Kitabı oku: «Eine Schale Getreide verändert die Welt», sayfa 4
Dieser eine Bericht hatte sich auf ein Lager in der Nähe von Medjugorje konzentriert. Das war wohl der Grund dafür, dass wir anfingen, darüber zu reden, wie gern wir den Menschen dort helfen wollten. Wir kannten eine Gruppe in London, die Hilfsgütertransporte nach Medjugorje organisierte, und wir begannen, darüber zu sprechen, eine Hilfsaktion in unserer Gegend zu organisieren und sie von einem dieser Konvois mitnehmen zu lassen. Als das Pub dann zugemacht hatte und wir den schwarzen Fluss entlang zurückgingen, der uns vor so vielen Jahren fast davon abgehalten hätte, Medjugorje zu besuchen, redeten wir immer enthusiastischer von einem neuerlichen Besuch.
Am nächsten Tag besprachen wir unsere Idee mit den anderen Familienmitgliedern, und bevor wir noch länger darüber nachdenken konnten, wurde unser kleiner Aufruf gestartet. Mum und Dad riefen diverse Freunde und regelmäßige Besucher des Exerzitienhauses an und fragten nach, ob sie helfen könnten, und es dauerte nicht lang, bis Pakete mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten bei uns daheim eintrudelten. Zu unserer Überraschung trafen mit der Post auch Geldspenden ein. Schnell nahmen Fergus und ich eine Woche Urlaub von den Fischfarmen, in denen wir arbeiteten. Wir verwendeten die Geldspenden, um einen gebrauchten Landrover zu kaufen. Von denen, die die Konvois in London organisierten, hatten wir gehört, dass dringend Autos für die Verteilung der Hilfsgüter in den Bergen von Bosnien-Herzegowina gebraucht wurden. Wir hatten daher vor, mit dem Konvoi von London aus aufzubrechen, sowohl die Spenden als auch den Landrover in Medjugorje zu lassen und dann mit dem Flugzeug wieder heimzukehren.
Nicht einmal drei Wochen nach unserem Gespräch im Pub fuhren wir dann tatsächlich in einem gefährlich überladenen Landrover von London Richtung Dover und dann weiter nach Bosnien-Herzegowina. Unsere Arbeitgeber konnten uns so kurzfristig nicht mehr als eine Woche Urlaub geben. Damit wir also in der Zeit, die uns zur Verfügung stand, dorthin und wieder zurück kämen, hatten wir ein paar Freunde gebeten, den ersten Abschnitt der Reise von Dalmally nach London zu fahren, und wir flogen runter, um einen Tag zu gewinnen.
So kam es also, dass wir wieder in Medjugorje eintrafen, mit einem Landrover vollgefüllt mit Geschenken für Leute, die wir gar nicht kannten; viele von ihnen lebten in aufgegebenen Eisenbahnwaggons in einem Flüchtlingslager in der Nähe. Wir waren alle zum ersten Mal seit unserem Besuch in den frühen 1980er-Jahren wieder hier – zum ersten Mal als erwachsene Männer –, und wir waren zunächst irritiert von all den Gästehäusern und Hotels an Orten, wo früher nur Weinberge gewesen waren. Aber als wir auf den Krizevac gingen und dabei die Kreuzwegstationen beteten und zusammen am Fuß des riesigen weißen Kreuzes am Gipfel saßen, wussten wir, dass all der Segen und die Gnaden, die wir hier als Teenager erfahren hatten, erneut über uns ausgegossen wurden.
Mit dankbarem Herzen kehrten wir nach Hause zurück. Daheim machte ich dann eine erstaunliche Entdeckung: Die Spenden von Hilfsgütern und Geld, die auf unseren ersten kleinen Aufruf hin in Craig Lodge eingelangt waren, hatten nicht nachgelassen – aus dem kleinen Bach war mittlerweile geradezu eine Sintflut geworden. Die Schuppen neben Craig Lodge, die ich von meinem Vater ausgeborgt hatte, waren jetzt bis unter die Decke voll mit medizinischen Hilfsmitteln, Nahrungsmitteln, Decken und Kleidung. Mum und ihre Freundinnen hatten alle Hände voll zu tun, alles zu ordnen und einzupacken.
