Kitabı oku: «Römische Geschichte», sayfa 7
Titus und Arruns reisten dahin. 7 Als Begleiter wurde ihnen Lucius Junius Brutus mitgegeben, ein Schwestersohn des Königs, ein junger Mann von einem ganz andern Geist, als dessen Rolle zu spielen er sich auferlegt hatte, weil er gehört hatte, die Häupter des Staates, und unter ihnen auch sein Bruder, seien von seinem Onkel ums Leben gebracht, so wollte er weder in seiner Gesinnung dem König Anlass zur Furcht, noch in seinen äußeren Verhältnissen einen Gegenstand des Wunsches lassen und durch Geringschätzung sich sichern, wo das Recht keinen Schutz gewährte. 8 Vorsätzlich also spielte er den Dummen, gab sich und das Seine dem König zum Raub hin und ließ sich auch den Beinamen Brutus (der Dumme) gefallen, wenn nur jener Geist – demnächst des römischen Volkes Befreier – unter dem Deckmantel dieses Beinamens versteckt, seine Zeit abwarten könnte. 9 Wie ihn damals die beiden Tarquinier mehr zum Spott als zur Gesellschaft mit nach Delphi nahmen, soll er dem Apollo einen goldenen Stab, der in einen dazu ausgehöhlten Stab von Kornelholz eingeschlossen war, als Geschenk dargebracht haben, ein verstecktes Sinnbild seines Geistes.
10 Als sie anlangten und die Aufträge des Vaters ausgerichtet hatten, kam sie die Lust an zu fragen, auf wen von ihnen die römische Regierung fallen werde. Tief aus der Höhle soll die Antwort erschollen sein: Die höchste Herrschaft zu Rom wird der haben, der zuerst von euch, ihr Jünglinge, seine Mutter küssen wird. 11 Die Tarquinier geboten das tiefste Schweigen über die Sache, damit Sextus, den sie zu Rom gelassen hatten, mit dem Orakel unbekannt, von der Regierung ausgeschlossen bliebe. Sie selbst überließen es dem Schicksal, wer von ihnen beiden, wenn sie nach Rom zurückgekommen wären, die Mutter zuerst küssen würde. 12 Brutus, nach dessen Auslegung der Spruch der Pythia einen ganz andern Sinn hatte, fiel zum Schein stolpernd nieder und küsste die Erde, die gemeinschaftliche Mutter aller Sterblichen. 13 Als sie nach Rom zurückkamen, rüstete man sich schon mit aller Macht zu einem Krieg gegen die Rutuler.
(57) Den Rutulern gehörte die Stadt Ardea, einem Volk, das für jene Gegenden und Zeiten sehr großen Reichtum besaß; und gerade dies war dem römischen König ein Grund zum Krieg, weil er teils selbst, durch die öffentlichen Prachtgebäude erschöpft, sich bereichern, teils durch Zuwendung der Beute den Unwillen seiner Bürger besänftigen wollte, 2 die außer seiner sonstigen Härte auch deshalb gegen seine Regierung erbittert waren, weil sie es unter ihrer Würde hielten, so lange vom Könige als Werkleute und zu Sklavenarbeiten gebraucht zu sein.
3 Man machte den Versuch, Ardea im ersten Sturm zu erobern. Als dies misslang, setzte man dem Feind durch Einschließung und Belagerungswerke zu. 4 Wie gewöhnlich wurde in einem mehr langwierigen als hitzigen Krieg leicht Urlaub bewilligt, jedoch noch eher den Vornehmeren als den Gemeinen. 5 Die jungen Prinzen verkürzten sich öfters die Langeweile durch gegenseitige Gastgebote und Nachtschwärmereien. 6 Einst zechten sie bei Sextus Tarquinius, wo auch Tarquinius von Collatia, des Egerius Sohn, zu Abend aß, und das Gespräch kam auf ihre Frauen. Jeder pries die seine außerordentlich; 7 der Streit wurde hitziger, und Collatinus sagte, der Worte bedürfe es nicht, in wenigen Stunden könne man sich davon überzeugen, wie weit seine Lucretia den übrigen vorzuziehen sei. Fühlen wir noch Jugendkraft in uns, warum steigen wir nicht zu Pferde und sehen mit eigenen Augen, was an unseren Frauen ist? Das sei für jeden das Bewährteste, was sich bei der unerwarteten Ankunft des Mannes darbietet. 8 Sie waren vom Wein erhitzt. Es gilt! riefen sie alle, und auf gespornten Rossen flogen sie nach Rom. Von hier, wo sie mit der ersten Abenddämmerung eingetroffen waren, ging es fort nach Collatia, 9 wo sie Lucretia ganz anders als die königlichen Schwiegertöchter, sich nicht durch üppige Gasterei im Kreis ihrer Gespielen die Zeit verkürzen, sondern in später Nacht bei ihrer Wollarbeit mit ihren noch bei Licht fleißigen Mägden in ihrem Wohnzimmer sitzen sahen. 10 Der Preis des weiblichen Wettstreits wurde Lucretia zuerkannt. Freundlich empfing sie den ankommenden Mann und die Tarquinier. Der Mann als Sieger bat die Prinzen höflich zu Gast.
