Kitabı oku: «Traumtänzer», sayfa 3

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3. Kapitel

Mit einer Denkermine, bei der jeder Charakterdarsteller neidisch geworden wäre, saß Conny auf der Bettkante. Neben ihr lag - ganz entspannt - Ulrike, die Arme unter dem Kopf verschränkt.

»Du hast vielleicht Probleme«, stichelte diese. »Eine alte, abgewetzte Jeans, ein schlabberiges Shirt, und fertig ist das Maleroutfit. Ich jedenfalls werde es nicht so kompliziert machen.«

»Ach du!«, rief Conny. »Hast du schon einmal daran gedacht, dass in so einem Studentenwohnheim mehr als hundert männliche Wesen auf einem Haufen hocken? An solch einem Ort kann ich doch nicht in Lumpen erscheinen!«

»Dann zieh halt dein nagelneues Seidenkostüm an! Damit bist du garantiert passend gekleidet.« Herzhaft gähnte Ulrike und richtete sich auf.

»Auf solche Gedanken kommst auch nur du«, grollte Conny. »Ich wollte einen vernünftigen Vorschlag von dir hören.«

»Bitte Frieden! Ich habe keine Lust, den Abend damit zu verbringen, über nicht vorhandene Kleiderprobleme zu diskutieren. Im Internat hast du ständig Klamotten getragen, die für ein solches Unterfangen geeignet waren.«

Entschlossen stand Ulrike auf und zog ihre Freundin von der bequemen Unterlage. »Wir durchforsten jetzt deinen Kleiderschrank. Ich bin mir sicher, dort werden wir fündig.«

»Das passt dir wohl so«, knurrte Conny. »Ich kenn das doch. Wenn du auch nur einen einzigen Blick in meinen Schrank wirfst, bin ich garantiert mehr als drei Kleidungsstücke los.«

Der Schlüssel klemmte leicht, als Ulrike versuchte, ihn umzudrehen. Ein gezielter Tritt gegen die Tür führte schließlich zum Erfolg. Knarrend öffneten sich die beiden Flügel und gewährten Einblick ins Innere. Sauber zusammengelegt lagen Pullover und T-Shirts in den Fächern. Auf der Kleiderstange, die sich in der Mitte stark durchbog, hingen Jacken, Hosen und Blusen. Gespannt betrachtete Ulrike den Inhalt. Anerkennend pfiff sie.

»Die meisten Sachen sind ja topmodisch und brandneu. Wo hast du die Klamotten früher immer untergebracht? Damals war dein Kleiderschrank im Gegensatz zu heute leer.«

»Ja, das möchtest du wohl wissen. In deiner Gegenwart waren meine Sachen doch nie sicher vor dir.« Conny dehnte jedes Wort im Munde. »Zu Hause, wo sonst. Und jetzt, da ich allein lebe ...« energisch schob sie ihre Freundin beiseite und wühlte in den Regalen. Skeptisch beobachtete Ulrike diese Aktion. Sie wusste genau, dass Conny keines der Kleiderstücke für geeignet fand. Und so war es auch. Jedes Teil nahm sie heraus, musterte es kopfschüttelnd und legte es wieder zurück.

»Halt, woher hast du dieses Shirt?« Plötzlich war Ulrike wie elektrisiert. Sie nahm ihrer Freundin das knallige Stück aus der Hand und besah es sich genauer. »Das ist doch mein Shirt. Vergangenes Jahr habe ich die gekauft, kurz vor den Sommerferien. Und seitdem vermisse ich es.«

»Deine Verwandtschaft mit einem Sieb ist nicht zu übersehen«, stichelte Conny, die den verwirrten Gesichtsausdruck ihrer Freundin mit Schadenfreude zur Kenntnis nahm. »Als ich einmal nicht wusste, was anziehen, da hast du es mir geliehen. Kurz darauf hast du es mir geschenkt, weil es dir urplötzlich zu eng war.«

»Stimmt, so ist das, wenn man sich ständig Gedanken für zwei machen muss.« Sie hielt das Shirt ins Licht. »Oha, da sind ja einige Flecken drin. Du Ferkelchen, immer nur die Stücke verderben, die ich dir vermache.« Ulrike warf ihr es ihr zu. Geschickt fing Conny sie auf und legte es über die Stuhllehne. »Zieh`s zum Renovieren an, dafür ist es noch gut genug. Und du kannst sicher sein, keiner von den anwesenden Herrschaften bemerkt, dass das Teil nicht mehr ganz aktuell ist.«

