Kitabı oku: «Stone Butch Blues», sayfa 7
„O Gott im Himmel!“ fuhr sie fort. „Das Mädchen hat ein Problem.“ Jedesmal, wenn Booker den Arm hob, um „Stop!“ zu singen, rutschte ihm anschließend der Träger seines Kleides herunter. Es hätte sehr sexy sein können, aber er war so nervös, daß er immer wieder versuchte, den Träger hochzuschieben.
„Hilf ihr“, sagte Georgetta zu mir.
Ich gab Georgetta das Mikro, ging raus auf die Bühne und trat vor Booker. Ich kniete vor ihm nieder und tat, als würde er mich ansingen. Dann umkreiste ich ihn und zog ihm verführerisch den Träger runter. „Laß ihn unten“, flüsterte ich, während ich ihn auf die Schulter küßte. Booker sang, „… before you break my heart …“ und stieß mich dramatisch von sich. Die Menge tobte vor Begeisterung. Niemand sah das rote Blinklicht.
Die Musik erstarb, und alle stöhnten auf. Dann stürmte die Polizei den Club. Ich hielt die Hand vor Augen, damit das Scheinwerferlicht mich nicht blendete, konnte aber trotzdem nicht sehen, was vor sich ging. Ich hörte Schreie und den Lärm umstürzender Tische und Stühle. Der einzige Ausgang war versperrt – diesmal gab es kein Entkommen. Mit sechzehn war ich immer noch minderjährig.
Ich zog langsam mein neues blaues Jackett aus, faltete es ordentlich zusammen und legte es auf das Klavier hinten auf der Bühne. Einen Moment lang dachte ich daran, meinen Schlips abzulegen, weil ich meinte, es wäre dann vielleicht leichter für mich. Aber das stimmte natürlich nicht. Im Gegenteil, die Krawatte gab mir ein Gefühl von Stärke angesichts dessen, was mir bevorstand. Ich krempelte die Ärmel hoch und stieg von der Bühne. Ein Bulle packte mich und fesselte mir die Hände fest auf den Rücken. Ein anderer schlug auf den schluchzenden Booker ein.
Sie hatten den Polizeitransporter rückwärts vor den Eingang gefahren. Die Bullen prügelten uns hinein. Einige Tunten kabbelten sich nervös auf dem Weg zur Wache und machten Witze, um die Spannung zu lösen. Ich schwieg.
Wir wurden alle zusammen in eine riesige Zelle verfrachtet. Meine gefesselten Hände waren geschwollen und kalt wegen der mangelnden Durchblutung. Ich wartete. Zwei Bullen öffneten die Zellentür. Sie lachten und redeten miteinander. Ich hörte nicht hin. „Brauchst du Arsch ’ne Extra-Einladung? Los!“ befahl der eine.
„Los, komm schon, Jesse“, höhnte einer. „Lächle mal schön in die Kamera! Bist so ’n hübsches Mädchen. Ist sie nicht hübsch, Jungs?“ Sie schossen mein Polizeifoto. Einer der Bullen löste mir die Krawatte. Als er mein neues Hemd aufriß, flogen die himmelblauen Knöpfe ab und rollten über den Fußboden. Er zog mir das T-Shirt hoch und entblößte meine Brüste. Meine Hände waren noch immer gefesselt. Ich stand mit dem Rücken an der Wand.
„Ich glaub, sie mag dich nicht, Gary“, sagte ein anderer. „Vielleicht bin ich eher ihr Typ.“ Er durchquerte den Raum. Meine Knie zitterten. Lieutenant Mulroney stand auf seinem Namensschild. Er bemerkte, daß ich darauf guckte und ohrfeigte mich hart. Seine Hand umspannte mein Kinn wie ein Schraubstock. „Lutsch meinen Schwanz!“ sagte er leise.
Kein Laut war zu hören. Ich rührte mich nicht. Niemand sagte etwas. Ich meinte fast, es könnte so bleiben, wie ein angehaltener Film, aber das tat es nicht. Mulroney fummelte an seinem Reißverschluß. „Lutsch meinen Schwanz, Bulldagger!“ Jemand schlug mir mit einem Knüppel von hinten gegen die Beine. Ich ging mehr vor Angst als vor Schmerz in die Knie. Mulroney packte mich am Kragen und schleifte mich zu einer Stahltoilette. Ein Stück Kot schwamm im Wasser. „Lutsch meinen Schwanz oder friß meine Scheiße, Bulldagger! Du hast die Wahl.“ Ich war zu verängstigt, um denken oder mich rühren zu können.
