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Kitabı oku: «Der Ochsenkrieg», sayfa 30

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Gleich einem Murmellied von vielen Stimmen gaukelt das Rauschen der Isar durch die stille Nacht und übertönt den Hufschlag der Pferde. Kleine Häuser und Hütten, die schon dunkel sind, stehen vereinzelt unter Stauden und Bäumen am Ufer des breiten Stromes, in dem die weißen Kiesbeete wie mächtige Linnenstücke schimmern. Mit dem Rauschen des Wassers mischt sich das Fauchen des kräftigen Nachtwindes, der kühl aus den Bergen kommt und die ersten welken Blätter von den Bäumen schüttelt. Im Wehen dieses Windes tönt von der Stadt ein verschwommener Hall, zehn Schläge einer großen Glocke.

Bei den Holzhöfen zwischen dem Glockenbach und der Isar klingen ein paar Männerstimmen. Hier sind zu dieser späten Stunde noch Menschen bei der Arbeit, heitere Menschen. Sie lachen, sie schwatzen lustig. Eine Jünglingsstimme trällert einen kecken Vierzeiler. Es sind Oberländer Flößer, die sich auf der Fahrt versäumten und ihre Flöße noch festlegen wollen. Nun steigen sie schwatzend über die Böschung des Ufers herauf, um die Herberge zu suchen. Verwundert gucken sie die vielen Reiter an, die neben dem Glockenbach aus den Sätteln springen. Freundlich grüßen sie: »Gut Nacht, ihr Herren!« Das ist das letzte Wort ihres fröhlichen Lebens. Ein Klingen von Eisen, klatschende Schläge, wehes Stöhnen und ein gräßlicher Schrei. Fünf blutende Körper rollen über steiles Ufer in das rauschende Wasser hinunter.

Hundert Reiter sind abgesessen. Zwei Feldbüchsen, unter deren Gewicht die Saumtiere gekeucht hatten, werden abgeladen und hastig aufgeholzt; ihre kopfgroßen Kugeln sollen Bresche in das Tor schießen; vierzig Gepanzerte spannen sich an die Zugstränge. Und Hauptmann Wessenacker sprengt von einem Reitertrupp zum andern und verteilt die Befehle zum Sturm auf das Angertor, das er für den Handstreich wählte, weil es unter den Toren Münchens das älteste und schwächste ist.

Da sieht er in der Gegend, aus der die siebenhundert gekommen waren, eine grelle Feuerröte gegen den Himmel steigen. »Teufel, was ist das?« Und dort, gegen Pasing hin, steigt eine zweite Feuersäule auf! Eine dritte! Eine vierte!

Im ›Milchwinkel‹ der Hauptstadt München brennen die Dörfer Germaring, Gauting, Pasing und Aubing. Wer hat den roten Hahn auf diese Hunderte von Dächern gesetzt? Ein feindlicher Zufall? Oder haben wider den strengen Befehl des Wessenacker die Nachzügler das Sackmachen und Brandschatzen schon vor dem Sieg begonnen? Oder ist Verrat im Spiel?

Der Hauptmann zittert vor Wut und findet in dieser brennenden Gefahr keinen Rat. Diese vier verfrühten Feuersäulen können für Herzog Ludwig zu einem bösen Irrtum werden. Sie lügen ihm vor, daß München genommen ist. Und der Ingolstädter Haupthaufe rückt sorglos in den schmalen Landsack ein, der zwischen den weglosen Sümpfen des Haspelmoors und des Dachauer Mooses liegt.

Boten schicken? Oder umkehren mit den siebenhundert Gäulen? Und den wachwerdenden Gegner hinter sich herziehen, gegen den Herzog hin?

Da quillt von der nahen Stadt ein dumpfes Summen und Tönen durch das Rauschen der dunklen Nacht. Die vier Feuersäulen, die immer höher zum Himmel lodern, haben das schlafende München geweckt.

Hauptmann Wessenacker — ratlos, wütend, halb verzweifelnd, halb an die Hilfe durch einen raschen Gewaltstreich glaubend — gibt den Befehl zum Angriff auf das Angertor.

Auf allen Kirchtürmen von München läuten die Glocken Sturm. Geschrei und Lärm durchrennt alle Gassen. Helle Feuer brennen auf. Grausen in Eisen wirbelt mit kleiner Komik im Hemde durcheinander. Und als die ersten Schüsse aus den Feldbüchsen des Wessenacker gegen das Tor und die Mauer krachen, sind alle Wehrgänge und Turmscharten schon besetzt mit vielen Hunderten von bewaffneten Bürgern. Aller Hader und Steuerzank zwischen dem Volk, der Stadt und seinen Fürsten ist vergessen. Volk und Fürsten sind in dieser Stunde der Gefahr verwachsen zu einem Körper, der sich grimmig und erbittert seiner Ehre und seines Lebens wehrt. Und in der gesunden Stadt ist kein Bürger mehr, der sich aus alter Anhänglichkeit des leutseligen Ingolstädters, seines heiteren Lachens und seiner fröhlichen Kraft erinnern möchte. Für sie alle ist Herzog Ludwig in dieser Nacht der böse Feind geworden, den man verfluchen und er schlagen muß.

