Kitabı oku: «Gamification-Testspiel», sayfa 2

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Eine zweite Stimme aus dem Off ergänzt, … dies bedeutet ganz einfach, es gehen bei dieser Art von Tod nicht so viele Tickets verloren, als wärt ihr ohne Befehl, ganz allein, verstanden?

Dann wieder die erste Stimme, … alleine sterben ist nur dann okay, wenn einer den Feind ausspähen muss. Oder ihr erhaltet den Befehl zur Einzelmission und tut spezielle Dinge, die man mit der ganzen Einheit nicht tun kann. Aber nur auf Befehl!

Was denn Spezielles?, will Mirko schnell vom Geissen-Peter wissen.

’n gegnerischen Offizier, im Aufbau seiner Line … oder … den Flaggenträger kaltstellen …,

antwortet Geissen-Peter rasch, … Schlüsselfiguren töten … Infiltration … hinter den Linien … sowas eben …

Das klingt nach meiner Baustelle, denkt Mirko.

Dann wieder aus dem Off: Noch etwas – Ihr habt zwei Möglichkeiten, in das Spiel einzusteigen. Entweder bei der Aufstellung in Reih und Glied oder beim Flaggenträger.

Beginnt ihr im Deployment, also am Startpunkt der Kompanien zur Schlacht, kann es sehr viel länger dauern, bis ihr bei der Fahne eurer Einheit seid.

Die zweite Stimme: Der Vorteil, wenn ihr beim Flaggenträger spawned, ist, dass ihr nur zehn Sekunden warten müsst und dann schon direkt bei der Linie seid.

Kleiner Tipp: Versucht den Flaggenträger der anderen zu töten. Über den kommt in der Schlacht nämlich die Verstärkung für die Front … nur so nebenbei …

Alles ist naturgetreu nachempfunden und das Spiel wächst sogar noch. Unermüdlich sind Pixelenthusiasten am Werk, neue historische Schauplätze und Einheiten zu entwerfen, um diese in das Spiel zu integrieren.

Mirko sieht eine weite Landschaft. Man möchte diese fast idyllisch nennen, mit ihren Höhen und Tälern, Flüsschen und Brücken, den Wegen und Mäuerchen, den Bäumen und der Bewegung darin, die der virtuelle Wind in das Laub weht. Es gibt Regen und Sonnenschein. Mal freien Himmel und Wolken. Mal so, mal so. Wie in Wirklichkeit.

Eine Landschaft so sanft, dass man im Grunde ein schlechtes Gewissen haben müsste, sie in die Hölle zu verwandeln und alles dabei in Schutt und Pixel zu legen.

Immer wieder wird das Land gebrochen wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch.

Rauch, dunkelgraue Schwaden, brennende Gebäude, zerschossene Stellungen, zerstörte Stallungen, zerfetzte Zelte oder zusammengekrachte Wägen, Holzpalisaden, grobe Bollwerke sowie auch die Toten zerreißen förmlich das Grün; das ohnehin bald nicht mehr zu sehen sein wird unter dem Gedröhne der marschierenden Truppen und dem entstehenden Digi-Pulverdampf der vorsintflutlichen Kanonen und Gewehre.

Mirko staunt über den Detailreichtum.

Die Uniformen mit reflektierenden Knöpfen, Epauletten mit Sternchen, Hüte, Mützen mit Kordeln, Seitenstreifen auf den Hosen und auch die Schuhe mit Schnürsenkeln sowie Stiefel mit Schnallen. Selbst Bandagen, gewickelt um Füße und Beine einzelner Soldaten, sind genau zu erkennen.

Gesichter voller Bartstoppeln, Augenringe, selbst Nasenhaare, Falten und Fältchen oder ein Bart wie der Weihnachtsmann, wie den originalen Fotografien derer entnommen, die diese Zeit festhielten, mit ihren Fotokästen aus Holz.

Das Gewehr. Jedes Detail. Beschläge, Zündhütchen, Trigger, sogar die Maserung des Holzes ist nachgeahmt. Und das Bajonett. Auch die Art der Bajonette zu den Waffen.

Eine sehr gute Animation, findet Mirko. Wenn nicht gar die beste zum Thema.

Die erste Skepsis ist gewichen. Grandios, denkt er.

Manche Regimenter der Südstaatler sollen sogar barfuß kämpfen, hat der Geissen-Peter zudem erzählt.

Es ist noch immer Zeit bevor es losgeht mit den Kämpfen in der großen Schlacht.