Mir wurde klar, dass ich jetzt eine Entscheidung zu treffen hatte. Nach mehreren Tagen des Gebets und Nachdenkens reichte ich meine Kündigung bei der Fischfarm ein und bot mein Haus zum Verkauf an. Es war keine schwere Entscheidung. Ich hatte schon eine Weile nach etwas anderem in meinem Leben gesucht. Nun bot sich hier, ganz unerwartet, eine Gelegenheit. Mum hatte vor Kurzem von einer entfernten Verwandten ein ziemlich wertvolles Gemälde geerbt, das sie verkaufte, damit wir Geld hatten, einen kleinen Lastwagen zu kaufen. Wenn ich nicht unterwegs war, könnte ich zu Hause in Craig Lodge schlafen, sagte sie mir. Und so war ich plötzlich, ohne genaueren Zeitrahmen oder „Masterplan“ im Kopf und ohne irgendwelche diesbezüglichen Erfahrungen in der Position, Hilfsgüter für die Menschen in Bosnien-Herzegowina zu sammeln und zu verteilen.
III.
Kleine Akte der Liebe
Gib demjenigen etwas, der in Not ist, und sei es noch so wenig. Denn es ist nicht wenig für den, der nichts hat. Und es ist nicht wenig für Gott, wenn wir gegeben haben, was wir konnten.
(Gregor von Nazianz)
Währenddessen waren Mum und Dad zu Hause damit beschäftigt, jeden anzurufen, den sie kannten. Im Lauf der Jahre waren Tausende Leute bei ihnen im Einkehrzentrum gewesen, und viele waren gute Freunde geworden. Über die Anrufe, mit denen sie von unserer Initiative für die Menschen in Bosnien-Herzegowina erfuhren, wurde schnell ein ganzes Heer von Mitarbeitern mobilisiert. Mum war noch nicht zufrieden – sie schrieb außerdem jede katholische Gemeinde in Schottland an und bat um Hilfe. Die Reaktion war unglaublich. Den ganzen Tag über riefen Leute an, die ihre Hilfe anboten. Jeden Morgen brachte der Briefträger stapelweise Briefe mit Schecks über persönliche Spenden, Kirchenkollekten oder die Erträge von Wohltätigkeitsveranstaltungen. Julie saß stundenlang an ihrer Schreibmaschine und schrieb Dankesbriefe, und ich fuhr die meiste Zeit durch die Gegend, um Materialspenden einzuladen und in die Schuppen bei der Craig Lodge zu bringen, wo wir die Sachen dann sortierten und zum Transport verpackten. Es war harte Arbeit, die wir ohne die zahlreichen Freunde, die uns regelmäßig halfen, nie bewältigt hätten.
Eine meiner Lieblingstätigkeiten war das Beladen der Lastwagen, die nach Bosnien-Herzegowina fahren sollten. Ich sah es als große Verantwortung an, sicherzustellen, dass auch noch der letzte Quadratzentimeter vollständig ausgenutzt war, sodass mit jeder teuren, zeitaufwendigen Reise so viel wie möglich zu den notleidenden Menschen gebracht werden konnte. All die diversen Hilfsgüter mit ihren unterschiedlichen Größen, Gewichten und Zerbrechlichkeitsgraden in den vorhandenen Laderaum einzupassen war wie eine Art riesiges 3-D-Puzzle. Es war außerdem harte körperliche Arbeit, aber das hatte ich eigentlich auch vermisst, seit ich nicht mehr bei der Fischfarm arbeitete, wo ich sechs Jahre lang täglich körperlich anspruchsvolle Arbeit geleistet hatte. Am wenigsten lag mir, vor Menschen Vorträge zu halten und Präsentationen durchzuführen, die verständlicherweise an Berichten und Feedback interessiert waren. Oder sagen wir genauer: Ich dachte, das läge mir am wenigsten. Eine ganze Zeitlang schaffte ich es nämlich, solchen Einladungen aus dem Weg zu gehen, indem ich Mum oder Julie bat, diese Gespräche und Vorträge in Kirchen, Schulen oder vor anderen Unterstützergruppen zu übernehmen, während ich es im Vorfeld so organisierte, dass ich in irgendeiner entfernten Ecke des Landes eine Sachspende abholen musste.