Da erwachte in Sextus Tarquinius die schnöde Lust, Lucretia gewaltsam zu entehren; ihre Schönheit und ihre anerkannte Keuschheit reizten ihn.
11 Für jetzt aber kehrten sie von ihrer jugendlichen Nachtlust zurück ins Lager.
(58) Nach Verlauf weniger Tage kam Sextus Tarquinius ohne Wissen des Collatinus, nur von einem Sklaven begleitet, nach Collatia. 2 Er wurde freundlich aufgenommen – wer kannte seinen Plan? Als er nach dem Abendessen in die Gaststube geführt wurde, ging er, sobald er es umher sicher und alle im tiefen Schlaf glaubte, von Liebe glühend, mit gezogenem Schwert zur schlafenden Lucretia, hielt sie, die linke Hand ihr auf die Brust gesetzt, nieder, und sprach: Still, Lucretia, ich bin Sextus Tarquinius, das Schwert habe ich in der Hand. Du bist des Todes, wenn du einen Laut von dir gibst. 3 Als die aus dem Schlaf Auffahrende nirgends Hilfe, nur den Tod vor Augen sah, bekannte Tarquinius seine Liebe, flehte, wechselte mit Bitten und Drohungen und versuchte das weibliche Herz von allen Seiten. 4 Da er sie aber standhaft und selbst gegen Todesgefahr nicht wanken sah, ließ er mit der Furcht die Schande zugleich wirken. Wenn er sie ermordet habe, sagte er, wolle er einen erwürgten Sklaven nackt zu ihr legen, damit es heißen solle, er habe sie in diesem schmutzigen Ehebruch getötet. 5 Als die Begierde, in ihrem Wahn Siegerin, den Widerstand der Tugend durch diese Drohung bezwungen hatte, und Tarquinius, stolz über seinen auf die weibliche Ehre gelungenen Sturm, wieder abgereist war, schickte Lucretia, voll tiefen Grams über ihr schweres Unglück, denselben Boten nach Rom an ihren Vater und nach Ardea an ihren Mann: Sie möchten jeder mit einem treuen Freund kommen. Dies sei nötig, sofort nötig; es habe sich ein schrecklicher Vorfall ereignet. 6 Spurius Lucretius kam mit Publius Valerius, dem Sohn des Volesus; Collatinus mit Lucius Junius Brutus, mit dem er gerade nach Rom zurückging, als ihm der Bote seiner Frau begegnete. Lucretia fanden sie tief betrübt in ihrem Schlafzimmer sitzen. 7 Bei der Ankunft der Ihrigen brach sie in Tränen aus, und als ihr Gatte sie fragte, ob nicht alles gut stehe, sprach sie: Durchaus nicht; wie kann es gut um eine Frau stehen, die ihre Ehre verloren hat? Die Spuren eines fremden Mannes sind in deinem Bett, Collatinus. Doch nur der Körper ist entweiht, die Seele ist rein: Das soll mein Tod bezeugen. Gebt mir aber eure Hand und euer Wort, dass der Ehebrecher nicht ungestraft bleiben soll. 8 Sextus Tarquinius ist es, der – statt eines Gastfreundes ein Feind – in voriger Nacht mit Gewalt und Waffen von hier einen Genuss mit sich nahm – mir zum Verderben, und, seid ihr Männer, ihr es ihm. 9 Alle gaben nach der Reihe ihr Wort. Sie trösteten die Tiefbetrübte, indem sie ihr, als einer Gezwungenen, alle Schuld abnahmen und sie dem Täter zusprachen. Der Geist, sagten sie, sei der Sündigende, nicht der Körper; und wo kein Wille gewesen sei, da sei auch keine Sträflichkeit. – 10 Ihr werdet dafür sorgen, erwiderte sie, dass ihm sein Recht geschehe. Ich aber, spreche ich mich gleich von der Sünde rein, entziehe mich der Strafe nicht, und keine nach mir soll auf Lucretia sich berufend bei Unkeuschheit das Leben behalten wollen. 11 Sie stieß sich den unter dem Kleid versteckt gehaltenen Dolch ins Herz, neigte sich nach der Wunde hin und fiel sterbend zur Erde. 12 Lautes Wehklagen erheben Gatte und Vater.