Als er meinen Kopf das erste Mal unter Wasser drückte, hielt ich die Luft an. Beim zweiten Mal hielt er mich so lange untergetaucht, bis ich Wasser schluckte und den Klumpen Scheiße an meiner Zunge spürte. Als Mulroney meinen Kopf wieder aus dem Klo zog, kotzte ich ihn voll. Ich würgte und erbrach mich wieder und wieder.
„Ach, Scheiße, schaffen wir sie hier raus!“ brüllten die Bullen einander zu, als ich schwer atmend da lag.
„Nein“, sagte Mulroney. „Auf den Tisch da drüben mit ihr!“
Sie hoben mich auf, warfen mich rücklings auf den Tisch und fesselten mir die Hände über dem Kopf. Als mir ein Bulle die Hose runterzog, versuchte ich, die Krämpfe in meinem Magen zu unterdrücken, damit ich nicht an meiner eigenen Kotze erstickte.
„Hey, ist das nicht süß? Richtige Männer-Unterhosen!“ rief ein Bulle. „Perverse Sau!“
Ich sah zu dem Licht an der Decke hoch, eine große gelbe Glühbirne hinter einem Metallgitter. Das Licht erinnerte mich an die endlose Folge von Western, die ich im Fernsehen gesehen hatte, nachdem wir in den Norden gezogen waren. Immer wenn sich jemand in der Wüste verirrte, zeigten sie bloß noch eine gleißende Sonne – die ganze Schönheit der Wüste wurde auf dieses eine Bild reduziert. Ich starrte auf die Gefängnisglühbirne, um nicht Zeugin meiner eigenen Erniedrigung sein zu müssen: Ich klinkte mich einfach aus.
Ich stand in der Wüste. Der Himmel hatte bunte Streifen. Jeder kleinste Lichtwechsel tauchte die Weite in einen anderen Farbton: lachsfarben, rosa, lavendel. Der Salbeigeruch war übermächtig. Noch bevor ich den Steinadler im Aufwind über mir dahingleiten sah, hörte ich ihn schreien, so deutlich, als wäre es aus meiner Kehle gekommen. Ich sehnte mich danach, mit dem Adler zu fliegen, aber ich fühlte mich mit der Erde verwurzelt. Die Berge kamen mir entgegen. Ich ging auf sie zu, auf der Suche nach Zuflucht, aber etwas hielt mich zurück.
„Verdammt!“ zischte Mulroney. „Dreht sie um! Ihre Fotze ist zu labbrig.“
„Ey, Lieutenant, wie kommt’s eigentlich, daß diese Scheiß-Bulldagger nicht mit Männern ficken, aber so große Mösen haben?“
„Frag doch mal deine Frau“, erwiderte Mulroney. Die anderen lachten.
Ich geriet in Panik. Ich versuchte, in die Wüste zurückzukehren, aber ich konnte die fließende Öffnung zwischen den Dimensionen nicht wiederfinden. Ein berstender Schmerz in meinem Körper katapultierte mich schließlich zurück.
Ich stand wieder in der Wüste, aber diesmal hatte sich der Sand abgekühlt. Der Himmel war bewölkt; ein Sturm drohte. Die schwüle Luft war unerträglich. Ich konnte nur schwer atmen. In der Ferne hörte ich wieder den Adler schreien. Der Himmel wurde so dunkel wie die Berge. Der Wind blies mir durchs Haar.
Ich schloß die Augen und wandte mein Gesicht dem Wüstenhimmel zu. Und dann, endlich, die Erlösung: Ein warmer Regen brachte meinen Wangen die ersehnte Erleichterung.
6
Der Ring war verschwunden. Der einzige faßbare Beweis, daß er jemals existiert hatte, waren die Blutblasen an meinem Finger; die Bullen mußten ihn mir vom Finger gerissen haben, als meine Hände gefesselt und geschwollen waren. Der Ring war verschwunden. Ich saß in meiner Wohnung und starrte aus dem Fenster. Ich wußte nicht, wie lange schon.
Justine und Peaches hatten mich auf Kaution rausgeholt. Ich wußte noch, daß sie mir erzählt hatten, es würde gegen niemanden von uns Anklage erhoben werden. Justine wollte mit hochkommen, als wir meine Wohnung erreichten, aber ich war eisern: Ich wollte allein sein.
Als erstes hatte ich ein Schaumbad genommen. Ich lehnte den Kopf zurück und versuchte mich zu entspannen. Dann bemerkte ich, daß das Wasser einen tiefrosa Farbton annahm und entdeckte einen roten Strom zwischen meinen Beinen. Sofort mußte ich an das Gefühl des Klumpens Scheiße an meiner Zunge denken, und ich kletterte panisch aus der Wanne und schaffte es gerade noch bis zum Klo.
