Kitabı oku: «Wackernells Visionen», sayfa 2

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Der Ernst des Lebens

Der politische Umsturz im September 1943 riss den jungen Wackernell unsanft aus seinen Lebensverhältnissen. Die dramatischen Ereignisse rund um Option und Krieg hatte er nur indirekt mitbekommen, sein Lebenswandel wurde dadurch vorerst kaum berührt. Der Vater geriet allerdings im Zusammenhang mit der Optionsentscheidung schwer unter Druck. Er war geradezu konditioniert von der Nazi-Propaganda, dass ihn das faschistische Regime im Falle einer Nichtoption nach Sizilien deportieren würde. Er tendierte bereits deutlich in Richtung einer Option, als ihn ein ausführliches Gespräch mit seiner Schwester umstimmte. Diese unterhielt enge Kontakte zu hohen Militärs. Die italienischen Stellen hätten ihr versichert, dass die Wackernells auf jeden Fall in Südtirol bleiben könnten. Schließlich sei der Bruder Siegfried 1928 im Einsatz für das Regime in Libyen gefallen. In der Folge optierte Wilhelm Wackernell für Italien. Für ihn selbst sollte sich diese Entscheidung lohnen, blieb er doch im Großen und Ganzen vom Krieg verschont und konnte die meiste Zeit zu Hause verbringen. Anders der Sohn: Norbert musste gleich wie die Oberschüler aus Optanten-Familien ab Herbst 1943 die von den deutschen Besatzern improvisierte Oberschule im Vinzentinum Brixen besuchen. Die Deutschen hatten im bischöflichen Knabenseminar die geistlichen Lehrer und Aufseher delogiert, nur die Ordensfrauen versahen weiterhin ihren Dienst. Auf den jungen Wackernell machte die ganze Angelegenheit einen überaus improvisierten Eindruck. Die Lehrer seien alte Männer gewesen, die offensichtlich nach politischen Gesichtspunkten und nicht nach fachlicher Kompetenz ausgewählt worden seien. Der Deutschlehrer beherrschte die Hochsprache lediglich mangelhaft, und der Mathematiklehrer sei ein alter Artillerieoffizier gewesen, den man offenbar ausgewählt habe, weil er eine Ahnung von Parabeln hatte. Mit ihm habe man auch kaum gerechnet, sondern sei regelmäßig zum Üben auf den Schießstand nach Vahrn gegangen. Zu den wenigen fachlich kompetenten Professoren habe Oswald Sailer gezählt. Eine lange Zukunft war der deutschen Oberschule in Brixen ohnehin nicht beschieden: Als die Alliierten auch Brixen ins Visier nahmen und mehrere Bomben in der Nähe des Vinzentinums niedergingen, schlossen die Behörden die Schule und übersiedelten die gesamte Lehrer- und Schülerschaft nach Gröden. Sie brachten die Mädchen in St. Christina unter. Die Buben dagegen erhielten im Wolkensteiner Hotel Oswald Unterricht und wohnten im benachbarten Hotel Post. Wackernell erwartete, in Gröden die