In Glasgow, der größten Stadt Schottlands, halfen uns John und Anne Boyle, ein wunderbares älteres Ehepaar. Sie organisierten in der Stadt eine freiwillige Helfergruppe und bekamen außerdem vom Gemeinderat eine kostenlose Lagerhalle sowie einen Lastwagen zur Verfügung gestellt, mit dem die Sammlungen transportiert werden konnten. Es dauerte nicht lang, bis hier der Großteil unserer Aktivitäten ablief. Das kostenlose Lager war eine hochwillkommene Gabe, allerdings war es aufgrund seiner Lage nicht so ganz ideal. Die Halle war im vierten Stock, und sämtliche Sachen mussten mit einem sehr alten Lift dorthin und von dort wieder wegtransportiert werden. An den Tagen, wenn wir den Lastwagen für den Transport ins Ausland beluden, füllte ein Team im vierten Stock den Lift immer wieder auf und schickte ihn an das Team im Erdgeschoss, das die Ladung dann in den Lastwagen trug. Mehr als einmal machte der Lift schlapp. Wir begriffen schnell, dass die städtischen Behörden nur dann sofort einen Techniker schickten, um den Lift zu reparieren, wenn sich in dem steckengebliebenen Lift eine Person befand, andernfalls konnte es Stunden oder sogar Tage dauern, bis wir mit dem Beladen weitermachen konnten. Irgendwann entdeckten wir, dass wir in den steckengebliebenen Lift durchs Dach hineinklettern konnten, und manchmal machten wir das auch tatsächlich, bevor wir bei der Stadt anriefen. Dann konnten wir die ehrliche Antwort geben: „Ja, es ist jemand drin.“ Ich glaube, ihnen war schon klar, was dahintersteckte, wenn sie ankamen und einen von uns in der Liftkabine vorfanden, mit hochrotem Gesicht und neben einen Stapel Kisten gequetscht, aber wir hatten den Eindruck, dass sie wie alle anderen in der Stadt einfach Teil unserer Bemühungen sein und dafür sorgen wollten, dass die Aktion erfolgreich weiterlief.
Anfangs kam in Glasgow ein Großteil der Unterstützung von den Kirchen, doch als die große muslimische Gemeinde von unserer Arbeit hörte, brachte sie sich ebenfalls sehr engagiert ein. Die Muslime organisierten regelmäßige Nahrungsmittelsammlungen in den Moscheen und transportierten unglaubliche Mengen in unsere Lager. Viele Leute in dieser asiatischen Gemeinde, vor allem Menschen aus Pakistan, hatten mit Lebensmittel-Großhandelsunternehmen zu tun, und häufig spendeten sie uns ihre überschüssigen Lagerbestände.
Trocken- und Konservennahrung konnten wir nie genug bekommen. Derartiges stand immer ganz oben auf den Listen mit dringend gewünschten Dingen, die wir aus Bosnien-Herzegowina erhielten. Wir wendeten uns an Supermärkte und baten um die Erlaubnis, Lebensmittelsammlungen durchzuführen. Man erlaubte uns, uns mit einem leeren Einkaufswagen an den Eingang zu stellen und Flugblätter an die Kunden zu verteilen, die den Supermarkt betraten. Darin baten wir sie, etwas von unserer Liste zu kaufen und es, wenn sie den Markt wieder verließen, in unseren Einkaufswagen zu legen. Ein kleines Team begab sich jedes Wochenende zu einem anderen Supermarkt, und die Bereitwilligkeit, mit der die Leute jeweils spendeten, war umwerfend. Es war außerdem ein sehr effizientes Verfahren, denn ein Team auf der Ladefläche unseres Lastwagens konnte gleich jedes Produkt kategorisieren und entsprechend verpacken, wenn es hereingegeben wurde. Normalerweise kamen wir dann am späten Abend mit vollen Kisten in unser Lager, die schon fertig beschriftet waren mit Aufschriften wie Dosengemüse, Pasta, Zucker und so weiter und nur noch ausgeliefert werden mussten.
Fast sämtliche Kisten, die wir zum Verpacken benutzten, wurden von Whiskyfirmen zur Verfügung gestellt. Es waren robuste Kisten, ideal für unsere Zwecke geeignet, allerdings konnten sie gewaltige Aufregung und Empörung bei Grenzkontrollen auslösen. Zollbeamten und Polizisten blieb die Luft weg, wenn wir auf ihre Aufforderung reagierten, die Ladefläche unseres Lastwagens zwecks Inspektion zu öffnen. Sie vermuteten natürlich als Erstes, dass diese „Wohltätigkeitsheinis“ in Wahrheit Whiskyschmuggler waren. Und sie machten immer einen etwas enttäuschten Eindruck, wenn wir die Kisten öffneten und der banale Inhalt zum Vorschein kam.