Jetzt war ich ruhig. Ich fühlte kaum etwas. Aber trotz dieser willkommenen Gelassenheit trauerte ich um den Ring, der mich beschützt haben würde oder mir zumindest seine Weisheit angeboten hätte. Der Ring war verschwunden. Jetzt gab es nichts mehr zu hoffen.
Betty klopfte an die Wohnungstür und schloß auf. Sie sah, daß der Teller mit Brathähnchen, den sie mir am Abend zuvor gebracht hatte, unberührt war. Das Hähnchen erinnerte mich an menschliche Gebeine, und ich konnte mich nicht überwinden, in das Fleisch zu beißen. Allein der Gedanke hatte mich würgend ins Badezimmer stürzen lassen.
„Ich hab dir Apfelkuchen mitgebracht“, sagte Betty. Sie hatte hellgelben Kalikostoff in der Hand. „Ich dachte, ich nähe dir ein paar Gardinen für die Fenster, einverstanden?“ Ich hatte seit meinem Einzug vor mehr als einem halben Jahr ohne Vorhänge gelebt. Ich nickte. Betty fing an zu nähen. Von Zeit zu Zeit blickte sie mich an. Ich wußte, daß sie wahrscheinlich schon seit Stunden in meinem Zimmer genäht hatte, als sie aufstand, um die Vorhänge zu bügeln, aber es kam mir vor wie Sekunden.
Die Vorhänge waren wirklich schön, aber mein Gesicht war starr und wollte sich nicht mal zu einem Lächeln verziehen. Betty kam herüber und setzte sich neben mich. „Du solltest etwas essen“, sagte sie. Ich sah auf, um zu zeigen, daß ich sie verstanden hatte. Sie erhob sich und ging zur Wohnungstür. Dort hielt sie inne. „Ich weiß Bescheid“, sagte sie. „Du glaubst, niemand weiß, was du durchmachst. Du glaubst, niemand würde dich verstehen. Aber ich kenne das auch.“ Ich schüttelte langsam den Kopf. Sie hatte keine Ahnung.
Betty kniete vor mir nieder. Als unsere Augen sich trafen, durchfuhr mich plötzlich ein Stromstoß. Ich sah alles, was ich fühlte, in Bettys Blick, als würde ich mein Spiegelbild sehen. Ich wandte schockiert den Blick ab. Betty nickte und drückte mir das Knie. „Ich weiß es“, sagte sie und stand auf, um zu gehen. „Ich verstehe dich.“
Ich blieb auf dem Sofa liegen. Dunkelheit breitete sich im Raum aus. Es klopfte wieder an der Tür. Ich wünschte, sie würden mich alle in Ruhe lassen.
Peaches kam herein, in voller Aufmachung. „Meine Verabredung war ein Flop“, meinte sie und ging in die Küche. Einen Moment später kam sie mit zwei Bechern Vanilleeis und zwei Löffeln zurück. Sie setzte sich neben mich auf das Sofa und reichte mir einen Becher. Das Eis war so süß und so kühl in der Kehle, daß mir Tränen in den Augen brannten.
Peaches strich mir übers Haar. Ich dachte daran, wie die Welt aussieht, wenn sie tief unter Schneewehen begraben liegt – jeder Zweig und jede Telefonleitung schneebedeckt und im Mondlicht glitzernd. Schweigend und still. Gedämpft. So erschien mir die Welt in diesem Moment. Ich wünschte, ich könnte Peaches sagen, wie friedlich ich mich fühlte, aber ich konnte nicht sprechen.
„Du hast Angst vor dem Schlafen, nicht wahr, Kind?“ sagte Peaches zärtlich. „Aber Miss Peaches ist jetzt bei dir. Du wirst heute nacht sicher in ihren Armen schlafen. Ich werde nicht zulassen, daß dir etwas passiert.“
Sie verschwand im Schlafzimmer. Kurz darauf kam sie wieder und führte mich zum Bett. Sie hatte es neu bezogen, die Laken waren frisch und sauber. Sie deckte mich zu wie ein Kind und legte sich neben mich. Ich spürte, wie die Übelkeit wieder in mir hochstieg, aber sie zog mich sanft an sich. Meine Lippen fanden die Rundungen ihrer Brüste. „Sie sind durch Hormone so geworden, aber jetzt gehören sie zu mir.“ Sie küßte mich aufs Haar.
Sie begann mit solch seidenweicher Stimme zu singen, daß ich ihr vertraute und in den Schlaf sank.
Edwin brachte mir mein blaues Jackett. Sie fand die passende Hose in dem Haufen Klamotten an der Badezimmertür und brachte beides zur Reinigung.
