Kitabı oku: «Freiheit als Hingabe an Gott», sayfa 2
1 Vgl. ECKERT, Freiheit: 99–100. Siehe auch SCHLIER, Zur Freiheit berufen: 216–233.
2 Vgl. WARNACH, Freiheit: 1064–1083.
3 Vgl. OEING-HANHOFF, Zur thomistischen Freiheitslehre: 274–276. Vgl. auch PESCH, Freiheit: 1083–1088.
4 Vgl. KASPER, Autonomie und Theonomie: 22f.
5 Vgl. KANT, Kritik der praktischen Vernunft: 30–33,124–132.
6 Vgl. AUER, Autonome Moral und christlicher Glaube: 205–236.
7 Vgl. KASPER, Autonomie und Theonomie: 23–31.
8 Vgl. SPAEMANN, Freiheit: 1088–1098.
9 Vgl. HEIDEGGER, Beiträge zur Philosophie: 138–141.
10 Vgl. SARTRE, Das Sein und das Nichts: 764.
11 Vgl. PRÖPPER, Freiheit: 100–105.
12 Vgl. PRÖPPER, Freiheit als philosophisches Prinzip der theologischen Hermeneutik: 15.
13 Vgl. SECKLER, Fundamentaltheologie: 351–357.
14 BLEISTEIN, Lebensbild Delps: 41. Die Werke Delps werden wir im Folgenden nach den 1982–1988 in fünf Bänden erschienenen, von Roman Bleistein herausgegebenen Gesammelten Schriften unter Angabe des Titels, des Veröffentlichungsdatums und des jeweiligen Bandes mit der entsprechenden Seitenzahl angeben.
15 Vgl. DELP, Tragische Existenz: II,126, ebd.: 131f. Siehe auch ders., Der kranke Held (in: Stimmen der Zeit, 1939): II,205.
16 Vgl. ders., Das gegenwärtige Weltverständnis (Vortrag, 21. November 1942): I, 289. An der Schwelle einer neuen Epoche wird das Denken Delps auch von Thomas Merton erörtert, der im Oktober 1962 in der Einleitung zur englischsprächigen Ausgabe der Gefängnisschriften schreibt: „Fr. Delp reminds us that somewhere in the last fifty years we have crossed a mysterious limit set by Providence and have entered a new era … there has been a violent disruption of society and a radical overthrow of that modern world which goes back to Charlemagne”, siehe MERTON, Introduction: xxi–xxii.
17 Vgl. PIEPMEIER, Die Moderne: 54–62.
18 Bleistein erwähnt als die vier Hauptthemen Delps: der zwischen Transzendenz und Immanenz lebende Mensch; die Welt der sozialen Gerechtigkeit, in der der Mensch als Person leben könne; der Mensch gewordene Gott Jesus Christus; die Kirche als Sakrament. Siehe BLEISTEIN, Geschichte eines Zeugen: 430–433.
19 Vgl. DELP, Epiphanie (Gefängnismeditation, Januar 1945): IV,216.
20 Vgl. ebd.: 217.
21 Thomas Merton bezeichnet die Gefängnisreflexionen Delps als mystisch und betont zugleich ihre Verbundenheit mit der alltäglichen Existenz des Menschen: „Fr. Delp was at the same time profoundly mystical and wide open to the broadest ideals of Christian humanism. It was by the gift of mystical intuition that he not only found himself in God but also situated himself perfectly in God’s order and man’s society”, siehe MERTON, Introduction: xxxviii, vgl. auch xli.
22 Vgl. ders., Das Schicksal der Kirchen (Gefängnisreflexion, 1944/45): IV,318.
23 Vgl. NEUFELD, Einleitung zu den Texten: 15.
24 DELP, Der Krieg als geistige Leistung (in: Stimmen der Zeit, 1940): II,239–248.
25 Vgl. NEUFELD, Einleitung zu den Texten: 11,20,33.
26 Vgl. DELP, Gestalten der Weihnacht (Gefängnismeditation, Dezember 1944): IV,213.
27 Im Folgenden SZ mit Angabe der Seitenzahl.
28 DELP, Tragische Existenz: II,39–147.
29 Ders., Der Mensch und die Geschichte (1943): II,349–429.
30 Ders., Im Angesicht des Todes (1947), Zur Erde entschlossen (1949), Der mächtige Gott (1949).
31 Vgl. ders., Dritter Adventssonntag (Gefängnismeditation, Dezember 1944): IV,161–176.
32 Vgl. SCHAEFFLER, Heidegger und die katholische Theologie: besonders 48–54.
33 Vgl. BLEISTEIN, Begegnung mit Delp. Siehe auch die persönlichen Erinnerungen von Delps Freund, MATZKER, Begegnung und Erfahrung mit Alfred Delp.
