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Kitabı oku: «Der Ochsenkrieg», sayfa 27

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Während Herzog Ludwigs Hauptmann Christoph Laiminger mit seinem Heerhauf seit Wochen die fränkischen Güter des Fritz von Zollern verwüstete, fielen entlang allen Grenzen des Landshuter Gaues die Ingolstädtischen Truppen unter Marschall Frauenberger, unter Hauptmann Muracher und dem Pfleger von Wasserburg in Herzog Heinrichs Lande und hinterließen in Hunderten von niedergebrannten Dörfern die Spuren ihrer Wege.

Wie eine laufende Flamme brannte der Krieg an allen Ecken und Enden der bayerischen Herzogtümer auf.

Wilhelm und Ernst von München, der Kurfürst von der Pfalz und Johann von Neumarkt — die Herr Heinrich zur Hilfe wider den unbequemen Ingolstädter gewonnen hatte — sandten ihre Fehdebriefe an Ludwig im Bart. So standen alle Wittelsbacher im Kampfe gegen diesen Einen ihres Blutes, der durch seine gewalttätige und hochfahrende Art, durch seinen ›französischen Übermut‹, sie alle schon einmal gekränkt, verhöhnt, beleidigt und geschädigt hatte.

Der auflodernde Zorn der Fürsten übertrug sich auf ihre Untertanen. In Städten und Dörfern, in Burgen und Handwerkerstuben, überall, wo Bürger der Wittelsbachischen Herzöge bisher friedlich beisammen gewohnt hatten, ergriffen sie Partei für ihre Fürsten und zerschlugen einander die Köpfe unter dem Geschrei: »Hie Ludwig! Hie München! Hie Heinrich!« Auf den Universitäten zu Prag, Wien, Heidelberg und Leipzig stachen in den Bursen die Studenten einander die Rapiere in den Leib, auf den Märkten der deutschen Städte prügelten sich die Kaufleute und ihre Kunden, die Viehtreiber und Karrenführer.

Wie die Fürsten, so wechselten die ihnen verbündeten Ritter und Städte ihre Fehdebriefe. Mehr als fünfhundert Lehensherren der Münchener Herzöge und des Landshuters begannen Krieg wider Ludwig. Und fast ebensoviel ritterliche Freunde des Ingolstädters, der nach seinen Werbebriefen Zuzug auch aus Frankreich, Ungarn, Italien, Holland und Dänemark bekam, kündeten dem Herzog Heinrich und den Münchener Fürsten den Frieden auf. Die Briefe, die man noch immer wechselte, während das Morden und Brennen schon begonnen hatte, flossen über von Hohn, Verdächtigung und Haß. Die gegenseitigen Beschimpfungen häuften sich wie bei den Homerischen Helden vor dem Zweikampf.

Da seit der unglückseligen Erbteilung der bayerischen Lande die Besitzungen der Wittelsbachischen Fürsten in Flicken und Lappen die Länder des Gegners durchsetzten, stand Nachbar gegen Nachbar im Kriege: Burghausen gegen Wasserburg, Landshut gegen Freising, Tölz gegen München, Schrobenhausen gegen Pfaffenhofen, Traunstein gegen Rosenheim, Kufstein gegen Marquartstein. Durch Überredung gewonnnen oder durch Vorteil verlockt, durch Drohung eingeschüchtert oder durch Geld bestochen, fielen die Lehensleute von ihren Herren ab, innerhalb der Städte entzweite sich Volk und Regierung, der Bruder schlug gegen den Bruder, Vater und Sohn wurden Feinde.

So standen auf allem Boden, der bayerisch hieß, von der Ulmer Gegend bis zum Böhmerwald und bis Linz hinunter, vom Main bis nach Tirol, die Bewohner schwesterlicher Erde mit Feuer und Eisen, mit Galgen und Pulver gegeneinander im Kampfe, und es entbrannte ein Krieg verwandter Stämme, schmachvoll und schauerlich, wie er unerhört war in der Geschichte eines von gleichem Blute durchströmten Volkes.