Als ich am Freitag darauf nicht im Malibou auftauchte, kamen Ed, Georgetta und Peaches vorbei und holten mich ab. Cookie warf mir ein Handtuch zu, als ich hereinkam, und sagte mir, ich sollte mit dem Bedienen anfangen. Mehrere Wochen lief ich herum wie betäubt, unfähig, Temperaturen zu empfinden, ob heiß oder kalt. Die Welt erschien mir fern.
Eines Abends rief mich ein Mann an seinen Tisch und forderte mich auf, die Pommes in die Küche zurückzubringen. Sie seien kalt. Ich brachte sie Cookie, aber sie sagte, sie wäre zu beschäftigt. Ich brachte ihm die Pommes zurück und entschuldigte mich. Er nahm ein Glas Wasser und goß es über die Pommes. „Sie sind kalt“, sagte er.
Er öffnete eine Reisetasche, holte eine riesige Schlange heraus und wand sie sich um den Hals. Und dann biß er ein Stück aus dem Wasserglas und kaute darauf herum. „Die Pommes sind kalt“, wiederholte er.
„Cookie!“ schrie ich, als ich in die Küche schlitterte. „Gib mir heiße Pommes, und zwar sofort!“ Sie machte Einwände. „Jetzt, verdammt noch mal! Auf der Stelle!“
Der Typ ließ mir ein dickes Trinkgeld da.
„Wußtest du nicht, wer das war?“ Booker krümmte sich vor Lachen. Alle anderen grinsten. „Das war die Rasierklinge. Er tritt in einem Club in der Nähe auf.“
Ich warf mein Handtuch hin. „Dieser Job ist zum Kotzen!“ rief ich, aber selbst ich mußte jetzt grinsen.
„Was gibt’s da zu lachen?“ fragte Toni hinter mir. Ich wandte mich um und wollte es ihr erklären, aber ihr Gesicht war vor Wut verzerrt. „Ich sagte, was gibt’s da zu lachen?“ fragte sie noch einmal.
Eine der Butches versuchte sie zurückzuhalten. „Komm schon, Toni, hör auf.“
Sie riß sich los und stolperte auf mich zu. „Du glaubst also, du bist witzig, was?“
„Was soll denn das, Toni?“ fragte ich nervös.
Ein paar Huren kamen zur Tür herein, und ich wandte mich ab, um zu ihnen zu gehen und sie zu begrüßen, aber Toni riß mich herum. „Du glaubst wohl, ich weiß nicht, was zwischen dir und meiner Femme los ist?“
Alle schnappten hörbar nach Luft. Ich war wie gelähmt. „Toni, wovon zum Teufel redest du da?“
„Du glaubst wohl, ich weiß von nichts, was?“
Betty ging auf Toni zu, aber Angie, eine der Huren, die gerade hereingekommen waren, hielt sie zurück.
„Komm mit raus, du feige Sau!“ Toni spuckte aus.
Ich wollte mich auf keinen Fall mit Toni anlegen, also ging ich nach draußen, um mit ihr zu reden. Alle anderen folgten uns. „Toni“, sagte ich bittend.
„Halt die Schnauze und kämpf gefälligst, du Arschloch! Los, du feiges Miststück!“
„Hör zu, Toni“, sagte ich. „Wenn du mich schlagen willst, tu das. Wenn du dich dann besser fühlst – ich werde dich nicht davon abhalten. Aber warum sollte ich dich schlagen wollen? Du hast mir geholfen, als ich Hilfe brauchte. Du weißt verdammt gut, daß ich mich Betty oder dir gegenüber niemals respektlos verhalten würde.“
Ich begegnete Bettys um Verzeihung heischenden Blick. „Hör gefälligst auf, meine Femme anzuglotzen, du Dreckstück!“ zischte Toni.
„Toni, ich sag’s dir noch mal – ich würde dich nie hintergehen.“
„Verschwinde gefälligst aus meinem Haus!“ brüllte sie. Sie torkelte. „Hau ab!“
Angie war hinter mir. „Komm mit, Baby.“ Sie nahm meinen Arm. „Komm, bevor alles noch schlimmer wird“, sagte sie und zog mich zurück in die Bar.
Grant und Edwin boten sich an, mir beim Packen zu helfen und meine Sachen aus der Wohnung zu schaffen. „Ach Scheiße“, sagte ich, „mein ganzes Zeug paßt immer noch in zwei Kissenbezüge. Ich kann es alles auf meine Karre laden.“
Als ich mit meinen Sachen in den Club zurückkam, nahm ich mir einen Barhocker am Ende der Theke und hielt mich an einem Bier fest. Angie setzte sich neben mich. „Hast du einen Schlafplatz für heute nacht?“ Sie drückte ihre Zigarette aus. Ich schüttelte den Kopf. „Hör zu.“ Sie tätschelte meinen Arm. „Ich bin müde. Ich will nach Hause ins Bett – schlafen. Wenn du für heute einen Platz zum Pennen brauchst – in Ordnung. Aber komm nicht auf komische Ideen.“
„Hast du die ganze Nacht angeschafft?“ fragte ich sie.