34 Siehe BLEISTEIN (Hg.), Dossier Kreisauer Kreis (1987), ders., Die Jesuiten im Kreisauer Kreis. Ihre Bedeutung für den Gesamtwiderstand gegen den Nationalsozialismus (1990), FUCHS (Hg.), Glaube als Widerstandskraft (1986), NEUFELD, Katholik und Widerstand (1985). Siehe auch MERTON, Introduction: xxi–xlii.
35 Vgl. LÜCK, Alfred Delp (1984), SALTIN, Durchkreuztes Leben (2004), HAUB/SCHREIBER, Held gegen Hitler (2005), FELDMANN, Leben gegen den Strom (2006), ENDRAß, Gemeinsam gegen Hitler (2007), SCHULTE (Hg.), Delp. Programm und Leitbild für heute (2007), HAUB, Beten und Glauben (2007), LEHMANN/KISSENER, Das letzte Wort haben die Zeugen (2007). Im Auftrag der Alfred-Delp-Gesellschaft von Mannheim wird seit 2007 von R. ALBERT, R. HARTUNG und G. SALTIN ein Alfred-Delp-Jahrbuch herausgegeben, das die Erforschung des Lebens und des Denkens des Jesuiten zu fördern und sein Werk in dessen aktueller Relevanz zu erschließen versucht.
36 Vgl. SALTIN, Biographische Ergänzungen und Forschungsdesiderata: 114.
I. Die „Zwangsjacke“ der Geschichte und das Kreuz der Freiheit – der Lebenslauf Alfred Delps
Das Freiheitsverständnis Alfred Delps wurde so stark durch die Erfahrungen seines Lebens geprägt, dass es gerechtfertigt und sogar notwendig ist, seine Biographie in den für sein Denken entscheidenden Zusammenhängen darzustellen.1 Wenn er über die Geschichte schreibt, dass sie gleichsam zu einer „Zwangsjacke“ werde, so dass der Mensch sich um der eigenen Freiheit willen an das Kreuz nageln lassen müsse,2 dann spiegelt sich darin vor allem auch der Weg seines eigenen Lebens wider. Diese über das bloße biografische Nacherzählen weit hinausgehende Perspektive wird dadurch möglich, dass Alfred Delps Lebenslauf – etwa in der bereits erwähnten, von Roman Bleistein verfassten Biographie – gründlich dokumentiert ist.
Die folgende Skizze des Delp’schen Lebenslaufes konzentriert sich deshalb, ohne auf die Darstellung der wichtigsten biografischen Fakten zu verzichten, auf seinen Denkweg durch die Philosophie, die Theologie und die im Allgemeinen für unser Verständnis des Jesuiten relevanten Entwürfe. Sie zeigt bestimmte Lebensereignisse als Anhaltspunkte für seine Freiheitsreflexion und versucht vor allem seinen Denkprozess nachzuzeichnen. Aus diesem Grund lassen sich die einzelnen Etappen nicht immer scharf voneinander abgrenzen. Die Quelle der Darstellung ist uns vor allem Delp selbst. Wir erkennen dabei eine gewisse Steigerung in der „Denkbiographie“ Delps: Der Takt seines Werkes schlägt anfänglich langsamer, er steigert sich allmählich, bis er in den letzten Tagen seines kurzen Lebens das rechte Tempo gefunden zu haben scheint.