Im Lauf der Zeit stellten wir ein interessantes Muster bei den Supermarktsammlungen fest: Wir erhielten in den ärmeren Vierteln Glasgows – häufig in Siedlungen mit den schlimmsten Arbeitslosigkeits- und Armutsquoten in ganz Großbritannien – deutlich mehr Spenden als in den wohlhabenderen Vororten. Nicht dass ich behaupten könnte, die Gründe dafür zu kennen – aber es war jedenfalls ein reales und sehr deutlich ausgeprägtes Phänomen.
Etwas schwerer fiel es mir, „Spendermuster“ vorherzusagen, wenn ich auf der Straße eine Geldsammlung durchführte. Diese Tätigkeit fand ich wesentlich unangenehmer als die Supermarkt-Sammlungen. Mir kam es irgendwie schwieriger vor, einen Fremden um Geld zu bitten statt um Essen. Obwohl ich ganz offenkundig nicht für mich selbst sammelte, fiel es mir aus irgendeinem Grund sehr schwer, mit einer Sammelbüchse zu rasseln und zu sagen „Bitte helfen Sie den Menschen von Bosnien-Herzegowina“. Es war immer ein Moment von Erniedrigung damit verbunden; möglicherweise eine winzige Ahnung davon, was es bedeutet, für die eigenen Bedürfnisse betteln zu müssen.
Um mir die langen Stunden auf der Straße zu vertreiben, machte ich mir manchmal ein Spiel daraus, zu raten, wie die Fußgänger reagieren würden, wenn sie auf mich mit meiner Sammelbüchse zukamen: der muskulöse Typ mit den Tattoos; die Frau mit dem Kinderwagen; die Schulkinder in der Mittagspause; der Straßenmusikant, der genervt war von meiner Anwesenheit in „seinem Revier“. Immer wieder wurde ich überrascht. Ich konnte überhaupt keine Muster erkennen, keine Kategorien von Leuten aufstellen und sie in Beziehung setzen zu der Wahrscheinlichkeit, mit der sie ein paar Münzen in meine Büchse warfen. Und ich konnte auch keine unterschiedlichen Muster bei Männern oder Frauen erkennen, bei Jungen oder Alten, bei eher bescheiden oder eher selbstbewusst Auftretenden, bei Sängern alter deprimierender schottischer Lieder oder peppig, aber falsch spielenden Dudelsackspielern. Ich bin sicher, andere haben auf diesem Gebiet wissenschaftliche Experimente durchgeführt und könnten mich widerlegen; ich stellte jedenfalls fest, dass Menschen jeglicher Art extrem großzügig und extrem geizig sein können.
Einen noch sehr viel krasseren und interessanteren Kontrast erlebten wir, als wir die Erlaubnis erhielten, im Vorfeld eines nationalen Pokalendspiels eine Straßensammlung vor dem Fußballstadion zu veranstalten; das Spiel wurde ausgetragen zwischen den beiden Giganten des schottischen Fußballs, den Glasgow Rangers und Celtic Glasgow. Das Konkurrenzverhältnis zwischen diesen beiden Teams steht in dem Ruf, womöglich die leidenschaftlichste Rivalität im gesamten Weltfußball zu sein, repräsentieren sie doch die Gruppierungen der Protestanten und der Katholiken Westschottlands und den reichlich abstoßenden historischen Ballast, der damit verbunden ist. Wir waren also nicht ganz frei von gewissen Befürchtungen, als wir uns mit unseren Sammelbüchsen unter die Fans mischten, die zu Zehntausenden ins Stadion strömten. Ich fragte mich, ob sie uns überhaupt wahrnehmen oder auf unsere Bitten reagieren würden. Meine Sorgen waren unberechtigt – sie spendeten in ganz unglaublichem Ausmaß. Es war die ergiebigste Spendenaktion, die wir bis dahin erlebt hatten. Ich vermute, dass ein bestimmtes Wettbewerbselement mit hineinspielte. Vielleicht nahmen sie ja an, dass wir die Erträge getrennt ermitteln würden, einerseits die von den Fans in Blau, andererseits die von den Fans in Grün, und das Ergebnis würden wir dann an die große Glocke hängen, sodass jeder es mitbekam. Oder vielleicht begünstigten auch die vor dem Spiel konsumierten Biere das Öffnen von Herzen und Geldbeuteln. Was auch immer die Gründe sein mögen (und ich bin sicher, in Wahrheit waren sie sehr viel ehrenwerter als meine Vermutungen), jedenfalls sammelten wir in der kurzen Zeit, während die Fans ins Stadion eingelassen wurden, eine absolute Rekordsumme. Die Verbindung mit diesen Fußballvereinen in Glasgow hatte übrigens auf unterschiedliche Weise noch weiter Bestand.