(59) Während sie sich ihrem Schmerz überließen, hielt Brutus den von Blut triefenden Dolch, so wie er ihn aus Lucretias Wunde gezogen hatte, vor sich in die Höhe und sprach: Bei diesem vor dem königlichen Frevel heiligreinen Blut schwöre ich und nehme euch, ihr Götter, zu Zeugen, dass ich den Despoten Lucius Tarquinius mit seiner gottlosen Frau und allen Kindern seines Stammes mit Feuer und Schwert und aller hinfort mir möglichen Gewalt verfolgen und nicht leiden will, dass weder er noch sonst jemand über Rom König sei. 2 Dann reichte er den Dolch dem Collatinus und dann dem Lucretius und Valerius, die über die unerwartete Erscheinung staunten, wie aus dem Inneren eines Brutus ein neuer Geist hervorgehe. Sie schworen, wie er es ihnen vorsagte, und ganz aus ihrem Schmerz zur Rache umgestimmt, schlossen sie sich Brutus an, der gleich auf der Stelle sie zum Sturz des Königtums aufforderte. 3 Sie trugen die Leiche der Lucretia aus dem Haus, legten sie auf den Markt und brachten durch das Auffallende und Empörende der unerhörten Begebenheit die Menschen zusammen; und alle stimmten ein in die Klage über den königlichen Frevel und die Gewalttat. 4 Erschütternd war auf der einen Seite des Vaters tiefer Gram, auf der andern Brutus, der ihre Tränen und unnützen Klagen schalt und sie aufforderte, wie es Männern, wie es Römern gezieme, gegen die, die sich Feindestaten erlaubt hätten, die Waffen zu ergreifen. 5 Freiwillig erscheinen die beherztesten Jünglinge in Waffen; die übrige Jugend folgt ihnen. Sie ließen an den Toren von Collatia eine angemessene Besatzung, stellten Wachen auf, damit niemand die königliche Familie von dem Aufstand benachrichtigen könne, und die Übrigen zogen, von Brutus geführt, bewaffnet nach Rom. 6 Wie sie ankamen, erregte die bewaffnete Schar, wohin sie zog, Bestürzung und Auflauf. Doch ließ der Umstand, dass man die Ersten der Stadt an ihrer Spitze sah, vermuten, was es auch sei, es müsse von Bedeutung sein. 7 Und nun bewirkte die Abscheulichkeit der Tat zu Rom eine ebenso allgemeine Teilnahme wie vorher zu Collatia. Aus allen Gegenden der Stadt strömten die Menschen dem Markt zu. Hier fanden sie einen Herold, der das Volk vor den Obersten der Leibwache berief, welche Stelle gerade Brutus damals bekleidete. 8 Und er hielt vor ihnen eine Rede, aus welcher ganz andere Gesinnungen und ein ganz anderer Geist sprachen, als den er bis dahin geheuchelt hatte; von der Gewalttat und frechen Unzucht des Sextus Tarquinius, von der schändlichen Entehrung der Lucretia und ihrem beweinenswerten Tod; von der Kinderlosigkeit des (Lucretius) Tricipitinus, für den der Tod seiner Tochter nicht so empörend und schmerzhaft sein könne als diese Ursache ihres Todes. 9 Dann kam er auf den Despotismus des Königs selbst, auf das Elend und die Mühseligkeiten des zur Anlegung von Gräben und Kloaken missbrauchten Volkes. Die Männer Roms, die Besieger aller Völker umher, habe er aus Kriegern zu Handwerkern und Steinbrechern gemacht. 10 Er erinnerte an die traurige Ermordung des Königs Servius Tullius, an die Tochter, die auf ihrem verfluchten Wagen über des Vaters Leiche fuhr, und wandte sich auffordernd an die den Elternmord rächenden Gottheiten. 11 Seine erbitternden Beziehungen auf diese und andere, wie ich glaube, noch schrecklichere Dinge, die der Unwille über die vorliegende Tat an die Hand gibt, kann sie gleich der Geschichtsschreiber so leicht nicht wiedergeben, veranlassten das Volk zu dem Beschluss, dem König die Regierung abzusprechen und den Lucius Tarquinius mit seiner Gemahlin und seinen Kindern für Landesverwiesene zu erklären. 12 Nachdem er die Dienstfähigen, die sich freiwillig meldeten, eingestellt und bewaffnet hatte, zog er selbst mit ihnen zum Lager nach Ardea, um auch dort das Heer gegen den König aufzuwiegeln; den Oberbefehl in der Stadt ließ er dem Lucretius, der schon vorher vom König zum Statthalter in Rom ernannt war. 13 Während dieses Getümmels flüchtete Tullia aus dem Palast, verfolgt, wo sie durchkam, von den Flüchen der Männer und Frauen, welche die Göttinnen der Rache gegen die Familienmörderin aufriefen.20
(60) Als die Nachricht von diesen Ereignissen im Lager einlief und der König, in Bestürzung über das unerwartete Ereignis, sich nach Rom aufmachte, um die Unruhen zu dämpfen, nahm Brutus, sobald er dessen Annäherung merkte, um ihm nicht zu begegnen, einen Seitenweg, und in entgegengesetzten Richtungen kamen sie fast zu gleicher Zeit, Brutus vor Ardea, Tarquinius vor Rom an. Tarquinius fand die Tore verschlossen, und seine Verbannung wurde ihm angekündigt; 2 den Befreier der Stadt empfing das Lager frohlockend; auch hier wurden des Königs Söhne vertrieben. Zwei folgten dem Vater und zogen als Verbannte nach Caere ins Etruskerland. Sextus Tarquinius, der sich nach Gabii, gleichsam wie in sein eigenes Königreich, begab, fand hier von der Rache derjenigen, deren Feindschaft er sich selbst durch seine früheren Mordtaten und Räubereien zugezogen hatte, seinen Tod.
