Kitabı oku: «Schwarzwald - FernSichten und EinSichten während einer Wanderung über den Westweg und den Ostweg», sayfa 2

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Etappen auf dem Westweg

Pforzheim – Weil am Rhein/Basel


1. Pforzheim/Kupferhammer – Straubenhardt

2. Straubenhardt – Dobel

3. Dobel – Kaltenbronn

4. Kaltenbronn – Forbach

5. Forbach – Unterstmatt

6. Unterstmatt – Darmstädter Hütte

7. Darmstädter Hütte – Kniebis

8. Kniebis – Auf der Hark

9. Auf der Hark – Hausach

10. Hausach – Silberberg

11. Silberberg – Brend

12. Brend – Schweizerhof

13. Schweizerhof – Hinterzarten

14. Hinterzarten – Feldberg

15. Feldberg – Wieden

16. Wieden – Haldenhof

17. Haldenhof – Stockmatt

18. Stockmatt – Wollbach

19. Wollbach – Weil am Rhein/Basel

Fahrt nach Schaffhausen

Etappen auf dem Ostweg

Schaffhausen – Pforzheim


1. Schaffhausen – Stühlingen

2. Stühlingen – Achdorf

3. Achdorf – Geisingen

4. Geisingen – Sunthausen

5. Sunthausen – Villingen

6. Villingen – Königsfeld

7. Königsfeld – Schramberg

8. Schramberg – Alpirsbach

9. Alpirsbach – Freudenstadt

10. Freudenstadt – Pfalzgrafenweiler

11. Pfalzgrafenweiler – Altensteig

12. Altensteig – Oberhaugstett

13. Oberhaugstett – Calw

14. Calw- Bad Liebenzell

15. Bad Liebenzell – Steinegg

16. Steinegg – Pforzheim/ Kupferhammer

Jüngere Wanderer als wir oder die sehr Sportlichen unter ihnen werden sicherlich längere Tagesstrecken laufen. Aber für uns war entscheidend, dass wir die beiden Fernwanderstrecken „in einem Stück“ laufen. Außerdem drückte uns nicht der Gedanke, dass ein Chef oder das Arbeitsteam auf unsere pünktliche Heimkehr warten würde. Wir sind ja schon ziemlich lange in den älteren Jahrgängen zugange. Und da spielte es bei unseren zurückliegenden Wanderungen keine Rolle, ob wir eine Woche früher oder später nach Hause kämen. So auch bei unserer Wanderung über den Schwarzwald.

Welche Tagesstrecken man sich zutrauen kann, ob man Ruhetage einplant, wie sich die „Quartierlage“ darstellt oder ob man noch speziellen Interessen nachgehen will, muss jeder für sich entscheiden. Wir machten beispielsweise schon bei der ersten Etappe einen größeren „Schlenker“, weil wir der sehr berührenden Geschichte eines Volksliedes nachgehen wollten. Darüber wird noch zu berichten sein.

Was den Westweg anbetrifft, so entsprachen die tatsächlich gewanderten Etappen denen unserer Planung. Auf dem Ostweg wichen wir an einigen Stellen davon ab. Übrigens planten wir unsere Tour im Wesentlichen mit Hilfe des Wanderführers aus der Reihe „ROTHER WANDERFÜHRER“ (Fernwanderwege Schwarzwald. Bergverlag Rother). Sehr informativ und praktisch in der Handhabung! Deshalb nutzten wir ihn auch für die tägliche Orientierung „auf der Strecke“. Wer es allerdings etwas genauer im Hinblick auf die Orientierung im weiteren Umfeld der Fernwanderwege haben will, der sollte zusätzliches Karten wie zum Beispiel die bewährten KOMPASS-Wanderkarten nutzen.

Von der Poesie der Adressen

Adressen verraten immer – mehr oder weniger – etwas über den Ort, den sie benennen. Deine Heimatadresse sagt eine Kleinigkeit darüber aus, wo du lebst. Wenn ich einen Briefumschlag adressiere, überlege ich mir manchmal, warum der Empfänger gerade in dieser Stadt oder in jener Straße mit diesem oder jenem Namen wohnt. Da muss es doch einen Zusammenhang geben! Wenn nicht, so ist das Nachdenken darüber doch auf jeden Fall phantasieanregend und damit nützlich.

