall. Die Schweine machten kurz einen ohrenbetäubenden Lärm, dann schmatzten sie. Schaudernd verließen die Frauen den Stall.
„Ich werde die Spuren hier beseitigen. Im Wagen findest du neue Kleidung, lass deine Sachen verschwinden.“
Erst in den frühen Morgenstunden nickte Clara traumlos ein. Für Johanna war seit dem Zwischenfall nicht mehr an Schlaf zu denken. Sie lugte vorsichtig aus dem Fenster in den Hof. Spuren waren dort nicht mehr zu sehen, ihre Arbeit hatte sie gründlich getan. Die Hintertür der Gaststube flog auf.
„Berthold, wo bist du nur wieder, du Taugenichts“, schimpfte die Wirtin lauthals in den Hof.
Keine Antwort.
„Dein Berthold wird wohl nie wiederkommen“, wisperte Johanna genüsslich. Ingrid stöhnte unruhig und erwachte.
„Du brauchst keine Angst mehr zu haben, er ist tot“, flüsterte sie der Verletzten ihr leise ins Ohr.
Fragend schaute Ingrid sie an. Ihr Blick sagte alles, auch ohne Worte. Clara schlief immer noch. Verbrachte sie doch das erste Mal in ihrem Leben in einem richtigen Haus und einem richtigen Bett. Es schien, als wollte sie diesen Moment auskosten. Johanna lächelte selig. Jetzt würde alles gut werden, hoffte sie inständig.
Regensburg
Die Frauen ließen sich von der Wirtin in der Gaststube ein Frühmahl servieren. Sie versuchten, sich so unbeschwert wie möglich zu geben. Selbst Ingrid schien es heute ein wenig besser zu gehen, die Schmerzen ihrer Verletzungen waren einigermaßen erträglich geworden. Sie lächelte scheu.
„So gefällst du mir schon besser“, lachte die Wirtin, als sie das bemerkte, und schenkte noch etwas verdünnten Wein nach. Ingrid griff zu, ohne die Wirtin aus den Augen zu lassen.
„Wann soll die Reise denn weitergehen?“
Clara und Ingrid sahen Johanna an. Sie war die Älteste und hatte somit das Sagen.
„Gerne würden wir noch eine Nacht bleiben. Dieses gastliche Haus hat uns sehr gefallen, doch leider müssen wir weiter nach Regensburg. Die Zeit drängt, das Wetter ist trocken, wir müssten somit gut vorankommen.“
„Von hier ist es eine halbe Tagesreise und nicht mehr so gefährlich. Die Gegend ist bewohnt …“
„… und dein Sohn, der Mörder, ist tot“, dachte Clara mit Genugtuung. Wenig später spannte sie das Pferd ein und band den Ochsen hinten an den Wagen. Ingrid und Johanna nahmen auf der Kutschbank Platz.
Die Wirtin lief mit einem Eimer Essensreste ächzend über den Hof. Den Frauen war sofort klar, was nun geschehen würde. Angestrengt versuchte Clara, sich nichts anmerken zu lassen. Nervös kontrollierte sie noch einmal das Zuggeschirr des Pferdes.
„Dieser Taugenichts ist mal wieder abgehauen. Ich alte Frau muss noch die Schweine füttern.“ Wütend trat sie die Tür zum Schweinestall auf und verschwand. Totenstille.
Fragend schauten die Frauen sich an.
„Gleich wird sie ihren Taugenichts finden“, sagte Clara sorgenvoll. Kaum ausgesprochen tönte ein markerschütternder Schrei aus dem Stall. Der Eimer fiel zu Boden.
„Geh hin“, raunte Johanna Clara zu.
„Was ist passiert, werte Frau?“ Johanna spielte die Ahnungslose.
Mit stockenden Schritten ging Clara in den Stall. Was sie dort sah, verschlug ihr die Sprache. Die Schweine hatten das Gesicht sowie einen Teil des Oberkörpers gefressen. Nur an der Kleidung konnte die Wirtin ihren Sohn noch erkennen.
„Berthold, Berthold, wie konnte das passieren? Mein Berthold. Nun ist er auch noch tot.“ Durch die Schreie der Frau wurden die ersten Nachbarn aufmerksam und liefen zusammen. Der Anblick des Toten ließ dem einen oder anderen übel werden. Nur die Schweine schienen die ganze Aufregung nicht zu verstehen. Satt gefressen lagen sie mit dicken Bäuchen in der Ecke des Stalls und suhlten sich wohlig im Dreck. Erst als die Frauen der Nachbarschaft sich um die verstörte Wirtin kümmerten, traten Johanna, Clara und Ingrid ihre Reise nach Regensburg an.