»Prima, ein Shirt habe ich jetzt. Aber was ziehe ich dazu an?«

»Da finden wir garantiert auch noch etwas. Keine Sorge!«

Erneut verschwand Ulrike im großen Schrank. Nur ihre ellenlangen Beine ragten noch hervor. Das Rumoren deutete auf eine intensive Inspektion ihres Kleiderschrankes hin. Nach einer Weile erklang dumpf ein Aufschrei aus der Tiefe. Langsam und mit hochrotem Kopf kam Ulrike nach einiger Zeit wieder zum Vorschein. Ihre langen, fast bis zur Taille reichenden Haare, sahen aus, als seien sie in einen Mixer geraten.

»Hier, sieh was ich gefunden habe.« Triumphierend wedelte sie mit der Hose vor Connys Nase herum. »Die passt doch einwandfrei dazu.«

Schweigend betrachtete Conny das Kleidungsstück und legte es zum Shirt. Betont langsam zog sie sich aus und probierte die ausgewählten Stücke.

»Die Hose kneift ein wenig. Dabei habe ich im Unterschied zu dir kein Gramm zugenommen.«

»Bei dir sieht man es bloß nicht so. Du kannst beruhigt sein. Beim Arbeiten gerätst du eh ins Schwitzen. Danach passt dir die Hose garantiert.« Ulrike ging mit nachdenklich gefurchter Stirn einmal um sie herum und nickte dann zustimmend. »Also, ich finde, das sieht toll aus. Keiner von den anwesenden Typen wird sich Gedanken über modische Aktualität oder irgendwelche Flecken machen. Schließlich sind sie zum Arbeiten da.«

Conny, die die ganze Zeit am Stoff herumgezupft hatte, grinste sie an. »Ich gebe mich geschlagen. Sollte allerdings Andreas laut brüllend vor mir wegrennen, dann ist das deine Schuld.«

»Zur Not nehme ich die ohne Weiteres auf mich. Schließlich weiß ich ganz genau, dass er nicht flüchten wird, sondern dir noch tiefer in die Augen sehen wird.«

Erneut wechselte Conny die Kleider. Die ausgewählten Klamotten drapierte sie auf einen Bügel und hängte sie außen am Schrank auf.

»Wie gefällt dir eigentlich Andreas?«

Ulrike runzelte die Stirn. Dieser Tonfall kam ihr merkwürdig vertraut vor.

»Ich finde ihn nett, falls du das meinst. Er sieht toll aus, ist ein spitzenmäßiger Tänzer und hat viel Humor. Für dich ist sicherlich die Erkenntnis am wichtigsten, dass er keine feste Freundin hat.«

»Genau. Du wirst es kaum glauben, aber ich freue mich tierisch aufs Renovieren. Es ist die Gelegenheit, Andreas noch besser kennenzulernen.« Verzückt sah Conny aus dem Fenster und seufzte leise. »Was meinst du, gefalle ich ihm?«

»Die Frage musst du ihm selber stellen, aber so wie er dich ansieht, garantiert.« Ununterbrochen betrachtete Conny die mausgraue Fassade des Nachbarhauses. Die Worte ihrer Freundin beruhigten sie nur ein wenig. Sanft zupfte Ulrike sie am Ärmel. »Eigentlich wollte ich dir dieselbe Frage stellen. Nur mit anderen Vorzeichen. Aber im Gegensatz zu dir bin ich mir doch recht sicher, dass Martin ein Auge auf mich geworfen hat.«

*

Mit großen Schritten stiegen Conny und Ulrike die Steintreppe hinauf. Die Tasche mit den Klamotten zum Wechseln und ein paar Getränken schien mit jedem Meter schwerer zu werden. Conny hatte das Gefühl, mit jeder Stufe dehne sich ihr Arm um drei Zentimeter. Ein Sack mit Steinen war garantiert leichter. Aufatmend holte sie Luft, noch eine Etage, dann hatte die Plackerei ein Ende.

Vierter Stock, so lautete die Auskunft von Andreas. Ausführlich hatte er ihr am Telefon den Weg bis zu seinem Zimmer beschrieben.

