Kitabı oku: «In Freiheit dienen», sayfa 3
Grenzen abstecken
Grenzen sind, wie gesagt, die Konturen des Ichs. Als Jesus vom Geist in die Wüste geführt wird, greift der Teufel seine tiefste Identität an (vgl. Matthäus 4,1-11). Wieder und wieder kommt der heimtückische Satz: »Wenn du Gottes Sohn bist …« Wie alles, was der Teufel tut, zielen auch seine Worte in verschiedene Richtungen (Diabolos bedeutet »Durcheinanderbringer«). Auf der einen Seite ist da ein heimliches Infragestellen: »Wenn du nun wirklich Gottes Sohn bist …« Auf der anderen Seite die schillernde Option, diese Identität für spannendere Projekte einzusetzen: »Du könntest …«
Jeder Gemeindemitarbeiter kann sich in dieser Situation wiedererkennen. Auf der einen Seite die tiefen Zweifel an sich selbst und der Beziehung zu Gott. Auf der anderen Seite die nagende Versuchung, Position und Einfluss mehr zur Befriedigung eigener Bedürfnisse als der anderer zu nutzen.
Jesus könnte mit dem Teufel darüber diskutieren. Er könnte sich einer eleganten Argumentation hingeben und mit seiner blendenden Intelligenz und theologischen Kenntnis den Teufel in seine Schranken weisen. Stattdessen zitiert er schlicht und ergreifend eine Bibelstelle aus dem 5. Buch Mose. Jedes Mal. Wie unkreativ! Wie langweilig! Wie traditionell!
Wie effektiv! Seine Absicht ist ganz einfach: seine Grenzen abzustecken. Oder anders gesagt: der zu sein, der er ist. Jesus braucht dem Teufel nichts zu beweisen. Er konzentriert sich allein darauf, die Identität zu bewahren, die in seiner Taufe bestätigt wurde: Er ist der geliebte Sohn des Vaters.
Ausgehend von dieser Identität begegnet er den Versuchungen in drei entscheidenden Feldern, die jede Führungsperson kennt: 1. Wovon lebe ich? 2. Was soll ich tun? 3. Wessen Ehre suche ich? Versorgung. Dienst. Zielsetzung.
In jedem Punkt versucht der Teufel, Jesus auf seine Seite und das Spielfeld der Welt zu locken. Natürlich beginnt er, als Jesus hungrig ist, und appelliert an die persönlichen Bedürfnisse: »Du könntest diese Steine in Brot verwandeln.« Vielleicht hat er auch andere spannende Dinge vorgeschlagen, die Jesus hätte hervorzaubern können. Die Logik ist einfach und nur schwer zu widerlegen: Du bist hungrig. Du bist mächtig. Was hindert dich …?
Als er Jesus mit sich hoch auf die Tempelmauer nimmt, folgt er der gleichen Logik: Alle würden es sehen, wenn er sich hinunterstürzen und die Engel ihn auffangen und retten würden. Was für ein Durchbruch! Du willst doch, dass die Menschen sehen, wer du bist!
Schließlich geht er zum Äußersten und nimmt Jesus vom Jordan, einem der tiefsten Punkte der Erde, mit auf einen »sehr hohen Berg«. Er lockt Jesus, statt aus Gottes Perspektive (vom tiefsten Punkt, den Kleinsten und Ärmsten) vom Aussichtspunkt des Teufels auf die Erde zu schauen (von Macht, Reichtum und Hochmut).
Hier folgt das vielleicht Heimtückischste – er will Anbetung als Mittel zum Erreichen eigener Ziele benutzen: »All das will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.« Wenn Geistlichkeit und Anbetung zu Mitteln werden, mit denen wir unsere eigenen Ziele erreichen wollen, egal, ob es sich nun um persönlichen Erfolg, Gemeindewachstum, heilende oder politische Ziele handelt – dann haben wir schon die Grenze überschritten und bewegen uns auf dem Niveau des Teufels. Der Fluch der Instrumentalisierung, die sein Atem ist, verwandelt alles Lebendige in Dinge, alle Beziehungen in Mittel, Gottes Schöpfung in Asche.