Matura ablegen zu können. Doch es sollte anders kommen. Noch bevor das Schuljahr 1944/45 begann, wurde er – obwohl Sohn eines Dableibers – für den sogenannten „Südeinsatz“ zwangsrekrutiert. Man verfrachtete ihn auf einen Lastwagen und brachte ihn nach Verona. Dort kam er im Rahmen der „Organisation Todt“ (OT) zum Einsatz. Diese paramilitärische Einheit war von der Reichsführung mit der Aufgabe betraut, den südlichen Teil der „Alpenfestung“ zu errichten. Wackernell und sein Mitschüler Bernhard Höllrigl kamen zunächst in Verona zum Einsatz, wo sie in erster Linie als Dolmetscher zwischen deutschen und italienischen Stellen fungierten. Den größeren Teil der Zeit ihres „Südeinsatzes“ verbrachten die beiden Südtiroler aber in Rovereto, wo sich das Hauptquartier der Organisation Todt befand. Geplant war unter anderem der Bau einer Serie von Bunkern und Schützengräben von Bassano del Grappa bis zum Gardasee. Wackernell und Höllrigl übersetzten zunächst die Pläne zu den Bauvorhaben. War dann beispielsweise ein Bunker fertiggestellt, erfolgte die sogenannte Baustandsmeldung direkt in das Führer-Hauptquartier nach Berlin. Für deren vorherige Übertragung ins Deutsche waren ebenfalls die beiden Südtiroler zuständig. Wackernell beschrieb die Atmosphäre in Verona und Rovereto als entspannt. Mit den Deutschen, fast durchwegs Hamburger, seien sie gut zurechtgekommen und mit den eingebundenen Italienern habe es ohnehin nie Spannungen gegeben. Das OT-Personal war in den Hallen des Flugzeugbauers Caproni untergebracht und die Versorgung den Umständen entsprechend gut. Kritisch war vielmehr, dass im Winter 1944/45 auch Rovereto Ziel alliierter Luftangriffe wurde. Die Bomber nahmen vor allem die Brücken ins Visier und den Bahnhof, in dessen unmittelbarer Nähe die beiden Südtiroler einquartiert waren. Ein Angriff blieb Wackernell in besonderer Erinnerung: „Wir waren auf der Straße unterwegs, da hörte ich die Bomber kommen. Mit gespielter Ruhe meinte ich altklug zu Bernhard: ‚Wenn man es bei den Tieffliegern glitzern sieht, dann wird es kritisch, dann klinken sie nämlich die Bomben aus.‘ Bernhard sah nach oben und schrie nur: ‚Und wie es glitzert!‘ Da krachte es auch schon. Wir warfen uns nieder, die Bomben gingen aber über uns hinweg.“ Wackernell meinte rückblickend, er habe in dieser Phase schon verstanden, dass der Krieg nicht mehr lange dauern könne. Schwere Bedenken hatte er allerdings bezüglich der Alpenfestung. Er befürchtete, sie könne den Krieg verlängern und Südtirol zum unmittelbaren Kriegsgebiet werden lassen. Entsprechend erleichtert war er, als er am 25. April 1945 von der Kapitulation General Kesselrings in Oberitalien hörte.