König Sigismund, der in Sorge geriet um die Säulen des Reiches, mahnte durch Briefe und Gesandte zum Frieden, bat mit herzlichen Worten, wurde streng und drohte mit der Reichsacht. Und Rom, das seine Klöster und Kirchen gebrandschatzt und geplündert sah, rückte mit Kirchenbann und gräßlichen Strafen der Ewigkeit wider die vom Zwietrachtsteufel besessenen Fürsten aus. Aber keiner von den Wittelsbachern hörte auf die Stimme des deutschen Königs, keiner auf den Schrei des Papstes. Herzog Heinrich wie Herzog Ludwig schworen mit heiligen Eiden, das dem König gegebene Friedensgelöbnis unverbrüchlich gewahrt zu haben; der königstreue Ingolstädter schob die Schuld auf den ›heimtückischen‹ Landshuter, der königstreue Landshuter schob sie auf den ›allzeit gefährlichen‹ Ingolstädter, einer beschuldigte den anderen des schnöden Friedensbruches, und jeder beteuerte, daß er wider Willen gezwungen wäre, sich seiner bedrohten Haut zu wehren. Nur die Münchener Herzöge konnten mit gutem Rechte sagen: »Wir müssen als redliche Leute die Treue wahren, die wir dem Vetter Heinrich zugelobten.«

Von allen Fürsten, die in diesen Krieg verwickelt wurden, hörte nur ein einziger auf die Friedensmahnungen des deutschen Königs: Friedrich von Zollern, der Burggraf von Nürnberg und neue Herr der ehemals Wittelsbachischen Mark Brandenburg, mit der ihn König Sigismund auf dem Konzil von Konstanz für treue Dienste belehnt hatte. Obwohl ihn Ludwig mit Pikenstößen reizte und brandschatzend seine fränkischen Lande verwüstete, zögerte Friedrich noch immer, in den Kampf zu treten. Jeder Werbung seines Schwagers Heinrich von Landshut entzog er sich. »Was kümmert mich euer Vetterngezänk, ich will in Frieden meinen jungen Acker bauen.« Er blieb in seiner Mark, machte aus der Ferne noch einen Versuch zur Herstellung des Friedens in den bayerischen Landen, vereitelte einen Anschlag seiner Verbündeten auf den Ingolstädter und bot ihm die Hand zur Versöhnung. Sein Dank war ein mit Hohn und Schimpf beladener Brief, der ihn des Raubes am Hause Wittelsbach beschuldigte, ihn die brandenburgische Elster nannte und mit den Worten begann: »Du kürzlich hochgemachter Markgraf!« Da schob auch Fritz von Zollern die Faust in den eisernen Handschuh und erschien im Felde. Mit raschen Stößen warf er dem Ingolstädter die Feste Parkstein nieder und eroberte die Burgen von Hilpoltstein, von Weiden und Floß.

Was Herzog Ludwig hier im Norden verlor, das ließ er seine Gegner südlich der Donau in sinnloser Verwüstung büßen. Während dieses roten Herbstes wurden die bayerischen Lande durch Eisen, Feuer und Raub so schwer geschädigt, daß innerhalb weniger Monate mehr Leute verdarben und arm gemacht wurden als sonst in hundert Jahren. Immer wieder das gleiche: fallende Burgen, stürzende Mauern, geplünderte Städte, brennende Dörfer, verwüstetes Feld, geschändete Weiber, verstümmelte Mannskörper ohne Augen und Ohren, ohne Nasen und Lebner, große Lachen geronnenen Blutes und verwesende Leichname von Mensch und Tier, die zu begraben der Krieg keine Zeit gefunden. In allen bayerischen Landen begann es zu riechen, wie es beim Gadnischen Hallturm gerochen hatte. Und während das Volk verdarb, ohne Obdach war und hungerte, füllte die Ritterschaft jede Kriegspause mit Turnier und Festen, mit Tanz und Frauenspiel.

Des Brennens und Mordens wurde weniger, als bei Anbruch der Winterkälte die Kinnhaut kleben blieb an der stählernen Halsberge und die blauen, starren Finger anfroren an den Schwertgriff.

Nachdem die Truppen bis zur Adventzeit im Felde gelegen, waren Waffen und Harnisch verdorben, die Kleider am Leib der Kriegsleute verfault, das Sattelzeug der Gäule von Nässe und Frost zermürbt.

Fast alle Dorfleute der bayerischen Lande mußten sich während des Winters in den Städten und Burgen halten. Außerhalb der Stadtmauern stand oft zwölf und fünfzehn Meilen weit kein Dorf und kein Haus mehr. Zwischen dem Main und den Bergen war an Dörfern ein halbes Tausend geplündert und niedergebrannt. Und manches Dorf war so ganz verderbt, daß weder Haus noch Kirche mehr übrig waren.

In den Städten, Burgen und umwallten Märkten, wo sich die Flüchtlinge in gedrängten Massen bei Not und Hunger zusammenhuschelten, brachen fressende Seuchen aus. Unter Armut, Leiden und Hilflosigkeit verzagten die Menschen und wurden des Lebens müde. Sie sagten: »Sterben ist das Beste.« Nur die Siechenträger und Totengräber hatten Erntezeit, und die Pulvermüller, Schwertfeger, Pfeilschäfter und Waffenschmiede fanden bei ruheloser Arbeit reichlichen Verdienst. Das stählerne Klopfen bei Tag und Nacht war wie der fiebernde Pulsschlag dieses Winters in allen Städten und Burgen.