Angie sah mich mißtrauisch an. „Ja.“
„Warum sollte ich dann wohl glauben, du wärst scharf darauf, daß dich jemand nach Hause bringt und fickt?“
Angie kippte ihren Whisky runter und lachte. „Komm, Baby, dafür lad ich dich zum Frühstück ein.“
„Sag mir die Wahrheit“, sagte Angie, während sie Butter auf ihren Toast strich. „Ohne Scheiß – warum hast du dich nicht mit Toni geprügelt? War das wirklich, weil sie deine Freundin ist, oder hattest du Angst?“
Ich schüttelte den Kopf. „Sie ist nicht meine beste Freundin oder so, aber sie hat mir sehr geholfen. Ich wollte sie nicht schlagen, das ist alles. Sie war betrunken.“
Angie grinste mich an. „Hattest du denn was mit Betty?“
Ich schüttelte den Kopf. „Das Spiel spiele ich nicht.“
Sie musterte mich, während sie mit der Gabel in ihren Eiern herumstocherte. „Wie alt bist du, Baby?“
„Wie alt warst du denn in meinem Alter?“ Ich ärgerte mich über ihre Frage.
Sie lehnte sich auf der Bank zurück. „Die Straße läßt uns vor der Zeit altern, was, Kind?“
„Ich bin kein Kind mehr.“ Meine Stimme klang hart.
„Tut mir leid.“ Es klang ehrlich. „Du hast recht, du bist kein Kind mehr.“
Ich gähnte und rieb mir die Augen. Sie lachte. „Du mußt ins Bett.“ Angie sah zu einer älteren Hure hinüber, die an der Kasse stand und bezahlte. „Weißt du“, sagte sie, „ich erinnere mich noch, als ich ein kleines Mädchen war, da war ich mal mit meiner Mutter und meinem Stiefvater in einem Restaurant, und ich sah eine Frau, die so ähnlich aussah wie die da.“
„Sie gefällt mir“, sagte ich.
Angie sah mich an und legte den Kopf schief. „Du magst Frauen, die hart im Nehmen sind, nicht wahr, Butch?“ Ich lächelte und stieß die Gabel in meine Spiegeleier.
„Ich erinnere mich“, fuhr Angie fort, „wie mein Stiefvater sagte: ‚Dreckige Nutte!’, ganz laut, als die Frau ihre Rechnung bezahlte. Alle im Restaurant haben es gehört. Aber die Frau zahlte einfach, nahm sich einen Zahnstocher und schlenderte raus, als hätte sie ihn gar nicht gehört. So werde ich, wenn ich erwachsen bin, habe ich gedacht.“
Ich nickte. „So ähnlich ging’s mir, als ich ungefähr vierzehn war und diese KV sah.“ Angie stützte ihr Kinn in die Hand und hörte zu. „Ich hatte das ganz vergessen. Meine Eltern haben mich zum Einkaufen mitgeschleift. Du weißt ja, wie voll und laut die Geschäfte vor Weihnachten sind. Doch plötzlich wurde alles ganz still. Die Kassen hörten auf zu klingeln, und niemand rührte sich. Alle starrten zur Schmuckabteilung. Da stand dieses Paar – eine Butch und eine Femme. Sie haben sich einfach bloß Ringe angeguckt, weißt du.“ Angie lehnte sich zurück und blies langsam den Rauch aus. „Alle starrten sie wütend an. Dieser Druck hat die beiden Frauen einfach rausbefördert, wie zwei Korken aus einer Flasche. Ich wollte ihnen nachlaufen und sie bitten, mich mitzunehmen. Und die ganze Zeit dachte ich: Ach du Scheiße, so werde ich auch mal.“
Angie schüttelte den Kopf. „Es ist hart, wenn du es kommen siehst, nicht?“
„Ja“, erwiderte ich. „Es ist wie die Fahrt auf einem einspurigen Highway, und ein Zwanzigtonner hält genau auf dich zu.“
Sie schauderte. „Los komm“, sagte sie. „Ich muß ins Bett.“
Angies Wohnung war mehr wie ein Zuhause als es meine gewesen war. „Ich mag diesen Gardinenstoff, den du in der Küche hast“, sagte ich. „Was ist das?“
„Musselin“, antwortete sie. Sie holte zwei Flaschen aus dem Kühlschrank. „Hör mal, wenn du etwas suchst, diese Wohnung wird vielleicht frei – sehr, sehr bald, du weißt schon.“
Ich legte den Kopf schief. „Morgen zum Beispiel?“
Sie lachte. „Vielleicht noch eher, wer weiß?“
Ich trank mein Bier, steckte mir eine Zigarette an und warf die Packung auf den Küchentisch. Angie nahm eine und setzte sich mir gegenüber. „Ich hab da ein kleines Problem, verstehst du?“ Ich nickte. „Also, wenn du die Wohnung willst, sie ist billig.“