3 Lucius Tarquinius der Stolze hat 25 Jahre regiert. Könige waren in Rom von Erbauung der Stadt bis zu ihrer Befreiung seit 244 Jahren gewesen. 4 Nunwurden nach der schriftlichen Verordnung des Servius Tullius von dem Stadtpräfekten auf einer nach Zenturien angestellten Wahlversammlung zwei Konsuln gewählt, Lucius Junius Brutus und Lucius Tarquinius Collatinus.
Zweites Buch
Inhalt
Brutus verpflichtet das Volk durch einen Eid, keinen König über Rom zu dulden. Seinen Mitkonsul Tarquinius Collatinus, den die Verwandtschaft mit den Tarquiniern verdächtig machte, nötigt er, sein Konsulat niederzulegen und die Stadt zu verlassen. Die Güter der königlichen Familie lässt er plündern. Dem Mars weiht er ihren Acker, welcher den Namen das Marsfeld bekommt. Er lässt einige junge Adlige, und unter ihnen auch seine und seiner Schwester Söhne, weil sie sich zur Wiederaufnahme der königlichen Familie verschworen hatten, enthaupten. Dem Sklaven, der die Anzeige machte und Vindicius hieß, schenkte er die Freiheit. Nach dem Namen desselben wurde die vindicta benannt. Als Feldherr in der Schlacht gegen den König und dessen Söhne, welche mit vereinigten Heeren der Vejenter und Tarquinier gegen Rom anrückten, fiel er zugleich mit Arruns, dem Sohn des Stolzen, im Zweikampf. Die Frauen betrauerten ihn ein ganzes Jahr. Der Konsul Publius Valerius führt durch ein Gesetz die Ansprache an das Volk ein. Das Capitolium wird eingeweiht. Als der König der Clusiner, Porsenna, der den Krieg für die Tarquinier übernahm, in das Janiculum vorgedrungen war, wurde er beim Übergang über den Tiber durch die Tapferkeit des Horatius Cocles gehindert. Dieser hält, während andere die Balkenbrücke abbrechen, ganz allein die Etrusker auf, und als die Brücke abgerissen war, stürzt er sich mit seinen Waffen in den Strom und schwimmt zu den Seinen hinüber. Das zweite Beispiel der Tapferkeit gab Mucius. Er geht, den Porsenna zu ermorden, ins feindliche Lager, tötet den Schreiber, den er für den König hält, wird ergriffen, legt seine Hand auf einen Altar, auf welchem eben geopfert war, lässt sie verbrennen und sagt, solcher dreihundert hätten sich zum Tod des Königs verschworen, voll Verwunderung über beide schlägt Porsenna Friedensbedingungen vor, gibt den Krieg auf und lässt sich Geiseln geben. Eine von diesen, Cloelia, eine Jungfrau, hintergeht die Wache und schwimmt durch die Tiber zu den Ihrigen, wird wieder ausgeliefert, von Porsenna ehrenvoll zurückgeschickt und mit einem Standbild zu Pferd beschenkt. Appius Claudius rettet sich aus dem Sabinerland nach Rom; darüber bekommt die Stadt einen neuen Bezirk, den Claudischen. Die Zahl der Bezirke wird auf 21 vermehrt. Tarquinius den Stolzen, der mit einem Heer Latiner heranzieht, besiegt der Diktator Aulus Postumius am See Regillus. Wegen der in Sklavenhaft genommenen Verschuldeten zieht der Bürgerstand, um sich abzusondern, auf den heiligen Berg, wird aber durch die Klugheit des Menenius Agrippa von der Trennung zurückgerufen. Als dieser Agrippa stirbt, wird er seiner Armut wegen auf öffentliche Kosten bestattet. Es werden fünf Volkstribunen gewählt. Die Stadt der Volsker, Corioli, wird durch die Tapferkeit und Tätigkeit des Cnaeus Marcius erobert, der davon den Namen Coriolanus bekommt. Tiberius Atinius, vom Bürgerstand, wird im Traum erinnert, eine den Gottesdienst betreffende Sache dem Senat anzuzeigen. Er achtet nicht darauf, verliert seinen Sohn, wird lahm, lässt sich in einer Sänfte in den Senat tragen, bekommt nach gemachter Anzeige den Gebrauch seiner Füße wieder und geht nach Hause. Cnaeus Marcius Coriolanus, den man verbannt hatte, wird Volskischer Feldherr, rückt mit einem feindlichen Heer vor Rom; die an ihn abgeschickten Gesandten, nachher die Priester mit ihrer Bitte, seine Vaterstadt mit dem Krieg zu verschonen, werden von ihm zurückgewiesen; nur seine Mutter Veturia und seine Gattin Volumnia bewegen