1. Herkunft und Ausbildung (1907-1938)
Alfred Delp wurde am 15. September 1907 in Mannheim geboren. Am 11. März desselben Jahres wurde Helmuth James von Moltke geboren, der später sowohl innerhalb des Kreisauer Kreises als auch vor Gericht Delps Schicksalsgefährte sein wird.3 Der spätere Präsident des höchsten Gerichtshofes des Dritten Reiches und zukünftige Scharfrichter der beiden Genannten, Roland Freisler, besuchte damals als 14-jähriger Schüler das Kaiser-Wilhelm-Gymnasium in Aachen.4 Der 18-jährige Freiburger Gymnasiast Martin Heidegger, der spätere Gesprächspartner und Bezugspunkt Delps, bekam in diesem Jahr von einem befreundeten Priester, dem späteren Freiburger Erzbischof Conrad Gröber, Franz Brentanos Dissertation Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, deren Frage nach dem Sein zum Anlass für das zwei Jahrzehnte später verfasste Werk Sein und Zeit wurde.5 Die Wege dieser Menschen haben sich später verflochten. Sie alle haben somit irgendeinen Anteil an der Entstehung der Delp’schen Freiheitsreflexion.
Die Mutter von Alfred Delp, Maria Bernauer, Köchin von Beruf, war katholisch; sein Vater, Johann Adam Friedrich Delp, von Beruf Kaufmann, war dagegen protestantisch. Diese konfessionelle Familiensituation spiegelt sich in Alfred Delps Leben wider, insofern er zwar katholisch getauft wurde, ab 1915 aber eine evangelische Volksschule in Lampertheim besuchte – dahin war seine Familie ein Jahr vorher umgezogen. Zur Kommunion und zur Firmung ging er 1921 wiederum in der Katholischen Kirche. In der Zeit seiner Gymnasialausbildung in Dieburg engagierte er sich innerhalb der christlichen Jugendbewegung „Neudeutschland“.
Einen entscheidenden Schritt seines Lebens bildete im April 1926 der Eintritt in das Noviziat der Gesellschaft Jesu im österreichischen Tisis bei Feldkirch/Vorarlberg. Nach den ersten Gelübden im Jahre 1928 begann er in Pullach bei München sein Philosophiestudium, das er 1931 mit dem Examen „de universa philosophia“ beendete. Aufgrund jenes Examens wurde ihm 1939 der kirchliche Titel eines Doktors der Philosophie verliehen. In jene Periode fällt nun auch seine Auseinandersetzung mit Martin Heideggers Sein und Zeit, die letztendlich 1935 in die Schrift Tragische Existenz einging. 1934-1936 studierte er Theologie zunächst im holländischen Valkenburg, dann in Frankfurt/Sankt Georgen. Am 24. Juni 1937 empfing er durch den Münchner Kardinal Michael von Faulhaber die Priesterweihe. Seine lange Ausbildung endete mit den Examina „de universa philosophia et theologia“ (Theologisches Lizenziat), die er am 8. Juli 1938 ablegte. Eine weitere Ausbildung, die Delp 1939 an der Universität München beginnen wollte, verweigerten ihm die Nationalsozialisten.
2. Philosophische Prägungen
Der Name Alfred Delps wird meist zunächst einmal nicht mit einem bestimmten philosophischen Denken assoziiert.6 Dieses Bild wird es zu korrigieren gelten. Aufgrund seines Engagements für den Kreisauer Kreis, das letztendlich zu seiner Hinrichtung führte, gilt er im Allgemeinen vor allem als eine Widerstandsgestalt innerhalb des Nationalsozialismus. Zu diesem Bild trugen auch seine kurz nach dem Krieg unter dem Titel Im Angesicht des Todes veröffentlichten Gefängnisaufzeichnungen wesentlich bei. Delp ist darüber hinaus als Soziologe bekannt, was gleichermaßen in Relation zu seinem Engagement für den Kreisauer Kreis steht. Die soziale Frage muss wohl als eines der wichtigsten Anliegen Delps gelten. Erkennbar ist dies schon in seinem Theaterstück Der ewige Advent aus dem Jahr 1933 sowie in seinen zahlreichen Rezensionen zu sich mit sozialen Fragen beschäftigenden Büchern. 1939 übernahm Delp die Verantwortung für die Abteilung für soziale Fragen in der Redaktion der Stimmen der Zeit, der Monatsschrift der deutschen Jesuiten. Als Helmuth James von Moltke, Gründer und Leiter des Kreisauer Kreises, nach einem im Bereich der Arbeitsfrage kompetenten, christlich denkenden Gesprächspartner suchte, wurde Delp in den Kreis gerufen.7 Wir könnten noch wesentlich mehr über jene Seite von Delps Denken sagen, wenn nicht sein soziologisches Hauptwerk Die dritte Idee in der Kriegszeit verloren gegangen wäre.8
Die Interessen Delps gehen aber über die Soziologie weit hinaus. Er selbst sieht seine Aufgabe in der Verteidigung des Menschen als Menschen und erklärt:
[D]as war der Sinn, den ich meinem Leben setzte, besser, der ihm gesetzt wurde: … helfen, dass die Menschen nach Gottes Ordnung und in Gottes Freiheit leben und Mensch sein können9.
