Kitabı oku: «Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen», sayfa 6

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2.3.5 Konklusion: Tempus und Aspekt aus einer sprachvergleichenden Perspektive

In diesem Kapitel wird zusammengefasst, wie das Deutsche, das Englische, das Lateinische, das Französische und das Spanische die für diese Arbeit relevanten semantischen Konzepte versprachlichen, und inwiefern es Einschränkungen bezüglich der Kombination mit lexikalischem Aspekt gibt (siehe Tabelle 8). Weder das englische present perfect noch das spanische perfecto compuesto werden in die Tabelle aufgenommen, da sie nicht Teil der Opposition perfektiv/imperfektiv sind. Aus diesem Grund werden sie auch im Laufe der Arbeit nicht weiter thematisiert.

Beim Präteritum und beim Perfekt handelt es sich um zwei Formen, deren Grundbedeutung keine aspektuelle Information beinhaltet. Sie können mit allen lexikalischen Aspektklassen kombiniert werden. Das englische simple past wurde als aspektneutrale Form beschrieben und drückt damit primär temporale Vorzeitigkeit aus. Es kann ebenfalls mit allen lexikalischen Aspektklassen verbunden werden. Das past progressive hingegen kann nur mit nicht statischen Prädikaten kombiniert werden und drückt primär Progressivität aus.

Die Unterscheidung zwischen perfektiv/imperfektiv findet sich sowohl im Lateinischen als auch im Französischen und Spanischen. Die entsprechenden perfektiven Formen (das lateinische Perfekt, das passé simple/passé composé und das perfecto simple), besitzen das semantische Merkmal [+ perfektiv]. Der andere Teil der Opposition, der imperfektive Aspekt, drückt sowohl die habituelle als auch die kontinuative und die progressive Semantik aus. Alle Formen können mit allen lexikalischen Aspektklassen verbunden werden und unterliegen keinen Einschränkungen. Die Progressivperiphrasen être en train de und estar + gerundio drücken wie die englische Periphrase primär progressive Bedeutung aus und können nur mit nicht statischen Prädikaten kombiniert werden. In Tabelle 8 findet sich eine zusammenfassende Darstellung, in der beschrieben wird, welche aspektuellen Grundbedeutungen Bestandteil der entsprechenden Formen sind. Darüber hinaus wird auf die möglichen Kombinationen mit den drei lexikalischen Aspektklassen eingegangen und jeweils ein veranschaulichendes Beispiel geliefert:1


Sprache Form Aspektuelle Semantik Komb. lexikal. Aspekt Beispiele
Deutsch Präteritum/ Perfekt [+ STA] Ich war/bin gewesen
[+ AKT] Ich sang/habe gesungen
[+ TEL] Ich überquerte/habe überquert
Englisch simple past [+ STA] I was
[+ AKT] I sang
[+ TEL] I crossed
past progressive [+ PROG] [+ AKT] I was singing
[+ TEL] I was crossing
Latein Perfekt [+ PERF] [+ STA] fui
[+ AKT] cantavi
[+ TEL] transivi
Imperfekt [+ HAB] [+ KONT] [+ PROG] [+ STA] eram
[+ AKT] cantabam
[+ TEL] transibam


Sprache Form Aspektuelle Semantik Komb. lexikal. Aspekt Beispiele
Französisch passé simple/passé composé [+ PERF] [+ STA] Je fus/j’ai été
[+ AKT] Je chantai/j’ai chanté
[+ TEL] Je traversai/j’ai traversé
imparfait [+ HAB] [+ KONT] [+ PROG] [+ STA] J’étais
[+ AKT] Je chantais
[+ TEL] Je traversais
être en train de [+ PROG] [+ AKT] J’étais en train de chanter
[+ TEL] J’étais en train de traverser
Spanisch perfecto simple [+ PERF] [+ STA] Fui
[+ AKT] Canté
[+ TEL] Crucé
imperfecto [+ HAB] [+ KONT] [+ PROG] [+ STA] Era
[+ AKT] Cantaba
[+ TEL] Cruzaba
estar + gerundio [+ PROG] [+ AKT] Estaba/estuve cantando
[+ TEL] Estaba/estuve cruzando