Oben angekommen ging es links herum. Andreas hatte versprochen, die Wohnungstür offen zu lassen. Sie betraten den spärlich beleuchteten Flur. Einsam und verlassen präsentierte sich ihnen der Gang. Dabei war Conny davon ausgegangen, dass ein Studentenwohnheim vor Leben nur so überlief.

Nachdenklich sah Ulrike sich um.

»Bist du sicher, dass wir hier richtig sind? Niemand schleppt Möbel, und es liegt nicht ein Hauch von Farbe in der Luft.«

»Eigentlich schon. Garantiert hat Andreas vergessen, die Schränke auszuräumen. Und nun dürfen wir für ihn die Vorarbeiten erledigen.« Vor der dritten Zimmertür, die angelehnt war, blieb Conny stehen. Aufgeregt bummerte ihr Herz. Drinnen unterhielten sich Andreas und Martin. Und dazwischen das Poltern von schweren Sachen. Sie hob die linke Hand, um anzuklopfen. Irritiert von der dritten fremden männlichen Stimme, die im Zimmer erklang, hielt sie inne.

»Was ist? Hast du etwa plötzlich Angst bekommen?«, fragte Ulrike sie. Entschlossen klopfte Conny an, einen Augenblick herrschte Stille. Conny schien es, als ob alle die Luft anhielten und auf eine Explosion warteten.

Die braunlackierte Tür ging nun völlig auf, und ein unbekannter Typ erschien im Spalt. Als er die beiden Studentinnen sah, lächelte er ihnen freundlich zu.

»Conny und Ulrike? Fein, dass ihr den Weg gefunden habt. Ihr werdet schon sehnsüchtig erwartet.« Er trat zur Seite und machte eine einladende Geste. »Kommt herein.«

Neugierig traten sie ein. Noch standen die Möbel ordentlich an der Wand, aber dazwischen lagerten Umzugskartons mit Kleidung und Büchern. Andreas und Martin entdeckte sie in dem Gewirr sofort. Neben den beiden stand noch ein vierter Typ.

»Hallo Conny, hallo Ulrike. Habe ich es doch gewusst, ihr schreckt vor der Arbeit nicht zurück.« Mit großen Schritten trat Andreas über die Kartons auf sie zu. Seine Augen strahlten sie an, und Conny bekam weiche Kniee. Ihre letzten Zweifel schwanden. Sie hatte sie unsterblich in den sportlichen Andreas verliebt.

»Stellt erst einmal eure Taschen ab. Darf ich euch Bernd und Wolfram vorstellen? Sie sind meine Mitbewohner.«

Die beiden streckten Conny und Ulrike die Hand entgegen und begrüßten sie. An Bernd waren Conny sofort, als er ihnen die Tür geöffnet hatte, die hellblauen Augen und das wasserblonde Haar aufgefallen. Der Bräune im Gesicht nach zu urteilen, hielt er sich viel an der frischen Luft auf. Wolfram hingegen schien mit seinen rötlichen Haaren und dem blassen Gesicht mit Tausenden von Sommersprossen sonnenempfindlich zu sein. Er machte einen ausgesprochen gemütlichen Eindruck.

»Nachdem ihr euch jetzt beschnuppert habt, schlage ich vor, die unterbrochene Arbeit aufzunehmen«, verkündete Andreas sodann mit Feldherrnstimme. »Auf in den Kampf! Zielgebiet der Kartons ist die Bude von Martin. Sobald sie aus den Nähten platzt, ist Wolframs Zimmer an der Reihe. Tut mir leid - für Damen ist diese Arbeit nichts. Ihr Mädels dürft noch einen Augenblick Däumchen drehen.«

In Rekordzeit, wie Conny meinte, schafften die Jungs es, das Zimmer leer zu räumen. Bewaffnet mit Schraubenzieher und Hammer nahm Andreas sein Bett und den Kleiderschrank auseinander. Bernd und Wolfram trugen die sperrigen Teile davon.

Mit zwei Regalbrettern, die sie ohne Mühe tragen konnte, folgte Conny ihnen in das Reich von Martin.

Überall stapelten sich die demontierten Möbel und Kisten. Martins Bett diente als Ablagefläche für Kleinigkeiten und Kartons. Zwischen all dem Kram lugte zaghaft eine leicht welke Zimmerpflanze hervor. Conny suchte eine Lücke für die Bretter und resignierte schließlich.