Mirko nutzt die Pause und „googelt“ die historischen Hintergründe zur „Sunken Road“ und „Millers Mühle“.

Er liest auf die Schnelle von der damaligen Maryland Kampagne der Südstaaten und dass man auf dem Territorium des Nordens kämpfte.

Millers Mühle war eine simple Mühle eben, wo Verbände von Union und Südstaaten sich einst gegenüberstanden.

Mit enormen Verlusten auf beiden Seiten, wie zu lesen steht.

In der Sunken Road, einem Verbindungssträßchen in der Nähe von Müllers Mühle, überraschten seinerzeit Einheiten der Union die Konföderierten, während diese dort entlang marschierten. Legendär das Gemetzel. Der Weg versank im Blut.

Seither nennt man den Straßenabschnitt Sunken Road.

Über den TeamSpeak geht der Ruf, dass alles bereit ist. Man soll nun herüber zum neuen Server wechseln.

Passwörter werden herausgegeben, genauso wie die Einheit, die zu wählen ist und wer welchen Rang einnimmt.

Der Serverwechsel beginnt. Die Anspannung in den Gesichtern von Heino „dem Zweiten“, dem Geissen-Peter und Mirko wächst merklich. Die Blicke magisch gerichtet auf die Monitore. Man möchte einen guten, harten Kampf. Den Gegner bluten lassen und fallen sehen – „22. Washington Volunteers versus 13. Texas Rangers“.

Es schallt, nun auf dem neuen Server, der Ruf eines Sergeanten über den TeamSpeak:

„22. Washington Volunteers“ bewegt sich nach links, dann kurz und knapp der Befehl „Company, in two ranks, fall in!“, und die Einheit reiht sich hinter dem Sergeanten auf.

Zwei Mann nebeneinander und viele, wirklich viele hintereinander, so hört man es den Sergeanten sagen.

Zum Ende der Kolonne steht ein weiterer Unteroffizier, der die Männer sortiert und ihnen ihren Platz zuweist. Auch kleine Dinge, wie zum Beispiel, sich zu merken, wer Vorder-, Hinter- und wer ihr Nebenmann ist.

Die Kolonne setzt sich in Bewegung. Die Reihen fest geschlossen und die Flagge im Wind. Musik ertönt. Gesang einiger der älteren Pixelkameraden setzt ein.

Glory, glory, Halleluja, Glory, glory, Halleluja, Glory, glory, Halleluja, His truth is marching on.

Der Kampf verläuft nicht gut. Mehr als ein verlustreiches Patt scheint nicht drin.

Die 13. aber denkt nicht im Geringsten an Patt und startet in den letzten Spielminuten, völlig überraschend, einen waghalsigen Angriff mit dem Bajonett – ein „Husarenstreich“.

… I Wish I Was in Dixie …

Das Gefecht um die Sunken Road geht für die 22. Washington Volunteers verloren.

Verdammt, verdammt, verdammt. Wer hätte denn damit rechnen können?, fragt der Peter.

Fuck Alter, was ist denn das gewesen?, regt sich Heino „der Zweite“ auf.

Kein Plan, aber so geht es wenigstens immer zur Sache. Zugegeben, nicht immer so heftig wie gerade eben, erwidert Geissen-Peter.

Ein Streamer, neutraler Beobachter der ganzen Schlacht, stellt kurz nach Spielschluss des Games Teilgefechte als erste Sequenzen auf einen Tube-Channel.

Der Streamer sieht das Getümmel, nimmt Material und bereitet es auf, für den Nachgang. Wie die „Sportschau“. Im Gegensatz zum Spieler kann der Streamer sich während der Schlacht in jede Situation aller stattfindenden Kämpfe zwischen den verschiedensten Kompanien hineinzoomen und diese aufnehmen.

Er ist ähnlich wie der „Liebe Gott“. Er sieht alles, hört alles und weiß alles.

Zur Nachschau werden als Video dann Teile eines jeden virtuell gefochtenen Kampfes nach und nach veröffentlicht. So kann jeder die Highlights der ganzen Schlacht als auch die eigenen Fehler im Scharmützel sehen.

Streamer. Wichtig! Sie schweben regelrecht über allem. Streamer sind dazu noch die Kommentatoren, Meinungsmacher, Scouts und die Trendsetter der Szene.

Alles sehen, hören und wissen …

In den Videos des Streamers sieht man genau, wie sich Reihen lichten, neuformieren, stellen, zurückziehen oder zu einem Gegenstoß ansetzen. Aus den verschiedensten Kameraperspektiven können sowohl ein Gesamteindruck als auch Verbände in unterschiedlicher Bewegung und Handlung gezeigt werden; kleine agierende Grüppchen sowie jede einzeln handelnde Figur. Alles eben.