In meiner Jugend wohnte unsere Familie einige Jahre in der Berliner Bornholmer Straße. Das ist die Straße, deren Endpunkt einmal nicht nur Endpunkt dieser Straße war, sondern auch zum Endpunkt der Geschichte eines deutschen Staates wurde. Die Bilder über das Geschehen auf der Bornholmer Brücke in den nun schon fernen Novembertagen 1989 gingen um die Welt und fanden Aufnahme in den Bildbänden der Geschichte. Lange davor in meinen jüngeren Jahren überlegte ich damals manchmal, wo denn die Insel Bornholm liegen würde, die der Straße den Namen geliehen hatte. Ich sann darüber nach, wie es auf ihr wohl aussehen möge. Eine unbestimmte Sehnsucht hatte mich erfasst. Sie verstärkte sich, als ich den Roman „Pelle der Eroberer“ gelesen hatte. Meine Sehnsucht sollte sich erst Jahrzehnte später erfüllen. Ein „Bornholmer Wandertagebuch“ erzählt darüber.

In dem Tagebuch hielt ich fest, wie ich Martin Andersen Nexö, dem Autor des Pelle-Romans, näher kam. Vor allem aber schilderte ich unsere Wanderung auf dem „Kyststi“, dem alten Küstenweg. Rund um die Insel liefen wir diesen ehemaligen Weg der Bornholmer Fischer und Lotsen. Der meerumschlungene Hammeren auf der nördlichsten Spitze der Insel ist wohl der seltsamste Berg, auf dem wir je herumkraxelten. Er hat deshalb einen festen Platz in unseren Erinnerungen gefunden. Noch etwas blieb mir von unserer Bornholmwanderung: Ich sah die unbeschreiblichen Herbstfarben der Ostseeinsel und fand zu den Bildern der Bornholmer Impressionisten.

Adressen-Deuterei kann wie in diesem Falle folglich durchaus positive Wirkungen haben. Selbstverständlich lässt sich aus Adressen nicht mehr als eine Ortsangabe herauslesen. Es lässt sich aber mit Phantasie doch einiges in sie hineinlesen. Aber das sollte nicht in eine Handleserei mit Wahrheitsanspruch ausufern.

Wir wurden während unserer Schwarzwaldwanderung meist gastfreundlich aufgenommen, fühlten uns heimatlich für einen Abend, eine Nacht oder einen Tag – unter Adressen, die mich ebenfalls ins träumerische Nachdenken brachten. Vor und nach unseren Aufenthalten. In unseren Wanderpässen finden sich die Stempel unserer Etappenorte bzw. der Unterkünfte, in denen wir übernachteten. Einige habe ich ausgesucht und durch eine Unterstreichung sichtbar gemacht, was ich an diesen Adressen phantasieanregend fand. Vielleicht kann der Leser meiner Notizen nachvollziehen, warum es mir im konkreten Falle so erging.

Landgasthof und Metzger „Zum Rössle“,

Conweiler ~ Landgasthof „Waldhorn“,

Forbach ~ „Hochkopf Stube“ auf der

Rauen Halde ~ Darmstädter Hütte“,

Seebach ~ Haus Tannwald, Kniebis ~

Vesperstube Harkhof“, Hark 1 ~ Vesperstube Silberberg, Schonach ~ Naturfreundehaus „Brend“, Auf dem Brend ~

„Schweizerhof“, Titisee ~ Haus „Alpenblick“, Wieden ~ Jugendherberge Hebelhof, Feldberg ~ „Haldenhof“, Kleines

Wiesental ~ Wanderheim „Stockmatt“ ~

Gasthaus Lehre Post, Sunthausen ~

Pension „Jasmin“, Geisingen ~ „Haus

Rothfuss“, Schramberg ~ Gasthaus „Zur

Traube“, Altensteig ~ Gasthof-Pension

„Linde“, Pfalzgrafenweiler ~ Gasthof

„Lamm“, Steinegg ~ Hotel „Europa“, Pforzheim …

Ich habe im Gegensatz zum Leser den Vorteil, dass ich nun nach unserer Schwarzwaldwanderung bei jeder dieser und der anderen Adressen Bilder im Kopf und vor Augen habe: von Häusern, Straßen, Orten und Räumen. Und vor allem Bilder von Menschen sehe ich, denke an die Gespräche mit ihnen. Auch bestimmte Stimmungen kommen mir dabei ins Gefühl. Ich werde darauf noch einmal zurückkommen.