Der uns heute zugängliche Befund spricht dafür, dass Delp nichtsdestotrotz mehr ein Philosoph und Theologe als ein Soziologe war.10
a) Neuscholastik
Das Denken Delps erwächst aus einem bestimmten Kontext „zwischen Neuscholastik und Moderne“11. Seine Ausbildungszeit sowie seine wissenschaftliche Tätigkeit fallen in die Zeit der neuscholastischen Strömung in der katholischen Theologie und diese Art des Philosophierens gestaltete Delps Denken am stärksten. Er war ihr gerade auch durch seine Ausbildung intellektuell verbunden.12 Ein Beispiel für dieses neuscholastische Philosophieideal Delps ist in seiner höchst positiven Äußerung zur von J. B. Lotz und J. de Vries verfassten Einführung in die Philosophie mit dem Titel Die Welt des Menschen. Eine Vorschule des Glaubens zu finden. Aufgrund der im Buch dargestellten philosophischen Prinzipien – die natürliche Erkenntnis, der menschliche Drang nach Sinn, „Gesamtschau des Wirklichen“ – sah Delp in jenem Buch eines der gelungensten zu diesem Thema überhaupt.13
b) Moderne
Bereits mit den Werken von Joseph Maréchal (1878-1944) und Erich Przywara (1889-1972) wurde Immanuel Kant für die Jesuiten in Deutschland und in Österreich zum wichtigsten Gesprächspartner.14 Delp, bei dem anfangs der neuscholastische „Schulkontext“ die entscheidende Rolle spielte, setzte sich dennoch gern mit der gegenwärtigen Philosophie auseinander. Ein Beispiel hierfür ist vor allem sein Werk Tragische Existenz. Zur Philosophie Martin Heideggers, welches 1935 in Freiburg erschien. In der christlich geprägten Philosophie der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schreibt sich Delp damit in die Reihe derjenigen scholastischen Denker ein, die sich mit der Existenzphilosophie systematisch beschäftigen.15
Im Laufe der Zeit wurde sein Denken immer unabhängiger von dem anderer Denker und seine letzten, der Geschichte und dem Menschen gewidmeten philosophischen Schriften können wohl Originalität beanspruchen.16 Dabei fällt die Sicherheit und Schärfe auf, mit der der junge Jesuit – zuerst in der Zeit der zerbrochenen Sicherheit und des Nihilismus, danach in der Epoche der blinden Ideologie – seine Gedanken mitteilt und sich mit den Großen der intellektuellen Welt auseinandersetzt.17
3. Auseinandersetzungen
Im Zentrum seines Lebens steht die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen des Zeitgeistes, wobei die Freiheitsfrage immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses rückt. Zuerst bot Delp dem Denken Heideggers und der pseudoreligiösen Ideologie der Deutschen Glaubensbewegung die Stirn.18 Dann suchte er nach einer Begegnung mit der sich noch nicht in seiner ganzen Bosheit enthüllenden Ideologie des Nationalsozialismus, zu deren Kritiker er später wurde, als er immer entschiedener sich dem die Freiheit unterdrückenden Kollektivismus entgegenstellte. Letztendlich musste er sich mit der Erfahrung eigener Unfreiheit auseinandersetzen.
a) ... mit der Gottesfrage (1931-1936)
Im Jahr 1935 machte Delp in der Schrift Tragische Existenz seine Auseinandersetzung mit Heidegger der Öffentlichkeit zugänglich. Im gleichen Jahr nahm er den Kampf gegen die Ideologie der Deutschen Glaubensbewegung auf. Beide Auseinandersetzungen spielen sich in seiner Studienzeit ab und gehören zeitlich einer einzigen Epoche an. Ihre Gemeinsamkeiten gründen aber nicht nur in der Entstehungszeit, sondern auch in der Perspektive, aus welcher Delp sie bedenkt. Er tut es nämlich vor dem Horizont der Gottesfrage. Diese Auseinandersetzungen gehören insgesamt zu den Dingen, die Delps Denken zutiefst bestimmen, biografisch sind sie jedoch kaum bemerkbar. In den folgenden biografischen Skizzen machen wir sie eher als den Rahmen für Delps Denken kenntlich, dessen Inhalt im weiteren Teil der Arbeit rekonstruiert werden soll.