Erst als Jesus diese instrumentalisierende Sicht auf sein geistliches Leben abweist, zieht sich der Teufel zurück: »›Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und nur ihm allein dienen.‹ Da verließ ihn der Teufel.«
Dies sagt viel darüber aus, was Anbetung ist: ein geschütztes Umfeld vor allem, was Instrumentalisierung heißt. Hier können Gott, Menschen und die ganze Schöpfung sicher sein vor aller Kosten-Nutzen-Rechnung, Ergebnisorientierung und jeder Form der Ausbeutung. Ein befreiendes Umfeld für alle müden und gestressten Führungspersonen.
Jesu vierzig Tage in der Wüste sind eine Schule und Vorbereitung für seinen öffentlichen Dienst. Sie sind auch eine Generalprobe vor seinem Tod. Er steht vor exakt der gleichen Verführung, seine Macht für die eigenen Ziele zu nutzen, als er am Kreuz hängt: »Nun, wenn du der Sohn Gottes bist, dann rette dich doch selbst und steig vom Kreuz herab!« (Matthäus 27,40). Jesu stumme Antwort zeugt vom gleichen Geheimnis: Er besiegt den Teufel nicht durch das, was er tut, sondern durch das, was er nicht tut.
Dies war möglicherweise noch nie revolutionärer als in unserer leistungsgeplagten Welt. Über allem, was mit Führung zu tun hat, pfeift die unsichtbare Peitsche: Erweitere deine Kompetenzen! Erhöhe die Statistiken! Zeig Resultate! Du kannst mehr! Reduziere die Defizite! Erweitere dein Netzwerk! Lies mehr Bücher! Es muss mehr in der Gemeinde passieren! Liefere!
Seine Grenzen abzustecken, heißt, den Teufel in seine Schranken zu weisen. Ihn, der sich seit Anbeginn der Zeit weigert, sich in die Schranken zu fügen, die der Schöpfer ihm zugedacht hat. Ihn, der seinen kosmischen Aufstand gegen alles führt, was Grenzen heißt. In unserem Leben heißt das konkret, sich gegen alle Anforderungen, Einflüsse und invadierende Menschen zu schützen, die unsere Kräfte aussaugen und letztlich zu Zynismus und Burn-out führen.
Schon im 17. Jahrhundert schrieb Vincenz von Paul: »Es ist eine List des Teufels, um die guten Seelen zu betrügen, dass er sie antreibt, mehr zu tun, als sie können, damit sie hernach nichts mehr tun können, weil sie zu sehr überladen sind.«
Wovon sollen Sie sich als Leiter nicht ernähren? Welche Aufgaben sollen Sie nicht übernehmen? Welche Form von geistlichem Leben ist für Sie nicht interessant und bereichernd?
Sich davon abzugrenzen ist genauso wichtig, wie zu wissen, was Sie tun sollen. Sonst kann es passieren, dass Ihre Identität von Kräften manipuliert wird, die Sie in eine Richtung ziehen, in die Sie gar nicht wollen. Denken Sie an Herr der Ringe: Frodos Auftrag hängt davon ab, ob er der Versuchung widerstehen kann, die Macht des Rings für seine eigenen Ziele zu missbrauchen.
Dies ist auch eine wichtige Erkenntnis über das Wesen der Kirche. Oft hört man, die Kirche würde nicht von ihren Grenzen, sondern von ihrem Zentrum zusammengehalten. Das klingt ja auch ganz gut. Bis wir durch mehr oder weniger schmerzhafte Erfahrungen begreifen, dass die Identität der Kirche genauso funktioniert wie unsere eigene: Identität wird an den Grenzen deutlich – oder ausradiert. Wie Jesus in der Wüste wird die Kirche erkennbar in der Auseinandersetzung mit allem, was sie nicht ist.
Wahre Autorität
In diesem Zusammenhang zeigt sich, was Autorität ist. Für die Mächte dieser Welt ist Autorität immer rohe Stärke. Kraftvoll agieren zu können, sodass andere sich vor dem eigenen Willen beugen. Am deutlichsten wird das in der Art Autorität, die Dwight Eisenhower den »militärindustriellen Komplex« nennt – die Verflechtung von Politik, Militär und Waffenindustrie. Diese Logik beginnt schon im Sandkasten und zieht sich durch alle Konferenzräume des Lebens: Der Stärkste gewinnt.