»Kann ich dir helfen?« Überraschend stand Bernd hinter ihr. »Da oben, auf dem Schrank ist noch eine Ablagemöglichkeit.« Er nahm der verdutzten Conny die Last ab, stieg auf einen Hocker und verstaute sie. »So, das wäre geschafft. Für eine so hübsche Frau wie dich ist diese Arbeit eigentlich viel zu anstrengend.«

Mehr verwirrt als geschmeichelt von diesem Kompliment drängte sie sich an Bernd vorbei zurück ins andere Zimmer.

»Da bist du ja, ich hatte dich schon vermisst.« Bepackt wie ein Lastenesel, kam ihr Andreas entgegen.

»Bernd hat mir eben beim Verstauen der Bretter geholfen«, sagte sie und sah sich im leer geräumten Zimmer um. Sie entdeckte nur Wolfram, der mit einem Besen den Boden kehrte. Ulrike und Martin erblickte sie nirgends.

»Beginnst du schon mal mit dem Auslegen der Zeitungen? Du findest sie draußen im Flur hinter der Wohnungstür.«

»Ja, gut.«

Andreas verschwand mit seiner Last, und sie holte die alten Zeitungen und verteilte sie. Ulrike kam hinzu und half ihr.

»Wo warst du? Beinahe hätte ich eine Vermisstenanzeige aufgegeben.«

»In der Küche. Martin hat für heute Abend einen Kartoffelsalat vorbereitet. Diesen musste ich natürlich probieren.«

»Aha«, mehr sagte Conny nicht. Garantiert hatten sie nicht nur den Salat probiert. Innig hoffte sie, dass Andreas auch einmal auf eine solche Idee kam.

»Achtung heiß und fettig.« Andreas schleppte einen 10-Liter-Eimer Wasser ins Zimmer. »Ich bereite den Tapetenablöser vor. Beeilt euch mit dem Auslegen.«

So angemahnt sputeten sie sich. Kaum lagen die Zeitungen, da verteilte Andreas die Flüssigkeit großzügig auf die Wände. Große und kleine Rinnsäle hinterließen eine feuchte Spur, bevor sie das Papier durchnässten.

Conny schüttelte bei so viel planlosem Eifer den Kopf.

»Halt, nicht so heftig. Du verdirbst doch den Boden.«

»Das kann er ab. Er muss sowieso am Ende der Aktion gründlich gewischt werden.«

Ein weiterer Schwall tränkte die Tapeten. Ein feiner Sprühregen ging dabei auf ihn nieder. Conny wollte aufspringen und ihm ein Tuch reichen, aber er wischte sich einfach mit dem Hemdsärmel über das Gesicht.

»Wer weicht eigentlich hier wen auf?«, spottete Bernd unter der Tür.

»Du bist ja nur neidisch«, lachte Andreas. »Zehn Minuten muss das Zeug einwirken, dann kann die Spachtelkolonne loslegen.«

Bei diesen Worten blickte er die beiden Mädchen durchdringend an.

»Natürlich«, schimpfte Ulrike. »Wir dürfen die Dreckarbeit machen.«

»Ihr seid nicht allein. Wir helfen euch.«

Andreas beendete seine Einweichkampagne und ging ins Bad, um sich die Hände zu waschen. Mit einer Flasche Orangensaft und einem Schwung Plastikbecher kehrte er zurück.

»Letzte Tankstelle vor der Wüste«, rief Martin sie zusammen. »Wer nicht will, ist selbst schuld.«

Nacheinander wanderten die Flasche und die Becher zu den durstigen Helfern. Andreas blickte alle Augenblicke auf die Uhr. Schließlich rief er: »Schluss mit lustig! Spachtel marsch!«

Bernd kam mit einer Tasche an und deutete eine Verbeugung an.

»Greifen Sie zu, meine Damen und Herren! Jeder bitte nur einen Spachtel!«

Mit sanftem Nachdruck legte er Conny das Werkzeug in die Hand und sah sie dabei lange und durchdringend an. Ein merkwürdiges Gefühl beschlich sie, aber sie vermochte es nicht einzuordnen.