Im schmelzenden Schnee des Febers jagten die Briefreiter durch die verwüsteten Länder, die belebt waren von Dohlenkrächzen und Geierflug. Eine böse Unsicherheit lauerte bei den schwarzen Resten der niedergebrannten Dörfer. Gauner, kranke Weiber, Bettler und Ausgestoßene sammelten sich zu Schwärmen des Elends und hausten in den Wäldern. Diebstahl, Raub und Meuchelmord durchtaumelten das Land. Ritterliche Heckenreiter machten gemeinschaftliche Sache mit den niedrig geborenen Räubern. Sogar des Königs Boten wurden auf den Straßen niedergeworfen und beraubt.

Herzog Heinrich verstand es, zwischen Landshut und Burghausen eine Art von Sicherheit aufrechtzuerhalten. An den vielen, die seinem Landfrieden in die Quere gerieten, hatten die entlaubten Bäume neben den niederbayerischen Straßen schwer zu tragen. Herr Heinrich pflegte zu sagen: »Das sind Wölfe. Weg damit!« Es sah auch sonst im Herzen seines Landes während dieses Winters ein wenig besser aus als anderwärts. Er hatte den Gegner nach Kräften geschädigt, doch immer nach Möglichkeit seine eigenen Leute geschont. Es war eines von seinen klugen Worten: »Wenn alle Bauern erstochen werden, wo nehmen wir andere her, um uns zu ernähren?«

Bei Beginn des lauen Frühlings stand er mit erfrischten, gut bewaffneten Truppen wieder als erster im Feld und berannte die noch winterschläfrigen Burgen seines Gegners. Er wandte sich immer gegen Plätze, deren Bezwingung nur ein mäßiges Opfer an Geld, Zeit und Menschen von ihm verlangte.

Ehe die blauen Veilchen kamen, war von den Bergen bis zum Main der Krieg schon wieder in roter Blüte.

Herr Heinrich — ohne Rücksicht auf seine Verbündeten nur den eigenen Vorteil wahrend — führte diesen Frühlingsfeldzug so vorsichtig und sandte den treuen Vettern nur so bescheidene Hilfe zu, daß die Herzöge von München unwillig wurden und klagten: »Willst du nicht besser beispringen, so müssen wir von diesem Kriege abstehen.«

Mit Heinrichs sparsamer Hilfstruppe, mit ihren Münchener Bürgern und ihren Oberländer Bauern brachen Herzog Ernst und Wilhelm dem Ingolstädter die Feste Friedberg, die Burgen Schwabeck, Türkheim und Grainsbach und bedrohten die Städte Neuburg und Rain, zwischen denen die Fackeln von hundert Dörfern loderten.

Noch übler als südlich der Donau stand die Sache des von Feinden umkreisten Ingolstädters im Nordgau. Als Markgraf Friedrich die festen Plätze Kirchberg, Monheim und Dingolfing mit dem Schwerte genommen und zur Huldigung gezwungen hatte, mußte Ludwigs Hauptmann Christoph Laiminger nach dem Falle von Lauf bei Fritz von Zollern um einen Waffenstillstand ansuchen.

Herzog Ludwig geriet in eine erbitterte Stimmung. Der Ausgang des Unternehmens konnte bei der Übermacht seiner Gegner nicht zweifelhaft sein. Die Zahl seiner Feinde mehrte sich noch immer, und seine eigenen Leute begannen irr an ihm zu werden. Die kleinen Mäuse verließen das sinkende Schiff. Auch einer von Ludwigs mächtigsten Vasallen, der Abendsberger, fiel von ihm ab und öffnete den Münchener Herzögen seine Burgen. Doch was in Ludwig die strotzende Kraft am gefährlichsten zerbröselte und sein helles Lachen erlöschen machte, war sein begründetes Mißtrauen gegen den eigenen Sohn. Prinz Höckerlein, obwohl er in diesen knirschenden Zeiten Töne von kindlicher Herzlichkeit gegen den Vater zu finden wußte, entwickelte hinter des Herzogs Rücken eine unheimliche Tätigkeit, zog des Vaters Freunde durch goldene Versprechungen an sich und gewann des Herzogs Vertrautesten, den Lautenspieler Nachtigall. Herr Ludwig fühlte das graue Spinnennetz, das da gewoben wurde, und konnte es doch mit seiner starken Faust nicht fassen, nicht zerreißen. Er ließ sich bei Tag und Nacht von seinen roten Einrössern bewachen und genoß keine Speise, ohne daß Prinz Höckerlein die Mahlzeit mit ihm teilte. Das Gefühl der Unsicherheit, seine ruhelose Sorge um Macht und Leben, seine gereizte Laune und sein Jähzorn verleiteten ihn zu Grausamkeiten, die sonst nicht in seiner Art lagen.