Über sieben Tausender …

Um ehrlich über den Westweg zu kommen, musst du nicht über sieben Brücken gehen. Aber ersteigen musst du mindestens sieben Berge, die höher als 1000 Meter sind. Mindestens! Nur zum Vergleich: Der Brockengipfel im Harz mit seinen 1142 Metern ist nicht, wie viele annehmen, der höchste Berg der deutschen Mittelgebirge. Diesen Titel nimmt der Feldberg im Schwarzwald mit seinen 1493 Metern für sich in Anspruch. Und der steht nicht wie der Brocken allein in seinem Gebirge herum. Ist nicht ganz berechtigt, meine Ironie! Auch der Brocken hat Gipfelnachbarn. Nur eben nicht so hohe wie der Feldberg. Willst du westwegwärts über den Schwarzwald wandern, dann warten auf dich unter anderem:

der Seekopf ^ 1001 Meter ~ die Badener Höhe ^ 1002 Meter ~ der Hochkopf ^ 1036 Meter ~ der Ochsenstall ^ 1036 Meter ~ die Hornisgrinde ^ 1166 Meter ~ der Schliffkopf ^ 1055 Meter ~ die Blindenhöhe ^ 1005 Meter ~ die Martinskapelle ^ 1090 Meter ~ der Brend ^ 1149 Meter ~ die Heubacher Höhe ^ 1055 Meter ~ die Kalte Herberge ^ 1029 Meter ~ das Lachsenhäusle ^ 1068 Meter ~ das Ruheckle ^ 1045 Meter ~ der Doldenbühl ^ 1075 Meter ~ die Weißtannenhöhe ^ 1192 Meter ~ die Kesslerhöhe ^ 1017 Meter ~ der Grüblesattel ^ 1300 Meter ~ der Stübenwasen ^ 1386 Meter ~ der Notschrei-Pass ^ 1121 Meter ~ das Wiedener Eck ^ 1035 Meter ~ die Krinne ^ 1117 Meter ~ der Belchen ^ 1414 Meter ~ der Stühle ^ 1043 Meter ~ der Hochblauen ^ 1167 Meter …

und eben nicht zu vergessen: der Feldberg ^ 1142 Meter!

Das sind die wichtigsten Westweg-Gipfel. Wir sind sie gegangen. Berge und Höhen sind aber nicht nur zu ersteigen, sondern du musst sie auch wieder abwärts gehen. Und das schmerzt meist mehr und ist anstrengender, als wenn du aufwärts steigst. Auf dem Ostweg stellen sich dir nicht so viele Gipfel in deinen Wanderweg, aber auch hier musst du manch anstrengende Steigung bewältigen.

Übrigens: Ich könnte schon wieder ins romantisierende Nachdenken geraten. Diesmal über den einen oder anderen Namen der Berge und Gipfel und Pässe. Auch sie sind im Schwarzwald oft sehr phantasieanregend. Verleiten zum Nachdenken, warum sie denn ihren Namen erhalten haben. Ich könnte zum Beispiel eine kleine Geschichte darüber erzählen, warum der Gebirgspass zwischen dem Dreisamtal in der weiteren Umgebung von Freiburg im Norden und dem oberen Wiesental im Süden den Namen „Notschrei“ bekommen hat. Wir querten den Pass auf unserem Westweg. Ein freundlicher Schwarzwälder klärte uns darüber auf.

Als ich das erste Mal auf der Wanderkarte auf den Notschrei-Pass stieß, dachte ich: schweres Wetter … Schneesturm … Gewitter … Wanderer verunglückt … Hilferufe … Schreie … wundersame Rettung …Tod …? Stimmt alles nicht!

Der Name hat einen handfesten nachgewiesenen regionalgeschichtlichen Untergrund. Die genaue Geschichte erzähle ich nicht, denn sonst kämen wir bei all dem Geschichtenerzählen nie zum Ziel unserer Wanderung bzw. zur letzten Seite unseres Büchleins. Wer sie genau und spannend berichtet habe möchte, der sollte im „Waldhotel Notschrei“ nachfragen. Das liegt direkt an der Passhöhe. Der Chef des Hauses schilderte uns detailliert und historisch absolut korrekt die Geschichte, wie der Pass und in der Folge sein Hotel zu ihren so geheimnisvollen Namen gekommen waren.

Ein etwa zwei Meter hoher steinerner Obelisk kündet ebenfalls von den Vorgängen um die Namensgebung. Er steht am Straßenrand auf dem Scheitel des Passes. Wer also dort vorbeikommt, vielleicht als zünftiger Wanderer, der kann … Vorausgesetzt, dass er erfahren möchte, was es denn mit dem „Notschrei“ auf sich hat.

Jeder Berg hat das Seine und das Deine

Rekordsüchtige Zählerei soll nicht im Vordergrund des Erzählens über unsere Wanderung stehen. Dafür will ich einige Denk-Notizen über Berge, denen wir im Schwarzwald begegneten, anbieten. Doch vorher ein grundsätzlicher „Berg-Gedanke“.