Der Wessenacker mit den Seinen kämpft wie ein wütender Stier gegen den hauenden Löwen. Aber die Bresche, die er geschossen, ist ausgefüllt mit einer lebendigen Mauer von Bürgern in Eisen. Aus den Scharten der Wehrgänge regnet’s Bleikugeln, gefiederte Bolzen, kochendes Wasser und brennendes Pech. Und auf einem Wallturm arbeitet der Münchener Büchsenmeister Völschel mit zwei Trommelkanonen, die er in seiner Lehrzeit beim Kuen in Burghausen gießen lernte. Das Geschrei der Kämpfenden, das Glockenläuten, das Feuergeprassel, das Gerassel des Stahls und das Büchsenkrachen sind wie das Rauschen eines angeschwollenen Stromes, in dessen wildem Liede das matte Seufzen der Stürzenden versinkt.

Als der Morgen grauen will, ist der Boden in der Bresche des alten Tores mit einem hohen, festgestampften Pflaster von Leichen bedeckt. Ingolstädter und Münchener liegen verträglich durcheinander, kreuz und quer, mit verschlungenen Armen und verflochtenen Beinen. Aus den Wehrgängen schleppt man die verwundeten Bürger in die nahen Häuser. Und draußen, am Fuß der Mauer, im Stadtgraben und vor dem umstrittenen Angertor, da liegen die Getreuen des Loys in dicken Haufen, zweihundert friedlich Gewordene, mit zerbrochenen Gliedern, erstochen, erschlagen, vom siedenden Wasser verbrüht, von den flammenden Pechkränzen angefressen.

Noch immer will der Wessenacker nicht weichen. Der Gefahr seines Fürsten denkend, stoßt er immer wieder mit hundert Köpfen gegen die Eisenbrüste der Münchener.

Die Haufen der Bürger, die aus zwei anderen Toren herausfallen, fassen die Ingolstädter von beiden Seiten. Und von allen Dörfern in der Nähe der Stadt, gerufen durch das Sturmgeläut der Glocken, kommen die Bauern gelaufen, stechen mit Spießen und schlagen drein, mit Sensen, Drischeln und Morgensternen.

Beim ersten Blick der steigenden Sonne wendet Hauptmann Wessenacker den Gaul. Und die vierhundert von den Seinen, die noch laufen oder reiten können, taumeln hinter ihm her, gegen das brennende Pasing hinaus.

Tor und Mauer am Anger sind verwandelt zu Denkmalen auf dem Leichenacker dieses Morgens. Ein halbes Tausend liegt im Blute, stumm geworden oder noch stöhnend in Schmerzen. Doch fünfmal tausend, zehnmal tausend jubeln in trunkener Freude: »Sieg! Sieg! Sieg!« Die Männer lachen im Stolz der Tapferen, die Weiber und Mädchen umhalsen sich in den sonnig gewordenen Gassen, und auch die Kinder jubeln, ohne zu wissen warum — sie sehen’s bei den anderen und machen es nach. In dieser schreienden Freude hört man die paar hundert nicht, die weinen müssen.

Herzog Wilhelm, ein frommer und rechtschaffener Mann, den die Armen von München lieben, übernimmt es, die Stadt zu hüten und in der Bürgerschaft die Ordnung und Ruhe zu wahren. Herzog Ernst und sein Sohn, Prinz Albrecht, beginnen die Verfolgung des fliehenden Gegners. Mit ihnen ziehen die fürstlichen Söldner und die drei Bürgerhaufen unter ihren Hauptleuten Lorenz Schrenk, Franz Tichtel und Hans Pütrich; die siebenunddreißig Münchener Zünfte haben dreihundert Berittene und zwölfhundert Mann zu Fuß gestellt. Meister Völschel — ein dicker, lustiger Münchener, der für seine Heimatstadt die große ›Stachlerin‹, den ›Pecker‹ und vier Kammerbüchsen gegossen hat — reitet auf festem Gaul dem Trupp der zweihundert Faustschützen voraus; und hinter dem Stadtheer drängen die Schwärme der Bauern nach, die sich gesammelt haben aus zwanzig Ortschaften.