Als eine seiner reichsten Städte, Donauwörth, von ihm abfiel und ihm die schweren Steuerlasten mit offener Fehde heimzahlte, zwang er den Bürger Lang, der den Fehdebrief überbrachte, das Pergament mit Schnur und Siegel zu verschlucken. »Du bist kein Gesandter. Du bist ein meineidiger Schuft. Allen deinen Mitbürgern, wenn ich sie fange, soll es ergehen wie dir!« Dieser leutselige und frohe Fürst, der noch nie in seinem Leben ein Todesurteil unterschrieben hatte, gab den Befehl, dem städtischen Gesandten die Augen auszustechen, die Zunge und den Lebner abzuschneiden und die beiden Hände vom Leib zu hacken.

Als dem Herzog in seiner kostbaren Stube gemeldet wurde, daß es geschehen wäre, deutete er auf den aus Bronze gegossenen Bluthund und sagte im Ekel: »Jetzt bin ich auch wie der! Heraufsteigen zu mir hat sie nicht können, die Laus! Jetzt hat sie mich zu sich hinuntergezogen.« Beim Auf- und Niederschreiten durch die von Vogelgezwitscher erfüllte Stube sah er in einem Silberspiegel sein Bild, lachte grell und spie es an. Dann plötzlich umklammerte er den Hals seines alten Gleslin, weinte wie ein Kind und bettelte: »Laß ihn töten! Daß er nicht leiden muß!«

Nach diesen Tränen schien die alte Kraft in ihm wieder wach zu werden. Er wehrte sich wie ein Verzweifelter gegen eine Welt in Waffen, verpfändete seine kunstvollen Kostbarkeiten an Juden und reiche Bürger, rüstete ein neues Heer und gewann im Unglück eine Seelengröße, eine Festigkeit und Ruhe, daß auch unter seinen Gegnern mancher Gerechte ihn einen ›herrlichen, preiswerten Fürsten‹ zu nennen begann.

Die Münchener Herzöge — durch Ludwig zum Abzug von Rain und Neuburg gezwungen — wurden immer drängender gegen den Vetter Heinrich, dem sie trotz allem Mißtrauen noch immer die Treue hielten.

Heinrich schickte neue Versprechungen und bundsbrüderliche Briefe, doch keinen Gaul, keinen Spießknecht, keine Büchse, und blieb persönlich dem Feldlager fern, sich entschuldigend mit einem Anfall seiner Krankheit. Durch Kundschafter gut unterrichtet, witterte er mit seiner klugen Nase das Erwachen einer neuen, bedrohlichen Kraft in dem ›Unverwüstlichen zu Ingolstadt‹. Und da hielt er mit Vorsicht das Seine zusammen, und während er am Tage zu Burghausen und seiner pflichtschuldigen Fiebers willen das Bett hütete und erst nach Anbruch der Dunkelheit einen erfrischenden Ausritt unternahm, betrieb er innerhalb seiner Mauern mit Hast und aller Gewalt ein neues Rüsten.

Da wurde ihm zu Anfang des August, in später Nachtstunde, eine Botschaft gebracht, die ihn barfüßig aus dem Bett trieb und zu so wildem Jähzorn reizte, daß sich nun ein Anfall seines Erbübels ganz ehrlich bei ihm einstellte.

Sein Schwager Zollern hatte ihm sagen lassen: »Wehre dich mit eigenen Fäusten deiner Haut, wenn du glaubst, daß du noch immer fechten mußt! Mich erbarmt dieses schönen, deutschen Landes. Und der König will’s. Ich schließe Frieden. Willst du dir raten lassen und nicht den Zorn des Königs wider dich heraufbeschwören, so tue das gleiche! Meinst du es aufrichtig, so will ich Mittler sein zwischen dir und dem Loys.«

Jagenden Puls in den Adern, mit nackten Füßen, nur in einen Mantel gewickelt, tobte Herr Heinrich in den schlecht beleuchteten, schmucklosen Stuben seiner Burg umher, während man den geheimen Rat Nikodemus aus der Stadt heraufholte.

Die Zähne des Herzogs knirschten, die Nägel seiner Finger gruben sich in das Fleisch seiner zarten Fäuste, und die Augen traten ihm vor wie bei einem, den die Angst vor dem Tode rüttelt.