Tab. 8:

Tempus und Aspekt in den Einzelsprachen

3 Grundlegende Theorien, Modelle und Hypothesen des Zweit- und Drittspracherwerbs

Nachdem in Kapitel 2 die sprachlichen Phänomene beschrieben wurden, die in der vorliegenden Arbeit untersucht werden, wird in diesem Kapitel auf die Grundlagen der Zweit- und Drittspracherwerbsforschung eingegangen. Aufgrund der Fülle an Theorien, Modellen und Hypothesen ist es nicht möglich, alle detailliert zu betrachten. In den nachfolgenden Unterkapiteln werden daher nur diejenigen Aspekte behandelt, die für ein Verständnis des vorliegenden Werkes wichtig sind. Es wird zuerst ein kurzer Überblick über kognitivistische Ansätze der Zweitspracherwerbsforschung gegeben. Danach werden die Begrifflichkeiten des expliziten und impliziten Lernens bzw. des expliziten und impliziten Wissens voneinander abgegrenzt. In Kapitel 3.3 wird eine Beziehung zwischen diesen Lernprozessen und den deklarativ-prozeduralen Modellen von Ullman (2001) und Paradis (2009) hergestellt. Im Anschluss daran wird dargelegt, warum es wichtig ist, zwischen dem Erwerb einer L2 und jenem einer L3 zu unterscheiden. Die Argumentation beruht im Wesentlichen auf dem Faktorenmodell von Hufeisen (2000).

3.1 Kognitivistische Ansätze der Zweitspracherwerbsforschung

Unter dem allgemeinen Terminus der kognitiven Zweitspracherwerbsforschung werden in der vorliegenden Arbeit alle Ansätze zusammengefasst, die nicht davon ausgehen, dass Spracherwerb auf einem angeborenen genetischen Modul beruht. Dementsprechend ist der Erwerb von Sprache untrennbar mit allgemeinen kognitiven (Lern-)Prozessen verbunden (für einen Überblick über die unterschiedlichen Strömungen vgl. VanPatten/Williams 2015 oder Schmidt 2010). Diese Prozesse, die sowohl dem L1- sowie dem L2-/L3-Erwerb als auch sprachunabhängigen Lernvorgängen zugrunde liegen, können basierend auf neurobiologischen Erkenntnissen relativ gut nachgezeichnet werden. Ein Reiz trifft über die unterschiedlichen Sinne auf die entsprechenden Rezeptoren, welche die Informationen an die Neuronen weiterleiten. Dort wird er durch die Dendriten aufgenommen und über das Axon, an dessen Ende sich die Synapsen befinden, an das nächste Neuron weitergeleitet. Diese Informationsweiterleitung erfolgt dadurch, dass das Neuron durch den Reiz aktiviert wird, wodurch ein Ladungsunterschied entsteht, der im Anschluss in Form eines elektrischen Impulses mithilfe von Neurotransmittern an das nächste Neuron weitergegeben wird. Durch ein derartiges Eintreffen von Reizen werden die Synapsen aufgebaut. Dabei spricht gleicher Input die gleichen Neuronengruppen an, die dadurch eine stabile Verbindung eingehen und die Wissensbestände im Cortex als neuronale Netzwerke speichern. „Lernen heißt also […], dass zwischen bestimmten Neuronen – aufgrund von wiederholten Reizen – eine feste Verbindung mithilfe der Synapsen aufgebaut wird“ (Grein 2013: 14; für einen einführenden Überblick vgl. ebd.: 8–18).

