Kitabı oku: «Befreite Schöpfung», sayfa 10
In Ackerbaugesellschaften könnte das Patriarchat im Zuge der Erfindung des Pflugs entstanden sein. Rosemary Radford Ruether schreibt:
„Der Pflug war das Instrument der männlichen Vorherrschaft über die Tiere und über das Land. Zusammen mit dem Schwert dienten diese Geräte den Männern als Mittel zur Eroberung anderer Männer und schließlich der eigenen Frauen.“ (1994, 175)
Ken Wilber (1996) macht deutlich, dass der Gebrauch des Pflugs eine Menge physischer Kraft erfordert. Schwangere Frauen, die versuchten, den Pflug zu führen, hatten oft Fehlgeburten. Deshalb war es aus biologischen Gründen von Vorteil, dass sich Frauen von dieser Art von Arbeit fernhielten. Auf diese Weise tendierte die Einführung des Pflugs dazu, Feldarbeit stärker auf Männer zu verlagern. Dies hatte zur Folge, dass die Männer die Aufgabe der Nahrungsproduktion an sich zogen und Frauen zunehmend auf den Bereich des Haushalts abgedrängt wurden. Der Pflug ermöglichte es darüber hinaus, Nahrungsmittelüberschüsse zu erzielen. Dadurch wurde ein Teil der Männer für Aufgaben jenseits der Notwendigkeiten des täglichen Lebenserhalts frei. Die Frauen hingegen blieben weitgehend an die reproduktiven Aufgaben und den Haushalt gebunden.
Im Lauf der Zeit führte dies zur faktischen Entfernung der Frauen aus der Sphäre der Öffentlichkeit. Wilber macht deutlich, dass in Gesellschaften mit einer Gärtnerkultur (in der der Ackerbau mithilfe des Grabstocks und der Hacke erfolgt) Frauen mehr als 80 % der Nahrungsmittel produzieren, dass es darin gleichberechtigte Beziehungen zwischen Mann und Frau – trotz unterschiedlicher Rollen ‒ gibt und dass viele der Hauptgottheiten weiblich sind. Im Gegensatz dazu sind über 90 % der Agrargesellschaften (welche den Pflug benutzen) männlich dominiert, und die obersten Gottheiten sind tendenziell männlich.
Produktion, die auf Raub beruht
Selbst in der Jungsteinzeit ermöglichten es Fortschritte im Ackerbau bereits Dörfern, Überschüsse zu produzieren und im Lauf der Zeit Reichtum anzuhäufen. Mies beobachtet, dass dies zum ersten Mal in der Geschichte den Krieg ökonomisch lukrativ machte. Es war oft weitaus einfacher, sich die Produktion der anderen unter Zwang anzueignen, als für sich selbst zu produzieren. Auf diese Weise entstand „Raubproduktion“ (die von ihrem Wesen her unproduktive Produktion ist!) in Form von Eroberung und Plünderung. Man umgab Dörfer mit Mauern, und die „Kunst“ der Kriegführung wurde entwickelt. Männer erlangten das Monopol für Waffen (wahrscheinlich aufgrund ihrer überlegenen Körpergröße und aufgrund der Tatsache, dass sie von der Aufgabe der Aufzucht des Nachwuchses befreit waren), was zu einer neuerlichen Konzentration von Macht und Ansehen aufseiten der Männer und damit zum weiteren Gedeihen des Patriarchats führte. Mies schreibt, dass andauernde Beziehungen der Ausbeutung und Herrschaft zwischen Frauen und Männern und die asymmetrische Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen letztlich geschaffen und aufrechterhalten wurden durch direkte Gewalt und Zwang auf der Grundlage des männlichen Monopols des Waffenbesitzes (Mies 1989, 76–88).19
Das Wachstum der Agrargesellschaften beschleunigte diesen Prozess. Als immer größere Mengen an Reichtum angehäuft wurden, wurden immer mehr Männer von der Nahrungsmittelproduktion befreit. Einerseits ermöglichte dies die Erfindung der Schrift, der Astronomie, der Metallverarbeitung und der Mathematik, doch andererseits setzte es auch Kräfte zur Schaffung von Gruppen frei, die auf die Kriegsführung spezialisiert waren. Zum ersten Mal entstanden Berufsarmeen und sogar ganze Kriegerklassen.