ihn zum Abzug. Der erste Vorschlag zur Landverteilung. Spurius Lassius, gewesener Konsul, wird auf die Anklage, nach dem Königtum gestrebt zu haben, verurteilt und hingerichtet. Die Vestalin Oppia wird wegen Unkeuschheit lebendig begraben; weil die Vejenter, diese benachbarten Feinde, mehr lästig als gefährlich waren, erbittet sich die Familie der Fabier die Führung dieses Krieges und stellt den Feinden 306 Bewaffnete entgegen, welche sämtlich am Fluss Tremera von den Feinden niedergemacht werden, nur ein zu Hause gelassener Minderjähriger blieb übrig. Der Konsul Appius Claudius verliert durch die Widerspenstigkeit seines Heeres eine Schlacht und lässt jeden zehnten Mann zu Tode prügeln. Außerdem enthält das Buch Kriege gegen die Volsker, Aequer und Vejenter, sowie Streitigkeiten zwischen den Vätern und Bürgern.
(1) Die Taten des nunmehr selbstständigen römischen Volkes im Frieden und Krieg, die der jährlich wechselnden Beamten und die Herrschaft der Gesetze, mächtiger als die von Menschen, werde ich von jetzt an beschreiben. 2 Dass diese Freiheit erwünschter war, hatte die Härte des letzten Königs bewirkt. Denn die früheren haben so regiert, dass sie nicht mit Unrecht alle nach der Reihe für Erbauer, wenigstens der Teile der Stadt angesehen werden können, mit welchen sie, als neuen Wohnsitzen der von ihnen erhöhten Volkszahl, die Stadt erweitert haben. 3 Und es leidet keinen Zweifel, dass ebenderselbe Brutus, der durch Vertreibung des Königs Tarquinius sich so großen verdienten Ruhm erwarb, dies zum größten Nachteil des Staates getan hätte, wenn er, nach noch unzeitiger Freiheit lüstern, einem der früheren Könige die Regierung entwunden hätte. 4 Was wäre die Folge gewesen, wenn jener Bürgerhaufe, ein Gemisch aus Hirten und Zusammenläufern, das seinen Völkerschaften entflohen war, unter dem Schutze eines unverletzbaren Heiligtums,21 mit der Freiheit oder wenigstens mit Straflosigkeit beschenkt, von aller Furcht vor einem König befreit, von tribunizischen Stürmen umgetrieben wäre 5 und in einer ihm noch fremden Stadt sich mit den Vätern in Fehden eingelassen hätte, ehe noch Gattinnen und Kinder als Unterpfänder und die Liebe zum Wohnort selbst, an den man sich nur durch die Länge der Zeit gewöhnt, sie zum Gemeinsinn vereinigt hätten? 6 Zwietracht hätte den noch jungen Staat zersplittert, den die ruhige Milde der Regierung zusammenhielt und unter ihrer Pflege so erstarken ließ, dass er die segensreiche Frucht der Freiheit bei schon gereiften Kräften tragen konnte. 7 Die Freiheit selbst aber muss man mehr für darin gegründet halten, dass die Regierung der Konsuln auf ein Jahr festgesetzt wurde, als weil etwa an der königlichen Gewalt das mindeste geschmälert wäre. 8 Die ersten Konsuln hatten noch alle Rechte, alle Auszeichnung der Könige. Nur das verhütete man, dass das furchtbare Äußere dadurch verdoppelt würde, wenn sich beide die Rutenbündel vortragen ließen. Der Mitkonsul stand freiwillig nach und überließ die Bündel das erste Mal dem Brutus, der die Freiheit nicht eifriger gegründet haben konnte als er sie von nun an bewachte. 9 Vor allen Dingen verpflichtete er das Volk, solange es noch nach der neuen Freiheit haschte, damit es sich auch künftig nicht durch Bitten oder Geschenke des Königs beugen ließe, durch einen Eid, nie einen König über Rom zu dulden. 10 Ferner, um dem Senat durch die Menge der Mitglieder mehr Stärke zu geben, brachte er die unter den Hinrichtungen des Königs verminderte Zahl der Senatoren durch Aufnahme der Vornehmsten des Ritterstandes wieder auf die volle Zahl von 300; 11 und davon, sagt man, schreibe es sich her, dass bei jeder Zusammenrufung Väter und Nachgewählte in den Senat beschieden würden. Nachgewählte nämlich nannte man die in den neuen Senat Aufgenommenen. Dies war für die Einigkeit im Staat und für die Liebe der Bürger zu den Vätern ein Mittel von außerordentlicher Wirkung.