Ein paar Jahre nach dieser Episode wurde ich zwei berühmten ehemaligen Fußballern vorgestellt, Frank McGarvey und Gordon Smith, die für Celtic bzw. die Rangers gespielt hatten. Sie beschlossen, ein Benefizspiel zwischen ehemaligen Spielern beider Clubs zu organisieren, um Spenden für uns einzutreiben. Als Celticfan und begeistertem Fußballspieler konnte mir natürlich nichts Besseres passieren. Sie buchten ein kleines Stadion im Glasgower East End und riefen ihre Freunde aus den beiden Clubs an. Viele berühmte Spieler waren bereit teilzunehmen.
Am Tag vor dem großen Ereignis redete ich kurz mit Frank über einige letzte Vorbereitungen. Ich wollte wissen, ob sein Team auch in Form war.
„Na ja, nicht so ganz“, antwortete er. „Einige haben auf den letzten Drücker noch abgesagt. Pack mal am besten deine Fußballschuhe ein.“
Ich lachte.
„Nein, ich mach keine Witze. Nimm deine Schuhe mit. Du bist schön groß, und du hast mir erzählt, dass du ein bisschen spielen kannst.“
Er hängte auf. Ich hörte auf zu lachen. Dann rief ich meine Freunde an, um ihnen die Neuigkeit mitzuteilen. Dann suchte ich nach meinen alten Schuhen, die ich schon seit einer Weile nicht mehr gebraucht hatte. Am nächsten Tag saß ich dann in der Umkleidekabine mit einer Gruppe von Spielern, lauter Kindheitshelden von mir, die sich über Taktik unterhielten und wie man die Rangers schlagen konnte. Ich erinnerte mich an zahlreiche Träume aus meiner Kindheit, die ganz genauso verlaufen waren. Das war schon sehr besonders.
„Wo willst du spielen?“, fragte Frank, als er begann, das Team zu organisieren, und ich brauchte eine Weile, bis ich merkte, dass er mit mir sprach.
„Hmm, also – vorne, im Sturm.“
„Prima. Dann sind wir beide die Stürmer.“ Er lächelte. „Mach dir keinen Kopf. Zusammen kriegen wir das hin.“
Und so kam es dazu, dass ich tatsächlich in einem Fußballspiel von Celtic gegen die Rangers mitkickte. Faktisch war ich gegen einen ihrer berühmtesten ehemaligen Spieler eingesetzt, den gegenwärtigen Kapitän der englischen Nationalmannschaft, Terry Butcher. Er ist ein Riese. Ich glaube, er hat mich während des Spiels geschont, obwohl seine Freundlichkeit nicht so weit ging, mir allzu viele Ballkontakte zu ermöglichen. Ich habe auch wirklich nicht sehr gut gespielt, habe einige Torchancen vergeigt. Und wir haben das Spiel verloren. Einige meiner Freunde aus Dalmally waren mit mir gekommen, um mich spielen zu sehen, was mir viel bedeutete, obwohl sie sich dann hinterher in der Kneipe damit amüsierten, meine Leistung zu analysieren.
Diese ganze Erfahrung fühlte sich an, als wolle mir Gott eine kleine süße Belohnung geben. Ein wundervolles Überraschungsgeschenk. Etwas vollkommen Unerwartetes, das aber in Beziehung zu einem Herzenswunsch von mir stand (und zwar einem kindlichen Herzenswunsch, den ich als Erwachsener nicht auszusprechen gewagt hätte) oder zu einer Sehnsucht, die nur er kannte. Und dazu das Gefühl, dass er wollte, dass ich wusste: Er versteht mich. Etwas dergleichen ist mir seither noch viele Male passiert – unverdiente, unerwartete Geschenke aus heiterem Himmel, die nur ausgepackt werden können, wenn man sich wie ein Kind fühlt.