Im Lauf der Zeit rief das Wachstum der Bevölkerung in Stadtstaaten ebenfalls einen Wettbewerb nach zunehmend knapper werdenden natürlichen Ressourcen hervor: nach fruchtbarem Land, Wasser zur Bewässerung, wertvollen Metallen usw. Im Verlauf dieses komplexen Prozesses vollzog sich innerhalb der Gesellschaften mehr und mehr eine Teilung hinsichtlich Klassen, Geschlechtern und Rassen.
Mies schlussfolgert, dass die räuberische Form der Aneignung damals zum Paradigma aller historischen ausbeuterischen Beziehungen zwischen Menschen wurde ‒ und wir möchten hinzufügen, auch zwischen den Menschen und der umfassenderen planetarischen Gemeinschaft. Im Verlauf dieses Prozesses wurden bestimmte Gruppen von Menschen (sowie die Erde selbst) als bloße „Naturressource“ für die Bereicherung anderer betrachtet. Die Ausbeutung, die von dieser „räuberischen Produktion“ geschaffen wurde, beinhaltete mehr als die einseitige Aneignung des Mehrwertes, der über das hinaus produziert wurde, was den Bedürfnissen und Erfordernissen einer Gemeinschaft entsprach; Darüber hinaus erstreckte sie sich auf „Raub und Erbeutung der für andere Gesellschafen notwendigen Lebensmittel. Dieser Begriff von Ausbeutung impliziert darum immer auch Verhältnisse, die in letzter Instanz durch Gewalt geschaffen und aufrechterhalten werden“ (Mies 1989, 81–82).
Die Vertiefung des Anthropozentrismus
Derselbe Prozess, der nach und nach zur Verfestigung der Macht des Patriarchats führte, trug auch zu einer Vertiefung des Anthropozentrismus bei. In den meisten Gesellschaften von Jägern und Sammlern ist die Beziehung zwischen den Menschen und der außermenschlichen Welt eng und unmittelbar. Von Zeit zu Zeit kann man bestimmt ein gewisses Maß von Angst vor der Natur beobachten, doch im Großen und Ganzen existiert schlicht keine strikte Trennung zwischen den Menschen und der umfassenderen Gemeinschaft des Lebens. Die Produktionsweise selbst beruht nicht auf einer Kontrolle über die Natur, sondern vielmehr auf Einklang mit ihr.
Sobald die Gesellschaft eine Gartenpflege entwickelt, wird ein Element der Kontrolle eingeführt, doch diese Veränderung ist noch relativ geringfügig. Die Menschen leben weiterhin erdverbunden, und das Niveau menschlicher Eingriffe ist noch recht niedrig. In Hirtengesellschaften führt die Zähmung von Tieren wahrscheinlich zu einem ausgeprägteren Sinn für Kontrolle und Herrschaft. Dieser nimmt in Agrargesellschaften noch weiter zu, da sie die Arbeitskraft von Tieren zum Pflügen nutzen, und noch mehr, als große Bewässerungsanlagen entstehen.
Als innerhalb der Agrargesellschaften Städte und Stadtstaaten entstehen, tritt die Hinwendung zum Anthropozentrismus noch deutlicher hervor. Bereits in den neolithischen Siedlungen muss – besonders, als sie mit Mauern und Befestigungsanlagen versehen wurden ‒ eine psychologische Trennung von der außermenschlichen Welt eingesetzt haben. Doch mit der Entstehung der Städte beschleunigte sich dieser Prozess enorm. Eine Stadt ist weitgehend die Schöpfung von Menschen, ein künstlicher Lebensraum, in dem die Natur unter Kontrolle gehalten wird und die Bauten von Menschen immer zentralere Bedeutung bekommen.
Duane Elgin (1993) schreibt auch, dass Stadtstaaten hierarchischer verfasst waren als kleine Siedlungen. Die Gesellschaft ist zunehmend in Klassen und Kasten gespalten, und es gibt eine klare Arbeitsteilung zwischen Herrschern, Priestern, Kriegern, Handwerkern und Kaufleuten. Gleichzeitig tragen Stadtstaaten zum Wachstum der „räuberischen“ Formen der Aneignung bei. Es gibt immer mehr Reichtum, der verteidigt werden muss, und immer ausgefeiltere Methoden der Kriegsführung. Gleichzeitig vollzieht sich ein soziopsychologischer Wandel, da der Reichtum systematisch erfasst und angehäuft wird und eine neue Weltsicht auf der Grundlage der „mathematischen Ordnung der Himmel“ entsteht. Parallel dazu wandern die Gottheiten von der Erde in den Himmel aus, was vielleicht der symbolische Ausdruck des Schrittes der Menschheit weg von der direkten Verbindung mit der natürlichen Welt ist.