Sein wühlender Haß schon fast erfüllt! Seine Sehn sucht schon fast zur Wahrheit geworden! Das erdürstete Glück schon in den Händen! Jener ›Starke‹ mit der gebeugten Stirn und dem erloschenen Lachen schon fast in den Staub gedrückt! Und jetzt alles nur ein Halbes! Alles zunichte, allem die Kehle durchschnitten. Und ihm, diesem Schwachen und Kleinen, war wieder das Schwert aus der Hand gewunden — wie damals auf der dunklen Gasse zu Konstanz!

In der großen, vielfenstrigen Stube, vor deren Scheiben eine schöne Sommernacht mit funkelnden Sternen blaute, setzte sich Herr Heinrich unter keuchenden Atemzügen, die flehende Mahnung seines Kämmerers mißachtend, an den Tisch und begann zu schreiben.

Als Nikodemus kam, war die Antwort an Fritz von Zollern vollendet. Und Herr Heinrich war ruhig. Er reichte seinem geheimen Rat die Botschaft des Schwagers. »Lies!« Lächelnd schlüpfte er in die warmen Schlafschuhe, die ihm der Kämmerer gebracht hatte, und zog seinen schwarzen Mantel fester um das Hemd.

Nikodemus, als er gelesen hatte, sah den Fürsten erschrocken an. Der lachte leis und gab ihm die schief gekritzelte Antwort zu entziffern.

Man sah es dem Kahlköpfigen an den Augen an, daß er den Inhalt dieses Blattes nicht begriff.

»Wie heißt der letzte Satz?« fragte Herr Heinrich.

Nikodemus las: »So tue in deinem und meinem Namen, was ich als notwendig, hilfreich und redlich erkenne.«

Mit heiterer Spannung in den fieberglänzenden Augen fragte der Herzog: »Das verstehst du doch?«

»Nicht ganz.«

»Dann mußt du dich noch ein wenig besinnen. Treue Diener müssen die Gedanken ihres Herrn erraten. Siegle das Pergament! Und fort damit! Der Bote meines deutschen Schwagers wartet.« Herr Heinrich hatte das ›deutsch‹ wie ein spottendes Wort betont. Nun trat er zu einem Fenster hin. Da draußen dämmerte ein klarer Morgen. »Schön Wetter wird! Dieser gute König, der in Eilmärschen zu uns bösen Vettern kommt, um uns friedsam zu machen, wird feines Reisewetter haben.« Ein kurzes Lachen. »Ob Herr Sigismund, der sich um unseren Frieden bemüht, nicht besser Ursach hätte, den Frieden in seinem Ehebett herzustellen? So viele Hirsche habe ich in meinem Leben noch nicht geschossen, als Königin Barbara ihrem hohen Gemahl schon durch das schöngesalbte Lockenhaar springen ließ.«

»Auch Simson wurde betrogen.«

»Dann bin ich lieber ein Schwacher. Aber wahr ist’s, lernen kann man von diesem König. Er liebte zu sagen: ›Wer nicht zu heucheln weiß, versteht nicht zu regieren.‹ Ein gutes Wort! Seiner hab ich mich heut erinnert. Die Weisheit des Königs wird mir Früchte bringen. Gott soll’s wollen.« Während Herr Heinrich zur Türe ging, glitt sein heiterer Blick über die Spruchbänder an der weißen Mauer. »Heut hab ich an den Loys gedacht! Jetzt leg ich mich ins Bett. Guten Morgen, Nikodemus!« Dem Kämmerer befahl er: »Ruf mir den Medikus!« Unter seinem Mantel schauernd, trat er in den kahlen Korridor hinaus.

Vor der Schlafstube des Herzogs hielten zwei Harnischer mit blankem Eisen die Wache — ein langer, sehniger Mensch mit einer schweren weißen Narbe über das sonnengebräunte Gesicht herunter; der andere ein klobiges Mannsbild in wuchtigem Panzer, mit steinernen Zügen und heißen Augen. Diese beiden schienen bei Herzog Heinrich in hoher Gunst zu stehen, da er ihnen seinen Schlaf und sein Leben anvertraute. Er nickte ihnen freundlich zu. Und zu dem Mageren mit der schweren Narbe sagte er lustig: »He, du, mein Nüremberger Galgenvogel? Bist du gesund?«

»Nit ganz, Herr!« Der Harnischer lachte, doch etwas Mürrisches war im Klang seiner Stimme. »Faule Zeit vertrag ich nit recht.«

»Dann wirst du gesünder werden.« Herr Heinrich, sich streckend, legte dem anderen die Hand auf die eiserne Schulter. »Und du, Ramsauer? Warum dürsten deine Augen so heiß?«

»Weil ich sterben muß, wenn ich nit bald zu schaffen krieg.«

Der Herzog betrachtete die zwei. »Hätt ich tausend wie ihr beide seid, so würde Gott immer wollen, was mir wohlgefällt.«

In einem Schüttelfrost fingen ihm die Zähne zu schnattern an. Dabei kicherte er vergnügt vor sich hin: »Arbeit kommt. Wir kleinen Läuse wollen einen Stier umschmeißen.«

Es erschien der Leibarzt mit dem Heiltrank; hinter ihm zwei Diener mit der Essigschüssel und den Tüchern.