Dramatische Ereignisse am Monte Pelmo

Bevor sich Norbert Wackernell jedoch über das Kriegsende freuen und Zukunftspläne schmieden konnte, stand ihm 1944 das wohl dramatischste Ereignis seines Lebens bevor. Er und Bernhard Höllrigl sollten drei Hamburger Ingenieure dabei unterstützen, auf der Hochebene unterhalb des Monte Pelmo (südlich von Cortina d’Ampezzo) Vermessungen vorzunehmen. Die Deutschen entwickelten nämlich konkrete Pläne, dort eine Abschussrampe für die V2 zu bauen. Teil des Projektes war die Errichtung einer Seilbahn, mit der man die Raketenteile auf den Berg transportieren wollte. Und den Bau dieser Bahn galt es vorzubereiten. Die Gruppe kam vor Weihnachten 1944 am Fuß des Berges in Forno di Zoldo an und stieg zu jener Almhütte auf, die ihr in den kommenden Wochen als Unterkunft diente. Die Ausstattung der Hütte war zwar spartanisch, speziell das Schlafen bereitete einige Schwierigkeiten. Die Verpflegung war dagegen für die Zeitumstände erstklassig, ja geradezu privilegiert. Jede Woche kam ein Kleinlastwagen aus Rovereto und brachte alles Nötige mit. Sogar für Sonderwünsche gab einen gewissen Spielraum. Die Vermessungsarbeit schritt zügig voran. Aber bald merkte die Gruppe, dass sie nicht allein auf der Anhöhe war: In der Gipfelzone hatte sich eine bis an die Zähne bewaffnete, etwa zwei Dutzend Mann starke Partisanengruppe verbarrikadiert. Bald kam es zum ersten Kontakt und es gelang, eine Art Abkommen zu schließen. Die Italiener sollten Wackernell und Co. unbehelligt ihre Arbeit verrichten lassen, umgekehrt würden die OT-Leute die Existenz der Partisanengruppe vor Ort nicht ins Hauptquartier nach Rovereto melden. Tatsächlich gestalteten sich die Beziehungen in der Folge durchaus entspannt, insbesondere nachdem sich die Partisanen überzeugt hatten, dass die Technikergruppe über keinerlei Waffen verfügte. Dies war auch die Folge eines fast absurden Problems: Die Briten hatten Kenntnis von der Partisaneneinheit und ihrem Aufenthaltsort. Sie überflogen das Gebiet und warfen öfters Waffen und Munition ab, nie aber Nahrungsmittel. So ergab es sich, dass die gut versorgte Vermessungstruppe den Italienern immer wieder Verpflegung abtrat. Umgekehrt waren die Partisanen bei verschiedenen Arbeiten behilflich. Wackernell gewann den Eindruck, es handle sich weniger um eine hoch politisierte, aggressive Gruppe, sondern um junge Männer, die schlichtweg vermeiden wollten, von der Wehrmacht gefangen und zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert zu werden. Die Beziehungen hätten wohl auch ohne Probleme mit Abschluss der Vermessungstätigkeit geendet, hätte nicht einer der deutschen Ingenieure entgegen den Vereinbarungen in einem Gespräch mit dem Hauptquartier durchblicken lassen, es seien Partisanen in der Gegend. Dann ging alles ganz schnell! Unten in Forno trafen zwei Lastwagen mit einer Polizei-Einheit von insgesamt etwa 25 Mann ein. Die gesamte Besatzung bestand ausgerechnet aus Südtirolern. Wackernell und Höllrigl war die akute Gefahrensituation sofort klar. Sie stiegen hinab ins Dorf und nahmen Kontakt mit dem Anführer der Einheit, einem Möltner namens Schrott, auf. Tatsächlich erklärte dieser, man wolle das Partisanennest ausheben. Wackernell wandte ein, die Partisanen seien am Gipfel in einer optimalen Position, bestens ausgerüstet und, anders als die Südtiroler Polizisten, kampferprobt. Bei einem Angriff drohe der Einheit ein Gemetzel, womöglich würde niemand überleben. Die Südtiroler sollten sich daher ohne Aufhebens zurückziehen. Dies lehnte Schrott mit dem Hinweis auf die eindeutige Befehlslage ab. Zu einer weiteren Zuspitzung der Situation kam es, als die Partisanen Wind von der Anwesenheit der Polizeieinheit bekommen hatten. Sie warfen Wackernell und seinen Kollegen Verrat vor. Wackernell schaltete nun den Bürgermeister von Forno ein und es kam zu hektischen Verhandlungen. Die Lösung brachte schließlich Wackernells Vorschlag, bei seinem Vorgesetzten in Rovereto, Rücke, in der Sache zu intervenieren. Tatsächlich gelang mit dem Hinweis, der Polizeieinsatz gefährde die Vermessungen und damit die zeitgerechte Umsetzung des V2-Projektes, eine Rücknahme des Befehls. Daraufhin zog die Südtiroler Einheit ohne weitere Zwischenfälle wieder ab. Wackernell sprach im Allgemeinen überaus uneitel über seine Projekte und Verdienste. Kam er hingegen auf diese Episode zu sprechen, verlieh er ohne falsche Bescheidenheit seiner Überzeugung Ausdruck, durch sein entschlossenes Eingreifen zahlreiche Menschenleben gerettet zu haben.