Ich bin kein passionierter Bergsteiger oder gar professioneller Gipfelstürmer. Berge erwandere ich ohne Steigeisen, Seil und Haken. Doch in meinem nun schon lange währenden Wanderleben habe ich mich doch in einige Gipfelbücher eintragen können. Manches frische „Berg frei!“ empfing ich von Wanderfreunden und konnte es zurückgeben. Ganz oben, wo es nicht mehr höher geht und das Land sich dir zum befreienden Rundblick öffnet. Nun, im Älterwerden, sind die Berge und Gipfel, über die ich ziehe, nicht mehr so hoch wie in meinen jüngeren Jahren. Aber meine folgende Erfahrung besitzt, wie ich glaube, allgemeine Gültigkeit:

Jeder Berg hat das Seine und das Deine.

Beglückende und bleibende Berg-Erinnerungen entspringen, wie ich glaube, aus mehreren Quellen. Da wirkt als erstes oft, was du über einen Berg gelesen hast, was dir über ihn erzählt worden ist. Fotos machen dich auf einen Berg aufmerksam, wecken die Sehnsucht, ihn zu besteigen. Wenn du Glück hattest und vielleicht genug Fernweh-Ausdauer, dann stehst du vielleicht eines Tages vor deinem Sehnsuchts-Berg.

Beim Aufstieg beginnt er, sich in dir festzusetzen, auf seinem Gipfel wirst du eins mit ihm, und beim Abstieg verwurzelt er sich in deiner Erinnerung. Stehst du dann unten im Tal wieder an seinem Fuß, drehst du dich, bevor du wieder über die Alm davonziehst oder in den Wald eintrittst, drehst du dich dann noch einmal um, blickst zu ihm zurück, beginnt eine neue Sehnsucht …

Wenn du mich fragen würdest: „Welcher Berg beeindruckte dich während eurer Schwarzwaldwanderung am meisten?“, dann fiele es mir schwer, darauf zu antworten. Ich denke: Was dich eins werden lässt mit einem Berg, das ergibt sich aus deinen Vorstellungen über ihn, aus deinem Gefühl, aus deinem Verstand, aus deinem ganzen Körper und vor allem aus den Momenten, die du mit ihm erlebtest. So werde ich andere Berge, denen ich lange vor unserer Schwarzwaldtour begegnete, nicht vergessen.

Aufstieg zum Vanatoarea1

Schräge steilt die Alm

strenger Schafsduft

graue sonnenwarme Granitwand

Steinbrockengrüße aus der Höhe

Gemsenhufetrommeln

Silbergruß des La Capras2 aus der Tiefe

Einstieg in dunklen Felsenspalt

gratöffnender der Blick in die Schlucht

atemschwer Schritt auf Schritt

Höhe gewinnen Griff um Griff

bis der Gipfel grüßt den Gast

Zart der Wind spielt

auf dem Fagoraser Kamm

Bergperlenkette schmückt Tansilvania

Abendsonne streichelt die Waldfelder

leise veratmet der Tag

der Abendhimmel öffnet sich zur Nacht

Auf dem Westweg

Pforzheim – Basel

Heimat

Als wir Fremdlinge nach der Eisenbahnfahrt von Berlin nach Pforzheim auf dem Vorplatz des Bahnhofs standen und einen älteren Einheimischen nach dem Weg zu unserem Quartier fragten, brachte dieser uns zur Bushaltestelle. Er stieg mit uns in den Linienbus und führte uns nach dem Aussteigen kenntnissicher bis zu unserer Pension am Rande der Stadt. Auf dem Wege dorthin erzählte er so manches über die Geschichte der Stadt und über ihre Sehenswürdigkeiten.

Freundlich und sehr hilfsbereit also der erste Schwarzwälder, dem wir am Anfang unserer Wanderung begegneten! Wir bedankten uns für die Begleitung. Zum Abschied fragte ich ihn: „Wohnen Sie gern in Pforzheim?“ Seine Antwort: „Ich könnte mir keine andere Stadt vorstellen, in der ich leben wollte!“

Als wir Fremdlinge am folgenden Tag bei der Stadterkundung auf einer alten, schmalen und schwungvollen Brücke über der Nagold standen, fragten wir eine ältere Frau, wie denn der Fluss unter uns heißen würde. Wir wussten, dass durch Pforzheim drei Flüsse fließen. Wieder hatten wir Glück.