„Weißt du“, sagte ich, „ich weiß nicht mal, wie man eine Rechnung bezahlt und so. Ich hab immer nur bei Toni und Betty gewohnt.“
Angie legte mir die Hand auf den Arm. „Ich geb dir einen Rat – du mußt ihn nicht annehmen. Such dir einen Job in der Fabrik, damit du nicht am Ende dein ganzes Leben in der Bar verbringst. Das Leben im Rotlichtbezirk ist ein Tanz auf Messers Schneide, verstehst du? Die Fabrik ist sicher auch kein Zuckerschlecken, aber vielleicht kannst du irgendwo mit anderen Butches zusammen arbeiten, deine Rechnungen bezahlen, dich mit einem Mädchen zusammentun.“
Ich zuckte die Achseln. „Ich weiß, daß ich noch ein Stück weit erwachsen werden muß.“
Angie lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, Baby. Ich rede über das Jungbleiben. Ich will nicht, daß du zu schnell erwachsen werden mußt. Ich wurde in der ersten Nacht, in der sie mich schnappten, alt – ich war dreizehn. Der Bulle brüllte mich immer wieder an, ihm einen zu blasen, und er hat mich grün und blau geschlagen, als ich es nicht tat. Ich wußte einfach nicht, was er meinte. Nicht, daß ich es noch nie hatte tun müssen.“
Ich stand auf und ging zur Spüle. Ich dachte, ich müßte mich gleich übergeben. Angie folgte mir und legte mir die Hände auf die Schultern: „Es tut mir leid – dumm von mir, dir so eine Geschichte zu erzählen.“ Ich konnte mich nicht zu ihr umdrehen. „Komm, Baby, komm und setz dich.“ Sie drehte mich sanft um. „Du bist doch okay, oder?“ sagte sie. „Bist du okay?“ Ich lächelte sie an, aber es war nicht sehr überzeugend. Sie fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. „Du bist nicht okay, hm?“
Ich war so erleichtert, als sie es aussprach, daß ich anfing zu weinen. Sie nahm mich in die Arme und wiegte mich. Nach einer Weile ließ sie mich los und sah mir ins Gesicht. „Willst du reden?“ Ich schüttelte den Kopf. „Okay“, flüsterte sie, „ist okay. Bloß – manchmal ist es gut, über die Dinge zu reden.“ Sie faßte mich unters Kinn. Ich versuchte, ihr mein Gesicht zu entziehen, aber sie ließ es nicht zu. „Weißt du“, sagte sie, „vielleicht ist es für uns Femmes ein bißchen leichter, uns diese Dinge zu erzählen, als für Butches, was meinst du?“ Ich zuckte die Achseln. Ich fühlte mich in die Enge getrieben, und mir war schlecht.
„Wer hat dir weh getan, Baby? Die Bullen?“ Sie beobachtete mich. „Wer noch?” fragte sie dann. „Ach, Baby, du bist ja auch schon alt“, summte sie und drückte mich fest an sich. Ich barg mein Gesicht an ihrer Schulter. „Komm, Baby, setz dich.“ Sie zog einen Küchenstuhl heran.
„Ist schon gut“, sagte ich.
„Hey, hey. Du redest hier nicht mit einer Butch. Redest du offen mit deiner Freundin?“
„Ich habe keine Freundin“, gab ich widerwillig zu.
Angie machte ein überraschtes Gesicht, was mir schmeichelte. Dann lächelte sie kokett. „Hast du schon mal offen mit einer Freundin geredet?“
Ich fühlte mich wie ein aufgespießter Schmetterling. „Ich …“
Sie schüttelte den Kopf und sah mir in die Augen. „Du hattest noch nie eine Freundin?“ Ich sah verlegen zu Boden. „Wie konnte eine gutaussehende junge Butch wie du nur all den hungrigen Femmes da draußen entkommen?“ neckte sie mich und hob mein Kinn. „Wie oft bist du schon geschnappt worden, Baby?“
„Zweimal.“
Sie nickte. „Es wird schlimmer, wenn du weißt, was kommt, nicht wahr?“ Ich ließ sie in meine Augen sehen. „Baby.“ Sie setzte sich auf meinen Schoß. Sie zog mein Gesicht an ihre Brüste. „Baby, es tut mir leid, daß sie dir weh getan haben. Aber es tut mir noch viel mehr leid, daß du niemanden hast, zu dem du damit gehen kannst. Du kannst es jetzt bei mir loswerden. Es ist in Ordnung.“ Sie hielt mich in ihrer Wärme. Ohne Worte erzählte ich ihr, was ich fühlte. Ohne etwas zu sagen, ließ sie mich ihr Verständnis spüren.