(2) Sodann wurde für den Gottesdienst gesorgt; und weil gewisse öffentliche Opfer immer von den Königen in Person verrichtet waren, so setzte man, damit die Könige auch in keinem Stück vermisst würden, hierzu einen Priester unter dem Namen »der kleine Opferkönig« ein. 2 Dies Priestertum wurde dem Oberpriester untergeordnet, damit nicht etwa der Name durch eine damit verbundene höhere Ehre der Freiheit nachteilig würde, für die man damals vor allem besorgt war. Und ich möchte fast glauben, man habe die Sorge, sie gar zu sehr von allen Seiten auch durch die größten Kleinigkeiten zu sichern, übertrieben, 3 war ihnen doch an dem andern Konsul, an dem sie weiter nichts zu tadeln fanden, sogar der Name unleidlich. Die Tarquinier, hieß es, hätten sich zu sehr an das Regieren gewöhnt. Priscus sei der Erste gewesen, nach ihm habe zwar Servius Tullius geherrscht, aber Tarquinius der Stolze, weit entfernt, sich durch die eingeschaltete Regierung zur Aufgabe des Throns als eines fremden Eigentumes bestimmen zu lassen, habe ihn als ein seinem Stamm gebührendes Erbe durch Frevel und Gewalt wieder an sich gerissen. Nach Vertreibung Tarquinius’ des Stolzen sei die Regierung in den Händen eines Tarquinius Collatinus. Die Tarquinier hätten nicht gelernt, im Privatstand zu leben: Der Name sei missliebig, sei der Freiheit gefährlich.
4 Diese Reden wurden von denen, die vorläufig in der Stille die Stimmung des Volkes erfahren wollten, durch die ganze Stadt verbreitet; und als sie bei den Bürgern mit diesem Argwohn Eingang fanden, berief Brutus eine Versammlung. 5 Hier las er gleich zuerst den Eid des Volkes vor, dass es keinen König und überhaupt niemanden in Rom dulden wolle, von dem die Freiheit zu fürchten habe. Dies müsse das höchste Augenmerk bleiben und nichts als geringfügig angesehen werden, was darauf Beziehung habe. Ungern rede er weiter, um den Mann zu schonen; und er hätte geschwiegen, wenn nicht die Liebe für das Ganze den Vorrang behielte. 6 Das römische Volk glaube die Freiheit noch nicht ganz errungen zu haben. Der Stamm des Königs, der Name des Königs, befinde sich nicht bloß im Staat, sondern sogar in der Regierung. Dies sei der Freiheit nachteilig, dies sei ihr hinderlich. Entferne du, fuhr er fort, 7 Lucius Tarquinius, diese Furcht freiwillig, wir wissen es, wir bekennen es, du hast die Könige vertrieben. Kröne dein Werk und entferne den königlichen Namen. Dein Eigentum werden dir deine Mitbürger, wofür ich selbst sorgen will, nicht allein herausgeben, sondern, wenn es dir an etwas fehlen sollte, es freigebig vermehren.22 Gehe als Freund, befreie den Staat von seiner vielleicht unbegründeten Furcht. Sie glauben nun einmal, dass mit dem Tarquinischen Geschlecht zugleich das Königtum auswandern werde.
8 Dem Konsul war der Antrag so neu und unerwartet, dass ihm anfangs sein Staunen die Sprache versagte; und als er anfangen wollte zu reden, umringten ihn die Ersten des Staates mit derselben, noch dringender wiederholten Bitte. Freilich machten die Übrigen weniger Eindruck auf ihn. 9 Als aber Spurius Lucretius, der ihnen allen an Jahren und Würde überlegen und sein eigener Schwiegervater war, ihn von mehreren Seiten, bald durch Bitten, bald durch Zureden angriff, 10 legte der Konsul, weil er doch befürchten musste, es könne ihm nächstens als Privatmann dasselbe, zugleich mit dem Verlust seines Vermögens und angehängtem Schimpf widerfahren, sein Konsulat nieder, schaffte all sein Hab und Gut nach Lavinium und verließ die Stadt. 11 Brutus trug durch einen Senatsbeschluss bei dem Volk darauf an, dass das ganze Geschlecht der Tarquinier für landesverwiesen erklärt wurde, und ließ sich auf einem nach Zenturien gehaltenen Wahltag den Publius Valerius zum Mitkonsul geben, durch dessen Beistand er den König mit seiner Familie vertrieben hatte.