Die sympathische Frau – mehr eine Dame –, die Dame also nahm sich die Zeit, uns einiges über die Historie und die Kultur der Stadt zu erklären. Unter anderem erzählte sie, wie es zur Städtepartnerschaft zwischen Pforzheim und der französischen Stadt Saint-Maur-des-Fossés3 gekommen sei. Ein Romanstoff für sich! Unsere Zufallsbekanntschaft war daran sehr aktiv beteiligt gewesen.

Wir bedankten uns bei ihr für das interessante Gespräch. Zum Abschied fragte ich sie:

„Wohnen sie gern in Pforzheim?“

Ihre Antwort: „Wissen Sie, mich hat vor etwa 50 Jahren die Liebe hierher geführt. Aber so richtig heimisch fühle ich mich noch immer nicht in Pforzheim …!“

So ist das Leben: Heimat, gefühlt und wirklich.

Der eine meint: „An keinem anderen Ort der Welt als in dieser Stadt möchte ich leben. Hier ist meine Heimat!“

Der andere erklärt: „Ich lebe schon sehr lange in dieser Stadt, bin aber hier nie heimisch geworden!“

Pforzheim

Pforzheim – das klingt dem Unkundigen, der die Stadt nur von ihrem Namen her kennt, nach Idylle. Er denkt wie ich dabei vielleicht an eine Stadt im Tal, umgeben von einem Kranz dunkelgrüner Nadelwälder. Das Bild vom Tannenkranz stimmt, wie ich finde, mit der Wirklichkeit überein.

Auch der Titel „Drei-Täler-Stadt“, der Pforzheim zusätzlich schmücken soll, hat nach wie vor seine Berechtigung. Drei Flusstäler prägen ihr Bild seit ihrer Entstehung. Die Nagold, die Enz und die Würm fließen abwechslungsreich durch Pforzheim – sind für die Stadt wie edle Ringe oder Armreifen, mit denen sich Mädchen und Frauen schmücken. Mit einer gewissen Koketterie kündet davon der „Dreiflüssebrunnen“, auch Dreitälerbrunnen genannt. 1935 aufgestellt, plätschert er im oberen Teil der Blumenhofanlage in der Innenstadt von Pforzheim munter vor sich hin.

An diesem Orte sollte er ursprünglich nicht sein glitzerndes Wasserspiel treiben, sondern auf dem Lindenplatz vor der Stadtkirche. Dort war ursprünglich sein Standort geplant. Doch „einflussreiche Kreise“ hatten das verhindert, wie ein fleißiger Heimatforscher herausfand. Nagold, Enz und Würm durch drei nackte wohlgerundete Mädchengestalten symbolisiert – das erschien den Honoratioren der Stadt für einen Platz vor der Kirche wohl als zu anstößig. Da war ich nicht ihrer Meinung, als ich sie, die Mädchen, viele Jahrzehnte später betrachtete. Wohlgefällig, wie ich zugeben will.

Ihren einst weitgerühmten Ruf als „Stadt der Uhren und des Schmucks“ hat Pforzheim an die fernostasiatische Billigproduktion verloren. Einen Zusatznamen führt sie allerdings zu Recht noch immer. Sie gilt als die „Pforte zum Schwarzwald“.

Aber etwas anderes hat die Stadt verloren und bis heute nicht zurückgewinnen können! Ihre Altstadt! 98 Prozent des ehrwürdigen Zentrums waren bei einem der sinnlosen Bombenangriffe der Royal Air Force, der Luftstreitkräfte Großbritanniens, zerstört worden. Noch am 23. Februar 1945! Kurz vor dem Ende des Krieges. Über ein Fünftel der Einwohner, 17600 Pforzheimer, kamen dabei ums Leben. 22 Minuten dauerte der Angriff.

Die Zerstörung von feinmechanischen Produktionsstätten, in denen Zünder für Bomben und Granaten der deutschen Wehrmacht hergestellt wurden, soll das Ziel das Ziel dieses Angriffs gewesen sein. Das darf begründet angezweifelt werden. Diese Produktion war schon lange aus der Stadt ausgelagert worden. Was ja der britischen militärischen Aufklärung nicht unbekannt gewesen sein dürfte.

Als wir spätabends durch die Stadt spazierten, fiel mir ein, dass ich zu der Kriegskindergeneration gehöre, die einst Weihnachtsbäume am nächtlichen Himmel sahen. An die Bombenangriffe der Jahre 1943 bis März 1945 auf Berlin erinnere ich mich noch genau. Bin ich heute in anderen deutschen Städten zu Besuch, erkenne ich wie in meiner Heimatstadt noch immer, wo der Bombenkrieg Spuren geschlagen hat. So auch in Pforzheim.