Dag Hammarskjöld, der als Generalsekretär der Vereinten Nationen dieses Muster nur zu gut kannte, beschreibt, wohin es führt: »Indem wir auf Nummer sicher gehen, schaffen wir eine Welt äußerster Unsicherheit.«
Paradoxerweise finden wir beim größten Kriegshelden des Alten Testaments Beispiele für eine ganz andere Form der Autorität. Bevor er König wurde, wurde David von seinem Vorgänger Saul gejagt, der aus gutem Grund seine Position durch den jungen Hirten bedroht sah. Zwei Mal gelingt es David, seinem Verfolger in dramatischen Momenten so nahe zu kommen, dass er ihn töten könnte. Genau das erwarten auch seine engsten Vertrauten. Doch beide Male verzichtet David auf den Mord und zeigt dem erschrockenen Saul, was er hätte tun können: »Als Saul sich umdrehte, verneigte David sich tief und warf sich vor ihm nieder.« Und er erklärt: »Ein paar meiner Männer verlangten von mir, dass ich dich töte. Doch ich habe dich verschont […] Der Herr wird zwischen uns entscheiden. Er wird dich für das strafen, was du mir anzutun versuchst« (1. Samuel 24; vgl. 1. Samuel 26).
Indem er auf seine Rache verzichtet, gewinnt David eine andere und stärkere Autorität. Dabei geht es nicht um Passivität oder Nachgiebigkeit, sondern um eine aktive Entscheidung. Indem Jesus in der Wüste Nein zu den Vorschlägen des Teufels sagt, sagt er Ja zu der Autorität, die am Kreuz alle Macht dieser Welt demaskiert und entwaffnet.
Dass jemand Macht besitzt, sie aber nicht anwendet, erscheint der Welt unfassbar. So erklärt auch Paulus: »Die Weisheit, von der wir sprechen, ist die Weisheit Gottes […] Doch die Mächtigen dieser Welt haben sie nicht verstanden, denn hätten sie das getan, dann hätten sie den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt« (1. Korinther 2,7-8).
Hier wird der Zusammenhang zwischen dem Zentrum und den Grenzen offensichtlich. Wenn in der Mitte ein geringes Selbstwertgefühl steht, wird es schwer, die Grenzen zu sichern. Man kann es sich nicht leisten, auf etwas zu verzichten, was für den Moment die eigene Position stärken könnte. So wird das eigene Handeln von der Umgebung diktiert und man überlässt ihr die Macht.
Jesus behält die Macht, indem er auf sie verzichtet. Dadurch hat er die Macht, anderen und Höherem frei zu dienen, anstatt seine eigene Position stärken zu müssen.
Wie Thomas Merton sagt: »Demut ist das sicherste Zeichen von Stärke.«7
2 WAS UNS WIRKLICH ANTREIBT - Zwischen Begabung, Berufung und dem Drang nach Anerkennung
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»Kommt mit und folgt mir nach. Ich will euch zeigen, wie man Menschen fischt« (Markus 1,17). – Mit diesem Ruf Jesu hat die Nachfolge begonnen. Aber viele gehen in eine falsche Richtung, wenn sich der Ruf zur Nachfolge mit Arbeit, Dienst, Betrieb und Karriere verflicht. Wir sind oft blind für die einfache und deutliche Verantwortungsverteilung in Jesu Worten. Wir folgen ihm nach. Er wird uns zu Menschenfischern machen. Was wir tun sollen – was er tun will. Wie befreiend!
Aber wie schwer, wenn wir beides vermischen! Wenn der Auftrag die Nachfolge überschattet, die Arbeit die Beziehung verdunkelt, wenn wir versuchen, seine Verantwortung zu übernehmen. Wenn das, was wir tun, wichtiger wird als das, was wir sind. Die tragische Instrumentalisierung, die jedes Du in ein Das verwandelt, vergiftet persönliche Beziehungen. »Dich kann ich gut brauchen.« Auf diese Weise werden Gott, wir selbst und andere Menschen auf ein Mittel zum Zweck, dem Dienst, reduziert. Kein Wunder, dass wir dessen müde werden und die Orientierung verlieren.