Über Umwege nach Hause

Nach diesem Zwischenfall kehrten Wackernell und Höllrigl mit den deutschen Ingenieuren in das OT-Hauptquartier nach Rovereto zurück. Dort war man von der Arbeit der beiden Südtiroler angetan und entließ sie nach Hause, um ihnen im Sommer 1945 das Ablegen der Kriegsmatura zu ermöglichen. Zurück in Meran erfuhr Wackernell unmittelbar, dass der „totale Krieg“ auch Südtirol erreicht hatte. Als er zu Hause die Türglocke betätigte, blieb diese stumm. Als alles Rufen auch nicht half und ihm niemand die Tür öffnete, zog er seine Pistole und feuerte seine einzigen Schüsse während des Krieges ab. Endlich hörten ihn seine Eltern und öffneten die Tür. Aufgrund der Verdunkelungsmaßnahmen wurde in Meran nämlich abends der Strom abgeschaltet, weshalb die Glocke nicht mehr funktionierte. Wackernell begab sich gleich nach der Heimkehr in die Schule nach Wolkenstein. Auch hier hatte der Krieg unübersehbar seine Spuren hinterlassen. Mit dem herkömmlichen Unterricht war es nicht weit her. Vielmehr trainierten die Jungen das Ausheben von Schützengräben oder das Schießen auf Skiern. Ernst wurde die Situation, als ein Lastwagen voller Waffen und Munition vor der Schule vorfuhr. An die Schüler erging die Aufforderung, sich zum Sellajoch zu begeben und dort die anrückenden Amerikaner zu bekämpfen. Dabei priesen die deutschen Instrukteure die Vorzüge der angeblichen „Wunderwaffe“ Panzerfaust an. Die Gruppe um Wackernell lehnte einen solchen Einsatz allerdings kategorisch ab. Sie war von einer Gruppe von Deserteuren gewarnt worden: Mit Panzerfäusten gegen die US-Armada etwas ausrichten zu wollen, sei das reinste Himmelfahrtskommando. Die amerikanische Panzertruppe hätte eine Strategie entwickelt, ihre Fahrzeuge einfach auf den Schützengräben zu drehen und die Gegner lebendig unter sich zu begraben. Das ließen sich die Jungen nicht zweimal sagen, setzten sich nach und nach aus der Schule ab und traten die Flucht nach Hause an. Ungefährlich war das nicht: Auf den Straßen patrouillierte die Feldgendarmerie auf der Suche nach Deserteuren, die sich ebenso wie bereits vom Süden zurückflutende Wehrmachtseinheiten nach Norden durchschlagen wollten. Die Schüler galten zwar als Zivilisten, hätten sich aber nicht von der Schule entfernen dürfen. Wackernell meldete sich denn auch mit der Bitte beim Direktor ab, keine Suchaktion zu starten. Auf der Treppe traf er auf einen der fanatischsten Nazis an der Schule, Prof. Stärkele. Auf Wackernells „Auf Wiedersehen!“ antwortete dieser barsch mit einem „Heil Hitler!“, aber dabei blieb es auch. Die Vertreter des Regimes hatten offensichtlich resigniert. Da Straßen viel zu gefährlich waren, nahm Wackernell den Weg über die Berge. Über den Tschögglberg gelangte er schließlich in zwei Tagen nach Meran. Dort traf er seine Eltern unversehrt wieder, auch der Großvater hatte den Krieg überstanden. Zu diesem erfreulichen Umstand gesellte sich freilich ein Wermutstropfen: Aus der Kriegsmatura wurde nichts. Dafür hatte der Krieg zwei Monate zu früh geendet.