An einem Punkt dieses Prozesses scheint die Idee des Privateigentums aufgekommen zu sein. Mit dem Wachstum der Stadtstaaten und der Aufspaltung der Gesellschaf in Klassen wurden große Grundstücke oftmals als eine Quelle des Reichtums für die mächtigeren Teile der Gesellschaft reserviert (Herrscher, Priester …). Oft wurden diese Grundstücke mithilfe von Sklavenarbeit kultiviert. In der Folge davon wurde das gemeinsame Land einer Siedlung verkleinert, was zur Verarmung des Bauernstandes führte. Im Verlauf dieses Prozesses wurde Land mehr und mehr als persönlicher Besitz und nicht so sehr als ein gemeinsamer Reichtum, der geteilt werden soll, betrachtet. (Dieser Wandel hat sich jedoch früher nicht vollständig vollzogen, und tatsächlich hat sich das Gemeineigentum von Land in vielen Kulturen bis heute gehalten). Dieser Wandel zeigt eine bedeutende Veränderung des Bewusstseins an: Land wird nun als eine Ressource betrachtet, als Privateigentum unter der Kontrolle von Menschen – in den meisten Fällen von Männern. Zuvor war Land – wie dies auch heute noch in vielen ursprünglichen Kulturen der Fall ist – etwas, was man nicht besitzen, sondern nur miteinander teilen konnte. Das Land gehörte den Menschen nicht. Eher gehörten die Menschen dem Land und – in Konsequenz davon – der Erde.
Der Aufstieg der Stadtstaaten ging oftmals mit ökologisch zerstörerischem Verhalten einher. John Perlin (2005) stellt eine Verbindung zwischen der Abholzung der Wälder in den alten Kulturen Mesopotamiens, Kretas, Griechenlands und Roms und dem Niedergang ihrer Zivilisationen her. In ähnlicher Weise schreiben viele das Verlassen der Dschungelstädte der Mayas den Folgen der Entwaldung zu. Oftmals war die Abholzung das Ergebnis einer exzessiven Nachfrage nach Holz für Bauvorhaben (und auch für den Schiffbau), zum Befeuern von Öfen und für die Metallverarbeitung. In anderen Fällen war Abholzung die Folge der Landgewinnung für den Ackerbau. In beiden Fällen jedoch ging dies mit einer Veränderung der Weltsicht einher, welche die Beherrschung und Ausbeutung menschlicher und natürlicher „Ressourcen“ zum Zweck der Anhäufung von Reichtum rechtfertigte.
Einige Konsequenzen für die Gegenwart
Was können wir daraus lernen? Die Entwicklung von Patriarchat und Anthropozentrismus ist sicherlich komplex, doch es ist klar, dass irgendwie alle Formen von Herrschaft, Unterdrückung und Ausbeutung gemeinsame Wurzeln haben. Gleichzeitig ist es hilfreich, über die Ebene der historischen Entwicklung hinauszugehen und die psychologischen Prozesse wahrzunehmen, die hier im Spiel sind.
So legt zum Beispiel Rosemary Radford Ruether (1994) nahe, dass die frühen matrizentrischen Gesellschaften möglicherweise bereits den Keim ihrer eigenen Zerstörung in sich trugen. Im Gegensatz zur weiblichen Rolle, die von Natur aus auf die Reproduktion und Erhaltung des Lebens hingeordnet ist, muss die männliche Rolle gesellschaftlich konstruiert werden.
In den Gesellschaften der Jäger und Sammler gegen Ende der Eiszeit spielten männliche Jäger noch eine wichtige Rolle bei der Nahrungsbeschaffung wegen der großen Mammuts, die gejagt werden mussten. Die gesellschaftlich konstruierte Rolle des Mannes als Jäger war immer noch mit einem großen Maß an Bedeutung verbunden und gab den Männern das Gefühl der Sicherheit hinsichtlich ihres Beitrags zur Gesellschaft. Doch als die Eiszeit zu Ende ging, verlor die Jagd nach und nach an Bedeutung, und die Rolle der Frauen, die das Hauptkontingent der Sammler ausmachten, wurde gestärkt.