Im Hinblick auf das Sprachlernen bedeutet dies, dass wiederkehrende sprachliche Strukturen als solche registriert werden, was zu einer Stabilisierung und Automatisierung in der Verarbeitung führt (vgl. Behrens 2009: 433–435). Dieser von Vertretern gebrauchsbasierter Ansätze (en. usage-based approaches; für einen allgemeinen Überblick vgl. Behrens 2009; Cadierno/Hijazo-Gascón 2014; Ellis 2005, 2013, 2015; Ellis et al. 2015; Ellis/Wulff 2015) auch als entrenchment bezeichnete Prozess wird von der Frequenz einer sprachlichen Struktur beeinflusst (auch Form-Bedeutungs-Paar oder Konstruktion; vgl. Goldberg 1998; Goldberg/Suttle 2010): Je häufiger eine Konstruktion im Input auftritt, desto stärker bildet sich die neuronale Bahnung aus, was gleichzeitig bedeutet, dass die Konstruktion leichter gelernt und im Gedächtnis abgespeichert wird. Des Weiteren steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie als Prototyp fungiert und beim Lernen neuer Konstruktionen als Musterbeispiel herangezogen wird (vgl. Ellis et al. 2015: 166–169; Ellis/Wulff 2015: 418–421). Diese prototypischen Musterbeispiele (z. B. {-ed} in wanted für [+ vorzeitig]) dienen als Ausgangspunkt für das Lernen neuer Konstruktionen (z. B. worked, lived etc.), wobei letztere kontinuierlich mit den prototypischen Musterbeispielen abgeglichen werden: Die formalen und funktionalen Elemente, die sich nicht wiederholen, werden herausgefiltert, während die rekurrenten Elemente als Teil der Kategorie erkannt und als solche abgespeichert werden (vgl. Behrens 2009: 433–435). Durch diesen Vorgang kann die Funktionsweise abstrakter Regeln gelernt werden (z. B. {-ed} als Marker für Vorzeitigkeit).

Für das Lernen einer sprachlichen Struktur spielen neben der Frequenz auch deren Salienz und Redundanz eine wesentliche Rolle. Beispielsweise werden saliente Konstruktionen schneller gelernt als nicht saliente. Häufig sind auch Erwerbsschwierigkeiten auf eine niedrige Salienz zurückzuführen (vgl. Ellis/Wulff 2015: 420). Dies ist dann der Fall, wenn beispielsweise ein grammatisches Phänomen mit einer anderen salienteren Form in Konflikt tritt und darauffolgend vom Lernenden als redundant wahrgenommen wird. Eine solche Kombination von niedriger Salienz und Redundanz kann sogar dazu führen, dass eine Konstruktion überhaupt nicht erworben wird (vgl. ebd.). Ein Beispiel für diesen Vorgang sind Erwerbsschwierigkeiten bezüglich der Flexionsmorphologie, die vor allem dann auftreten, wenn die Morpheme von sehr salienten Adverbien begleitet werden. Im Hinblick auf den Erwerb von Tempus und Aspekt könnte eine Fokussierung von temporalen Adverbien beispielsweise dazu führen, dass Lernende die entsprechende Morphologie nicht ausreichend beachten und sie dementsprechend langsamer oder im Extremfall gar nicht erwerben.

Prinzipiell sind diese allgemeinen Lernprozesse sowohl für den Erwerb einer L1 als auch für den einer L2 ähnlich. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings darin, dass im L2-Erwerb das Sprachsystem der L1 schon vorhanden ist. Dieses wird während des Erwerbs der L1 auf die Bedürfnisse und die Systematizität der entsprechenden Sprache eingestellt. Beispielsweise fokussieren L1-Sprecher einer Aspektsprache eher die unterschiedlichen Phasen einer Handlung im Verlauf, wohingegen Sprecher einer Nicht-Aspektsprache primär die Endpunkte derselben betrachten (vgl. Bylund/Athanasopoulos 2015: 4; siehe Kapitel 5.2.1). Diese Aufmerksamkeitsprozesse werden im L1-Erwerb gelernt, weshalb Ellis (2015: 12) auch von gelernter Aufmerksamkeit spricht. Die Aufgabe des L2-Lerners ist es nun, die Aufmerksamkeitsstrukturen der L1 an das L2-System anzupassen (vgl. auch Slobins 1996 thinking-for-speaking-Hypothese in Kapitel 4.3.4):

Learning a language, then, means learning these various attention-directing mechanisms, which requires L1 learners to develop an attentional system in the first place, and L2 learners to reconfigure the attentional biases of having acquired their first language (Ellis/Wulff 2015: 422).