In ihrer armseligsten Form ist dann die Arbeit in der Gemeinde nämlich nur noch das: eine Arbeit. Eine Möglichkeit, sich zu versorgen, mit dem Bonus, dass wir dabei ja sogar Gott und den Mitmenschen dienen. Der Horizont des täglichen Einsatzes wird begrenzt von Lohnverhandlungen, dem Arbeitsklima, Arbeitsplanung, verschiedenen Amtshandlungen und Tätigkeiten, Kursen zur Kompetenzerweiterung, dem Schielen auf neue Dienstbereiche, innerkirchlichen Debatten und Tratsch, Konflikten mit anstrengenden Menschen, Leitfäden und allem anderen, was den Kalender füllt.
In solchen Situationen sagen wir: »Wenn Gott seinen Heiligen Geist wegnähme, würde alles so weiterlaufen, als wäre gar nichts passiert.«
Was würde passieren, wenn wir anfangen würden, den Heiligen Geist ernst zu nehmen? Die charismatische Bewegung hat seit Beginn der 1970er-Jahre einen großen Teil der Christenheit berührt. Vielen Menschen brachte sie sogar die lebenswichtige Erfahrung von Gottes Nähe in ihrem Leben. Ich bin einer davon. Das Tauwetter, das damals in all meinen Beziehungen einsetzte, war um einiges tiefgehender als viele Therapien (die wirklich viel bewirken können). Ich weiß, dass ich diese Erfahrung mit Hunderttausenden Menschen auf der ganzen Welt teile.
Aber der Hang zur Instrumentalisierung sitzt so tief in uns. Vielleicht lässt sich so die Grundsünde beschreiben: dass wir alles zu Mitteln für eigene Interessen machen. In den glücklichen Eifer um die Geistesgaben, die unsere Herzen und Sinne für Gottes Güte und die Bedürfnisse anderer weiten, hat sich heimlich, still und leise ein wohlbekanntes Denken eingeschlichen. Könnten diese Gaben nicht auch unsere Gottesdienste attraktiver und unsere Führung effektiver machen? Es wurden »Glaubensziele« aufgestellt für alles, was in der Kirche passieren sollte. Und wir fingen an, unsere Gaben zu inventarisieren, um bessere Führungspersönlichkeiten zu werden.
Die ämter- und ausbildungsbasierte Führung wurde ersetzt durch die gabenbasierte Führung. Führungsperson ist nun, wer gewisse geistliche Gaben bekommen hat. Oder andersherum: Hat man gewisse Geistesgaben, ist man offenbar Leiter. Der Ausdruck in Wort, Musik und Verhalten ist anders als in traditionellen Gemeinden. Aber die instrumentelle Denkweise ist definitiv ähnlich. Im traditionellen Bereich sind es Ausbildung, Weihe und Anstellung, die für die Führung qualifizieren. Im charismatischen Bereich sind es die geistlichen Gaben und der Dienst. In beiden Fällen liegen der Schlüssel und die treibende Kraft für die Führung bei mir selbst: Ich habe das Einzigartige, das mich zum Leiter macht.
Ein bitterer Nachgeschmack
Wo liegt das Problem? Wie immer braucht es Zeit, bis die Saat Früchte trägt und man den Nachgeschmack erkennt. Aber wie Jesus sagt, ist es jenes langsame und bleibende Werk, das in allem Geistlichen den Unterschied macht (vgl. Matthäus 7,15-23). Was die gabenbasierte Führung betrifft, tritt in aller Regel früher oder später der bittere Nachgeschmack zutage:
• Exklusivität: Dieses Führungsverständnis basiert auf der Sichtweise, dass die Führungsperson anders ist. Der Schwerpunkt in meinem Selbstbild als Leiter liegt eher in meinem Unterschied zu den anderen als in meiner Zugehörigkeit zu ihnen. Damit bestätige ich das Bild des christlichen Dienstes als etwas Exklusives für einige wenige Auserwählte, was letztendlich dazu führt, dass sowohl die Auserwählten als auch die, die es nicht sind, verarmen.
• Willkür: Weil meine Gottesbeziehung dermaßen von der Überzeugung geprägt ist, dass ich diese Geistesgaben von Gott erhalten habe, hängt sie davon ab, dass ich diese Gaben richtig verwalte und entwickle. Was passiert sonst?
• Resultatdenken: Man sucht ständig nach dem Beleg dafür, dass die Gaben funktionieren und sichtbare Resultate liefern. Wenn man Ergebnisse findet, verführen diese zu Hochmut. Wenn man keine Resultate sieht, verführt das zu Missmut.