Aufbruch zu neuen Ufern

Das Frühjahr 1945 bedeutete auch für Norbert Wackernell einen Neuanfang. Er hatte den Krieg zwar äußerlich unversehrt überlebt, das Ereignis prägte ihn jedoch ein Leben lang. Vor allem wirkte die Angst nach, gegen Kriegsende doch noch zum aktiven Militär eingezogen zu werden. Wie schmal die Grenze zwischen Leben und Tod war, erfuhr er in den letzten Kriegsmonaten wiederholt. Als Beispiel führte er eine Episode um seinen späteren Schwager Florian Putzer aus St. Pauls an. Putzer stand in enger Verbindung zu SS-Sturmbannführer Karl Nicolussi-Leck, der ihn, so vermutete Wackernell, wohl auch vor dem Kriegsdienst bewahrt habe. Dafür verpflichtete sich der junge Paulser, „Freiwillige“ zu rekrutieren. So tauchte er auch bei Wackernell mit einem Formular auf, das dieser unterfertigen sollte: die Beitrittserklärung zur SS. Wohl nicht zuletzt das in der Familie vorhandene Misstrauen gegenüber politischen Organisationen bewahrte Wackernell vor einem fatalen Fehltritt. Obwohl er eigenen Aussagen zufolge damals nicht in der Lage war, die SS als Organisation klar zu verorten, lehnte er ab. Die Richtigkeit seiner Entscheidung wurde ihm bald drastisch vor Augen geführt: Zwei Buben vom nahen Stemmerhof unterschrieben – und kehrten beide nicht mehr aus dem Krieg zurück. Aufgrund solcher Erfahrungen sah der junge Wackernell nach Kriegsende nicht frohen Mutes einer friedlichen, harmonischen Zukunft entgegen, sondern er blieb von tiefer Skepsis geprägt. Diese kam vor allem in seiner Einstellung zum Ausdruck, es sei nur eine Frage der Zeit, bis es zum nächsten bewaffneten Konflikt käme. Der bald folgende Kalte Krieg schien diese Haltung zu bestätigen. Erst mit der zunehmenden politischen Entspannung zwischen Ost und West Anfang der 1970er-Jahre blickte auch Wackernell optimistischer in die Zukunft. Seine anfängliche Zukunftsskepsis wurde freilich überlagert von den unmittelbar drängenden Fragen des Lebens wie der Fortsetzung seines Bildungsweges. Weil er die Kriegsmatura nicht mehr absolvieren konnte, schrieb er sich ins Wissenschaftliche Lyzeum ein, um die Abschlussprüfung nachzuholen. Zuvor galt es, im Herbst 1945 eine Aufnahmeprüfung zu schaffen, die es in sich hatte. Obwohl Wackernell den ganzen Sommer hindurch lernte, bestand er nur knapp. In der Folge lief dann alles wie geplant: Er absolvierte das Schuljahr und bestand im Sommer 1946 die Matura. Auch der Weg danach war vorgezeichnet. Obwohl sich die Eltern nie in Schul- und Studienfragen einmischten und allenfalls der Großvater ihm öfters eine Zukunft als Ingenieur prophezeit hatte, war die Entscheidung klar: Er schrieb sich am Mailänder Politecnico in das Fach Hoch- und Tiefbau ein. Doch ein Studium nach dem Krieg – das war leichter gesagt als finanziert. Auch für eine Familie des gehobenen Mittelstandes stellte es in der Nachkriegszeit eine materielle Herausforderung dar. Ein Ereignis drohte Wackernells Studienpläne abrupt zunichtezumachen. 1947 ging der Meraner Banco di Roma pleite, eben jene Bank, bei der die Familie ihr gesamtes Barvermögen deponiert hatte. Nur ein Glücksfall rettete die Situation. Der Direktor der Meraner Filiale war ein Jagdfreund des Vaters. Er präsentierte sich eines Nachts an der Haustür und teilte den verdutzten Eltern mit, im mitgebrachten Koffer befinde sich deren gesamte Einlage. Morgen melde die Bank nämlich Konkurs an. Es war eine illegale Handlung. Norbert Wackernell aber rettete sie das Studium.