»Dann wollen wir mal sehen, wie gut die Tapete hält«, sagte sie zu Ulrike und trat an die Wand. »Wer steigt auf die Leiter? Andreas?«

»Wer sonst.« Bernd grinste Conny an. »Die gewagten Seilakte lässt er nicht doubeln.«

Gemeinsam schabten sie die sich aufwölbenden Bahnen ab. In kleinen Fontänen flogen die Papierstücke durch die Luft und landeten mit einem Klatschen auf den Zeitungen. Meter um Meter fraßen sich die Spachtel durch das aufgeweichte Zeug und rissen die Fetzen heraus.

Eine der Tapeten machte sich selbstständig. Immer schneller werdend rollte sie sich von oben nach unten ein. Bernd reagierte nicht rasch genug. Wie ein verhungertes Meeresungeheuer verschluckte die Tapete ihn. Heftig zerrte er an dem feuchten Papier und versuchte sich zu befreien. Conny, die neben ihm arbeitete, half ihm dabei, seinen Kopf auszuwickeln. Von oben bis unten mit Tapete dekoriert, stand er da. Die bis eben noch wasserblonden Haare waren grau und verklebt vom Lösungsmittel.

»Da hilft nichts mehr«, stellte Martin mit vergnügtem Gesichtsausdruck fest. »Du musst unter die Dusche und fällst als Arbeitskraft aus.«

»Was so eine Geisterbeschwörung doch für Folgen hat«, murmelte Wolfram. »Wir sollten uns vorsehen, nicht dass das Zimmer uns noch verschlingt!«

Er deutete auf die Wände, wo sich, wie von Geisterhand, ein Großteil der Bahnen selbstständig machte.

»Kleine Programmänderung«, verkündete Andreas. »Wir fangen an, das Zeug in die Müllsäcke zu packen. Liebe Conny, holst du sie? Sie liegen im Bad unter dem Waschbecken.«

Zustimmend nickte Conny und flitzte zum Bad. Doch bevor sie die Tür aufriss, fiel ihr zum Glück ein, dass Bernd duschen wollte. Sie stoppte so schwungvoll, dass sie mit dem Kopf gegen die Tür knallte.

»Wer stört?« erklang die Stimme von Bernd auf der anderen Seite.

»Ich bin es, Conny. Bernd gib mir bitte die Müllbeutel.«

Die Tür öffnete sich einen Spalt, und ein nackter Arm reichte ihr die Beutel heraus. Conny nahm den Packen und trug ihn ins Zimmer.

Als Andreas sie erblickte, strahlte sie an und trat ganz nah zu ihr heran. Obwohl noch ein klein wenig Luft zwischen ihre Kleidung passte, hatte Conny das Gefühl, es knistern zu hören.

*

Conny rutschte auf dem Bett zur Seite, um Andreas Platz zu machen. Eingezwängt zwischen Kartons und Möbeln saßen sie dicht nebeneinander. Vergeblich versuchte er seine Beine ein wenig auszustrecken, aber es gelang ihm nicht. Es herrschte zu große Platznot in Martins Zimmer.

Nervös nestelte sie an ihren Haaren und versuchte, den Locken ein wenig mehr Fülle zu verleihen. Dabei ärgerte sie sich im Stillen darüber, nicht doch noch ein Make-up aufgelegt zu haben. Ihr Shirt besaß ein wunderschönes Muster aus frischen Farbspritzern von der Decke und Kleisterflecken vom Tapezieren. Im renovierten Zimmer trocknete die neue Tapete langsam vor sich hin. Die Stunden emsiger Arbeit waren wie im Flug vergangen.

Jetzt saß sie da, und ihre Gedanken überschlug sich. Ihr Puls beschleunigte merklich. Nahm Andreas die Gelegenheit für einen kleinen, verschwiegenen Kuss wahr? Innigst hoffte sie, dass er den ersten Schritt wagte und diesen Moment des Alleinseins nutzte.

»Das Schlimmste ist überstanden«, zog Andreas eine erste Bilanz. »Morgen hilft mir Martin beim Um- und Einräumen. Danach brauche ich mir bis zum Ende des Studiums keine Gedanken mehr über das Renovieren zu machen. Ach, ist das beruhigend.«

»Das hängt davon ab, wie lange du studierst«, antwortete Conny enttäuscht. Ein Eimer Eiswasser hätte keine stärkere Wirkung auf sie haben können.

Die Tür ging auf. Martin stand unter dem Türrahmen, bis oben mit Bechern und Tellern beladen.