Man sieht nun im aktuellen Video, Volunteers gegen Texas Rangers, wie die konföderierte Seite aus einer nahegelegenen Position Verstärkung bekommt und es schafft, im besagten Husarenstreich, die Volunteers zurückzudrängen, zu schlagen und somit die Sunken Road für sich zu gewinnen.

Alles dauert bei uns zu lang, klagt Mirko, … auch das Nachladen … nicht zehn, sondern mindestens sechzehn Sekunden. Selbst für die Geübten. Ich hab auf die Uhr gesehen.

Heute wollte es irgendwie der Einheit nicht gelingen, sich durchzusetzen, aber hätte man ’n paar clevere Späher und Einzelkämpfer gehabt, wär’s vielleicht anders gelaufen …, meint der Geissen-Peter, als er den Download sieht.

Mirko ist mit seinem ersten Mal jedoch zufrieden. Sind ihm doch tödliche Treffer gelungen – aber vor allem – ER hat überlebt!

Bei all den Verlusten.

Über TeamSpeak kommt eine Nachricht herein.

Nachbesprechung für alle.

Jeder, der etwas sagen möchte, soll ein Plus in der dafür vorgesehenen Textzeile markieren. Mirko macht als letzter sein Zeichen, weil er nicht weiß, ob er jetzt schon etwas sagen soll, da er doch der Neue ist.

Zunächst hört er sich an, was die anderen zu sagen haben. Die meisten haben bereits den Stream gesehen. Einige beschweren sich, dass die Neuen heute viel zu viele waren und machen deshalb die Anfänger als einen der Gründe für die immensen Verluste aus.

Andere merken an, dass sie mit Omas Donnerbüchse unterwegs gewesen wären und es nur an den Waffen gelegen habe.

Wiederum andere beschweren sich über die Karte selbst, denn die Schlachtfelder seien … einfach voll Scheiße …

Am Ende jedoch von Offiziersseite versöhnlich, man sei für das Erste zufrieden und weist auf eine hoffentlich erfolgreichere Zukunft hin.

Mirko bedankt sich bei allen und sagt, dass ihm alles sehr viel Spaß mache.

Der Kommandierende hebt Mirko besonders hervor. Ihm und auch anderen, heißt es vielsagend, habe gefallen, wie er, Mirko, kämpft. Wenn er so weiter mache, er schon bald aufsteigen würde. Somit ein fester Teil der Einheit wäre. Mirko ist berührt.

Mirko verbringt jetzt die Tage (und Nächte) intensiv beim Spiel.

Üben, üben, üben, ist der ihn nun treibende Gedanke.

Gewehr laden, Bajonett aufpflanzen. Vor und zurück. Zurück und vor. Rechts, links. Links, rechts. Springen, klettern, pirschen, killen. Killen, pirschen, klettern, springen.

Und „V“. Die Waffe samt Bajonett begibt sich in den Melee – den Nahkampf-Modus. Und … „V“ und Stich. Monoton. Und … „V“ und Stich. Wieder und wieder und immer wieder. Und immer schneller. Eifriger. Hemmungsloser.

Übung macht den Meister, wenn Du überleben willst, sagt sich Mirko, Abgesehen davon werde ich gebraucht.

Mirkos neuer virtueller „Clan“, findet sich zum freien Zocken auf dem Public Server ein.

Public – sei wer Du willst, mach was Du willst, schließe Dich an wem Du willst. Das ist der Unterschied zu den Spieltagen am Wochenende.

Wie „Bundesliga“, sagt der Geissen-Peter, Über die Woche freies Training und am Wochenende für Deinen Verein.

Heute im Public spielt „Mirkos Haufen“ mal für die Konföderierten. Die Männer ohne Schuhe. Mirko bewegt sich nun nahezu selbstverständlich durch die virtuelle Welt. Nutzt geschickt die Deckung von Rosenbüschen, Gartenzäunen, Bretterhäusern, Kirchen, Säulenvorsprüngen, Seitensträßchen, von Hainen und solitären Felsen.

Als er sich so durch die Gassen von „Springfield“ um „Harpers Bazar“ bewegt, erkennt Mirko eine Gruppe von fünf Soldaten der Union. Er kann die Gruppe unbemerkt auf der rechten Seite umgehen und sieht aus der Deckung, was dort vor sich geht.