Diese Bauern wollen nicht in Reih und Glied marschieren, beim Marsche nicht Ordnung halten. Wenn’s losgeht wider die Loysischen Brandschatzer, möchten sie die ersten sein, die dabei sind. Und viele von ihnen haben ihre Herzöge noch nie gesehen; denen möchten sie einmal in die Augen schauen. Im Staubgewirbel, das den Flinkmarsch des Heeres begleitet, springen die Bauern von der Straße auf die Wiesen und Felder, rennen dem geschlossen marschierenden Zug der zünftigen Bürger voraus und schreien, schwingen die plumpen Waffen, schwenken die Hüte und umdrängen die unruhig werdenden Gäule der beiden Fürsten.

Der Hauptmann des herzoglichen Söldnerhaufens will das hindern und abschaffen. Doch Herzog Ernst befiehlt ihm: »Laß die Leute! Sie tragen ihr Blut und Leben zu uns. Daß der Untertan uns beschauen kann, ist das mindest, was wir dem Volk zu schenken haben.« Den jubelnden Bauern freundlich zunickend, reitet er hinter dem herzoglichen Banner her, das zwiefach im Geviert den Löwen und die blauweißen Rautenfelder zeigt. Er zwingt mit ruhiger Faust das scheuende Roß. Kraftvoll, ein Fünfzigjähriger, sitzt er fest im Sattel, obwohl sein Oberkörper in nachlässiger Haltung gegen die linke Hüfte hängt. Der mit Adlerfedern und dem Rautenflügel geschmückte Helm bedeckt einen wuchtigen Kopf. Das dicke Haar ist bräunlich, der starke Vollbart mit dem lang herunterhängenden Schnauzer ist dunkelblond. Blaue Augen glänzen unter dem aufgeschlagenen Helmvisier über die scharfgeschnittene Nase heraus. Der vorgeschobene Mund, obwohl er freundlich lächelt, gibt dem Gesichte ungerecht einen Zug von Härte und übler Laune.

Am Gürtel hängt das breite Schwert und daneben ein klobiger Streithammer. Über den Brüstling des Panzers geht eine Goldkette mit großem, blitzendem Rubin. Auf den roten, die Halsberge deckenden Samtkragen sind die Wappen der Städte von Bayern-München gestickt. Und der starre Waffenrock ist wie das Bannertuch gewürfelt mit den Rautenfeldern und dem silbergestickten Löwen.

An der Seite des Vaters, auf einem schweren Apfelschimmel, reitet Prinz Albrecht, der Einundzwanzigjährige, den das Volk den Schmucksten unter allen Fürstensöhnen des Reiches nennt. Auch wenn er nicht den gleichen Helm, die gleiche Wehr und den gleichen Waffenrock trüge wie Herzog Ernst, müßte er als ein verjüngtes Bild seines Vaters erscheinen, freundlich, gütig und kraftvoll. Er ist von jenen Menschen einer, die man liebt, weil sie leben und lächeln.

Die Bauern jubeln, haschen nach seiner Hand, schwatzen und scherzen mit ihm. Heiter gibt er Antwort und nickt ihnen zu. In dem drängenden Schwärme fällt ihm ein junger Bursch auf, gewachsen wie ein Frühlingsbaum, mit gesunden Gliedern, strotzend von Kraft und Leben, mit froh blitzenden Blauaugen und dickem Blondhaar, das um die heißen Wangen baumelt. Der Prinz sagt zum Herzog: »Schau, Vater! Was für Leut wir haben!« Er deutet auf den jungen Bauern, der ein altes, rostiges Langschwert über der Schulter trägt.

Herzog Ernst winkt den Bursch zu sich heran. »Wer bist du?«

»Ich bin aus Schwabing, Herr! Einer Stalzstößerin einziger Sohn.«

»Wie heißt du?«

»Michel Ungeraten.«

Der Herzog sagt: »Da hat das Schwabinger Kirchenbuch eine Dummheit gemacht. Ein so wohlgeschaffener Mensch sollt anders heißen. Halte dich tapfer, wenn es zum Schlagen kommt. Und ich gebe dir einen gerechten Namen.«

Der Bub schreit einen Jauchzer in die Sonne.

Und der Marsch geht weiter. Bei der Feuerstätte von Pasing, wo die halbverbrannten Hütten noch flackern und qualmen, gibt’s einen kleinen Aufenthalt. Männer und kreischende Weiber, die sich wie wahnwitzig gebärden, schleppen zwei Gefangene vor die Rosse des Fürsten hin. Das wären zwei von den feindlichen Brandschatzern; man hätte sie festgenommen, als sie in der Nacht das Feuer in die Kirche von Pasing warfen. Von den Weibern zetert eines: »Die sollt man in einen Ziegelofen schmeißen, daß sie am Tag verschmecken, wie den Bauern in der Nacht das Brennen tut!«

Der Herzog mustert die beiden, die in ihren Prügelwunden und blauen Malen schrecklich aussehen. Es scheinen fahrende Musikanten zu sein; der eine, klein und dick, hat eine zerfetzte Blatterpfeife um den Hals hängen, der andere, in dessen fahlem Gesicht die Augen scheu und angstvoll rollen, trägt auf dem Rücken eine verbeulte Laute.