Dann streiften meine Lippen ihre Brust, und ein Laut entwich ihrer Kehle. Wir sahen einander an, verblüfft. Sie hatte einen verängstigten, starren Blick, wie ein im Scheinwerferlicht gefangenes Reh. Da wurde mir klar, was Sexualität für eine Macht hat.
Angie griff mir ins Haar und zog langsam meinen Kopf zurück. Ihre Lippen kamen näher, bis ich ihren warmen Atem spüren konnte. Ein Stöhnen löste sich aus meiner Kehle. Angie lächelte. Sie zog meinen Kopf noch weiter zurück und fuhr mit ihren Fingernägeln leicht meinen Hals hinunter. Vom Bauch bis zu den Knien tat mir alles weh.
Sie küßte mich. Früher hatte ich es ekelhaft gefunden, daß Erwachsene sich gegenseitig die Zunge leckten. Ich hielt es für möglich, daß es nicht einmal stimmte. Aber was Angies Zunge jetzt mit meiner machte, entflammte meinen ganzen Körper.
Plötzlich hielt sie inne und sah mich mit einem fremden, wilden Blick an. Ich bekam Angst, und sie muß es gemerkt haben, denn sie lächelte und zog mich wieder an sich. Meine Hände kneteten ihre Taille, und meine Lippen fanden ihre hart gewordenen Brustwarzen.
Wortlos stand sie auf und nahm mich bei der Hand. In ihrem Schlafzimmer küßte sie mich, schob mich von sich, sah mich an und küßte mich wieder.
Ihre Hand glitt meine Taille hinunter bis zu meinem Unterleib, und ich wich zurück. „Du trägst keinen?“ fragte sie. Ich wußte nicht, was das hieß. „Macht nichts“, sagte sie und ging zu ihrer Kommode. „Wenn ich hier keinen Harness habe, bringe ich mich um“, murmelte sie vor sich hin.
Ich begriff, daß sie einen Dildo gemeint hatte. Ich konnte mich an nichts von alldem, was Al mir erzählt hatte, erinnern. Ich erinnerte mich nur noch an Jacquelines Warnung: Damit könntest du dafür sorgen, daß sich eine Frau richtig gut fühlt, oder du könntest sie damit an die anderen Situationen in ihrem Leben erinnern, in denen sie verletzt worden ist.
„Was ist los, Baby?“ fragte Angie. Wir blickten beide auf den Dildo und den Harness in ihren Händen. Ich sah Angie an, wurde aber aus ihrem Mienenspiel nicht schlau. „Ist okay“, sagte sie, als ich mich abwenden wollte. „Komm her, Baby“, lockte sie mich. „Ich zeig es dir.“
Die trostreichsten Worte, die ich je gehört hatte.
Sie ging zum Radio hinüber und drehte am Suchknopf, bis sie Nat King Coles seidenweiche Stimme mit „Unforgettable“ hörte. Dann kam sie in meine Arme. „Tanz mit mir, Baby. Du weißt doch, wie du mir guttun kannst. Spürst du, wie ich dir folge?“ flüsterte sie in mein Ohr. „Das sollst du für mich tun, wenn wir ficken. Ich will, daß du mir folgst, so wie ich dir folge. Komm.“
Sie warf den Dildo beiseite, legte sich aufs Bett und zog mich auf sich. „Hör auf die Musik. Spürst du, wie ich mich bewege? Beweg dich mit mir“, sagte sie. Sie lehrte mich einen neuen Tanz. Als das Lied zu Ende war, kam noch ein langsames Stück, ein Lied aus dem Film mit Humphrey Bogart – Casablanca. Als die Stelle kam, wo der Mann sang „Woman needs man and man must have his mate …“, lachten wir zusammen.