Bei der Schlafstubentüre des Herzogs gab es ein ruheloses Hin und Her. Im Nachtkleide kam die Herzogin Margarete gelaufen, Schreck in den Augen, und wollte eintreten. Aus der Stube hörte man die schnatternde Stimme des Herzogs: »Sei verständig, Gretl! Denk an das junge Leben in dir und bleib in deinem Bett. Und weck mir den Jungen nicht auf. Der soll schlafen. Hörst du?«

Links und rechts von der Schwelle standen die beiden Harnischer wie starre Eisenbilder. Solange sie auf Wache waren, durften sie nicht reden miteinander. Doch ihre Blicke hielten Zwiesprache. In dem Schwergepanzerten, unter dessen Eisenschaller das völlig weiß gewordene Haar herausquoll, schien eine wilde Freude zu wühlen; sie verzerrte sein steinernes Gesicht und war wie ein Brand in seinen Augen. Aus dem Blick des anderen, über dessen sonnverbranntes, in Leiden hager gewordenes Gesicht die schreckliche Narbe lief, sprach eine flackernde Ungeduld, in der sich Hohn und Sorge miteinander mischten.

Als der Morgen hell wurde, rasselte eine Ronde von sechs Harnischern, die ein ritterlicher Hofmann des Herzogs führte, durch den kahlen Gang herauf. Die zwei bei der Türe wurden abgelöst; dann die zwei alten Doppelsöldner vor dem Schlafzimmer der Herzogin und die zwei Gepanzerten vor der Stube des fünfjährigen Prinzen Ludwig.

Die Ronde der Abgelösten klirrte in den Schloßhof hinunter. Hier war es ruhig. Doch Hof- und Wehrgänge waren so dick mit Spießknechten, Armbrustern und Faustschützen besetzt, als wäre ein Angriff in jeder nächsten Stunde zu besorgen. Vor dem grauen Schatzturm — den Herr Heinrich den ›Sieger‹ nannte — bewachten vier Gepanzerte die schwer mit Eisen beschlagene Türe. Junge Weibsleute gingen mit leisem Schwatzen umher und verteilten an die Soldleute die Morgensuppe und den Frühwein.

Über eine Zugbrücke, unter der ein faules Wasser den weißblauen Himmel des erwachenden Tages spiegelte, kam die Ronde in den zweiten Burghof. Das gleiche Gewimmel von Waffen wie im Hof des Schlosses. Und ein Schwarm von Handwerksleuten kam zur Arbeit. Schweres Balkenfachwerk umhüllte den noch unvollendeten Hunds-Törring; der gewaltige Turm war bis zur dritten Schartenreihe gewachsen und sollte vollendet stehen, ehe der Winter käme.

Im dritten Burghof, wo die neugegossenen Hauptbüchsen Maul gegen Maul in zwei Reihen standen, waren die Schlafhäuser und Turmstuben der Trabanten und Doppelsöldner. Hier ging die Ronde der Abgelösten auseinander.

Die beiden, die vor der Schlafstube des Herzogs gestanden, traten in einen kleinen, alten Turm. In dem dunklen Stiegenraum umklammerte der Ältere den stahlgeschienten Arm des anderen. Eine rauhe Stimme: »Was uns der Herr vertraut hat, muß man verschweigen. Auch vor dem müden Buben da droben.«

»Ich hätt mir den Schnabel eh nit zerrissen!« gab der andere mürrisch zurück und wollte über die steile Treppe hinauf.