(3) Obgleich niemand daran zweifelte, dass ein Krieg von Seiten der Tarquinier drohe, so brach dieser dennoch später aus, als man erwartet hatte. Allein beinahe hätten sie die Freiheit, was sie gar nicht befürchteten, durch List und Verrat verloren.
2 Unter den römischen Jünglingen gab es mehrere, und zwar von höherem Rang, die unter der königlichen Regierung bei ihren Ausschweifungen mehr Freiheit gehabt und als Altersgenossen und Gesellschafter der jungen Tarquinier sich gewöhnt hatten, auf königlichem Fuß zu leben. 3 Jetzt, da alle gleiches Recht hatten, vermissten sie jene Ungebundenheit und führten unter sich darüber Klage, dass die Freiheit anderer für sie ein Sklavenleben geworden sei. Ein König sei doch ein menschliches Wesen; man könne auf ihn rechnen, möge es auf Recht oder Unrecht abgesehen sein; man könne sich bei ihm gelitten, ihn sich verbindlich machen; er könne zürnen und verzeihen und verstehe sich auf den Unterschied zwischen Freund und Feind. 4 Gesetze hingegen wären ein taubes, unerbittliches Ding, dem Hilflosen heilsamer und erfreulicher als dem Mächtigen; sie wüssten nichts von Erlass und Nachsicht, wenn man sich vergangen habe; es sei zu gewagt, wenn man, als Mensch so vielen Verirrungen ausgesetzt, sein Leben ganz der Unsträflichkeit zu verdanken haben wolle.
5 So missvergnügt waren sie schon durch eigene Stimmung, als von der königlichen Familie Gesandte dazu kamen, die, ohne eine Wiederaufnahme zu erwähnen, bloß die Herausgabe der Güter verlangten. Als sie ihr Begehren im Senat vorgebracht hatten, dauerte die Beratung darüber mehrere Tage, denn der Vorenthalt hätte ihnen einen Vorwand und die Verabfolgung Mittel und Hilfsquellen zum Krieg gegeben. 6 Unterdessen machten die Gesandten, der eine diesen, der andere jenen Versuch. Der Angabe nach bloß mit Betreibung der Rückgabe beschäftigt, schmiedeten sie insgeheim Pläne zur Wiedererlangung des Thrones, und während sie dem Schein nach bei den jungen Adligen der Sache wegen herumgingen, welche angeblich im Werke war, erforschten sie ihre Gesinnungen. 7 An die, bei denen ihre Rede Gehör fand, gaben sie Briefe von den Tarquiniern ab und besprachen sich mit ihnen, wie man die königliche Familie heimlich bei Nacht in die Stadt einlassen könne.
(4) Die Gebrüder Vitellius und Aquilius waren die ersten, denen sie die Sache anvertrauten. Eine Schwester der Vitellier war an den Konsul Brutus verheiratet, und aus dieser Ehe waren schon erwachsene Söhne da, Titus und Tiberius. Auch diese wurden von ihren Onkeln mit in den Anschlag gezogen, 2 und außer ihnen machten sie noch mehrere junge Adlige zu Mitwissern, deren Name bei der Länge der Zeit vergessen ist. 3 Da unterdessen im Senat die Meinung durchging, welche für die Auslieferung der Güter stimmte, und die Gesandten selbst diesen Vorwand ihres längeren Aufenthaltes in der Stadt angeben konnten, dass sie sich bei den Konsuln eine Frist genommen hätten, zur Fortschaffung der königlichen Sachen die nötigen Wagen zu besorgen, verwandten sie diese ganze Zeit zu Beratungen mit den Verschworenen und bewogen sie durch dringende Vorstellungen, ihnen einen Brief an die Tarquinier mitzugeben: 4 Wie würden diese sonst es glauben können, dass ihnen ihre Gesandten in einer so wichtigen Sache nicht vergebliche Hoffnung machten? Aber eben durch diesen, als Pfand der Gewissheit ihnen mitgegebenen Brief wurde die Sache entdeckt. 5 Denn als die Gesandten den Tag vor ihrer Abreise zu den Tarquiniern gerade bei den Vitelliern zu Abend gespeist hatten, und die Verschworenen nun ohne Zeugen über den neuen Plan, wie gewöhnlich, sich weiter ausließen, fing einer von den Sklaven, 6 der schon vorher gemerkt hatte, dass dies im Werke sei, ihre Reden auf, wartete aber den Zeitpunkt ab, bis den Gesandten der Brief eingehändigt würde, dessen man habhaft werden musste, um die Sache beweisen zu können. Sobald er merkte, dass dieser abgegeben war, machte er den Konsuln Anzeige. 7 Die Konsuln zogen zur Verhaftung der Gesandten und Verschworenen bloß mit einigen aus ihren Häusern hin, taten die ganze Sache ohne allen Auflauf ab und sorgten besonders dafür, den Brief nicht verloren gehen zu lassen. Die Verräter wurden sogleich in Fesseln gelegt, wegen der Gesandten war man einen Augenblick im Zweifel; und schienen sie es gleich verdient zu haben, als Feinde behandelt zu werden, so ließ man dennoch das Völkerrecht gelten.