Angie drehte mich um und knöpfte mir das Hemd auf. Mein T-Shirt ließ sie mir an. Sie kniete sich hin und öffnete meine Hose. Sie zog sie mir aus, ließ mir aber die Unterhose an. Ich mühte mich ab, mir den Harness und den Dildo anzulegen. Angie drückte mich ins Kissen zurück und nahm den Gummidildo in beide Hände. Die Art, wie sie ihn hielt, faszinierte mich. „Spürst du, wie ich dich berühre?“ flüsterte sie lächelnd. Sie fuhr mit ihren Fingernägeln an meinem T-Shirt hinunter und meine Oberschenkel hinauf. Ihr Mund war meinem Schwanz sehr nahe. „Wenn du mich hiermit fickst“, sagte sie und streichelte ihn, „will ich, daß du es auch fühlst. Es ist ein Akt süßer Phantasie.“ Sie nahm die Spitze des Dildos zwischen die Lippen und fing an, ihn der Länge nach mit dem Mund zu liebkosen. Als sie schließlich etwas sagte, war es nur: „Jetzt!“
Sie drehte sich auf den Rücken, während ich mich an ihrer Kleidung zu schaffen machte. Ich berührte sie mit einer Unbeholfenheit, die meiner jugendlichen Unerfahrenheit zuzuschreiben war. Anfangs dachte ich, sie wäre sehr geduldig mit mir. Dann fragte ich mich, ob meine Ungeschicklichkeit sie mehr erregte, als wenn ich erfahrener gewesen wäre. Wenn ich zaghaft oder unsicher wurde bei unserem Liebesspiel, wurde sie aufmerksamer und ermutigte mich. Wenn ich mich ungestüm wie ein Fohlen gebärdete, bekam sie mich behutsam wieder unter Kontrolle.
Kein noch so guter Rat der älteren Butches hatte mich jedoch auf den Moment vorbereiten können, in dem ich zwischen Angies Beinen kniete und keine Ahnung hatte, was ich tun sollte. „Warte“, sagte sie und drückte ihre Fingerspitzen gegen meine Oberschenkel. „Laß mich das machen.“ Behutsam führte sie den Dildo in sich ein. „Warte noch“, wiederholte sie, „nicht zustoßen. Sei sanft. Ich muß mich erst an das Gefühl gewöhnen, daß du in mir bist, bevor du dich bewegst.“
Ich legte mich vorsichtig auf sie. Einen Augenblick später entspannte sich ihr Körper. „Ja“, sagte sie, als ich mich mit ihr bewegte, ihrer Führung folgte. Ich merkte, daß ich ihren Rhythmus verlor, wenn ich daran dachte, was ich da tat. Also hörte ich auf zu denken. „Ja.“ Sie wurde immer erregter, immer wilder in meinen Armen. Es machte mir angst. Ich wußte nicht, was da passierte. Plötzlich schrie sie auf und riß an meinem Haar. Ich hielt inne. Eine lange Pause folgte. Ihr Körper sank in sich zusammen. Sie warf verärgert einen Arm über den Kopf. „Warum hast du aufgehört?“ fragte sie leise.
„Ich dachte, ich würde dir weh tun.“
„Weh tun?“ Ihre Stimme wurde lauter. „Hast du denn noch nie …?“ Sie unterbrach sich mitten im Satz. „Schätzchen“, meinte sie dann und suchte in meinem Gesicht nach der Wahrheit. „Warst du schon mal mit einer Frau zusammen?“
Mir schoß das Blut ins Gesicht, bis sich das Zimmer um mich drehte. Ich wandte mich von ihr ab, aber ich war noch in ihr. „Warte“, sagte sie und legte mir die Hände auf den Hintern. „Zieh ihn sachte raus, vorsichtig … ah … okay.“
Angie stand langsam auf und holte eine Packung Zigaretten, Streichhölzer, einen Aschenbecher und eine Flasche Whisky.
„Tut mir leid“, sagte ich und wandte meinen Blick ab.
„Hör zu, Jess. Mir tut es leid. Ich wußte nicht, daß du noch nie mit einer Frau geschlafen hast. Das erste Mal sollte etwas Besonderes sein. Es ist eine ziemliche Verantwortung, weißt du? Komm her, Baby.“ Sie zog mich an sich. Ich lag schweigend in ihren Armen. Billie Holiday sang im Radio. Wir bemerkten beide im gleichen Moment, daß mein Mund sehr nah an ihren Brüsten war, und erneut entflammte etwas zwischen uns.
„Dreh dich um“, sagte sie. Ich drehte mich um. „Entspann dich. Ich tu dir nicht weh.“ Sie hockte sich auf mich und fing an, mir die Schultern zu massieren. Ich spürte ihre starken Oberschenkelmuskeln. Ich drehte mich um. Ich nahm ihr Gesicht in beide Hände, zog sie zu mir herunter und küßte sie.
Sie gab mir noch eine Chance. Diesmal war ich besser.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.