Mittlerweile gab es auch einiges zu tun, das etwas weniger spannend war. Nun, da sich das Ganze zu einer kontinuierlichen Mission entwickelt hatte, war uns klar, dass wir eine Wohltätigkeitsorganisation anmelden mussten. Der Name, der ursprünglich auf unserem alten Truck gestanden hatte, war Scottish Bosnia Relief (Schottische Bosnien-Hilfe). Als das Wort „Bosnien“ im Lauf des Krieges politisch heikel wurde, stellte es ein Risiko dar, wenn wir durch bestimmte Gebiete oder zu Grenzstellen kamen; deshalb kratzten wir diese Buchstaben weg. Dann beschlossen wir, das Wort International in den verkratzten Raum zwischen Scottish und Relief zu setzen. Schließlich, so dachten wir uns, lieferten wir ja nach Kroatien ebenfalls Hilfsgüter, und wer wusste schon, wohin wir in Zukunft noch kommen würden? Das war jetzt also der Name der Organisation: Scottish International Relief.
Mein Bruder machte sich dann die Mühe, diverse Ideen für ein Logo zu entwerfen. Wir entschieden uns für das blaue keltische Kreuz, das er gezeichnet hatte. Darauf geschrieben waren die Buchstaben SIR, die Abkürzung, unter der wir für viele Jahre auftraten. Dieses alte Symbol, ein Kreuz auf einem kleineren Kreis, sieht man in Schottland und Irland überall. Es bezeichnet den Übergang unserer Vorväter vom Heidentum zum Christentum, von der Anbetung der Sonne (der Kreis) zur Anbetung Jesu Christi (das Kreuz).
Dann brauchten wir einen Slogan, und wieder saßen wir um den Familientisch und bastelten an diversen Ideen herum. Letztlich einigten wir uns auf „Delivering Hope“ („Hoffnung bringen“). „Hoffnung“ war schon immer mein Lieblingswort. Wir diskutierten auch kurz die Frage, ob die Organisation als Erweiterung unseres Craig Lodge Family House of Prayer laufen sollte, das als wohltätige Einrichtung schon seit mehreren Jahren registriert war. Es ging letztlich um die Frage, ob wir eine katholische oder eine überkonfessionelle Organisation wollten. Da wir alle der Meinung waren, dass dies ein Werk Gottes und eine Frucht von Medjugorje war, spürten wir auch alle sehr stark, dass die Organisation offen für alle Gläubigen und auch für Nichtgläubige sein sollte.
Wir gründeten also eine neue, überkonfessionelle Wohltätigkeitsorganisation, und außer den Familienmitgliedern baten wir in den ersten Vorstand auch zwei nichtkatholische Freunde, die in der Vergangenheit schon immens viel geholfen hatten. Wir arbeiteten mit einem Anwalt in Oban, der nächsten größeren Stadt, zusammen, der uns bei der Formulierung einer Satzung half, und bei unserer ersten ziemlich informellen Versammlung wählten wir meinen Schwager Ken, Ruths Ehemann, zum Vorsitzenden. Der Vorstand sollte sich drei- bis viermal im Jahr treffen, und Julie und ich erledigten mit enormer Unterstützung von Mum und Dad (die trotzdem auch noch das Einkehrzentrum leiteten) und mit Hilfe von zahlreichen Freiwilligen die tägliche Arbeit.
Julie, die neben all ihren anderen Gaben auch noch ein Talent für Verwaltungsangelegenheiten hatte, übernahm die Verantwortung für die Dankesbriefe an die Spender und die Speicherung ihrer Namen und Adressen. Ich erledigte die Fahrten innerhalb von Schottland, nahm die Sachspenden entgegen und kümmerte mich um die Planung und Vorbereitung für die Auslieferungen. Dazu gehörten die Kommunikation mit unseren Partnern in den diversen Regionen, in denen Hilfe gebraucht wurde; Anforderungslisten, der Papierkram mit dem Zoll, Streckenplanung und die Versuche, die Löcher im Dach unseres LKWs zu reparieren. Außerdem verfasste ich die Aufrufe und Newsletter, die wir mittlerweile an die wachsende Zahl unserer Unterstützer versandten, und zu meiner großen Überraschung machte mir diese Tätigkeit richtig Freude. Ich begann sogar, damit noch ein bisschen Geld reinkam (ich war nach wie vor ein unbezahlter ehrenamtlicher Mitarbeiter, lebte von meinen Ersparnissen, und bei Mum und Dad musste ich ja für die Unterkunft nichts bezahlen), einige Artikel über anderweitige Themen zu schreiben, und verkaufte sie an diverse Zeitungen. Und natürlich verbrachten wir einen gewaltigen Anteil unserer Zeit damit, mit unserem Truck in Europa hin- und herzufahren. In dem Jahr seit unserem ersten Trip mit dem Landrover war ich über zwanzigmal nach Bosnien-Herzegowina gefahren.