»Helft ihr mir bitte? Sonst fällt noch was runter.«

Conny sprang auf und streckte ihm die weit geöffneten Hände entgegen. Sie nahm Martin einen Teil des Geschirrs ab und reichte es an Andreas weiter. Ulrike tauchte auf, ebenfalls wie ein Packesel beladen. Ein wenig ratlos standen sie zu viert da. Viel Platz zum Drehen und Wenden war nicht vorhanden.

»Was nun? Essen wir im Stehen oder abwechselnd in Schichten?«, Andreas grinste spöttisch.

»Ich schlage vor, wir setzen uns alle erst einmal aufs Bett. Danach verteilen wir das Geschirr und zum Schluss die Fressalien.« Martin hatte die Lage voll im Griff.

Augenblicke später saßen sie dicht an dicht.

»Wolfram und Bernd essen in der Küche«, sagte Ulrike. Alle vier klapperten erwartungsvoll mit dem Geschirr. Die Salatschüssel und die Frikadellen machten die Runde.

»Alles nur eine Frage der Organisation«, prahlte Andreas. »Die beiden wussten von Anfang an, dass ihre Hilfe nur bei der Renovierung gebraucht wird.«

»So ist das also, ihr nutzt die Hilfsbereitschaft anderer schamlos aus«, stichelte Ulrike. »Deshalb nur eine kalte Kleinigkeit und kein first class Essen.«

»Genau, du hast es erfasst, wir sind nur arme Studenten«, antwortete Andreas, ohne sich aus dem Konzept bringen zu lassen.

Conny, die nach stundenlanger Arbeit einen großen Appetit hatte, stach einige Kartoffelstückchen auf ihre Gabel und probierte. Doch der Salat schmeckte so, wie er aussah, blass und fad.

»Hat jemand Sardinen dabei?«, fragte Conny.

»Wieso?«, erkundigte sich Andreas verdattert. »Möchtest du etwa noch welche?«

»Nein, aber diese Fischchen hätten sich in dieser Enge sehr wohl gefühlt.«

Allgemeines Gelächter klang auf, aber Conny weilte mit ihren Gedanken schon wieder anderswo. Selten saß sie so dicht neben Andreas. Sie musste sich nur ein ganz klein wenig nach links beugen, dann lag sie in seinen Armen.

»Was ist Bernd eigentlich für ein komischer Kauz?«, fragte Conny in die gemütliche Stimmung hinein. »Ständig war er da und half mir, seine blauen Augen schienen mich jedes Mal zu verschlingen.«

»Nur, damit du von Anfang an beruhigt bist«, meinte Andreas. »Jede Frau ist von Bernd irritiert.«

»Ach so, und deshalb hat es dich gar nicht weiter gestört«, stichelte sie, fühlte aber gleichzeitig, dass er mit etwas hinter dem Berg hielt.

»Es ist so ...« Andreas suchte nach den passenden Worten. Nur mit Mühe konnte sich Conny ein schadenfrohes Grinsen verkneifen. Deutlich spürte sie, wie verlegen er war.

»Bernd ist andersherum gepolt.«

Ein kleiner Moment verging, bis Conny und Ulrike den Sinn verstanden.

»Und da fehlen dir doch tatsächlich die Worte«, rief Ulrike. »Ich finde nichts dabei. Und ich dachte schon, er will dir Conny ausspannen.«

»Nein, nein. Bernd ist wirklich völlig in Ordnung«, meinte Martin und stocherte auf seinem Teller herum. »Schmeckt euch der Salat? Ich habe das Gefühl, da fehlt etwas.«

»Genau Alterchen. Es fehlt das Salz. Aber so etwas kann man von dir auch nicht verlangen.«

Wie von der Tarantel gestochen, sprang Andreas auf. »Salat - Kabelsalat. Martin, wo habe ich meine tolle Halogenlampe?«

Er öffnete den erstbesten Karton und suchte wie besessen darin. Dann stürzte er sich auf den Nächsten. Kopfschüttelnd sah Conny ihm dabei zu. Wozu hatten sie sich die Mühe gemacht und alles ordentlich eingeräumt?