Meine Brüder und ich, wir begriffen damals nicht, was da eigentlich vor sich ging, empfanden manches sogar als abenteuerlich. So eben zum Beispiel die Weihnachts- bzw. Tannenbäume am dunklen Himmel. Den Bomberverbänden voraus fliegend, warfen so genannte Beleuchtermaschinen Leuchtmittel ab, die wegen ihres Aussehens von der Bevölkerung Christbäume genannt wurden. Ihre Funktion bestand darin, die Flächenziele für den nachfolgenden Bomberpulk minutenlang taghell zu erleuchten. Anschließend warfen Pfadfindermaschinen verschiedenfarbige Punktmarkierungen ab. Dem folgte das „Legen von Bombenteppichen“, mit denen die Wohnviertel zu Schutt und Asche zerstört wurden.

Wenn die Christ- oder Tannenbäume minutenlang am Himmel standen, dann trieb uns die Mutter auf dem Weg in den Luftschutzbunker zur Eile an. Verließen wir nach der Entwarnung den Bunker im Berliner Wedding, sprachen die Erwachsenen manchmal darüber, dass es wieder nur Wohnhäuser getroffen hätte und nicht den großen AEG-Fabrik-Komplex zwischen der Acker- und der Brunnenstraße. Dieses Gelände mit den alten Fabrikgebäuden existiert noch heute. Zwar in anderer Funktion, aber es wurde nicht zerstört. Im Gegensatz zum unteren Teil der Ackerstraße, in der vorwiegend Arbeiterfamilien in den dichtbebauten Wohnquartieren lebten. Stehe ich heute dort, wo sich einst unser Haus befand und blicke in Richtung unserer damaligen Wohnung in der vierten Etage, so schau ich in den Himmel. Unser Wohnhaus wurde zerstört. Auch dies ein Ergebnis der Moral-Bombing-Strategie der Royal Air Force (RAF)! Wie in Pforzheim?

Die „Area Bombing Directive“ (Anweisung zum Flächenbombardement) wurde während des Zweiten Weltkrieges am 14. Februar 1942 vom britischen Luftfahrtministerium herausgegeben. Danach konnten die Luftstreitkräfte ohne jegliche Einschränkung mit dem Ziel eingesetzt werden, die „feindliche Zivilbevölkerung“, insbesondere die Industriearbeiter, zu demoralisieren. Bebaute Wohngebiete und nicht Werke und Industrieanlagen wurden zum Hauptziel der Bombenangriffe erklärt.

Mit Erinnerungen ist’s manchmal ein seltsames Ding: Da beginnt man Jahrzehnte nach diesen schlimmen Ereignissen eine romantische Wandertour und wird durch EinSichten von traurigen Erinnerungen eingeholt! Ich will genauer formulieren: durch genaueres nachdenkendes Hinsehen! Es wäre gut, wenn solches Erinnern nicht aus unserem Gedächtnis verschwindet! Und wenn wir Älteren diese Erinnerungen an die nachfolgenden Generationen weitergeben würden.

Nach dem Krieg wurde Pforzheim wieder sehr zügig aufgebaut. Wohnungen wurden schnell gebraucht, für die Ausgebombten und für die zugezogenen Flüchtlinge. Das heutige Altstadtbild ist vom Stil der 1950er Jahre und der Warenhaus-Architektur der nachfolgenden Jahrzehnte geprägt.

Als wir durch die Stadt gingen, verschlug es uns die Augen vor so viel Hässlichkeit! Was über die Jahre schnell und offensichtlich mit wenig künstlerischem Verstand gebaut worden ist, zeigt sich heute wie eine Musterausstellung für schlechte Plattenbauarchitektur. Wir glaubten, die schlimmsten und einfallslosesten Plattenbauexemplare aus Chemnitz, aus Erkner bei Berlin, vom Kotti im Berliner Kreuzberg, aus Marzahn im Osten Berlins, aus Leipzig oder aus den Städten des Ruhrgebiets zu sehen.

Schweikle schreibt in seinem Schwarzwaldbuch „westwegs“ über diesen Anblick! „So hässlich kann Deutschland sein!“4 Womit er Recht hat. Nebenbei: Seine Wanderreportage soll ausdrücklich dem empfohlen werden, der Interessantes über den Schwarzwald lesen möchte und vielleicht plant, ihn zu erwandern.