Ein Streamer entdeckt ebenfalls die Szene beim Kameraschwenk über das kämpferische Geschehen. Dabei beobachtet er Mirkos Verhalten und Vorgehen gegen die fünf Unionssoldaten genau.

Die fünf Soldaten scheinen den Auftrag zu haben, eine Treppe zu halten, die den oberen und unteren Teil der Stadt strategisch miteinander verbindet.

Mirkos Truppe, könnte bei der Einnahme dieser Treppe einen großen Vorteil erlangen.

Mirko bewegt sich langsam und unbemerkt auf die kleine Gruppe zu und eröffnet das Feuer auf den ersten der fünf Soldaten. Dieser fällt direkt um. Die anderen bemerken den Verlust zunächst nicht. Mirko nutzt den Augenblick, um mit seinem Bajonett weiter vorzudringen. „V“ für Melee. Nahkampf und Stich. Er tötet mit unzähligen Stichen …

„V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich …

Uuuups, denkt der Streamer, … ein Talent …

Mirko macht den Gegner ganz und gar nieder und übernimmt den Gang triumphal.

Heino klopft ihm auf die Schulter. Shit Alter! Leck mich fett.

Der Geissen-Peter sagt nur: Mal sehen ob Du das noch mal allein hinbekommst oder sogar noch besser. Aber die fünf da einfach abzumurksen … nicht schlecht, Herr Specht!

Mirko hat einen taktisch wichtigen Knotenpunkt alleine eingenommen, der am Ende zum Sieg über die Unionskompanie führt. Mirko lächelt.

An den großen Spieltagen mit der eigenen Einheit profiliert sich Mirko dann schnell.

Es dauert nicht lange und er ist „Private“, dann „Korporal“ und überholt damit den Geissen-Peter.

„Korporal Mirko“, jetzt mit schnittiger Uniform und Winkeln an den Ärmeln, ist auf dem Wochenend-Schlachtfeld mit seiner regulären Einheit, den 22. Washington Volunteers.

Er hat zwar „Karriere gemacht“ die letzten Wochen,

tut sich aber schwer. Schwer damit, Befehle zu geben oder, wie von Vorgesetzten erwartet, auszuführen. Für die Truppe allerdings sind dies sehr wichtige Dinge. Vor allem, wenn es gegen einen gut gedrillten und organisierten Gegner geht. Es ist einfach nicht Mirkos Sache. Befehle. Taktik. Geplänkel. Er braucht Freiraum. Er will stürmen. Er braucht mehr Möglichkeiten, als seine Offiziere für ihn sehen. Er braucht keine Befehle.

Er braucht Gelegenheiten.

Mirko bekommt den Auftrag, mit wenigen Leuten nur eine kleine Anhöhe zu erkunden.

Er soll nichts tun. Nur beobachten! Und Rapport!

Der Kommandierende möchte lediglich wissen, was dort vor sich geht – wie viele Soldaten, deren Bewaffnung oder ob der Hügel gar frei und leer ist.

Mirko macht Soldaten des Gegners aus und entschließt sich, zusammen mit dem Geissen-Peter und Heino „dem Zweiten“ zu attackieren. Einfach so. Weil es geht.

Aus der Gelegenheit.

Doch stoßen sie auf einen Trupp, der weit größer ist als gedacht und mit viel Dusel, wie durch ein Wunder, führt die Aktion von Mirkos (mittlerweile) „Bande von Brüdern“ zu Unruhe und Panik. Die drei kämpfen im Melee-Modus. „V“ Stich und ein bisschen Büchsenknall. Plötzlich flieht der Gegner desolat und ungeordnet, nicht ahnend, dass alles nur ein Bluff ist.

Mirko und Co. haben den Hügel mit dem Ruf der Union, ein wenig Pulverdampf und dem Bajonett erobert. … nur so geht’s, brüderlich gegen alle, Glory, Glory, denkt er stolz.

Ein Melder kommt zu Mirko auf den Hügel gelaufen.

Der Sergeant schickt mich. Ich soll Dich folgendes fragen: „Mann, was hast Du gemacht?“

Scheiße, nichts! Außer den verdammten Hügel genommen. Den brauchen wir doch, sonst kann man hier nicht gewinnen, erwidert Mirko.

Ja, aber Du solltest doch nur kundschaften, so der Melder, ein wenig resigniert.

Na und? Wen interessiert das? Ich musste handeln. Es war der richtige und einzige Zeitpunkt, den Kampf zu unseren Gunsten zu entscheiden.

Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, verläuft das Gefecht mit dem gewünschten Erfolg und dem Sieg über die „44. Miami Brigade“.