»Bleib!«

»Was willst?«

»Wer kann sagen, was kommt? Ich möcht nit haben, daß auch du noch saufen mußt — von meiner Treu. Du! Unter den Meinen der Beste. Besser, als ich selber bin. Und ich sah, du leidest. Ich mein auch, daß ich weiß, warum.«

Ein hartes Lachen. »So? Meinst? Könnt auch sein, daß du dich irren tust.«

»Ich irr mich nit. Willst du frei sein, so bist du’s. In meiner Seel wirst du bleiben, so lang ich leb. Jetzt kannst du dir noch allweil ein neues Leben machen. Das meinig ist aus, ich weiß nit, wann. Sobald der Streich gefallen ist, auf den ich wart! Ich mag dich nit mit hinunterreißen. Du sollst weiterschnaufen.«

»So? Weiterschnaufen? Da mußt du mich bleiben lassen. Magst du mich nimmer als Knecht, so laß mich bleiben als des Buben Bruder. Dich und den Buben hab ich. Sonst nichts. Das mußt du mir lassen. Komm! Auf der finsteren Stiegen wispern? Wir sind doch keine Liebesleut. Tät ich nit wissen, daß du nüchtern bist wie der Schloßkaplan vor der Frühmess’, so tät ich glauben: Du bist voll und hast einen Jammer. Komm! Und mach keinen Lärm! Der Bub muß Ruh haben. Die braucht er wie ein kranker Vogel die Federn. Tu fürsichtig auftrappen!«

Runotter nahm die Eisenschaller vom Kopf, legte den klirrenden Arm um den Nacken des Malimmes und preßte die Stirn an seine zerhackte Wange.

Vorsichtig stiegen sie über die drei steilen Treppen hinauf, die wie schmale Leitern waren.

Eine kleine Turmstube mit zwei Betten; drei Holzstühle und ein plumper Tisch bei dem winzigen Fenster; zinnernes Geschirr in einer Rahme; und an den Holznägeln der Mauer hingen die Kleider und das Waffenzeug.

Während Malimmes neben dem Herd die Rüstung lautlos von sich herunterschälte, trat Runotter in die Helle des Fensters. Mit den weißen, dünnen Haarsträhnen sah er aus wie ein Siebzigjähriger, der noch den Körper eines kraftvollen Mannes hat. Er legte jedes Wehrstück, das er von sich abtat, auf sein Bett hin. Malimmes kam mit nackten Füßen aus dem Herdwinkel und half. Dieses Jahr des Burgenbrechens, des Mordens und Brennens, der Gefahr und Mühsal, hatte den Bauernsöldner äußerlich kaum verändert. Nur ein bißchen mager war er geworden, und in dem sonnverbrannten Gesicht war die große Narbe jetzt wie ein weißer Kreidestrich. Noch immer war das Lachen um seinen Mund, doch mit einem Zug von Hohn und Starrheit. Und ein müdes Leiden dämmerte in seinen Augen.

Runotter ging auf die niedere Kammertüre zu.

Rasch fragte Malimmes: »Wär’s nit besser, du tatst dich schlafenlegen?«

»Ich muß das Kind sehen.«

»Höi, Bauer! Ich müßt viel! Und tu’s nit.«

Runotter zögerte. Dann griff er hastig nach der Klinke und trat in die Kammer. Ein Raum, der gerade ausreichte, um ein Bett, einen kleinen Tisch und einen schmalen Kasten zu fassen. Das Fenster ging nach Osten, von wo die kommende Frühsonne ein glimmerndes Feuerband über die Balkendecke hinwarf. Auf dem Gesimse standen drei Töpfe mit rotblühenden Blumen; sie sahen in der ersten Morgenglut der Sonne wie kleine, stille Flammen aus. Über dem Bett war ein plumpes Kreuzbild, mit Blüten und Grün geschmückt. Auf einem Sessel lag die bunte Kleidung eines Jungsöldners.

Jul, in einen braunen Mantel gewickelt, ruhte schlafend auf dem Bett, mit den Fäusten vor den Augen. Das dichte, langgewordene Haar umschleierte die heiße Wange und verhüllte die Schultern. Während Runotter neben dem Bette stand, schlief Jul noch immer weiter; doch als der schwere Mann die Kammer lautlos verlassen wollte, fuhr Jul mit dem Kopf und dem rieselnden Schwarzhaar vom Kissen auf. Dieser Kopf mit diesem Haar und den entrückten Augen war von ergreifender Schönheit, lieblich und dennoch erschreckend. Das strenge, schmale, sonngebräunte Knabengesicht hatte noch nie so deutlich den Zügen eines Weibes geglichen wie jetzt nach diesem Jahr der Reiterplage, nach dem Anblick alles kriegerischen Grauens, nach dem Miterleben des gehäuften menschlichen Jammers. In den großen, blauen Augen, die im Erwachen ratlos ein Ziel der Ruhe zu suchen schienen, brannte ein seelenkranker Blick, der wie das Träumen einer ekstatischen Nonne war.

»Gottes Gruß zum Morgen, Kind!«

Juls Augen, die noch immer nicht völlig erwachen wollten, irrten über die Mauern des kleinen Raumes hin und blieben verstört an dem gebeugten Manne haften. »Kommt schon wieder ein Tag?« Das klang, wie die Rettungslosen fragen: »Kommt der Tod?«

Bekümmert sagte Runotter: »Kind! Die Sonn ist da. Siehst du’s nit?«

Stumm schüttelte Jul den Kopf, und eine gramvolle Müdigkeit veränderte sein Gesicht.