Ruhig sagt der Herzog: »Strafen? Diese zwei? Die haben mitgeholfen, um uns zu wecken in der Nacht. Wir wollen diese Wohltäter mit Dank zurückschicken zu ihrem Herren.«

Da sprengen vier Kundschaftsreiter über die Straße her. Sie haben bei Freiham den fliehenden Feind entdeckt, der über Alling und Puechheim hinaus entrinnen und zwischen den weglosen Mooren die feste Landbrücke bei Olehing gewinnen will.

»Drauf und dran!« Mit diesem frohen Kampfschrei läßt Prinz Albrecht seinen Schimmel jagen.

»Jung! Sei bedächtig!« mahnt der Herzog. Aber da drängen schon alle Gäule dem Schimmel nach. Mitten in dem Reiterschwarme springen und hopsen keuchend die beiden Musikanten, jeder mit der Hand an einen Sattel gefesselt. Und hinter den Gäulen, von Staub umwirbelt, folgen im Laufschritt die drei Heerhaufen der Zünfte und das Gewirr der Bauern.

Bei Freiham, auf einer Wiese, sitzen Verwundete, die dem fliehenden Trupp des Wessenacker nimmer folgen konnten. Erschöpfte Menschen und niedergebrochene Rosse liegen in dem Buchenwald, durch den der Weg des rasselnden Reiterhaufens geht. Und als die Herzöge das breite, lange Wiesental des Starzelbaches erreichen, das sich beim Jägerhause von Hoflach aus bewaldeten Hügeln nach Norden gegen die Sümpfe des Dachauer Mooses hinzieht, sehen sie aus den Dächern von Puechheim und Alling, die der fliehende Wessenacker in Brand gesteckt, den Rauch und die Flammen aufgehen. Und weit da draußen, über tausend Schritte vom Hügel des Jägerhauses, gegen Olching hin, gewahren sie in der Mittagssonne das bunte, funkelnde, blitzende Gewirr eines großen, auf vierhalbtausend Helme zu schätzenden Heerhaufens, dessen gestaute Massen von zwei Seiten gegeneinander drängen und sich zu ordnen suchen.

Während die Flammen der Dörfer wachsen und von den Brandstätten das Jammergeschrei der Bauern und ihrer Weiber herüberschrillt, faßt Herzog Ernst den Gaul des Sohnes am Zügel. »Langsam, Brechtl! Das Ding wird ernst. Der Vetter Loys ist da. Er ist der Stärkere.«

»Wir sind die Besseren!« trotzt der Junge.

»Jetzt wirst du den Schnabel halten und dich gedulden.« Ruhig gleiten die Augen des Herzogs und rechnen und messen. Da drüben eine schwere Übermacht. Und ein Heerhaufe, dessen Kern aus einer geschulten Söldnertruppe und aus vielen Hunderten von ritterlichen Herren besteht, die aller Dinge des Krieges kundig sind. Herüben nur an die zwanzig adlige Leute, eine kleine Söldnerschar, dazu das bescheidene Heer der Städter, die gestern noch bei ihrem bürgerlichen Handwerk waren, und der regellose Schwarm der Bauern, die schlechtbewaffnet von der Drischeltenne gelaufen kamen. Doch hier der feste Boden, und für den Notfall die waldigen Hügel der Heimat als Deckung. Und die da drüben stehen auf feuchten, schlüpfrigen Wiesen, zwischen Dreck und Moos. Da drüben der übermütige Friedensbruch, herüben die ehrliche Notwehr, das stärkere Recht. »Mit Gottes Gnad! Wir wollen es wagen.«

Zwei adlige Herren des Hofes mit einem Trompeter reiten hinüber, um Herzog Ludwig von Ingolstadt zur Schlacht zu fordern. Vier Söldner begleiten sie und führen die zwei gefesselten Musikanten, die Herzog Ernst seinem gütigen Vetter Loys ›zurückerstattet‹, mit freundlichem Dank für den roten Weckruf dieser Nacht.

Während die Rauchfahnen der beiden brennenden Dörfer sich in der Sonne hinkräuseln über die welkenden Buchenwälder, nimmt Herzog Ernst mit zwanzig Trabanten seinen Stand auf dem Hügel, der das kleine Jägerhaus von Hoflach trägt. Von hier aus kann er das ganze Wiesental, das ein Schlachtfeld werden soll, und die Anordnung seines Heerhaufens überschauen.