Die Wegstrecke wurde zusehends besser, so dass Clara ebenfalls auf dem Wagen Platz nehmen konnte. Das Pferd trottete ruhig des Weges, sie zogen an einigen Hütten und Höfen vorbei. Erst als Clara die großen Stadtmauern von Regensburg in der Ferne sah, wurde sie langsam aufgeregter. Was würde sie dort erwarten? Hier war sie damals zu den Zigeunern gekommen.
Clara wurde ungeduldig. Nur langsam näherten sie sich den imposanten Stadtmauern. Am liebsten wäre sie vom Wagen gesprungen und vorausgerannt. Dann war es endlich so weit.
„Halt, habt ihr etwas zu verzollen?“ Ein rundlicher Mann, mit feistem rotem Gesicht und speckigen Haaren, hob die Hand. Johanna schaute aus dem Wagen.
„Mein Herr, wir möchten einige Stoffe auf dem Markt anbieten. Wir sind spät dran. Mein Mann starb vor wenigen Tagen und wir wurden überfallen.“ Sie hoffte auf ein bisschen Mitleid, doch sie hoffte umsonst. Nur die Neugierde des Mannes wurde geweckt. Mit strammen Schritten ging er um den Wagen und schaute hinein. Ingrid wimmerte leise. Der Schmerz stand ihr ins Gesicht geschrieben.
„Was ist mit ihr?“ Entsetzt wich der Soldat zurück.
„Man hat ihr schlimme Dinge angetan“, antwortete Johanna und nestelte in ihrem Münzbeutel.
Mit angewidertem Gesichtsausdruck drehte der Mann sich weg.
„Wir haben nicht viel Geld. Was bekommt Ihr von uns armen Weibern, guter Mann?“
Der Soldat nannte den Preis des Wegezolls und Johanna zahlte wortlos die geforderte Summe. Nur wenige Meter entfernt stand eine vermummte Gestalt und beobachtete die Szene wortlos.
Clara sprang übermütig vom Wagen und führte das Pferd. Endlich waren sie in Regensburg. Das geschäftige Treiben raubte ihr fast den Atem. Regensburg war die erste richtige Stadt, die sie in ihrem Leben sah. Sie kamen am Dom vorbei. Ärmliche Gestalten saßen hier und bettelten um Almosen. Johanna beachtete sie jedoch kaum.
„Wir müssen zum Markt“, trieb sie Clara ungeduldig an.
Beschwerlich kämpften sie sich mit ihrem Wagen durch das Treiben, dann kamen sie endlich an den Marktplatz. Der Platz war bereits ziemlich voll und keiner der anwesenden Händler dachte nur im Entferntesten daran, ein wenig Platz zu machen.
„Lasst uns hier am Rande einen Verkaufsstand herrichten und auf zahlungskräftige Kundschaft hoffen.“
Johanna machte sich sofort an die Arbeit. Clara half, so gut sie konnte. Ingrid blieb im Wagen. Das Treiben auf dem großen Platz faszinierte Johanna. So viele Menschen aus den unterschiedlichsten Schichten trafen hier aufeinander. Lautstark boten die Marktschreier von allen Seiten ihre Waren an.
Ein dicker Mann jagte mit einem Knüppel ein kleines Mädchen, das ein ganzes Brot ergattert hatte. Doch die Kleine war flink wie ein Hase, schlug einige Haken und Bogen und schaffte es, den wütenden Kerl abzuhängen. Clara lachte.
Der Markttag ging zu Ende und die Frauen hatten kein bisschen verkauft.
„Gerade jetzt, wo wir das Geld bitter nötig haben“, klagte Johanna. Clara war sich keiner Not bewusst und Ingrid verschlief den gesamten Markttag im Wagen. Enttäuscht baute Johanna den Stand ab.
„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, vertraute sie Clara sorgenvoll an. Die junge Frau konnte die Sorgen nicht verstehen. Der Wald gab doch genug zum Leben her. Wofür brauchten sie Geld?
Johanna machte sich in der kommenden Nacht viele Gedanken um die Zukunft.
Während die beiden jungen Frauen fest schliefen, faltete sie die Hände und betete zu Gott. „Herr im Himmel, bitte hab Erbarmen, hilf uns. Wie soll es nur weitergehen? Bitte
hab Gnade mit uns …“ Sie fiel in einen traumlosen Schlaf.
Auch der nächste Tag sollte nicht besser werden. Johanna und Clara versuchten erfolglos, ihre Stoffe anzubieten, doch niemand kaufte. Dass sie dabei wieder beobachtet wurden, bemerkten sie nicht. Madame Elisa, mit bürgerlichem Namen Waldburg, freute sich über den Misserfolg der Frauen. Das würde es ihr um einiges leichter machen. Sie musste nur noch etwas abwarten.
Der Handel
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