Delps Tragische Existenz, eine der ersten Stellungnahmen von katholischer Seite zur Philosophie Heideggers, reifte ein paar Jahre, bevor sie 1935 in Druck ging. Delp setzte sich mit Sein und Zeit schon 1931 während seiner philosophischen Ausbildung, die unter dem Einfluss seines von Maréchal bestimmten Lehrers Alois Maier verlief, auseinander.19 Delp erarbeitete damals ein Referat mit dem Titel Darlegung und Würdigung der Philosophie Heideggers, dessen Kern in der „Ablehnung der als strikt immanent und innerweltlich aufgefassten Existenzialphilosophie Heideggers“20 besteht. In den intellektuellen Treffen mit Bernhard Jansen ergänzte er seine Auseinandersetzung mit dem Freiburger Philosophen durch ein Panorama der Entwicklung philosophischer Ideen von Luther über Kant zu Nietzsche.21 Als Ergebnis der Zusammenarbeit mit Jansen erschien schon 1933 die zweite Version der Auseinandersetzung mit Sein und Zeit, nämlich das Heideggerkapitel Sein als Existenz? Die Metaphysik von heute in dem von Jansen herausgegebenen Buch Aufstiege zur Metaphysik heute und ehedem.22
Tragische Existenz war also die dritte, zwar neu bearbeitete, aber dennoch in der Linie der zwei früheren Stellungnahmen stehende Konfrontation mit dem philosophischen Werk Heideggers. Der neue Titel signalisierte das klare Urteil über die nichtige Existenz.23 Der Inhalt bezog sich jedoch nicht nur auf Sein und Zeit, sondern auch auf die Erläuterungen Heideggers zu seinem eigenen Werk, nämlich die in Marburg im Wintersemester 1927/1928 gehaltene Vorlesung, die 1929 unter dem Titel Kant und das Problem der Metaphysik erschien sowie die Freiburger Antrittsvorlesung Was ist Metaphysik? aus dem Jahr 1929 und die im gleichen Jahr entstandene Abhandlung Vom Wesen des Grundes.
Im Jahr 1935/1936 schrieb Delp als Redakteur der kirchlichen Zeitschrift Chrysologus einige Predigten in der Reihe der Auseinandersetzung mit der Deutschen Glaubensbewegung. Die Texte bildete eine theologische Antwort auf die antichristlich und rassistisch geprägte religiöse Vision der Bewegung, gemäß der Gott mit dem Willen des deutschen Volks zu identifizieren sei. Mit ihrer Ambition, als die einzige Religionsgemeinschaft des Dritten Reiches zu fungieren, fand die Bewegung anfänglich Unterstützung bei der NSDAP.24 Indem Delp sie entschieden ablehnte, erwies er sich implizit schon als ein Gegner des Nationalsozialismus. Doch um zu einem ähnlichen Urteil auch hinsichtlich der politischen Dimension der nationalsozialistischen Ideologie zu gelangen, brauchte er noch viel Zeit. In politischer Hinsicht entzog er dem Deutschland Hitlers recht lange sein Vertrauen nicht.25
b) …mit der Ideologie des Kollektivismus (1935-1945)
Die meiste Zeit seines Lebens, seine Kindheit ausgenommen, verbrachte Delp unter dem Nationalsozialismus. Seine Stellung zu diesem war nicht immer die einer Gegnerschaft, vielmehr ging er anfangs einen von Sympathie zur Politik Adolf Hitlers getragenen Weg. Er hoffte zuerst auf eine Umgestaltung durch den Nationalsozialismus, entwickelte dann jedoch ein „teilweise abweichendes Verhalten“26 und realisierte zuletzt den gescheiterten Versuch, das Elementare seiner eigenen Position unter den Bedingungen der totalitären Ideologie zu bewahren. Delps entschiedene Gegnerschaft entwickelte sich also erst nach einem verhaltenen Mitläufertum, obwohl das ergreifende Finale seiner Biographie dazu zu ermuntern scheint, Grundzüge eines Widerstands schon möglichst früh zu sehen; dies auch aufgrund der Tatsache, dass man jede frei erhobene Stimme dieser Zeit des kollektiven Schweigens unterstreichen will.27 Delps erst allmählich wachsender Widerstand muss jeglichen Versuch einer vorschnellen Glorifizierung relativieren. Er war eben nicht einfach ein unerschütterlicher Held, sondern brauchte lange bis er zu einem angemessenen Urteil über die damalige Wirklichkeit fand. Auch seine letztendlich gewonnene Einsicht musste er immer wieder von Neuem erkämpfen – dies bezeugen seine Gefängnisschriften eindrucksvoll.