Explizites/bewusstes Wissen kann förderlich sein, Unterschiede zwischen dem L1- und dem L2-System ins Bewusstsein zu rufen, was beim Neu-Lernen der genannten Aufmerksamkeitsprozesse helfen kann. Laut Ellis (2005: 324) ist dies gerade für den Erwerb von nicht salienten und nicht prototypischen Konstruktionen hilfreich. Schmidt (2001: 23) geht sogar davon aus, dass eine derartige bewusste Wahrnehmung eine notwendige Voraussetzung für den erfolgreichen Erwerb einer L2 ist. In der Forschungsliteratur ist dies allerdings durchaus umstritten.

Schmidt (1990: 131–133) unterscheidet diesbezüglich drei Grade von Bewusstheit (en. awareness): Wahrnehmen (en. perception), Bemerken (en. noticing) und Verstehen (en. understanding; vgl. auch Schmidt 2001: 5). Die Wahrnehmung eines Reizes kann durchaus unbewusst stattfinden, wohingegen das Bemerken mit einem gewissen Grad an Bewusstheit verbunden ist, auch wenn dies nicht zwangsläufig mit der Fähigkeit einhergeht, das Bemerkte zu verbalisieren (vgl. Schmidt 1990: 131–133). Diese Unterscheidung ist von großer Bedeutung, da im Laufe der vorliegenden Arbeit immer wieder von Wahrnehmung gesprochen wird. Es sei deshalb noch einmal betont, dass Wahrnehmung sowohl unbewusst als auch bewusst stattfinden kann. Der dritte von Schmidt genannte Bewusstheitsgrad bezieht sich auf das Verstehen im Sinne eines metasprachlichen Bewusstseins. Dieser Prozess baut auf jenem des Bemerkens auf und ist die Grundvoraussetzung für die Analyse, den Vergleich und die Reflexion über Sprache, was schlussendlich zu dem expliziten Verständnis einer abstrakten Regel und damit zu einem ausgeprägten metasprachlichen Bewusstsein führt. Laut Schmidt (2010: 721–726) kann der Prozess des Verstehens das Lernen eines sprachlichen Phänomens zwar erleichtern, ist aber im Unterschied zum Vorgang des Bemerkens nicht unbedingt erforderlich.

Sollte das Bemerken tatsächlich eine notwendige Voraussetzung für Lernen sein, würde dies bedeuten, dass es kein rein implizites Lernen gibt und immer ein minimaler Grad an Bewusstheit vorausgesetzt werden muss (vgl. Ellis 2009: 7; Paciorek/Williams 2015 für eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung). Ob die bloße Wahrnehmung eines Reizes ausreicht oder ob ein bewusstes Bemerken notwendig ist, kann zum heutigen Stand der Forschung noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Im nächsten Kapitel wird ein Überblick gegeben, inwiefern explizites/bewusstes Wissen tatsächlich für den erfolgreichen Erwerb einer L2 (oder einer L3) notwendig ist.

3.2 Die Rolle von explizitem und implizitem Wissen

Vor ungefähr vierzig Jahren hat Stephen Krashen (z. B. 1982: 10–11) die Unterscheidung zwischen explizitem Lernen und implizitem Erwerben in die Zweitspracherwerbsforschung eingeführt.1 Die damit einhergehende Frage, inwiefern explizites und implizites Wissen miteinander interagieren, und ob ersteres für den vollständigen Erwerb einer Sprache notwendig ist, hat seither zu zahlreichen Debatten geführt. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick gegeben.