In die Mitte des Treffens stellt er unter Führung des Prinzen Albrecht seine adligen Herren, die kleine Schar seiner Harnischreiter, die Berittenen der Bürgerschaft und den Kriegshaufen der ›schweren Zünfte‹, der Schmiede, Schlosser, Zimmerleute und Bräuer. Zur Linken und Rechten die Schwärme der Bauern. Beiderseitig ist das Treffen geflügelt durch die Armbruster und Leichtbewaffneten der Bürgerschaft, jeder Haufe gestützt durch hundert Faustschützen. Hinter dem Treffen steht ein Trupp von Nothelfern, deren Führung der Herzog sich vorbehält.

In dieser ernsten Stunde, während das Treffen sich ordnet, hört man plötzlich aus einem hinter Stauden versteckt liegenden Bauerngehöft das klägliche Schreien und drollige Glucksen eines Schweines, das abgestochen wird. Und da ruft der schmucke Michel Ungeraten mit seiner starken, lustigen Stimme in das ernste Schweigen hinein: »Die schlauen Luder denken halt: Selber schlucken macht fett. Und stechen die gute Sau noch ab, eh die Raubleut kommen.«

Über die Breite des Treffens rollt, jede Beklommenheit bezwingend, ein fröhliches Gelächter hin.

Auch Herzog Ernst — in aller Sorge, die ihn bedrückt — muß schmunzeln. Und heiter sagte er zu den Kriegsleuten, die ihn umgeben: »Müssen wir sterben, so ist unser Tod kein hartes Ding. Wir sterben mit Lachen.«

7

In dem großen Zelte, das man am Ufer der Amper mit aller Hast auf dem feuchten Bruchboden der Olchinger Wiesen errichtete, stehen die beiden Münchener Herren und ihre Gefolgsleute mit verbundenen Augen vor Herzog Ludwig. Und hinter ihnen zittern die zwei, dem gütigen Vetter Loys zurückerstatteten Musikanten.

Von draußen rauscht der wirre Lärm des gestauten Heerhaufens in das Zelt herein, dessen Tuchspalten verbrämt sind vom Glanz der Mittagssonne. Das Schreien und Fluchen, das Geklirr und Geknatter, das Stampfen und Keuchen der Gäule, die vielen Trompetenstöße, die von weit her Antwort erhalten — das alles klingt zu einer üblen Stimme zusammen. Der flüchtende Schwarm des Wessenacker, mit den Verwundeten und Erschöpften, mit den scheuen, keinem Zaum mehr gehorchenden Gäulen, verwirrte den Aufmarsch des Ingolstädter Haupthaufens, dessen Nachhut und Karrenwurm sich auf der Straße von Geiselbullach noch weit hinauszieht gegen Feldgreding und Dachau hin. Bis die Nachzügler eintreffen, wird’s noch eine Stunde dauern; sie können nur langsam, nur in dünner Zeile marschieren; bei jedem Schritt, der hinausgeht über die schmale Straße, tappt der Fuß in den nassen Filzboden, den von der einen Seite das Dachauer Moos, von der anderen das stundenlange, den trägen Lauf der schwarzen Maisach geleitende Haspelmoor heranschiebt.

Immer lauschte Herr Ludwig hinaus in diesen bösen Lärm. Etwas Grauenvolles wühlte in seinem zornroten Gesicht. Im Schimmer seiner französischen Rüstung saß er auf einem Feldsessel. Ein Dutzend von seinen Freunden und Hauptleuten war um ihn her. In einem Winkel des Zeltes nähte des Herzogs Leibarzt dem rotgefärbten Wessenacker die Wunden zu. Und gesondert von den anderen — auf einer kleinen Truhe, die Ludwigs Feldschatz, die Kleinode seiner Herzogswürde und sein Majestätssiegel enthielt — auf dieser Truhe saß mit lang übereinander geschlagenen Beinen eine wunderlich sinnwidrige Gestalt aus Silber, Gold und bunten Farben: Prinz Höckerlein, für den Kampf gerüstet. Er schien die zwei Musikanten nicht zu sehen. Mit ruhigem Lächeln betrachtete er bald die Münchener Herren, bald den Vater. Der schwieg und biß die Zähne übereinander, sah immer den einen der beiden Musikanten an, der die verbeulte Laute hinter dem Rücken trug, und nun plötzlich drehte der Herzog das Gesicht und musterte mit einem funkelnden Zornblick seinen Sohn.

