Kitabı oku: «Alleingang»
ALLEINGANG
Lolita Büttner
Rip ist tot. Seit vier Jahren. Milla ist froh. Er war kein guter Mann und würde sie jetzt ausschimpfen, weil sie sich in der Zwei-Zimmer-Wohnung verkriecht. Hinter einer Tür, deren Schlitz am Fußboden mit einer Handtuchrolle zugestopft ist. Aber Rip ist nicht da und Milla kann machen, was sie möchte. Auch in Rips Sessel sitzen. Und manchmal, wenn sie sich auf der ausgefransten Polsterfläche niederlässt, hört sie seine Stimme.
Der dunkelste Ton eines Cellos.
Stöhnend.
Gepeinigt.
Düster.
Als das Virus in Deutschland die ersten Maßnahmen forderte, war Milla gefasst. Sie ist vierundachtzig Jahre und weiß, Angst betäubt den Verstand. Angst zwingt zum Handeln. In der Regel zur Flucht. Was aber, wenn die Bedrohung unsichtbar ist. Wie eben dieses Virus. Davor kann der Mensch nicht flüchten. Milla bewahrte Ruhe. Aber dann kamen die Durchsagen.
Es war an einem Samstag, mitten im März. Milla schlummerte auf der Couch. Die Regierung hatte Ausgangsbeschränkungen verordnet, die an jenem Wochenende in Kraft traten. Es war ein schöner Frühlingstag. Die Tulpen streckten sich jeder Orts in den blauen Himmel. Die Sonne war warm. Sie lag auf dem Sofa, den Körper unter eine Decke gehüllt. Dann stolperte eine Stimme ins Zimmer.
Dumpf.
Monoton.
Zuerst dachte Milla ans Radio. Sie öffnete die Augen. Es war nicht das Radio. Die Stimme kam von draußen und wurde lauter. Eine Männerstimme, die etwas aufsagte. Eine Parole.
Milla hörte eine öffentliche Durchsage von der Straße. Unter dem Blau des Tages. Die Stimme drang durch die geschlossenen Fenster. Und da war sie. Plötzlich. Wie ein Windstoß. Die Angst, die sich als Beklommenheit tarnte.
Milla drückte sich vom Sofa hoch. Die Glieder waren steif und verfroren. Sie schüttelte die Füße, die nackt aus der Decke herausragten. Die Haut so plissiert und winterblass. Die Decke löste ihre Umarmung. Milla stand im Wohnzimmer und lauschte.
„LIEBE MITBÜRGERINNEN UND MITBÜRGER,
DERZEIT GELTEN STRENGE AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN.
BLEIBEN SIE ZUHAUSE!
DER GANG ZUR ARBEIT, ZUM ARZT ODER
ZUM LEBENSMITTELEINKAUF IST WEITERHIN MÖGLICH.
ZUWIDERHANDLUNGEN WERDEN HART BESTRAFT.“
Sie ging zum Fenster, zaghaft, und schob die Gardine beiseite. An den Fensterrahmen gedrückt lugte sie hinaus. Der Tag. Der Himmel. Die Bäume. Gesprenkelt vom Grün des Frühlings. Die Straße grau wie eh und je. Seelenlos. Zwischen den noch jungen Blättern erspähte sie ein Blaulicht auf einem trödelnden Fahrzeug. Feuerrot. Ein VW-Bus vielleicht. Der Wagen bog um die nahe liegende Kreuzung, tauchte aus dem Versteck aus Ästen, Zweigen und Blättern auf. Ein Feuerwehrauto.
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