Im Allgemeinen wird implizites Lernen als unbewusster Prozess beschrieben, für dessen Aktivierung kein Rückgriff auf zentrale Aufmerksamkeitsprozesse notwendig ist. Es handelt sich um einen automatisierten Prozess, der natürlich stattfindet und normalerweise nicht verbalisiert werden kann. Explizites Lernen hingegen bezieht sich auf das Lernen von Faktenwissen und beansprucht das Arbeitsgedächtnis in hohem Maße. Es findet bewusst und kontrolliert statt und kann daher im Regelfall verbalisiert werden (vgl. Ellis 2009: 3; Leow 2015: 47–48; Hulstijn 2005: 131–132; VanPatten/Rothman 2015: 100–101).

Des Weiteren wird in der Literatur zwischen implizitem und explizitem Wissen unterschieden. Diese beiden Wissenskomponenten stellen gewissermaßen die Resultate der entsprechenden Lernprozesse dar (vgl. Ellis 2009: 6). Ellis (2009: 10–16) unterscheidet sie folgendermaßen: Implizites Wissen ist unbewusst, weshalb eine explizite Verbalisierung – ähnlich wie beim entsprechenden Lernprozess – oft schwierig, wenn nicht sogar unmöglich ist. Es kann daher nicht durch Forschungsmethoden, die eine Verbalisierung des Gelernten voraussetzen, sichtbar gemacht werden, sondern ist nur im tatsächlichen Sprachverhalten der Lernenden beobachtbar. Es ist prozedural, wird dementsprechend vorwiegend im prozeduralen Gedächtnissystem gespeichert und kann relativ einfach durch Rückgriff auf automatisierte Verarbeitungsstrategien aktiviert werden. Das prozedurale Gedächtnissystem und damit einhergehend implizites Wissen scheinen einer sensitiven Periode zu unterliegen. Es ist daher wahrscheinlich, dass implizites sprachliches Wissen ab einem bestimmten Alter nicht mehr vollständig erworben werden kann (eine ausführliche Darstellung findet sich in Kapitel 3.3).

Im Gegensatz zu impliziten Wissensrepräsentationen ist explizites Wissen bewusst. Damit geht einher, dass der Lernende beispielsweise die einer sprachlichen Konstruktion zugrunde liegende Regel kennt und im Normalfall in der Lage ist, sie zu verbalisieren. Es besteht aus Faktenwissen über die entsprechende Sprache, ist im deklarativen Gedächtnissystem gespeichert und unterscheidet sich prinzipiell nicht von Faktenwissen anderer Art. Der Zugriff auf explizites Wissen erfolgt intentional und wird durch kontrollierte Aufmerksamkeitsprozesse gesteuert. Es ist bis ins hohe Alter vollständig lernbar und unterliegt keiner kritischen bzw. sensiblen Phase (vgl. Ellis 2009: 10–16).

Die Frage, inwieweit explizite und implizite Wissenskomponenten miteinander interagieren, hat zu weitreichenden Debatten in der Zweitspracherwerbsforschung geführt. Daraus haben sich im Wesentlichen drei Positionen entwickelt, die im Folgenden kurz beschrieben werden: (1) Krashens (1981: 1–2) Monitor-Theorie nimmt an, dass erwachsene L2-Lerner über zwei voneinander unabhängige Systeme verfügen, nämlich eines für explizites und eines für implizites Wissen. Darüber hinaus geht Krashen davon aus, dass explizites Wissen lediglich den vom impliziten System produzierten Output modifizieren kann, aber keinen Einfluss auf das implizite System an sich hat. Anders formuliert: Es kontrolliert die Sprachproduktion auf der Performanz-Ebene, hat aber keinen Einfluss auf die Kompetenz (vgl. Krashen 1982: 16). Diese Annahme, dass explizites nicht in implizites Wissen transformiert werden kann, wird in der Literatur als non-interface-Position bezeichnet (vgl. Hulstijn 2015: 35–36; VanPatten 2016). Es sprechen einige Beobachtungen für diese Auffassung: Auf Basis neurolinguistischer Erkenntnisse kann argumentiert werden, dass Wissen eines Gehirnareals (vor allem des Hippocampus) nicht eins zu eins in Wissen eines anderen Gehirnareals (Frontallappen) transformiert werden kann (vgl. Hulstijn 2015: 36; Ullman 2001, 2015, 2016; Paradis 2009; siehe Kapitel 3.3). Allerdings können durch Übung eines sprachlichen Phänomens unter Berücksichtigung von explizitem Wissen implizite Repräsentationen in anderen Gehirnarealen entstehen. Explizites und implizites Lernen können also simultan stattfinden:

What is quite conceivable, however, is that through extensive practice with instances representing a certain grammatical regularity, guided by a declarative, conscious knowledge of that regularity, an implicit representation of it […] gradually emerges elsewhere in the brain (Hulstijn 2015: 36).

(2) Vertretern einer weak-interface-Position zufolge können sich beide Wissensarten nicht nur gleichzeitig aufbauen; sie argumentieren vielmehr, dass explizites Wissen unter bestimmten Voraussetzungen sogar nützlich beim Aufbau impliziter Wissensrepräsentationen sein kann. Beispielsweise vermutet Pienemann (1998: 250–263, 2015: 137) in seiner Lehrbarkeitshypothese (en. teachability hypothesis) einen solchen positiven Einfluss unter der Voraussetzung, dass der Spracherwerbsprozessor jene Entwicklungsstufe erreicht hat, in welcher er fähig ist, das entsprechende sprachliche Phänomen zu verarbeiten (vgl. auch Pienemann/Lenzing 2015). Im Wortlaut Pienemanns heißt dies, „that instruction [i.e., explicit knowledge] will result in acquisition if it focuses on structures from ‘the next stage’“ (Pienemann 1998: 250). Auch Rod Ellis (2009: 22) vertritt die Ansicht, dass explizites Wissen einen indirekten Einfluss auf den Erwerb von implizitem Wissen hat. Sein Kollege, Nick Ellis (1994: 16), schlägt diesbezüglich vor, dass Regelwissen einen top down-Einfluss auf die Wahrnehmung sprachlicher Formen haben kann. Durch bewusste Aufmerksamkeitssteuerung können sprachliche Phänomene salient gemacht werden, wodurch sie vom Lernenden leichter bemerkt werden (en. noticing), was wiederum deren Erwerb positiv beeinflusst (siehe Kapitel 3.1).

(3) Schließlich nehmen Vertreter der strong-interface-Position an, dass explizites Regelwissen durch Übung direkt in implizites Wissen transformiert werden kann (vgl. DeKeyser 2003, 2015, 2017). Der wesentliche Unterschied zur weak-interface-Position besteht darin, dass Vertreter der starken Version von einem direkten Kausalzusammenhang zwischen den beiden Wissensarten ausgehen (vgl. Hulstijn 2015: 36). Anders als Paradis (2009: 16), der Prozeduralisierung eben gerade nicht als die Transformation von explizitem Regelwissen in implizites Wissen begreift, versteht DeKeyser (2017: 17; Hervorhebung durch den Verfasser) Prozeduralisierung als „[t]he process of creating procedural knowledge by incorporating elements of declarative knowledge into broader preexisting procedural rules.” Allein die beiden Ansätze von Paradis und DeKeyser veranschaulichen, dass bezüglich dieser Fragestellung kein Konsens in der Zweitspracherwerbsliteratur besteht. Eine Beantwortung ist vermutlich auch nur mithilfe neurolinguistischer Studien möglich. Aus diesem Grund wird im nächsten Kapitel dargestellt, inwiefern explizite und implizite Lernprozesse bzw. die entsprechenden Wissensrepräsentationen bestimmten Gedächtnissystemen zugeordnet werden können.

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