Da sagte einer der Münchener Herren, während er den Kopf mit der Augenbinde unmutig gegen den Nacken legte: »Euer Gnaden lassen uns lang auf Antwort harren. Mit der Tapferkeit und den ritterlichen Sitten, die man Euch nachrühmt, ist das übel zu vereinen.«

»Du!« Herzog Ludwig sprang vom Sessel auf. »Nimm das Maul nicht so voll. Und deinen zwei Fürsten sagt, sie sollen des Fechtens heute noch satt werden. Ich hoffe, sie haben für flinke Gäule gesorgt. Die werden sie brauchen.« Er machte einen Wink mit der Hand. Und als die Münchener Herren aus dem Zelt geführt waren, sagte er in wühlender Erregung zu seinen Hauptleuten: »Wir müssen Zeit gewinnen. Man soll die Münchener Kindlein mit verbundenen Augen im Kreis herumführen, bis sie die Geduld verlieren. Alles andere ist beredet. Dieses München, das meiner vergaß, soll merken, wer ich bin. Ich will rote Hochzeit mit ihm halten.« An seiner kostbar inkrustierten Rüstung zerrte er eine Schnalle auf, als wäre der Stahl für seine Brust zu eng geworden. »Von den Frauen, die ich genommen, hat sich noch keine als sturmfest erwiesen. Sie starben an meinen Umarmungen. So soll München fallen, wenn ich es umklammere. Jeder an seinen Platz! Mit Gott, meine Treuen! Helft mir! Und ich will’s euch danken.« Er reichte jedem die Hand; den Prinzen übersah er.

Die Herren verließen das Zelt — nur der Wessenacker blieb und ließ sich den nackten Oberkörper mit den nötigen Pflastern belegen. Auch Prinz Ludwig tat so, als wollte er sich mit den Hauptleuten entfernen.

»Mein Seelenwürmchen?« Herr Ludwig lachte in galligem Hohn. »Willst du nicht bleiben?«

»Gerne, lieber Vater! Wenn du mich duldest in deiner Nähe?« Der Bucklige setzte sich wieder auf die Truhe hin.

Der Herzog riß abermals eine Schnalle seiner Rüstung auf. Und schrie: »Wo ist der Wolfl?«

Aus der Zeltkammer, in der man zwei Hunde winseln hörte, huschte der Kämmerer Graumann heraus. Er sah, daß dem Herzog etwas an seiner Rüstung nicht taugte, und wollte zugreifen.

Mißtrauisch, mit groben Fäusten, packte Herr Ludwig den Greis an den Handgelenken. »Wolfl? Bist du auch schon falsch? Hab ich von denen, die in meinem Hause waren, nur meine zwei Hunde noch?«

»Herr!« Dem Alten wurden die Augen naß.

Da sagte der Herzog rasch: »Verzeih mir!« Er küßte ihn auf die Wange. Nun war er ruhig. »Mein guter Wolfl, heut muß ich mich wehren um mein Leben. Schnalle mir diesen glitzrigen Pariser Dreck herunter! Und gib mir die blaue deutsche Rüstung, die mir meine Ingolstädter schenkten! Und giß mir das schwerste von meinen deutschen Schwertern!«

Im Winkel des Zeltes brummte der Wessenacker: »Gott sei Dank!«

Das hörte Herr Ludwig nicht. Während Wolfl die Arbeit begann, sah der Herzog immer die zwei Musikanten an, die, grau von Staub, mit ihren verprügelten Köpfen und den blutig zerkratzten Gesichtern zitternd neben dem Spalt des Zeltes standen. »Du!« Er meinte den kleinen Dicken mit der zerfetzten Blatterpfeife. »Dich kenn ich nicht. Was gehst du mich an? Auf Erden gibt’s viele Menschen, die keine Ursach haben, mir treu zu sein. Spring zu den Dunklen, die dich bezahlen für dein leuchtendes Feuerwerk von gestern. Mach, daß du weiterkommst!« Wie eine Ratte, die der Falle entronnen, surrte der Dicke durch den Spalt des Zeltes hinaus. »Aber du?« Herr Ludwig nickte gegen den Lautner. »Warum bleibst du heute so fern? Sonst warst du doch immer sehr nahe bei mir. Komm her! Oder hast du Angst? Vor mir? Hab ich dir nicht tausendmal bewiesen, wie gütig ich sein kann?«

Zitternd machte der Lautner ein paar taumelige Schritte, während das Gesicht des Prinzen, der lächelnd in seiner Mißgestalt auf der Truhe saß, eine gelbliche Färbung bekam.