In der Jungsteinzeit waren Frauen oftmals sowohl die hauptsächlichen Nahrungsproduzentinnen als auch der wichtigere Elternteil. In solchen Gesellschaften – diesen des alten Europa und Anatoliens zum Beispiel – scheiterten Männer möglicherweise daran, eine Rolle zu entwickeln, die affirmativ und bedeutend genug gewesen wäre. Dies beförderte das Aufkommen eines männlichen Ressentiments gegenüber dem Ansehen der Frauen. Mary Gomes und Allen Kanner (1995) betonen, dass Herrschaft eine Möglichkeit sein kann, Abhängigkeit zu verleugnen. In einer solchen Situation begannen Männer ihre Männlichkeit in der Weise der Feindschaft gegenüber der Frau zu definieren, und die Grundlagen für das Patriarchat waren geschaffen. Solange man sich nicht mit dem zugrunde liegenden Ressentiment konfrontiert, ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Patriarchat in seiner gegenwärtigen Gestalt überwunden werden kann.
Ruether meint, dass eine konkrete Konsequenz aus dieser Analyse die Notwendigkeit ist, neue Formen der Geschlechterparität zu schaffen und Abhängigkeit durch Verwiesenheit aufeinander zu ersetzen. Insbesondere ist es dringend an der Zeit, dass in den heutigen Gesellschaften der Mann in einer neuen Rolle voll und ganz in die Elternschaft und die häusliche Arbeit einbezogen wird, die der Lebenserhaltung dient. Insgesamt müssen Geschlechterrollen durchlässiger und flexibler werden und es so beiden Geschlechtern ermöglichen, auf sinnvolle Weise an Leben hervorbringenden anstelle von Leben zerstörenden Tätigkeiten teilzuhaben. Sie führt die traditionelle balinesische Gesellschaft
als nachahmenswertes Beispiel dafür an, wie eine stabile, nicht auf Ausbeutung beruhende Beziehung zwischen den Geschlechtern erreicht werden kann.
Darüber hinaus findet die Analyse von Gomes und Kanner, die die Herrschaft als Mechanismus der verleugneten Abhängigkeit betrachtet, Anwendung auf unser Verhältnis zur umfassenderen planetarischen Gemeinschaft. Wir Menschen versuchen, die Erde selbst und alle Lebewesen zu beherrschen, da wir unsere Abhängigkeit vom umfassenderen Netz des Lebens zu verleugnen suchen: „Wir haben als Angehörige einer städtisch-industriellen Zivilisation unsere Identität als Gattung auf der Verleugnung dieser Wahrheit begründet. Die Abhängigkeit des Menschen von der Gastfreundschaft der Erde ist allumfassend, und das bedroht das sich als unabhängig dünkende Selbst aufs Äußerste.“ (Gomes/Kanner 1995, 114) Dieser Prozess scheint bereits vor langer Zeit mit dem Entstehen der Agrargesellschaften und der Kultur der Stadtstaaten in Gang gekommen zu sein, auch wenn das Ausmaß der Entfremdung mit der Entwicklung der Industriegesellschaften außerordentlich zugenommen hat.
Der globale Kapitalismus: Ein androzentrisches System
Aus einer ökofeministischen Perspektive gesehen stellt der moderne Kapitalismus das am weitesten entwickelte und am meisten ausbeuterische aller patriarchalischen, anthropozentrischen Systeme dar. Der weltweite, von der Herrschaft der Konzerne geprägte Kapitalismus hat, wie alle Systeme imperialer Herrschaft vor ihm, ein extraktives, nicht wechselseitiges und ausbeuterisches Objekt-Verhältnis zur Natur zur Grundlage, wie es zuerst zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Mensch und Natur etabliert wurde (Mies 1989, 83–88). Wie wir bereits bei unserer Untersuchung der Pathologie des grenzenlosen Wachstums und einer fehlgeleiteten Entwicklung gesehen haben, wird der Beitrag der außermenschlichen Ökonomie (und sehr oft der der Frauen, insbesondere deren unbezahlte Arbeit) vom herrschenden Wirtschaftssystem fast völlig unsichtbar gemacht. Tatsächlich bildet die Zerstörung des natürlichen Reichtums der Erde um einer künstlichen und illusorischen Kapitalakkumulation willen das Herzstück der Gesellschaften industriellen Wachstums, wie sie vom Kapitalismus der Konzernherrschaft geschaffen wurden. Gleichzeitig gilt, wie unsere Analyse der Konzernherrschaft und der Finanzspekulation zeigt: Diejenigen, die den Produktionsprozess und die Produkte kontrollieren, sind selbst keine Produzenten, sondern Aneigner. Was weniger deutlich sein mag, aber durch eine feministische Analyse aufgedeckt wird, ist die Tatsache, dass ihre sogenannte Produktivität die Existenz und die Unterwerfung anderer – und letztlich weiblicher – Produzenten voraussetzt (Mies 1989, 83–88). Die „räuberische Aneignung der Produktionsmittel“ bildet also das Herzstück des Kapitalismus selbst.