• Gottesbild: Was Gott gibt, wird wichtiger als das, was er ist. Die Tendenz geht deutlich in Richtung eines fordernden Gottes, ähnlich wie in Jesu Gleichnis vom Verwalter: »Herr, ich weiß, du bist ein strenger Mann, der erntet, was er nicht gepflanzt hat, und sammelt, was er nicht angebaut hat. Ich hatte Angst, dein Geld zu verlieren, also vergrub ich es in der Erde« (Matthäus 25,14-30).
• Selbstbild: Man reduziert sich auf ein Bündel Gnadengaben auf zwei Beinen, eine »Ressourcenperson« in der Kirche. Wer man wirklich ist, ist weder für Gott noch für andere Menschen interessant. Es zählt nur das, was man tut.
• Einsamkeit: Die eigene exklusive Geistlichkeit wird mehr und mehr zu einem Gefängnis, das einen daran hindert, normale Freundschaftsbeziehungen zu anderen Menschen aufzubauen. Sogar die Beziehung zu Gott scheint eher in die Einsamkeit als in die Gemeinschaft zu führen. Wenn der Job gut läuft, wird Gott zum Arbeitgeber oder Kollegen degradiert, von dem man sich am liebsten erholt, wenn man freihat. Wenn Ergebnisse ausbleiben, stellt sich dagegen die Frage: Bei wem kann ich mich ausweinen, wenn Gott so eng mit den Gaben verknüpft ist?
Eine Stimme aus den 1930er-Jahren aus Deutschland hat hier zweifellos ein gewisses Gewicht. Der lutherische Theologe Dietrich Bonhoeffer war reich an Erfahrungen mit der »charismatischen Führung«. als er schrieb:
Jeglicher Personenkult, der sich auf bedeutende Eigenschaften, auf hervorragende Fähigkeiten, Kräfte, Begabungen eines Andern – und seien sie durchaus geistlicher Art – erstreckt, ist weltlich und hat in der christlichen Gemeinde keinen Raum, ja er vergiftet sie. Das heute so oft gehörte Verlangen nach den »bischöflichen Menschen«, nach »vollmächtigen Persönlichkeiten« entspricht oft genug dem geistlich kranken Bedürfnis nach Bewunderung von Menschen, nach Aufrichtung sichtbarer Menschenautorität, weil die echte Autorität des Dienens zu gering erscheint.
Nichts widerspricht solchem Verlangen schärfer als das Neue Testament selbst in seiner Schilderung des Bischofs (1. Tim 3,1ff). Hier ist nichts von dem Zauber menschlicher Begabungen, von den glänzenden Eigenschaften einer geistlichen Persönlichkeit zu finden. Der Bischof ist der schlichte, in Glauben und Leben gesunde treue Mann, der seinen Dienst an der Gemeinde recht versieht. Seine Autorität liegt in der Ausrichtung seines Dienstes. Am Menschen selbst ist nichts zu bewundern.
Die Sucht nach unechter Autorität will zuletzt doch wieder irgendeine Unmittelbarkeit, eine Menschenbindung, in der Kirche aufrichten. Echte Autorität weiß sich im strengsten Sinne gebunden an das Wort Jesu: »Einer ist euer Meister, Christus; ihr aber seid alle Brüder« (Mt 23,8). Die Gemeinde braucht nicht glänzende Persönlichkeiten, sondern treue Diener Jesu und der Brüder.8
Der Antrieb christlicher Führung
Christliche Führung dreht sich im Kern nicht um persönliche Qualifikationen. Den Fokus darauf zu legen würde eher verstärken, was Augustinus als das Grundproblem des Menschen beschrieben hat: Er ist incurvatus in se, in sich selbst gekrümmt. Schließlich besteht unser Auftrag als Leiter darin, anderen aus ihrer Selbsteingenommenheit zu helfen, damit diese sich Gott und der Umgebung zuwenden können; deshalb dürfen wir nicht riskieren, in unserer eigenen Selbsteingenommenheit und geistlichen Selbstausrüstung stecken zu bleiben. Das gilt für diejenigen, die mit ihren Qualifikationen zufrieden sind (Selbstzufriedenheit), und für jene, die es nicht sind (Selbstverachtung). Ob sich die Stärke nun in der theologischen Ausbildung, sozialen Kompetenz oder Geistesgaben ausdrückt, bildet sie dennoch einen allzu zerbrechlichen Grund und einen irreführenden Fokus für die Leitung.