Der Herzog sah den hinkenden Musikanten an. »Wahrhaftig! Das Gehen wird dir sauer. Warum bist du mit dem rätselhaften Dorn in deinem Fußballen nicht daheimgeblieben? Um mir den Verläßlichsten meiner Verläßlichen wieder gesund zu machen? Warum nicht, mein treuer Nachtigall?«

In einem Schreck, der zum Verwechseln einer Wahrheit ähnelte, sprang Prinz Höckerlein von der Truhe auf. »Vater! Um Christi Barmherzigkeit! Der da? Dein Peter Nachtigall? Jetzt erkenn ich ihn erst! Gott, Gott, ich sorge, er hat was Böses getan. Laß ihn in Ketten legen! Laß ihn verwahren —«

»Schweige!« schrie Herr Ludwig. »Gestern hat dir mein treuer Peter keinen Sperber vergiftet. Gestern hat er nur mir einen Tropfen Gift ins Leben geschüttet. Wem zuliebe?«

Da sagte der Bucklige sanft: »Mein treuer Vater ist seiner Sinne nicht mächtig und redet, er weiß nicht was.« Während er sich gegen die Truhe hindrehte, warf er einen beruhigenden Augenwink zu dem zitternden Musikanten hinüber.

Der atmete auf und fing von seiner Ehrlichkeit zu reden an. Ein Dorn, den man sich in den Fußballen trat, kann ausschwären. Freilich, das Gehen bleibt eine schmerzhafte Sache. Aber reiten kann man. Und da reitet man mit einem guten Gesellen durch Tag und Nacht zu seinem Herrn, auf dem kürzesten Wege. Und da sieht man bei München die Dörfer brennen. Und da muß man glauben: Wo die Flammen aufsteigen, ist unser Herr, unser siegreicher Fürst! Man reitet auf diese weisenden Feuer zu. Aber die dummen Bauern! In ihrem Grimm und Wahnsinn fassen sie zwei Unschuldige.

»Wessenacker?« Herr Ludwig, dem der Kämmerer die blauen Stahlplatten der deutschen Rüstung um den hohen, kraftvollen Körper schnallte, stieß einen lachenden Laut vor sich hin. »Klingt das nicht so bieder, als war es auf Münchener Malzboden gewachsen? Und darf ich diesem Menschen zürnen? Hundertmal befahl ich ihm, als Meister für mich zu lügen. Jetzt lügt er als Meister wider mich. Sancta justitia!«

»Ach, gnädigster Herr! Wollt Ihr meinen ehrlichen Worten nicht glauben«, flötete Nachtigall, »so laßt meinen blutigen Schädel für meine Unschuld reden! Den hab ich den wütigen Bauren geduldig hingehalten, daß sie mir nit das Lautenspiel beschädigen. Schauet, Herr! Mein Spiel hab ich mitgenommen. Weil ich doch als Halbgenesener hergeritten bin, um meinem Herren für müde Lagerstunden eine Kurzweil zu bringen, wie er sie lieb hat!«

Bei diesem Beweise, der sieghaft hätte werden können, vergriff sich Meister Nachtigall im Ton. Und Herzog Ludwig packte die verbeulte Laute, riß sie vom Band und schlug sie dem Musikanten von rechts und links um die Ohren, daß die Saiten kreischten und der hohle Holzbauch in Scherben ging. Den Halsstumpf mit den geringelten Stahlfäden schleuderte er gegen die Zeltwand. Bei dieser Gewalttätigkeit schien sein wühlender Zorn sich völlig entladen zu haben. »Peter!« sagte er ruhig. »Bei allem hast du noch Glück! War ich die kluge Laus von Burghausen, so ließe ich dich jetzt auf die spanische Bank legen, bis du redest, was wahr ist. Aber dein Glück erkor dich zu einem Getreuen des dummen Stieres von Ingolstadt. Tausend Stunden Hast du mir schön gemacht. Ich kann dich nicht ermorden um einer einzigen willen, die mir häßlich wird. Geh mir aus den Augen! Und suche den verschwundenen Laitzinger! Den auf einem süßen Botenweg die Straßenräuber erschlugen — wie mein zärtlicher Herzkäfer vermutet.«

»Glaubt mein geliebter Vater, daß es anders wäre?« fragte der Bucklige unter aufatmendem Lächeln, während Peter Nachtigall seine blutenden Ohren flink aus dem Zelte hinaustrug.

In der blaublinkenden Rüstung trat Herzog Ludwig vor den Prinzen hin. »Was du getan hast, weiß ich nicht.« Aus seinen Augen sprach eine schwere Trauer. »Ich weiß nur, es war ein schlechtes Ding. Und ich spüre, daß mir die Münchener Vettern, noch ehe die Schlacht begann, einen mörderischen Streich versetzten.« Er preßte die zitternden Fäuste auf den Panzer. »Verraten werden? Das ist, seit Jesus sterben mußte, kein allzu hartes Ding. Man sollt es nur nicht erfahren. Das ist das Harte.«