Jedes Mal, wenn ich diese Fahrten machte, lernte ich etwas, und mindestens genauso viel lernte ich von den Menschen, die auf alle möglichen Arten unsere Arbeit daheim unterstützten. Ich war tief bewegt – und herausgefordert von der Großzügigkeit, die ich erfuhr.
Mrs. Duncan Jones lebte in einem kleinen Häuschen – der Art, von der man in Märchen hört – am Ende einer arg holprigen Straße in der Nähe des Dorfs Kilmartin. Wir besuchten sie immer gern mit unserem Lieferwagen, um diverse Dinge mitzunehmen – sowohl ihre eigenen Spenden als auch Sachen, die sie von Freunden aus der Gegend bekommen hatte. Jedes Mal, wenn wir sie besuchten, servierte sie uns eine Portion ihrer fantastischen Suppe, und „um sicherzustellen, dass auf der Reise nach Bosnien das leibliche Wohl nicht zu kurz kommt …“, machte sie für uns die köstlichsten Früchtekuchen, die ich je gegessen habe. Diese Früchtekuchen enthielten eine ganz erstaunliche Menge Brandy. Manchmal deponierte sie sie für uns an einer bestimmten Tankstelle auf unserer Route nach Glasgow, und dazu noch einen Zettel mit einigen aufmunternden Worten. Ihr Mann, ein Pfarrer der Episkopalen, starb kurz nachdem wir sie kennengelernt hatten, doch ihr unermüdlicher Einsatz und ihre Unterstützung ließen zu keiner Zeit nach. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich sie besuchte, um wieder eine Wagenladung Spenden mitzunehmen. Als sie mir die Suppe servierte, sah ich, dass sie statt einer Schöpfkelle einen alten Becher nahm, um meine Schale zu füllen. Jetzt erst bemerkte ich die leeren Schränke und Regale in ihrer Küche – offenbar war fast alles ausgeräumt. Besorgt fragte ich, ob es ihr gut ginge.
„Ja, alles prima“, sagte sie lächelnd.
„Ziehen Sie um?“, fragte ich.
„Nein, nein. Mir gefällt es hier. Ich habe einfach über diese Familien in Bosnien nachgedacht, die in ihre Wohnungen zurückkehren und gar nichts mehr haben. Sie brauchen diese Dinge nötiger als ich. Ich meine, wozu braucht denn eine alte, alleinlebende Frau wie ich eine Schöpfkelle? Oder Extra-Platten und Schüsseln, die ich sowieso nie benutze?“
Ich rollte von ihrem Haus den Hügel hinunter, den Lieferwagen voll mit ihren Haushaltsgegenständen und neben mir auf dem Beifahrersitz den sorgfältig eingepackten Kuchen. Im Rückspiegel sah ich die winkende Mrs. Duncan Jones. Sie lächelte übers ganze Gesicht.
Es gab noch weitere Herausforderungen für mich. Wenige Wochen zuvor unterhielten sich Julie und ich (wir waren mittlerweile verlobt) auf der letzten Etappe der Rückreise von einem weiteren Trip nach Bosnien-Herzegowina, und sie begann, vorsichtig-freundliche Fragen wegen meiner Schüchternheit zu stellen – und wegen meiner Art, mich zu kleiden. Ich hatte ihr zu ihrer nicht geringen Bestürzung mit einer gewissen Selbstgefälligkeit mitgeteilt, dass alle meine Klamotten (abgesehen nur von meinem Kilt) nicht mehr als eine Waschmaschinenladung ausmachten. Es war ein ziemlicher Schock für sie, dass ich nicht deswegen so abgerissen aussah, weil ich gerade in der Gegend herumfuhr und den ganzen Tag Lastwagen belud.
„Nun, das wird dann wohl der Grund dafür sein, dass alle deine Klamotten denselben grässlichen Grauton haben“, sagte sie trocken nach kurzem Schweigen.
„Was willst du eigentlich machen, wenn wir mit dieser Sache hier fertig sind? Wirst du wieder als Fischfarmer arbeiten?“, fragte sie mich.