Auch die Bedürfnisse der Welt können Grund und Antrieb für die Arbeit in der Kirche sein. Ganz gleich, ob es sich um geistliche Not oder soziale oder wirtschaftliche Ungerechtigkeiten dreht: Nöte können das Gewissen wecken und dazu antreiben, die Richtung im Leben zu ändern, aber sie taugen nicht als Grundlage für ein langfristiges Werk. Was vom Mangel angestoßen wird, wird früher oder später die Früchte des Mangels tragen. Wenn sich unser Augenmerk auf die Not richtet, werden wir uns unweigerlich in Zynismus, Bitterkeit und Verzweiflung verlaufen, sobald wir erkennen, wie gering der Unterschied ist, den wir mit unserem Handeln erreicht haben, und wie viel noch zu tun ist.
Christliche Führung handelt von Jesus Christus. Wer er ist, was er in der Welt tut, was er mit dem Leben jedes Einzelnen anfangen will. Alles andere ist sein Widerhall. Nur auf diesem schmalen Weg kann man vermeiden, in der eigenen Führungsposition zu ersticken oder in den Bedürfnissen der Menschen zu ertrinken.
1653 saß ein französischer Jesuit, Paul Le Jeune, mitten in der nordamerikanischen Wildnis am Lagerfeuer und schrieb in sein Tagebuch:
Drei starke Gedanken trösten ein gutes Herz, das sich in den unendlichen Wäldern Neufrankreichs oder unter den Huron-Indianern befindet. Der erste ist: »Ich bin an dem Platz, an den Gott mich geschickt hat. Dort, wohin mich seine Hand geführt hat, wo er mit mir ist und wo ich ihn in meiner Einsamkeit suchen kann.« Der zweite Gedanke sind Davids Worte: »Wenn mein Herz voll Kummer ist, so macht deine Stimme mich froh.« Der dritte ist, dass wir nie Kreuz, Nägel und Dornen finden, ohne bei genauem Hinsehen in ihrer Mitte Jesus Christus zu finden. Kann es jemandem schlecht gehen, wenn er sich in Gesellschaft des Sohnes des lebendigen Gottes befindet? Ich weiß nicht, wie das Land der Huron beschaffen ist, wohin Gott mich in seiner unendlichen Gnade gesendet hat. Aber ich weiß, dass ich lieber dorthin gehe als in jedes mögliche irdische Paradies, denn es ist Gottes Wille.9
Was treibt einen Menschen dazu, alles zu verlassen, was er besitzt, aus seiner Heimat aufzubrechen und sich auf die andere Seite der Welt zu begeben, um dort unter offensichtlicher Gefahr Menschen, die er nicht kennt, von Jesus Christus zu erzählen? Es muss der gleiche Grund sein, der andere Menschen dazu antreibt, unter Menschen, die sie kennen, ausdauernde Gemeindearbeit zu leisten, ohne einen anderen Lohn zu erhalten als die Gewissheit, dass sie Gottes Willen tun.
Der Grund ist die Begegnung mit Jesus Christus. In seiner göttlichen Herrlichkeit besaß er die Freiheit, die der Mensch so heiß begehrt: sich frei im ganzen Universum zu bewegen, quer durch Leben und Tod, im Besitz aller Macht und Weisheit. Aber er hat auf all das verzichtet und sich den Menschen unterworfen, als er als Diener zu uns kam (vgl. Philipper 2,5-11). Er kam in unsere Häuser und teilte unser Leben, unsere Freude und unser Leid. Seine Liebe hatte keine Grenzen, sondern ging den ganzen Weg bis zum Kreuz, an dem er sein Leben für uns gab.
Deshalb wurde ihm die Macht gegeben, die alle anderen für eigene Zwecke missbrauchen würden, die er aber einsetzte, um zu befreien und die gesamte Schöpfung zu heilen. Daher kommen wir nicht um die eine Frage herum, die er uns stellt.
So hat Jesus seine Freiheit genutzt. Wie nutze ich meine Freiheit?