(1) Der Weg in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus
Wie viele andere Menschen, vor allem die Jugend, verband Delp mit den Ereignissen von 1933 eine große Hoffnung auf die Erneuerung des Landes in allen Bereichen, woran sich – gemäß seiner ursprünglichen Meinung – auch die Christenheit hätte beteiligen sollen.28 Er gehörte nicht zu denen, die schon am Beginn der Machtergreifung Hitlers, dessen Ansichten seit Jahren bekannt waren, Gründe zur Beunruhigung sahen.29 Was Delp hingegen auffiel, war die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, wie er im Brief an seine Mutter vom 16. November 1933 schreibt.30
Die anfängliche Aufbruchsstimmung sollte Delp zum Mitmachen verleiten. Als Erzieher im Jesuitenkolleg in St. Blasien begrüßte er 1934 die Einführung der Hitlerjugend im Gymnasium, welche für ihn mit der Hoffnung verbunden war, die dem Führer anvertraute Jugend christlich prägen zu können.31 Gern widmete er sich paramilitärischen Übungen – ebenso wie sein philosophischer Opponent, der vom Soldatenethos begeisterte Rektor Heidegger, der im Oktober desselben Jahres ein „Wissenschaftslager“ in Todtnauberg für die Universitätsdozenten organisierte.32 Wären die Wissenschaftler, die das Lager von Freiburg aus mittels eines Fußmarsches erreichten, noch einen Tag in Süd-Richtung weitermarschiert, hätten sie sich mit den Hitlerjugendeinheiten von St. Blasien in gemeinsamen Manövern verbinden können.
Im Jahr 1935 plante Delp, ein Buch mit dem Titel Der Aufbau herauszugeben, das noch einige positive Entwicklungen des Aufbruchs von 1933 unterstreichen wollte.33 Totalitäre Akzente der neuen Macht sollte Der Aufbau zwar durchaus verurteilen, wertvolle Elementen des Nationalsozialismus aber aufnehmen und ausbauen; das Projekt wurde jedoch schnell aufgegeben.34 Aus heutiger Perspektive heraus ist die Beurteilung dieser Unternehmung eindeutig, und Karl Rahner, ein Vertreter derselben Generation, schrieb mit Recht, Delp möge 1935 die „Bedeutsamkeit und Kraft des ‚Neuaufbruchs‘, den die damalige Zeit proklamiert hat“, überschätzt haben, aber endlich sei seine Positionierung gegenüber dem System unbeirrter und deutlicher als bei manchen katholischen Theologen ausgefallen, „die in der Anfangszeit des Nazismus in seiner Ideologie noch möglichst viel Annehmbares zu entdecken versuchten“35.