Wie der Kapitalismus entstand
Aus einer ökofeministischen Perspektive sind die Ursprünge des Kapitalismus mit verschiedenen historischen Prozessen untrennbar verbunden: der Ausbreitung von Kolonialismus und Sklaverei, der Verfolgung der Frauen während der großen Hexenjagden in Europa und dem Aufstieg der modernen Wissenschaften und der Technologie, der in die industrielle Revolution mündete. Zusammengenommen bewirkten diese Prozesse, dass die Natur nicht mehr im Bild der Mutter Erde gesehen wurde, sondern als eine leblose Maschine, die den Bedürfnissen des „Menschen“ bzw. Mannes als Rohstoffquelle und Abfallhalde dient. Gleichzeitig entstanden neue und ausgeklügeltere Formen des Patriarchats, die in effizienter Weise dazu dienten, die Frauen einer Ausbeutung auf neuem Niveau preiszugeben.
Viele Historiker vertreten die Meinung, dass die „ursprüngliche Kapitalakkumulation“, die den Ausgangspunkt des Kapitalismus bildete, nur aufgrund der gewaltsamen Aneignung des Reichtums aus Europas Kolonien in Amerika – insbesondere Gold, Silber und Agrarprodukte aus den Kolonien Spaniens und Portugals – möglich war. Wie wir bereits erwähnt haben, bezieht sich der fiktive Brief des Guaicaipuro Cuautémoc an die Entscheidungsträger Europas scherzhaft auf 185.000 kg Gold und 16 Millionen kg Silber, die zwischen 1503 und 1660 von San Lucar de Barrameda „als erste von mehreren Freundschaftskrediten Amerikas für die Entwicklung Europas“ verschifft wurden (Britto García 1990). Natürlich verhält es sich in Wirklichkeit so, dass dieser Reichtum mit dem Schweiß, dem Blut und dem Leben Hunderttausender indianischer Arbeitskräfte in den Bergwerken ganz Lateinamerikas bezahlt wurde. Ergänzt wurde diese Arbeitskraft durch Millionen Afrikaner, die gewaltsam ihrer Heimat und ihrer Freiheit beraubt und dann als Sklaven nach Amerika verschifft wurden. Viel mehr noch wurden zur Sklavenarbeit auf den Plantagen gezwungen und sorgten so für wertvolle Exportprodukte nach Europa. Während Spanien und Portugal diesen Reichtum nicht dazu nutzten, ihre eigene industrielle Entwicklung zu finanzieren, wurde dadurch eine Nachfrage nach Luxusgütern geschaffen, die die Grundlagen für die industrielle Expansion Nordwesteuropas legte.
Fast zur gleichen Zeit, genauer zwischen der Mitte des 15. und der Mitte des 18. Jahrhunderts, der Zeit der Scheiterhaufen, wie man sie manchmal nennt, wurde in Europa die große Verfolgung von „Hexen“ in Gang gesetzt. Man schätzt, dass 80 bis 90 % der Getöteten Frauen waren und dass bis zu zwei Millionen Menschen getötet worden sein mögen, größtenteils auf wahrhaft erschreckende Weise. Viele der getöteten Frauen praktizierten traditionelle Heilverfahren und Methoden der Geburtshilfe, und fast alle Betroffenen waren arm. Die Hexenverfolgung nahm ihren Anfang als Bestandteil der katholischen Inquisition (die sich auch auf Lateinamerika erstreckte), doch diese Praxis verbreitete sich bald im protestantischen Teil Europas (und später in den Neuengland-Staaten).
Einerseits kann die Zeit der Scheiterhaufen als Ausdruck der Angst vor der Stärke der Frauen und der Kraft der Natur verstanden werden, insbesondere, da die Frauen, die traditionelle Heilkünste ausübten (was eine Kenntnis der Kräuter und damit der Orte in der freien Natur voraussetzte, wo diese gesammelt werden konnten), besonders gefährdet waren. Tatsächlich kommt das englische Wort für Hexe, „witch“, von „wita“, was „die Weise“ bedeutet. Hexen waren also oftmals solche Menschen, die über eine in der Natur gründende Weisheit verfügten.