Nachbesprechung.

Wieder das Plus in die dafür vorgesehen Textzeile zur Wortmeldung. Darunter Mirkos Freunde, Mitstreiter, Sergeanten sowie der Kommandierende. Es gibt vereinzelt positive Kommentare aus der Community zu Mirkos Einsatz. Andere finden sein Handeln gegen die Order nicht gut. Überhaupt nicht gut.

Die Sergeanten erinnern Mirko an seine Befehle, dass Befehlskette und Einheit der Truppe das Ziel sei und man hier NUR IM TEAM gewinnen kann. Nichts anderes.

Der kommandierende Offizier erteilt Mirko noch dazu eine Rüge.

Es war aber auch gleichzeitig der Wendepunkt für uns. Des Sieges wegen sehe ich Dir Deinen Mangel an Disziplin und Eigenmächtigkeit noch einmal nach und von einer Degradierung ab.

Der Kampf um „Silver City“. Großer Spieltag.

22. Washington Volunteers gegen „3. Alabama Rifle“.

Die Aufteilung der Alabamas im Feld ist taktisch einfach, strategisch aber nicht immer klug. Eigentlich gibt es bei denen nur – „Blob“.

Blob – eine Riesenwalze von Soldaten formiert sich und feuert eine geballte Ladung auf den Gegner, lädt die Büchsen nach, feuert erneut und so weiter. Simple Taktik. Manchmal hilft’s.

Die 22. steht in Silver City.

Die Alabamas greifen von außen an. Sie versuchen sowohl über den „Swany River“ mit einer Ponton- als auch über eine Eisenbahnbrücke in die Stadt zu gelangen.

Die bange Frage: Hat der Gegner Kanonen? (Die sollen bei der 3. neu im Spiel sein …)

Mirko nimmt fünf Mann und begibt sich zur Pontonbrücke, hat zuvor jedoch strikten (!) und ausdrücklichen (!) Befehl erhalten, keinerlei eigene Wege zu gehen.

Wenn der Feind kommt: Rückzug und Bericht!

Eine volle Kompanie, bestimmt über 130 Mann, marschiert über die schmale schwankende Brücke auf Mirkos Uferseite zu. Er erkennt sofort, wie die Einheit da so über den Ponton herum balanciert, die Wehrlosigkeit der 3. Rifle.

Mirko will unbedingt den Augenblick nutzen.

Er bringt sich und seine Männer in Stellung, um dann einfach vorzustürmen, als der Gegner sich mit dem Großteil der Kompanie auf der engen, ziemlich wackligen Behelfsbrücke befindet.

Die Alabamas sollen all ihre verdammten Tickets und ihren Stolz verlieren, wenn er mit ihnen fertig ist. Hier kann ihr Blob nicht funktionieren, der Raum zu eng.

Mirko will die Entscheidung. Mirko will die ganze Schlacht gewinnen. Den Krieg.

Er stürmt mit „Hurra“ und knallender Büchse in die auflaufenden Reihen der Alabamas, rennt derart schnell mit dem aufgepflanzten tödlich zustoßenden Bajonett, dass Freund und Feind nicht mehr mitkommen.

Mirko tötet. „V“ Stich, „V“ Stich, „V“ Stich …

Einfach alle. Alle, die ihm vor die virtuelle Klinge kommen. Er schlägt und sticht zu. Automatisch. Eine einzige, automatisch schnelle, geschmeidige Panterbewegung.

Tödlich getroffen fallen selbst Soldaten dem Friendly-Fire der eigenen Kameraden zum Opfer. Oder purzeln verletzt rechts und links in den Fluss. Andere versuchen zu fliehen, zurück ans rettende Ufer, um sich neu zu formieren. Hauptsache weg von diesem tödlichen Nadelöhr.

Hinzu kommt, dass viele Spieler, verursacht durch den eigenen Pulverdampf, kaum Freund noch Feind unterscheiden können. Geschweige denn, die Situation korrekt einschätzen. Zum Beispiel: Wie stark der Angreifer denn überhaupt wirklich ist!

Mirko taucht aus den Schwaden auf wie ein Geist und ebenso wieder ab. Nachladende Soldaten werden so schnell mit dem Bajonett niedergestochen, dass keine Zeit bleibt, den Vorgang abzuschließen.

Der Streamer (der alles sieht, hört und weiß), wird erneut auf Mirko aufmerksam und beobachtet ihn.

Den kenne ich doch …???, denkt er und erfreut sich am tödlichen Vorgehen Mirkos.