Es gab in Delps Einstellung dem Nationalsozialismus gegenüber eine Übergangsphase zwischen Mitläufertum und Gegnerschaft, die sich aber mit einer einfachen Distanzierung nicht angemessen beschreiben lässt. Delp konstatierte zwar die Möglichkeit einer Gefahr, als er 1936 schrieb:
Einmal werden wir darauf achten müssen, daß diese neu entdeckte Kraftquelle nicht auch wieder übersteigert und absolut gesetzt wird36,
er war aber nicht imstande, diese näher zu bestimmen. Angesichts der Verhaftungen mancher Jesuiten durch die Nationalsozialisten wurde ihm aber klar, wie gefährlich auch seine eigene Situation war.37 Im Juni 1939 unternahm er einen Versuch, ein weiteres Studium an der Universität München zu beginnen. Im Brief an den Universitätsdekan, in dem er um die Immatrikulations- und Promotionserlaubnis bat, bediente er sich der obligatorischen Ausdrucksweise mit Redewendungen wie „ich bin arischer Abstammung“ und dem Gruß „Heil Hitler“, unterstrich aber zugleich sein Distanz zur Politik.38
Ein paar Monate später, im September 1939, wurde ihm die Einsetzung an der Front als Wehrmachtsseelsorger verweigert.39 Die Teilnahme am Krieg, der mit dem Angriff auf Polen am 1. September 1939 begann, verstand Delp als seine Bürgerpflicht: „[D]ie Anliegen und Sorgen meines Volkes [sind mir] immer eine ernste Pflicht.“40 Letztendlich sind sie ihm gar mehr als eine Pflicht, sind vielmehr eine Leidenschaft: Delp träumte von einem Einsatz im Krieg. Angesicht des in Polen begonnenen totalen Kriegs Hitlers klingen seine pathetischen Worte abstoßend, wenn er zu einem Freund an der Front schreibt:
Eigentlich beneide ich Dich; denn bei Euch an der Front wächst doch die kommende Generation, die das Schicksal meistern und wenden wird. Die den Krieg, auch diesen Krieg in seiner eigenartigen Gestalt, meistern und physisch und psychisch überdauern, vor denen wollen wir uns neigen und ihr Wort erst nehmen, weil es aus einem bewährten Leben gesprochen wird41.
Delp, der übrigens in diesem Jahr über „die Friedenskomödie von Versailles“42 schreibt, scheint den Krieg dadurch zu legitimieren und versteht sich zunächst als Deutschen und erst dann als Christ. Sein Kampfeswille gegen das ja überwiegend katholische Polen zeigt eine Übernahme der herrschenden Überzeugung; die allgemeine Meinung der deutschen Bischöfe lautete, dass „in dieser entscheidungsvollen Stunde“ die katholischen Soldaten „in Gehorsam gegen den Führer, opferwillig, unter Hingabe ihrer ganzen Persönlichkeit ihre Pflicht“ tun sollten.43 Sie interpretierten den Krieg durchaus nicht unähnlich der Erklärung Hitlers, und zwar durch die Kategorie religiöser Hingabe. Eine Teilnahme am Krieg wurde fast in den Rang des christlichen Martyriums erhoben.44
Der äußerst fragwürdige, 1940 in den Stimmen der Zeit geschriebene Artikel Der Krieg als geistige Leistung45, weist darauf hin, dass Delp – das zukünftige Opfer der Nationalsozialisten – die Situation noch mit den verkehrten „theologischen“ Kategorien dachte. Der Krieg als geistige Leistung war ein unkritischer Versuch der Versöhnung von Tatsachen, die nicht versöhnt werden konnten. Mit zwar guten Absichten manövrierte Delp zwischen den Problemen – der Pflicht zu Gott, zum Vaterland und zum Menschen selbst – und versuchte noch den alten Bund der Kirche mit dem Staat zu retten. Aus der Lektüre des Artikels konnte der Leser nur den praktischen Schluss ziehen, er müsse der Macht des kriegführenden Staates gegenüber gehorsam bleiben.46 Im Vergleich mit der wahnsinnigen, ja tierischen Ekstase, mit welcher Ernst Jünger in seinem erfolgreichen Buch Der Kampf als inneres Erlebnis den Krieg beschrieb,47 war Delp zwar weitaus zurückhaltender und vorsichtiger; er missbilligt den „sinnlosen Waffenlärm und [die] brutalen Toten“48; Distanz zeigt er aber auch dem Evangelium gegenüber, das die von ihm vorgeschlagene Idee eines geistigen Meisterns des Krieges nirgendwo erwähnt.49 Um auch dem Krieg „keinen falschen Glanz und keine falsche Würde“50 zu geben, musste Delp ihn erst in seiner Realität erfahren, musste Todesanzeigen lesen, Wunden sehen51 und durch Trümmer gehen52.