Darüber hinaus betont Mies (1986), dass die Hexenjagden einen Angriff auf die Sexualität der Frauen darstellten und auf die Kontrolle ihrer Fruchtbarkeit abzielten (daher rührt die Verfolgung von Hebammen). In einem allgemeineren Sinne wollten die Hexenjagden die Frauen aus dem öffentlichen Bereich verdrängen. Die Verfolgung hatte zur Konsequenz, dass Frauen ihre Arbeit verloren und ihr Eigentum konfisziert wurde. In psychologischer Hinsicht kann man sich leicht das kollektive Trauma vorstellen, das durch eine solche massive und schreckliche Verfolgung hervorgerufen worden sein muss. Ohne Zweifel haben Frauen entdeckt, dass ihre beste Verteidigung darin liegt, so wenig wie möglich Profil zu zeigen und sich als gelehrige, gehorsame Ehefrauen und Töchter zu erweisen, die eng an ihre häusliche Umgebung gebunden waren.
Interessant ist es, den zeitlichen Zusammenfall der Sklavenraubzüge in Afrika und der Hexenjagd in Europa zu beobachten. Mies meint, dass dies kein Zufall ist:
„Die Sklavenjagd in Afrika hatte darum in den gleichen Jahrhunderten ihr Gegenstück in der Hexenjagd Europas.“ (Mies 1989, 86)
„Genauso wie der Prozess der ‚Naturalisierung‘ der Kolonien auf den Gebrauch von Gewalt und Zwang in großem Maßstab gegründet war, war auch der Prozess der Domestizierung der europäischen (und später nordamerikanischen) Frauen keine friedliche und idyllische Angelegenheit. Die Frauen gaben die Kontrolle über ihre Produktivität, ihre Sexualität und ihre reproduktiven Fähigkeiten nicht freiwillig an ihre Männer und an den GROSSEN MANN (Kirche, Staat) ab.“ (Mies 1986, 69)
Der dritte historische Prozess, der zur gleichen Zeit einsetzte, war die wissenschaftliche Revolution. Diese wird an anderer Stelle in diesem Buch genauer erforscht werden. Hier genügt der Hinweis, dass dieser Prozess Europas Art und Weise, die Welt zu sehen, tiefgehend bestimmte. Das trifft insbesondere auf die geistigen und politischen Eliten zu. Anstatt die Erde als terra mater aufzufassen, wurden Land, Wälder und alles Lebendige zu einer leblosen Maschine und einer unerschöpflichen Quelle von „Rohmaterialien“ zum Gebrauch des Menschen gemacht. Dieser Wandel, so betont Vandana Shiva, „beseitigte alle ethischen und kognitiven Schranken gegenüber ihrer Vergewaltigung und Ausbeutung“ (1989 b, XVII). Auf der gleichen Linie wurden Frauen (und auch die ursprünglichen Völker), die als der Natur näher stehend und daher weniger rational und weniger wertvoll angesehen wurden, zu kaum mehr als Instrumenten im „Dienst für den Mann“ degradiert.
Aus einer ökofeministischen Perspektive ist die moderne Wissenschaft insofern das Musterbeispiel eines patriarchalischen Projekts, als es neue Formen der Unterwerfung und Ausbeutung ermöglicht. Letztlich bringt sie Fehlentwicklung (die mit dem Kolonialismus begann und durch moderne Formen der wirtschaftlichen Beherrschung fortgesetzt wurde), denn sie beruht auf Formen der Wirklichkeitswahrnehmung, die reduktionistisch (das Ganze wird zu verstehen versucht, indem man es in einzelne Teile zerlegt), dualistisch (etwas muss entweder dieses oder jenes sein, aber nicht beides gleichzeitig) und linear (direkte Beziehung von Ursache und Wirkung) sind. Shiva sagt über diese herrschenden Wahrnehmungsweisen:
„Die herrschenden Wahrnehmungsweisen, die allesamt auf Reduktionismus, Dualität und Linearität abgestellt sind, können mit der Gleichwertigkeit in der Vielfalt nicht zurechtkommen, auch nicht mit Formen des Lebens und Handelns, die jeweils sinnvoll und rechtens sind und sich dennoch voneinander unterscheiden. Der reduktionistische Verstand nötigt den Frauen, allen nicht zum Westen zählenden Völkern und der Natur Rollen und Machtformen westlicher Männer-Begrifflichkeit auf und stuft sie damit gleichzeitig als ‚unzulänglich‘ und ‚entwicklungsbedürftig‘ ein. Vielfalt, Einheit und Harmonie in der Vielfalt können in diesem Kontext des westlichen Modells von Fehlentwicklung wissenschaftstheoretisch gar nicht mehr begriffen werden. Daher wird dieser Kontext selbst zum Synonym für die Unterentwicklung der Frauen (d. h. den Ausbau sexistischer Herrschaft) und für die Demontage der Natur (d. h. die Verschärfung der ökologischen Krise).“ (Shiva 1989 a 16–17)