Auch Hauptmann Wessenacker war wieder in den Stahlmuscheln seiner mit Dullen besäten Rüstung. Er sagte ernst: »Herr! Um der Ehre Eures fürstlichen Sohnes willen hättet Ihr den Nachtigall nicht so barmherzig entlassen dürfen.«

Da knirschte der Herzog: »Ich hab’s getan, weil ein meineidiger Knecht nicht zeugen soll wider meinen einzigen Sohn und Erben.«

»Dein einziger Erbe? Ja, Vater!« Prinz Ludwig richtete sich auf. »Dein einziger Sohn? Stimmt das?« In den Augen des buckeligen Knaben war ein kalter und böser Blick. »Da du immer von anderen die Wahrheit willst, solltest auch du bei der Wahrheit bleiben.«

Der Herzog lachte. »Du? Bist du mein Blut? Oder bist du der Sohn eines Kochs?« Er faßte den Wessenacker am Arm und zog ihn vor den Prinzen hin. »Sieh dieses verbogene Geschöpf an! Das nur mein Erbe sein will. Und sag mir, ob es denkbar ist, daß mich der da verraten hat?« Er atmete schwer. »Wenn’s nicht Wahrheit wäre, daß die Salzacher Laus daheim in ihrem Pelze sitzt und durch den Zollern um Frieden bettelt, so müßte ich glauben — —« Herr Ludwig biß die Zähne übereinander. »Nein! Ich mag’s nicht sagen. Wer einen schlechten Gedanken ausspeit, macht die Welt unsauber.« Er stülpte den Helm über die Kettenhaube. »Komm, Wessenacker! Kampf ist ein Wille Gottes. Sonst hätte der Himmlische die Menschen ohne Falsch erschaffen.« Ruhig sagte er zu seinem Sohne: »Gott allein soll zeugen für oder wider dich. Mit meinen Einrössern stell ich dich in die erste Reihe des Treffens. Da soll sich erweisen, ob du schuldlos bist. Wie Gott dich zeigt in dieser Schlacht, so stell ich dich morgen zu München vor deine Richter, die ich aus Heer und Volk berufe.«

Lächelnd sagte Ludwig Höckerlein: »Dann bin ich morgen ein Gereinigter.«

Ohne zu antworten, ging der Herzog aus dem Zelte. Wolfl Graumann trug ihm das schwere Schwert und die mit Stahl geplatteten Handschuhe nach.

Der Prinz guckte den Medikus an. »Ich bin gesund. Um meintwillen brauchst du nicht zu bleiben.« Er rief mit scharfer Stimme zwei Namen. Während der Medikus davonging, kamen aus der Zeltkammer zwei Diener gesprungen, ein junger und ein alter. Erschrocken sahen sie, wie Prinz Ludwig den Deckel der Truhe öffnete, den kleinen Lederbeutel mit des Herzogs Majestätssiegel herausnahm und unter dem Brüstling des höckerigen Panzers verwahrte.

Der Alte flüsterte zitternd: »Herr! Ihr rennet in Euer Verderben! Laßt Euch raten, schauet mein weißes Haar an, Alter macht das Gehirn hellsichtig.«

»Aber die Lenden schlaff und das Feuchte in der Nase trocken. Die Kräfte fallen aus, aber in den Ohren wachsen die Haare.« Ludwig Höckerlein war heiter. »So seh ich es an meinem Vater und an dir. Drückt dich dein Gewissen, so beichte morgen. Heut ist Arbeitstag. Sobald die letzte Dummheit meines Vaters da draußen anfängt, schafft ihr den Wolfl beiseite. Dann alles, was da in der Truhe ist, auf meine Troßtiere! Und fort! Nehmt die Straße nach Emmering. In den Stauden des Buchenwaldes sollen mich zwei von den Meinen mit vier guten Gäulen erwarten. Ihr mit den Troßtieren flink voraus, über Bruck nach Augsburg! Dort verbergt ihr euch —« Prinz Ludwig sah mit funkelnden Augen in die Truhe, »bis ich diese schönen Dinge von euch fordere. Ein Drittel des gemünzten Goldes ist euer. Und bin ich Herzog, so seid ihr die Besten unter den Meinen.« Seine Stimme bekam einen klagenden Ton. »Ich fürchte, mit meinem törichten Vater geht’s hinunter. Vielleicht schon heute. Kluge Menschen halten sich an jene, die emporkommen. Aber tut, was ihr wollt. Wenn ich die Krone trage, laß ich meine Feinde hängen.« Er klappte lautlos an der Truhe den Deckel zu. »Geht, ihr Treuen! Gott wird euch segnen.« Die beiden blieben ratlos noch immer stehen. »Der Wolfl kommt.« Da sprangen sie flink in die Zeltkammer hinaus, und lächelnd wandte Prinz Ludwig das Gesicht.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
700 s. 1 illüstrasyon
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