Wowhohoh! Saustark, mein Kleiner. Einsatz – das lobe ich mir. Du bist bald mit Alex.

Es herrscht das völlige Chaos auf der Brücke. Manche reißen weiterhin die Waffen herum und versuchen, Mirko zu erwischen. Doch zu allem Überfluss treffen sie dabei wieder nur die eigenen Leute oder erstechen sich aus Versehen noch gegenseitig mit dem Bajonett. Die hinteren Reihen auf dem instabilen Ponton bekommen nicht mit, was da vorne los ist. Alles schaukelt. Sie können weder mit ihren Gewehren zielen noch schießen. Die Pontonbrücke ist buchstäblich eine verfluchte Falle. Obwohl zahlenmäßig weit überlegen, sind die Alabamas gefangen – dem einen Berserker fast hilflos ausgeliefert.

Heino „der Zweite“ und der Geissen-Peter sind schon früh während ihres Korporals Egotrip gefallen. Schade für sie. Pech. Aber Mirko weiß wofür: Für Ihn! Für die Kameraden! Für die Sache! Für den Sieg! Für die Union! Glory, glory Halleluja!

Mirko sticht weiter zu. Ein guter Teil der Alabamas fällt noch seinem Blutrausch-ähnlichem Angriff zum Opfer, bevor er selbst endlich in das Byte-Nirwana geschickt wird.

Nachbesprechung.

Mirko freut sich. Heute hat die 22. dank seiner Urkraft nicht verloren. Mirko selbst hat den Wind gedreht. Sie müssen ihn zum Sergeanten machen. Das hat er sich, spätestens nach diesem Kampf, verdient. Ja, er hat es sich verdient! Glory, glory, verdammt Halleluja!

Er fühlt es.

Es erscheint bis auf das Plus von Mirko kein weiteres in der angegebenen Zeile.

Mirko erzählt überschwänglich von dem Angriff und wie gut er es findet, in dieser Einheit zu sein. Als er endet, macht der höchste Offizier sein Plus in die Textzeile.

Du, Mirko, „technisch gesehen“ war das ziemlich gut, was Du da gemacht hast, aber Du gehörst nicht zu uns. Du befolgst einfach keine Befehle. Du machst, was Du willst. Irgendwie scheinst Du auch gar nicht zu verstehen, worum es hier geht.

Mirko ist nichts als baff.

Selbst die Gegner wollen schon nicht mehr mit uns spielen, weil Du Dich an fast alle Regeln NICHT hältst. Jedes Mal müssen wir Dich ansprechen. Wirklich jedes Mal. Das geht so nicht. Wir haben Dir so viele Möglichkeiten gegeben. Es langt uns. Wir stimmen jetzt ab.

Mirko versteht die Welt nicht mehr.

Wer will, dass Mirko bleibt macht bitte ein Plus. Wer will, dass Mirko geht macht bitte ein Minus, tönt es aus dem TeamSpeak.

Bis auf den Geissen-Peter und Heino spricht sich die gesamte Truppe dafür aus, immerhin 76 Mann, dass Mirko von der virtuellen Bildfläche der Einheit verschwindet.

Was läuft hier?, brüllt Mirko ins Mikrofon, Ohne mich wäre das Gefecht verloren gegangen. Ihr müsst mich befördern – nicht rausschmeißen … ihr … Verlierer … Noobs … Scheißnoobs!

Keiner will so etwas wie Dich in der Einheit haben.

Das ist letzte Wort aus dem TeamSpeak. Dann ist die Leitung tot. Die IP-Adresse gesperrt.

Alle drei schauen sich fassungslos an.

Die ticken doch nicht mehr ganz richtig, sagt der Geissen-Peter.

Im TeamSpeak gesperrt. Nun darf ich nicht mehr … mit … mit meiner Einheit … kämpfen …

Na doch, aber … halt auf … dem Public Server …, Heinos „trostloser Trost“.

Seit Stunden flattert Mirko umher wie vom Sturm gerupft. Mit nichts als Ungewissheit, mehr irrend als orientiert, wandert er Feld- und Waldwege ab.

Wo ist der kleine Vogel mit dem bunten Gefieder?

Mirko. Sein Kopf nur ein dunkler Turm mit schwarzen Gedanken. Ein Verstoßener. So empfindet er sich. Hoffnungslos sein Herz und offen wie ein Fenster, in das nun jeder hineinschauen kann und sofort weiß, was los ist. Lebenskummer. Drecksgefühl.

Oh, Kummer …, du altes Wort für ein ewig gleiches, altes junges Drecksgefühl.