Letztlich, so Shiva, verwandelte diese Art zu denken und die davon inspirierte industrielle Revolution die Wirtschaft
„vom klugen Management von Ressourcen für den Lebenserhalt und die Befriedigung der Grundbedürfnisse in einen Prozess der Warenproduktion um der Profitmaximierung willen. Der Industrialismus schafft eine grenzenlose Gier nach Ausbeutung von Ressourcen, und die moderne Wissenschaft liefert die ethische und kognitive Erlaubnis dafür, die eine solche Ausbeutung ermöglicht, Akzeptanz für sie herstellt und sie als wünschenswert erscheinen lässt. Das neue Verhältnis der Herrschaft und Kontrolle des Menschen/Mannes über die Natur war auf diese Weise mit neuen Mustern von Herrschaft und Kontrolle über die Frau und deren Ausschluss von der partnerschaftlichen Teilhabe an Wissenschaft und Entwicklung verbunden.“ (1989 b, XVII)
Kapitalismus und Ausbeutung
Der Kapitalismus entstand also in einem Kontext, in dem der Androzentrismus im Bewusstsein der Intellektuellen und herrschenden Eliten Europas neue Triumphe feierte. Der „Mensch“ (bzw. der „Mann“) wurde als rationales, autonomes Wesen definiert („Ich denke, also bin ich“) und als die Spitze einer hierarchischen Ordnung betrachtet, deren Basis die „wilde“, ungezähmte Natur bildete, während Frauen, Indigenas, Farbige und Bauern die Mitte der Pyramide bildeten. Das Patriarchat im Sinne eines einheitlichen Systems von Herrschaft und Ausbeutung bildete das Fundament, auf dem der Kapitalismus errichtet werden konnte.
Maria Mies vertritt denn auch tatsächlich die Meinung, dass der Kapitalismus ohne das Patriarchat nicht existieren kann. Die kapitalistische Akkumulation hat ihre Grundlage in der Aneignung von Reichtum, der von der Natur und den Armen dieser Welt (besonders außerhalb Europas) produziert wird. Mit anderen Worten: Sein Zentrum bildet die „räuberische“ (oder parasitäre) Produktionsweise, die durch das Patriarchat gerechtfertigt und am Leben gehalten wird. Der Kapitalismus ist auf die unbezahlte Arbeit der Frauen, auf die Ausplünderung der Ressourcen des Planeten und die äußerst schlecht entlohnte Arbeit der ausgebeuteten Klassen und Rassen angewiesen. Dieser Prozess endloser Akkumulation leblosen Kapitals saugt das Leben aus der Erde und all ihren Lebewesen. Diejenigen, die die Produktion unter Kontrolle haben und von ihr profitieren, sind hingegen nicht selbst Produzenten, sondern Usurpatoren. Dies wird in besonderer Weise im Fall der modernen „Finanzwirtschaft“ deutlich.
Wie alle Formen räuberischer Produktion ist der Kapitalismus auf Gewalt angewiesen. Manchmal nimmt diese Gewalt direkte Formen im tatsächlichen Gebrauch oder der Drohung mit Waffen an. Während der gesamten Epoche des Kolonialismus bis hinein in unsere Gegenwart wandte man die „Kanonenboot-Diplomatie“ an, um die herrschende weltweite (Un-)Ordnung aufrechtzuerhalten. Das kann man noch am Fallbeispiel der beiden Irakkriege und der Sanktionen gegen dieses Land sehen: Millionen unschuldiger Menschen wurden getötet, um die Ölversorgung des Westens sicherzustellen. Heute ist dagegen die Anwendung von Mechanismen der Repression innerhalb einzelner Länder noch üblicher. So lassen zum Beispiel Regierungen, die das Diktat der Strukturanpassungsmaßnahmen umsetzen wollen, das Militär und die Polizei auf die eigene Bevölkerung los, um deren berechtigte Proteste zum Schweigen zu bringen.