Im schönsten Wiesengrunde Im schönsten Wiesengrunde …

Das wohl beliebteste deutsche Volkslied kennt fast jeder. –??? – Nein, nicht „Hoch auf dem gelben Wagen“ soll jetzt angestimmt werden! Nein, reden müssen wir hier über des Volkes Lied „Im schönsten Wiesengrunde“. Immer wenn die Deutschen in trauter Runde ein wenig melancholisch werden, singen sie es. Zumindest die Älteren unter ihnen. So sie denn noch des Singens von Volksliedern gewohnt sind. Auch wenn man sich zum letzten Abschied von einem geliebten Menschen zusammenfindet, erklingt oft „Sterb’ ich, im Tales Grunde will ich begraben sein“. Immer, wenn Deutsche in die Welt hinauszogen, ihr Glück zu versuchen, nahmen sie auch dieses Lied mit. Und in der Fremde wird es von den Deutschen meist häufiger gesungen als im Heimatland.

Fast keiner aber wird wissen, wer der Dichter dieses gefühlsvollen Liedes war. Ehrlich festgehalten, ich hätte das vor unserer Schwarzwaldwanderung ebenfalls nicht auf Anhieb gewusst. Nun, nach unserer Tour, weiß ich Bescheid! Der Wilhelm Ganzhorn war’s. 1818 – 1890 sind seine Lebensjahre eingegrenzt. Von den Vormärzdichtern des 19. Jahrhunderts einst hochgeschätzt, ist er heute weithin unbekannt. Seinerzeit arbeitete er einige Jahre als Amtsrichter in Neuenbürg an der Enz, eben im Schwarzwald. Wir begegneten Ganzhorn kurz vor dem Ende unserer ersten Tagesetappe am Ortsrand von Conweiler/Straubenhardt.

Selbstverständlich nicht in Lebensgestalt, sondern in Form einer Porträtbüste, in Sandstein gehauen. Auf einem Metallrelief ist vermerkt, dass er der Dichter unseres Liedes ist. Ihm zu Ehren sang ich am Denkmal auf dem Wilhelm-Ganzhorn-Platz zu Conweiler, meinen Wanderhut in der Hand, laut und gefühlvoll der Strophen drei seines Liedes

... vom Heimathaus im stillen Tal,

... vom Scheiden aus jenem Tal,

... vom Wunsch, dort begraben zu sein.

Der Vorgang ist von meiner Liebsten festgehalten worden. Optisch mit der kleinen Digitalkamera. Nicht akustisch. Leider, möchte ich hier einigermaßen selbstbewusst festhalten. Wenigstens einige vorübergehende Passanten hörten meinen Gesang, guckten etwas erstaunt und … lächelten.

Die kleine Episode in Straubenhardt hatte damit aber noch nicht ihr Ende gefunden. Wir übernachteten im Landgasthof „Rössle“, gleich gegenüber der Dorfkirche. Dortselbst lernte der Wilhelm des Wirtes Töchterlein kennen: Jakobina Luise Alber. Im nahegelegenen Neuenbürg an der Enz hatte er nach bestandenen juristischen Staatsprüfungen in Heidelberg seine erste Anstellung erhalten, im Oberamtsgericht. An den Wochenenden unternahm er lange Wanderungen, lernte aufnahmebereit Land und Leute kennen, kam auch nach Conweiler, kehrte im „Rössle“ ein. So begann die Geschichte um unser Volkslied.

Ganzhorn verliebte sich in das junge Mädchen, sie verliebte sich in ihn. Aber lange mussten sie warten, bis sie heiraten konnten, denn Wilhelm war deutlich älter als Jakobina Luise. Da war es klar, dass die Eltern des Mädchens anfänglich äußerst vorsichtig auf die sich anbahnende Liebesgeschichte reagierten. In den Wartejahren dichtete Ganzhorn das Lied, von dem hier die Rede ist. Da er sich, wie schon erwähnt, über Jahre hinweg gedulden musste, fiel ihm eine Strophe nach der anderen ein. Das Lied wurde immer länger.

Sie heirateten im bitterkalten „Jänner“ 1855. Getraut wurden sie in der Stephanskirche zu Feldrennach. Den Bund fürs Leben schlossen sie an einem Donnerstag, was damals nicht üblich war. Trotzdem hatte sich die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt, da die Einwohner von Straubenhardt, Feldrennach und Conweiler von dem langen Warten der beiden aufeinander sehr beeindruckt gewesen waren. Zum feierlichen Abschluss der Zeremonie sang die versammelte Hochzeitsgesellschaft das Lied „Im schönsten Wiesengrunde“. Alle Festgäste sollen von Herzen gerührt gewesen sein, wurde berichtet. Auf einer Messingtafel am Eingang zur Kirche wird noch heute an diese besondere Eheschließung erinnert. Wir lasen am nächsten Wandermorgen, ebenfalls ein wenig gerührt, den Text. Ich habe ihn mit der Interpunktion und in der Schreibweise von der Tafel in mein Tagebuch übernommen. Vielleicht zur kleinen Freude des Lesers.