(5) Nun kam die Frage wegen der königlichen Güter, deren Auslieferung man vorher zugestanden hatte, von Neuem vor die Väter. Im Zorn verboten sie die Rückgabe, verboten aber auch, sie für den öffentlichen Schatz einzuziehen. 2 Man überließ sie dem Volk zur Plünderung, welches eben dadurch, dass dieser an der königlichen Familie verübte Raub auf ihm haftete, auf immer die Hoffnung verlieren sollte, sich mit ihr auszusöhnen. Das Grundstück der Tarquinier zwischen der Stadt und dem Tiber hieß nachher, weil es dem Mars geweiht wurde, das Marsfeld. 3 Hier soll damals Getreide gestanden haben, das zur Ernte reif war; und weil man sich ein Gewissen gemacht habe, die Früchte dieses Feldes zu verbrauchen, habe man auf einmal eine Menge Leute hingeschickt, welche die mit dem Stroh abgeschnittene Saat in Körben in den Tiber schütten mussten, der, wie gewöhnlich im Hochsommer, sehr seicht floss; 4 und da sich noch so manches, was der Strom zufällig mit sich führt, hier absetzte, so sei daraus nach und nach die Insel entstanden. Nachher, glaube ich, tat man Felsstücke hinzu und kam mit Kunst zu Hilfe, so dass der Platz diese Höhe bekam und Festigkeit genug, sogar Tempel und Säulengänge zu tragen.
5 Auf die Plünderung der königlichen Güter folgte die Verurteilung und Hinrichtung der Verräter, die dadurch mehr in die Augen fiel, weil hier dem Vater sein Konsulat die Pflicht auferlegte, die Strafe an seinen Söhnen zu vollziehen, und das Schicksal eben den Mann, den man als Zuschauer hätte wegbringen müssen, dazu aufstellte, den Todesstreich zu gebieten. 6 Da standen sie, an einen Pfahl gebunden, Jünglinge von erstem Rang. Allein von den Übrigen wandten, als von unbekannten Personen, die Söhne des Konsuls aller Augen auf sich, und es jammerte die Leute sowohl ihre Bestrafung als auch die Untat, wodurch sie die Strafe verdient hatten. 7 Gerade in dem Jahr, in welchem das Vaterland befreit sei, hätten sie es gewagt, dies Vaterland, ihren Vater, den Befreier desselben, das Konsulat, das in ihrer Familie, der Junier, begann, Väter und Volk und alles, was in Rom Göttern und Menschen gehöre – dem ehemals so despotischen König, jetzt so erbitterten Vertriebenen, zu verraten. 8 Die Konsuln begaben sich auf ihre Richterstühle und sandten die Gerichtsdiener zur Vollziehung der Todesstrafe. Diese entkleideten sie, peitschten sie mit Ruten und enthaupteten sie, während die ganze Zeit hindurch der Vater, sein Antlitz und seine Blicke, den Augen aller ein Ziel waren und bei dem vom Staat ihm auferlegten Strafamt das Vaterherz sich deutlich offenbarte. 9 Nach Bestrafung der Schuldigen beschenkte man den Anzeiger mit einer Summe Geld aus der Schatzkammer, mit der Freiheit und dem Bürgerrecht, damit ein nach beiden Seiten hin glänzendes Beispiel gegeben würde, um von Verbrechen abzuhalten. Er soll der Erste gewesen sein, der vermittels der Vindicta (des Lösestabes) losgegeben wurde. 10 Einige glauben, auch die Benennung der Vindicta schreibe sich von ihm her, denn er habe Vindicus geheißen. Es wurde nach ihm so angenommen, dass alle, welche auf diese Art freigesprochen wurden, eben dadurch als unter die Bürger aufgenommen betrachtet wurden.