Die am meisten verbreitete Form der Gewalt im Kapitalismus ist jedoch die strukturelle Gewalt, die von ökonomischem Zwang ausgeht. Einerseits sind die Verschuldungskrise und die Strukturanpassungsmaßnahmen hervorragende Beispiele für einen solchen Zwang, den man auf ganze Völker und Staaten ausübt. In einem allgemeineren Sinn macht sich der Kapitalismus die ungleiche Arbeitsteilung als eine Struktur zunutze, um sich Reichtum anzueignen. Die Entlohnung der Arbeiter ist geringer als der Wert, den sie produzieren, was die Kapitalakkumulation ermöglicht. Die Ausbeutung der Frauen und der Ökosysteme ist sogar noch größer, denn ihr Beitrag zur Wirtschaft wird ganz einfach nicht als solcher anerkannt (er wird etwa durch Indikatoren wie das Bruttoinlandsprodukt verschleiert).
Dieses Versäumnis, die grundlegendsten Leben erhaltenden Tätigkeiten nicht entsprechend zu würdigen, ist nicht etwa bloß ein Versehen. Es hat seine Grundlage in der sexuellen Arbeitsteilung, die „menschliche“ (zum Großteil männliche) Arbeit höher bewertet als „natürliche“ Tätigkeiten (dazu zählen Subsistenzwirtschaft, Hausarbeit und die großzügigen Gaben der umfassenderen planetarischen Gemeinschaft). Nicht entlohnte Arbeit, die weitgehend von Frauen verrichtet wird, wird als geringer eingestuft, auch wenn sie für die Erhaltung und Förderung des Lebens absolut notwendig ist.20 Ähnlich verhält es sich hinsichtlich der Dienste, die eine biotische Gemeinschaft wie etwa ein Wald für alle leistet: Produktion von Sauerstoff, Reinigung und Speicherung von Wasser, Aufbau eines gesunden Bodens – dies alles zählt einfach nichts. Und dennoch ist „diese Produktion von Leben die dauerhafte Voraussetzung aller historischen Formen produktiver Arbeit, auch der unter dem Regime kapitalistischer Akkumulation“ (Mies 1986, 47). Tatsächlich ist diese nicht bewertete Arbeit die erste Quelle allen wahren Reichtums, und deren Ausbeutung ist das Fundament der parasitären, räuberischen Produktionsweise, die das Herzstück des modernen Kapitalismus bildet. Im Gegensatz zu Marx, der die Ausbeutung der Lohnarbeit als die Hauptquelle der kapitalistischen Akkumulation betrachtete, geht eine ökofeministische Analyse einen Schritt weiter und behauptet, dass der Kapitalismus sowohl auf die Ausbeutung der Lohnarbeiter als auch auf die Überausbeutung von Frauen und der umfassenderen planetarischen Gemeinschaft angewiesen ist. Mies zieht die Schlussfolgerung:
„Dies setzt jedoch das Verständnis voraus, dass die Frauenunterdrückung heute ein wesentlicher Bestandteil der kapitalistischen (oder sozialistischen) patriarchalischen Produktionsverhältnisse ist. Sie ist Bestandteil des Paradigmas ewigen Wachstums, stetig sich vergrößernder Produktivkräfte, einer unbeschränkten Ausbeutung der Natur, einer unbeschränkten Warenproduktion, stetig sich ausbreitender Märkte und unendlicher Akkumulation des fixen Kapitals …“ (1989, 36)
„[Es wurde mir klar], dass die Frauen in ihrem Kampf um die Wiedergewinnung ihrer Menschlichkeit nichts aus der Fortschreibung dieses Paradigmas gewinnen können. Überall würden Feministinnen gut daran tun, den vom wissenschaftlichen Sozialismus formulierten Glauben aufzugeben, dass der Kapitalismus durch seine Gier nach unaufhörlicher Akkumulation oder ‚ewigem Wachstum‘ die Voraussetzung für die Frauenbefreiung geschaffen hat, die dann unter dem Sozialismus verwirklicht werden kann. Heute ist mehr denn offenbar, dass der Akkumulationsprozess selbst überall das Innerste des menschlichen Wesens zerstört, weil er auf der Zerstörung der Souveränität der Frauen über ihr Leben und ihre Körper aufbaut. Da Frauen für ihr Menschsein nichts aus der Fortsetzung des Wachstumsmodells gewinnen können, sind sie in der Lage, die Perspektive einer Gesellschaft zu entwickeln, die nicht auf Ausbeutung von Natur, Frauen und fremden Völkern beruht.“ (Mies 1989, 8–9)