Neben „Krieg“ wollte Delp auch andere Begriffe, die schon fest zum Vokabular der Nationalsozialisten gehörten, wie etwa „Volk“ oder „Heimat“, mit christlichem Inhalt prägen. Mit dieser Absicht verfasste er zwei andere Texte: Heimat und Das Volk als Ordnungswirklichkeit. In diesen wird seine Distanzierung von der nationalsozialistischen Ideologie schon etwas deutlicher.53 Den Begriff der Heimat bezieht er letztendlich auf Gott54 und er betont eindeutig die Freiheit jedes Volkes, die von keiner staatlichen Ordnung und von keinem anderen Volk verletzt werden darf.55
Dass sich der Jesuit nun zwischen Mitläufertum und Gegnerschaft befand, konstatierte auch der Chef der Gestapo in München:
Eine offene gegnerische Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber konnte bisher nicht festgestellt werden … Ein positiver Einsatz Delps für den Nationalsozialismus kann nie erwartet werden.56
Eine wichtige Rolle spielte dabei Delps Überzeugung,
die gleichzeitige Bindung in die Ordnung von Staat und Kirche [sei] für den Christen eine naturhafte Notwendigkeit.57
Es musste einige Zeit vergehen, damit Delp darüber Klarheit erlangen konnte, dass die Stellung gegenüber dem Nationalsozialismus eine Entweder-oder-Wahl war. Im April 1941 beschlagnahmte die Gestapo das Redaktionsgebäude von Stimmen der Zeit,58 zwei Monate später wurde Delps Antrag auf Aufnahme in die Reichschrifttumskammer abgelehnt. Das bedeutete das Aus für seine Tätigkeit als Schriftsteller im Dritten Reich. Der Jesuit war aber noch in der Lage, seinen Text Der Mensch und die Geschichte, in dem es keinen Raum mehr für irgendein „Meistern“ der nationalsozialistischen Wirklichkeit gibt, 1943 in Colmar zu veröffentlichen.59 Andere Texte, etwa Das Rätsel der Geschichte, Die Welt als Lebensraum des Menschen und Der Mensch vor sich selbst, wurden erst nach dem Krieg aus seinem Nachlass veröffentlicht.60
Nach dem Verlust der legalen Publikationsmöglichkeiten lenkte Delp seine ganze Energie auf das gesprochene Wort, das für den totalitären Staat nicht so angreifbar war wie das geschriebene. Im Predigen und Vortragen fand er einen Tätigkeitsraum, in dem er sich relativ frei aussprechen konnte.61 Auffällig ist die philosophische Intensität seiner Reden, die einen parallelen Inhalt zu Büchern aufweisen, die er damals las, schrieb und noch schreiben wollte.62 Als Prediger hatte Delp schon einige Erfahrungen gesammelt. Während des Theologiestudiums hatte er 1935 in der Zeitschrift Chrysologus eine Reihe von Predigten für die „Katholische Aktion des Mannes“ publiziert, in welchen er sich mit dem modernen Weltverständnis auseinandersetzte.63 Ein Jahr später veröffentlichte er die schon erwähnte Auseinandersetzung mit der Ideologie der Deutschen Glaubensbewegung.
Im Frühjahr 1941 begann Delp eine Tätigkeit in der überdiözesanen Hauptarbeitsstelle für „Männerarbeit und Männerseelsorge“ in Fulda, die ihm Gelegenheit zu zahlreichen Vorträgen gab.64 Seit Juni 1941 übte er die Funktion des Kirchenrektors in St. Georgen in München-Bogenhausen aus. Seine Beurteilung der gesellschaftlich-politischen Wirklichkeit wurde immer eindeutiger – er sprach über die Zerstörung des abendländischen Menschen,65 über die Nacht, in die das ganze Volk und mit ihm der ganze Kontinent ging66 sowie über eine allgemeine Grausamkeit des Lebens67. Die Verantwortung für jene Heimsuchung lastete Delp nicht Gott an; vielmehr wurde ihm immer klarer, dass
die Grausamkeit, die heute die Erde schlägt, zunächst in [den menschlichen] Herzen zu Hause war und von da her den ganzen Kosmos ergriff68.
Seine philosophischen Überzeugungen ließen ihn nicht in der reinen Immanenz der Welt untergehen: Er fragte über den Mensch und das Materielle hinaus und suchte nach dem Transzendenten. Aus seiner theologischen Perspektive heraus gab es keinen Platz für einen anderen Herrn als den Gott der Offenbarung. Als das schlechthinnige Symbol des nationalsozialistischen Deutschlands konnten für Delp die marschierenden Kolonnen der Menschen gelten, die auf ihre Freiheit zugunsten des Kollektivs verzichteten. Dem Befehl „Im Gleichschritt, marsch!“ wird sich Delp aber nie unterordnen.