Mirko gelangt unversehens an ein braches Feld. Öde liegt es vor ihm wie das Sinnbild seines Lebens. Ungenutzte Erde. Vergeudet.

Zu allem Übel fegt noch ein Wind zwischen Feld und Wald durch die starren Äste eines abgestorbenen Baumes. Erzählt von den Hieben des Lebens.

Ein einziges Trauerspiel.

Ja. Da ist Trauer. Über einfach alles. Verpasste Gelegenheiten. Ungesagte Worte.

Mirko sieht Sabine und Thomas Thies, seine Eltern. Erstarrt im alles erwürgenden Mainstream. Sie, die auch einmal jung und ambitioniert waren, etwas Bestimmtes vom Leben wollten. Vor allem Freude. Und wie diese Lebensfreude verwelkt ist und sich in etwas anderes verwandelte. Alles, was Thomas und Sabine in der Jugend nicht wollten, jetzt haben sie es: EVV – Erpressbarkeit, Verblödung, Verschleiß.

Der schlimmste Albtraum, die grässlichste Plage, Mirkos widerlichster Gedanke, ist, sich den Fratzen der Gesellschaft zu fügen. In den Abgrund ihrer Sachzwänge und Alibis zu schauen. In einen Abgrund voller Unrat, Lügen und Heuchelei. Und voller Verrat.

Und wofür? Geld? Status? Unten links begonnen, um oben rechts raus zu kommen? Arschkriecherei? Verkrampft das eigene „perfekte Leben“ leben? Haus, Garage und Carport? Zwei Autos, zwei Kinder? Zweimal Urlaub. Im Sommer, im Winter? Fernsehen in jedem Raum und Garten? Kurzgemähter Rasen und Elektrogrill? Nachbarn, denen man bei veganer Quiche und laktosefreiem Smalltalk zulächelt? Vorgaukelt, alles ist okay? Sich nur noch an Dinge klammert und dabei den Rest vergisst?

Alles darüber vergisst? Das selbst schon früh ein unbedarftes Kind den Fäulnisgestank der Mittelmäßigkeit bei jeder Heimkehr des Ernährers wahrnehmen kann? Dafür?

Mein Gott! … Könnte ich doch nur Worte finden … Mirko ist wirklich verzweifelt.

Warum schnallen es die anderen nicht? Warum sehen sie es nicht?, fragt er sich ohne Unterlass. Und Mirko meint nicht nur zwei Personen. Nein, ALLE! Alle schnallen es nicht.

(Antonia, seine Schwester, nimmt er mal heraus. Ihr kann er vergeben, denn sie kann auch nichts dafür, dass sie erst zwölf ist. Sie bleibt aber trotzdem eine Nervensäge.)

Was schnallst DU denn nicht?, fragt plötzlich eine Stimme wie aus dem Off, Du beschwerst Dich die ganze Zeit, schleichst verwöhnt durchs Schicksal und nörgelst nur.

Mirko sieht intuitiv himmelwärts.

Doch als blicke er in das Auge eines Ungeheuers, schaut Mirko sogleich verzagt zu Boden.

Wo ist sein Löwenmut?

Er sitzt allein in seinem Keller. Mirko hat den Computer seit dem Rauswurf nicht angerührt. Zwei Tage ist es jetzt her.

Er stöbert auf dem Handy, findet in seinen Apps das Übliche aus Gruppen und Grüppchen. Mirkos Sturz ins Pixellose ist auch anderen nicht verborgen geblieben.

Die Bandbreite der Mitteilungen reicht von „kannst ja nichts dafür“ bis „selbst schuld“.

Von „das nächste Mal läuft’s besser“ bis „sieh es ein, is’ nicht Dein Spiel“.

Besonders Heino und der Geissen-Peter senden Mirko ständig etwas zur Aufmunterung.

Sie senden Emojis und Videos, in denen Menschen auf Eisflächen ausrutschen, ineinanderlaufen oder Kopfsprünge in ein Schlammloch unternehmen, watschelnde Entlein, Beinahe-Autounfälle und einen Nikolaus der sich entblößt.

Es hat so etwas von einer modernen Beerdigung.

Auf Nachrichten oder Tröstungen hat Mirko nicht geantwortet. Mirko hält Funkstille.

Nicht einmal die E-Mails auf dem Gamer-Account hat er abgefragt.

E-Mails. Fast „alte Schule“, wie Briefe.

Ist doch alles Scheiße, denkt Mirko, schließt die Augen und schaltet den Bildschirm ein.

Nur 47 Nachrichten, inklusive Junk.