Durch diese Tür schritten

Am 18. Januar 1855 zum Traualtar

Der Dichter des Volksliedes:

Im schönsten Wiesengrunde

Wilhelm Christ. Ganzhorn

und seine jugendliche Braut

Jakobina Luise Alber

Rößlewirtstochter, Conweiler

Nach der Trauung feierten die Frischvermählten mit Verwandten, Bekannten und Freunden lange, stimmungsvoll und feuchtfröhlich. Wo kann nur gefeiert worden sein? Na, im Landgasthof „Zum Rössle“! Ja, genau in dem Gasthof, in dem wir nach unserer ersten Tagesetappe Quartier bezogen hatten. Romantisches Quartier allzumal!

Jetzt erzähle ich nicht, wie mancher vielleicht erwartet, das traurige Ende dieser Geschichte. Die Geschichte endete nicht traurig. Die Liebe hielt, was sich Jakobina Luise und ihr Wilhelm bei der Trauung versprochen hatten. Erst in der „die letzte Stunde“ mussten beide sich trennen, die bis dahin ein sehr glückliches Paar gewesen waren. Da wurden selbstverständlich Tränen vergossen.

Letzte Frage zum Thema: Wie viel Strophen hat das Lied „Im schönsten Wiesengrunde …“? Es sind nicht ihrer drei! Also nicht nur die drei Strophen, die man üblicherweise singt und die auch ich am Denkmal des Ganzhorn gesungen hatte. Das Lied umfasst dreizehn Strophen!

Ja, stolze dreizehn Strophen! Das ist bestimmt der Tatsache geschuldet, dass unser Ganzhorn einige Jahre auf seine geliebte Luise warten musste.

Augenzeuglich kann ich zum Lied schließlich noch berichten, dass sich vom Gasthof „Rössle“ noch immer eine schmale Straße, sanft abfallend in feinem Schwunge, hinunter zu dem „schönsten Wiesengrunde“ zieht. Dort liegt noch immer der Marktflecken Feldrennach. Dort steht noch immer das „Heimathaus im stillen Tal und im schönsten Wiesengrunde“. Auch die Turmspitze der kleinen Stephanskirche grüßt noch immer aus dem Tal den Wanderer, der auf den Höhen in den Schwarzwald zieht.

Lächelt der Leser, wenn ich gestehe, dass ich zum Abschluss unseres Wandertages mit meiner Anne am Abend an der Rückseite des „Rössle“ auf einer Bank saß, dass wir ins Tal hinunter schauten, dass wir uns an den Händen hielten und dass wir sinnend schwiegen? Könnt an dieser Stelle ruhig über uns lächeln, liebe Leser! Auch uns Älteren sei eine liebefühlige romantische Stunde gewährt!

Als wir am nächsten Morgen zur nächsten Etappe aufbrachen, verabschiedeten wir uns von der Wirtin. Deren Familie liegt in der Linie der Jakobina Luise Alber, die einst den Ganzhorn zu seinem schönen Lied anregte. Ich bedankte mich für die freundliche Aufnahme und die schöne Unterkunft und vor allem für das, was wir auch von ihr über die Liebe und die berührende Geschichte der einstigen Rösslewirtstochter erfahren hatten.

Heute gibt es wieder eine Rösslewirtstochter in Conweiler. Das ist aber naturgemäß eine ganz andere. Ich wurde also nicht wie einst der Ganzhorn verabschiedet, wenn dieser nach seinen Besuchen im „Rössle“ wieder Richtung Neuenbürg zum Dienst zog. Da soll die Luise den bekannten Gast immer den auffordernden Satz mit auf den Weg gegeben haben:

Beehren Sie uns bald wieder,

Herr Amtsrichter!

Nun ja, nicht so schlimm! Denn erstens bin ich ja kein Amtsrichter, war auch nie einer. Und zweitens hatte ich, als ich im „Rössle“ übernachtete, schon lange meine „Luise“ gefunden. Die heißt zwar „Anne“, aber sie ist mir mindestens genauso lieb und teuer wie dem Ganzhorn einst des Wirtes Töchterlein. Und ich besitze mit ihr schon seit Jahren eine treue Begleiterin auf meinen manchmal etwas verschlungenen Lebens- und Wanderwegen.

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