Ich dachte kurz nach und sagte dann: „Ich weiß es eigentlich noch nicht. Das Einzige, was ich sagen kann: Es wird nichts, bei dem ich mit Leuten zu tun haben muss!“
Im weiteren Verlauf der Monate aber, und weil ich immer mehr Zeit damit zubrachte, mit Menschen zu reden, die ich nicht kannte, wuchs mein Selbstvertrauen allmählich. Julie konnte mich sogar so weit ermutigen, dass ich manchmal nachgab und Vorträge vor Unterstützergruppen hielt. Und irgendwie fing ich an, diese Begegnungen zu mögen – ich hatte das Gefühl, dass ich etwas konnte und dass ich es gut konnte. Ich stellte fest, dass unsere Unterstützer regelrecht hungerten nach Informationen über unsere letzten Hilfstransporte. Wir fingen an, Bilder zu knipsen, und kauften einen alten Diaprojektor, um unsere Vorträge anschaulicher zu machen. Und wir erweiterten unseren Newsletter um Bilder. Ich entwickelte allmählich eine enorme Zielstrebigkeit, wenn es darum ging, den Hilfsbereiten die Bedürfnisse und Äußerungen der Notleidenden zu vermitteln. Eine Zeitlang dachte ich sogar, ich könnte doch versuchen, Journalist zu werden. Eines Tages stieß ich auf eine Anzeige, mit der eine Fischzucht-Zeitschrift einen Journalisten suchte, und ich bewarb mich. Zu meiner Überraschung luden sie mich nach Edinburgh zu einem Gespräch ein. Die beiden Männer auf der anderen Seite des Tischs waren angetan von den Texten, die ich eingeschickt hatte, und alles schien richtig gut zu laufen. Dann stellten sie mir eine hypothetische Frage:
„Was würden Sie tun, wenn Ihnen Beweise in die Hände kämen, dass eine Firma, die ein wichtiger Werbekunde für unsere Zeitschrift ist, ein Produkt herstellt – beispielsweise eine Chemikalie zur Parasitenbeseitigung bei Lachsen –, das sich äußerst schädlich auf die Schalentiere der Region auswirkt?“
„Ich würde natürlich einen den Tatsachen entsprechenden, gut recherchierten Artikel verfassen, der darüber informiert. Es wäre eine wichtige Geschichte, und die Leser hätten ein Recht, die Fakten zu erfahren“, sagte ich im Brustton der Überzeugung – nicht eine Sekunde kam mir der Gedanke, dass meine Antwort hoffnungslos naiv war. Aber dann sah ich, wie die beiden sich anschauten, der eine mit hochgezogenen Augenbrauen, der andere süffisant lächelnd. Zu spät wurde mir bewusst, dass meine Fantasien, mit Preisen überschüttete journalistische Beiträge als Waffe im Kampf um Wahrheit und Gerechtigkeit zu verfassen, nicht unbedingt mit einem Job bei einem schottischen Fischzuchtmagazin kompatibel waren.
Julie wartete draußen auf mich. Als ich ihr erzählte, wie es gelaufen war, mussten wir beide lachen – und wir merkten, dass wir eigentlich tief im Innern nie wirklich davon überzeugt gewesen waren. Faktisch waren wir von gar nichts überzeugt, wenn es nicht mit dem vereinbar war, was wir bereits machten. Und Julie, meine Verlobte, war eine Frau, die nie, nicht ein einziges Mal, irgendwelche Sorgen über unsere zukünftige finanzielle Sicherheit äußerte.
Allerdings ging uns tatsächlich das Geld aus. Es war mittlerweile ein Jahr her, dass ich meinen Job aufgegeben hatte. Wir mussten ein paar Entscheidungen treffen. Der Stiftungsrat schlug vor, ich solle mich in bescheidenem Rahmen bezahlen lassen, damit diese Arbeit, die an Umfang ständig zunahm, weiterwachsen konnte. Und nach vielem Diskutieren, Nachdenken und Beten erklärte ich mich schließlich einverstanden. Es war eine sehr schwere Entscheidung. Zu unserem ursprünglichen Plan hatte das nicht gehört, und ich fühlte mich überhaupt nicht wohl damit, auch nur einen kleinen Teil des uns gespendeten Geldes abzuzweigen, um selber davon zu leben. Wir wollten, dass unsere Organisation so kostengünstig und mit so vielen Freiwilligen wie möglich arbeitete, und auch heute ist das noch unser Bestreben. Aber die Alternative für mich war eben, mir einen anderen Job zu suchen und die organisatorische Arbeit zurückzuschrauben, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als uns immer mehr Menschen unterstützten und ermutigten, unsere Arbeit fortzusetzen. Und ein einziger geringer Lohn stellte lediglich einen sehr geringen Prozentsatz des Gesamtumfangs der Spenden dar. Ich nahm das Angebot also an, und ich bin sehr froh, dass ich es getan habe.
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