Seit WhatsApp sind Mirkos E-Mails um ein Vielfaches zurückgegangen.

Mirko überfliegt den Posteingang.

Delete, delete, delete, delete …

Mirko will schon wieder „delete“ drücken, hält dann aber inne.

Hey, was haben wir denn da?

Gruß vom Streamer – Empfehlung, Death out. DER Endzeit-Shooter.

Mirko öffnet die Nachricht.

Hi Großer, habe Dich bei WfC kämpfen sehen. Ziemlich krasse Nummer, Dein letztes Gefecht. Übrigens: Ich bin Alex. Nebenbei zocke ich das Game „Death Out“. Schau mal rein. Ist echt geil. Dürfte sehr sicher etwas für Dich sein.

Noch eins: In MEINEM Clan kämpfen wir ganz anders als WfC. Das kann ich Dir jetzt schon sagen. Versprochen. Im Spiel selbst müsstest Du Dich allerdings entscheiden, dann könnten wir uns vielleicht auf der richtigen Seite treffen.

Hau rein. Hope to see ya! Alex. PS: Hab Dir mal ’ne Freundschaftsanfrage gesendet. Macht es einfacher, falls Du mal was möchtest.

Mirko aktiviert den Link zum Game.

„Cloonguard Four“ erscheint. Ein Planet. Ähnlich der Erde.

Die Grafik ist ja mal noch geiler als bei WfC, stellt Mirko schon auf den ersten Blick fest.

Während Cloonguard Four seine Bahn durch das All zieht, beginnt eine voluminöse Stimme im „Wallsound“ aus dem Off zu schallen:

Sei gegrüßt und willkommen im neuen Zeitalter!

Mit „Death out“ betrittst Du die Welt von Cloonguard Four, in der ALLES möglich ist.

Verstehe! Es herrscht Krieg!

Was wirst Du hier wohl sein?

Gewinner oder Verlierer. Triff eine Entscheidung. Sei wahrhaftig. Sei der, der DU bist.

Kämpfer, Schreibtisch- oder Attentäter, Bäcker, Banker oder Revoluzzer.

Achtung: Keine Figur schleicht im Hintergrund, nur um diesen zu füllen. Also Obacht!

Wem kannst Du trauen? Wer wird die Oberhand gewinnen?

Oder willst Du hier etwa friedlich unter den Völkern nisten? Ohne dafür zu arbeiten?

HA!

Dann verschwinde besser!

Jeder dient einem Zweck.

Es gibt keinen Frieden für Dich, wenn Du nicht handelst und das Richtige tust.

Death out.

Du bekommst EINE Chance mitzuspielen. DIE Chance, die andere Dir nicht geben.

Weil sie es nicht können oder nicht wollen.

Death out – Hier verbinden sich all Deine Ideen in nur einer einzigen Gameworld.

Alles, was Du sein willst, hier bist Du es.

Du bist nicht mehr der Spieler – DU BIST DAS SPIEL!

Wenn Du diesen Schritt jetzt gehst, musst Du allerdings noch eines wissen:

Du musst schweigen, dienen und kämpfen lernen!

HÖRE, Ankömmling!

Bevor Du handelst, egal was Du tust, sei gewarnt: Es gibt nur dieses EINE Leben.

Entscheide klug!

Deine Chance. Dein Leben. Dein Wille.

So endet die Stimme.

Mirko scrollt mit der Maus und klickt sich in die Nutzeroberfläche.

Der Einspieler beginnt.

Du bist hier auf Cloonguard Four.

Sei entweder in der Welt unter der Regentschaft von „Dondolo“ willkommen, dem König der Geronier oder erhebe Dich und kämpfe gegen ihn auf der Seite der „Freien“.

Oder magst Du etwa das doppelte Spiel und bist in Beziehung mit beiden Seiten?

Die Geschichte frisst sich sofort in den Kopf.

Einst lebten die Freien in Frieden, bevor Dondolo und seine Geronier auftauchten.

Dondolo, geistiger Führer des neuen Glaubens und mit ihm seine ihm treuen Paladine.

Unangekündigt brachte Dondolo Krieg, Zerstörung und anschließende Besetzung.

Nach außen funktioniert das zivile Leben. Erscheint „normal“. Doch hinter den Kulissen herrschen Intrigen, Tricks und Hinterlist. Da ist Tücke auf beiden Seiten. Heimtücke.

Was früher gut war, ist heute schlecht. Was schlecht war, ist nun gut.

Cloonguard Four. Der Kampf begann vor langer Zeit.

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