»Hör auf, bevor du alles durcheinanderbringst«, sagte Martin. »Du hast sie als aller erstes verpackt, damit sie ja sicher verwahrt ist. So leid es mir tut, du wirst sie erst Morgen vorführen können.«

Doch Andreas war nicht zu bremsen. Nachdenklich blieb er einen Moment stehen, die Stirn in Falten gelegt. Danach stapelte er die mühsam aufgeschichteten Kisten um. Die Drei mussten ihre Füße hochheben, damit er genug Platz zum Suchen hatte. Endlich, als er die fünfte Kiste geöffnet und durchwühlt hatte, hielt er etwas Silbriges in der Hand. Seine Augen glänzten genauso, wie der kleine Doppeldecker. Es war eine filigrane Arbeit, aus dünnem Metall geformt. Geschickt und nur wenig sichtbar waren unten die Lämpchen befestigt.

»Mein großes Schmuckstück. Dieser Flieger bekommt einen Ehrenplatz an der Decke.« Stolz hielt er ihn in die Luft und ließ das Flugzeugmodell ein paar Loopings drehen. »Diese Lampe habe ich von meinen Eltern zum bestandenen Abi geschenkt bekommen.«

Andreas hielt ihn Conny und Ulrike einmal dicht vor die Nase. Dabei passte er allerdings auf, dass keine von den beiden das Kunstwerk berührte.

»Doch, dieser Doppeldecker ist spitze«, sagte Conny bewundernd.

Mit allergrößter Sorgfalt räumte Andreas den Flieger wieder weg. Ein wenig schob und rückte er die Kiste noch hin und her, um danach bei Conny Platz zu nehmen.

»Möchte noch jemand Salat?« Ulrike hob die Schüssel hoch und sah sie alle fragend an. »Ein kleiner Rest ist noch da. Ansonsten gibt es jetzt einen Nachtisch.«

Verblüfft sahen Conny und Andreas sie an.

»Ja, da staunt ihr«, lachte Ulrike. »Ich habe Bernd etwas Geld gegeben, und ihn gebeten, eine Packung Eis zu besorgen.«

Ulrike sammelte das schmutzige Geschirr ein. Wie selbstverständlich half ihr Martin dabei.

Schwer beladen verließen die beiden das Zimmer. Conny beobachtete die Aktion mit Erleichterung, so war sie wenigstens für einen Moment mit Andreas allein. Vor lauter Nervosität knetete sie ihre Finger, bis sie sich endlich ans Herz fasste. Zögernd legte Conny ihre Hand auf den muskulösen Oberschenkel von Andreas und übernahm einfach die Initiative. Sie konnte nicht länger im Ungewissen leben.

Andreas schien nur auf eine solche Geste gewartet zu haben. In seinen Augen lag das gleiche Lächeln, das sie schon am allerersten Tag bei ihm so gemocht hatte. Er drehte sich leicht zu ihr und hob seinen linken Arm. Sachte, sehr sachte und sehr zärtlich streichelte er ihr mit den Fingerkuppen über das Gesicht. Er zeichnete die kleine Stupsnase und ihre sanft geschwungenen Lippen nach. Vor lauter Wohlbehagen schloss Conny die Augen und öffnete den Mund ein wenig.

Andreas verstand sie sehr wohl. Noch ein Stückchen rutschte er näher heran und nahm sie in die Arme. In Conny explodierte ein Feuerwerk der Gefühle. Sie spürte seinen Herzschlag, der genau wie der ihre immer schneller ging. Zart, warm und ganz sanft fanden seine Lippen die ihren. Unterdrückt stöhnte Conny auf, sie fühlte, wie seine Zunge sich einen Weg durch ihre leicht geöffneten Lippen suchte. Sie tastete sich weiter vor und schon bald waren sie in einen innigen Zungenkuss vertieft.

Erst als sie beide keine Luft mehr bekamen, lösten sie sich voneinander. Behaglich kuschelte Conny sich noch ein wenig tiefer in seine Umarmung. Sie wollte ihm so nahe wie nur möglich sein.

»Das war schön«, flüsterte sie leise.

»Ja«, antwortete er und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Habe ich dir schon einmal gesagt, dass ich dich liebe?«

Sachte schüttelte Conny den Kopf. »Nein, bis jetzt ist mir so etwas noch nicht zu Ohren gekommen.«

Er beugte sich herunter, bis ganz dicht an ihr Ohr. Zärtlich knabberte er an ihrem Ohrläppchen, und in einer kleinen Pause flüsterte er ihr zu: »Ich liebe dich.«

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