Student in Mailand

Das Studium in Mailand begann Wackernell zusammen mit seinem Spezi aus Schul- und Kriegszeiten, Bernhard Höllrigl. Die beiden Jungen bezogen eine Privatwohnung. Bereits im ersten Studienjahr legte sich Wackernell dermaßen ins Zeug, dass er Anrecht auf ein Begabtenstipendium erhielt. Das inkludierte einen kostenlosen Heimplatz in der Casa dello Studente, wo der junge Meraner den Rest der Studienzeit zubrachte. Die Auswirkungen des Krieges waren noch überall sichtbar und spürbar. Wackernell erinnerte sich etwa an das eigenartige Fleisch, das in der Heimmensa ausgegeben worden sei: die, wie es im despektierlichen Studentenjargon hieß, „tette delle vacche“. Aus Spargründen kaufte die Mensa vornehmlich Euterfleisch, das sich beim Drücken mit der Gabel als noch deutlich milchhaltig erwies. Getreu seinem Credo trat Wackernell keiner Studentenorganisation bei, auch nicht dem bereits bestehenden „Bund der Südtiroler Hochschüler.“ Ansonsten hielt er durchaus Kontakt mit anderen Studenten aus Südtirol. So erinnerte er sich an den gleichaltrigen Roland Riz sowie an etliche Pusterer. Besonders ausgelassen war die Studentenzeit damals freilich nicht. Speziell das Studium am Politecnico war Knochenarbeit, die Paukerei Normalzustand. Viele Studienanfänger, so Wackernell, seien gescheitert, andere hätten sieben, acht Jahre zum Abschluss benötigt. Er absolvierte das Studium in der Mindestdauer, nicht zuletzt aus finanziellen Erwägungen. Die Benachteiligung deutschsprachiger Studenten war zwar keineswegs die Norm, kam aber durchaus vor. Als Wackernell zu einer Prüfung antrat, kam es zu folgender Situation: „Ich meldete mich zur Prüfung im Fach Brückenbau an, diese galt als eine der härtesten des gesamten Studiums. Der prüfende Professor war ein Ingenieur mit internationalem Renommee. Ich trat also in den Raum, er würdigte mich keines Blickes, las nur laut meinen Namen und meinte: ‚Ma lei è tedesco?‘ Ich sofort: ‚No, no, vengo dall‘Alto Adige, lì i nomi tedeschi sono frequenti.‘ Meine Äußerung verfehlte freilich den gewünschten Effekt. ‚Ma lei, come tedesco, ha il coraggio di venire da me a fare l’interrogazione?‘ Darauf ich: ‚Professore, non capisco!‘ Er: ‚Ma lei non sa, che i tedeschi hanno buttato giù tutti i miei ponti sul Po [am Ende des Zweiten Weltkrieges – Anm. d. Verf.] E la nostra amministrazione non mi ha fatto ricostruire uno, hanno dato tutti gli ordini a bravi socialisti.‘ Ich dachte nur daran, mich schnell aus der Affäre zu ziehen und sagte: ‚Non c‘entro, professore, mi ritiro.‘ Das ging dem Professor dann doch zu weit: ‚No, no, stia!‘ Die folgende Prüfung hatte es allerdings in sich. Unter anderem stellte er mir eine Fangfrage, wie man die statische Belastbarkeit eines Geländers auf einer Steinbrücke berechnet. Aber ich war gut vorbereitet und hatte die korrekte Antwort parat. Schließlich entließ er mich mit 28 Punkten [höchste Bewertung: 30 Punkte – Anm. d. Verf.].“ Mit seinem Einsatz und einwandfreien Leistungen empfahl sich Wackernell für höhere Weihen: Man signalisierte ihm, dass man ihn nach Beendigung des Studiums an der Uni behalten wolle. Obwohl eine Assistenzstelle damals deutlich bessere Perspektiven bot als heute, lehnte er ab. Ungeachtet aller Offenheit gegenüber der italienischen Lebensweise und Kultur kam Mailand für ihn als künftiger Lebensmittelpunkt nicht in Frage. Ihn zog es wieder zurück nach Südtirol. Bevor Wackernell sich dauerhaft in Südtirol niederlassen konnte, war die Frage des Militärdienstes zu klären. Weil ihm der Einsatz in Verona und Rovereto während des Krieges nicht anerkannt wurde, war der gesamte Dienst zu absolvieren. Nicht zuletzt wegen seines Pessimismus hinsichtlich eines Weltfriedens und weil es für Akademiker keine Zugangsbeschränkungen gab, entschied er sich für die Offiziersschule in Lecce. Die eigentliche Ausbildung erfolgte in Cesano di Roma, die restlichen Monate verbrachte Wackernell in Apulien. Er fühlte sich im Süden wohl, zeigte aber wenig soldatische Gesinnung. Gerne pfiff er auf die täglichen Rituale und verbrachte bei jeder Gelegenheit seine Zeit damit, Englisch zu lernen. Nach Abschluss der Ausbildungsphase leistete der frisch gebackene Unteroffizier den letzten Abschnitt des Militärdienstes ausgerechnet in der „Wackernell-Kaserne“ in Mals. Diese war nach seinem 1928 in Libyen gefallenen Onkel Siegfried benannt. Das ihm zugeteilte Dutzend Wehrdiener, allesamt aus dem Pustertal, machte aber nicht wie vorgesehen Jagd auf Schmuggler und illegale Grenzgänger, sondern auf Wild. Wenn sich daraufhin wieder einmal der Protest der Jäger aus dem Revier erhob, bedurfte es der ganzen diplomatischen Kunst Wackernells, um die aufgebrachten Vinschger zu beruhigen.

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