»Ich bin schuld.« Runotter atmete schwer. »Der ander hat wieder recht gehabt, ich hätt deine Ruh nit stören sollen. Geh, tu noch weiterschlafen!« Er wollte die Kammer verlassen.

Da streckte Jul die zitternde Hand und flüsterte mit der Angst eines Kindes, das sich vor Gespenstern fürchtet: »Vater!«

Runotter kam, setzte sich auf den Rand des Bettes und faßte die glühenden Hände: »Um Gott, was ist denn mir dir?«

Und Jul, wie im Fieber: »Vater! Tu mich anschauen! Was siehst du an mir?«

»Was soll ich denn sehen?«

»Meine Stirn schau an! Siehst du da nicht, was anders ist wie sonst?«

»Du bist wie allweil.«

Ein tiefes Atmen, ein dumpfes Besinnen. Und dann die hastige Frage: »Vater? Sag mir, ob das sein kann?«

»Sein kann alles. Was meinst du?«

»Ob das sein kann? Daß man ein zwiefacher Mensch ist und ein doppeltes Leben hat? Das eine im traurigen Wachen und das ander — ich weiß nit, wann? Und ich weiß nit, wo?«

Runotter erschrak. Bevor er antworten konnte, befreite Jul. die zitternden Hände, warf sich auf das Lager hin und preßte unter ersticktem Schreikrampf das Gesicht ins Kissen.

Hilflos sah Runotter diesen zuckenden Körper im braunen Mantel an und ballte die Fäuste. »Aschacher? Wo bist du?«

Tappende Sprünge. Mit nackten Füßen, halb entkleidet, stand Malimmes am Bett, faßte den Jul an beiden Schultern, rüttelte ihn heftig und befahl: »Wie, Bub! Sei gescheit! Flink, steh auf!« Er lupfte ihn aus dem Bett heraus und stellte ihn aufrecht hin. »Jetzt tu dich waschen! Fest! Der Tag wird schön. Wir zwei, wir reiten ein paarmal in der Sonn um die Stadt herum.« Malimmes packte den Runotter am Arm und zog ihn aus der Kammer. »Komm, Bauer! Ich koch derweil, bis der Bub sich fertig macht!«

Gewaffnet, in bunten, schmucken Kleidern und im Funkelglanz der Stahlplatten, ritten Malimmes und Jul um die siebente Morgenstunde zum Tor hinaus. Der Falbe und der Jngolstädter schmiegten sich im Traben gegeneinander, und immer scherzte der eine mit der Schnauze nach dem anderen hin. In der Sonne schimmerte das Fell der Gäule, das am Hals und auf den Hinterbacken von vielen, weißgrauen Narben durchrissen war. — —

— Auf der gleichen Straße war im Grau des Morgens der Bote des Brandenburgers mit starkem Geleit davongeritten, gegen die Donau hinunter.

Fünf Tage später jagte dieser Bote von Nürnberg nach Ingolstadt.

Als er um die Mittagsstunde bei Herzog Ludwig einritt in den von heiterm Lärm und buntem Leben erfüllten Schloßhof, mußte er verwundert dreingucken, mußte lachen, mußte an Burghausen denken. Was er dort gesehen hatte, war die wache, schweigende, bis an die Zähne bewaffnete, des Angriffs harrende Kraft. Und hier — wo er das Elend und die Trostlosigkeit des Besiegten zu schauen erwartet hatte — hier lärmte und jubelte in der Mittagssonne aller farbige Leichtsinn des Lebens. Da war ein fröhliches Gewimmel von Jägern und Falknern, von huschenden Windspielen und kläffenden Jagdhunden, von scharlachfarbenen Einrössern und ritterlichen Herren in reichem Hofkleid, von Gauklern, Musikanten und geschmückten und geschminkten Weibern. In den großen Hallen, die den Hof umgaben, waren Tische zum Mahl gestellt. An gesonderten Tafeln hatten jene Fremdländer, die zu Herzog Ludwig gekommen waren, um Ritterschaft zu suchen, sich landsmännisch zusammengetan. Während die Tafelmusik den Lärm durchschrillte, wurde an dem einen Tisch französisch geschwatzt, am anderen italienisch; hier flämische Laute, dort das wunderliche Wortgesprudel der Ungarn. In einer Ecke der Halle saßen die Edelleute der Salzburgischen und Berchtesgadnischen Hilfstruppe.

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Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
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