Kitabı oku: «Die drei Lichter der kleinen Veronika», sayfa 2

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»Wer weiß, wann du wiederkommst, kleine Veronika«, sagte die Elfe, »vielleicht kommt bald die Dämmerung über dich, und du wirst mich und das alles für eine ganze Weile vergessen. Doch die großen Gestalten darf ich dir nicht zeigen, du würdest dich so sehr erschrecken, daß du nicht mehr in dein irdisches Kleid zurückschlüpfen wolltest. Das aber mußt du tun, denn deine Wanderung hat ja erst begonnen.«

»Muß ich denn wandern?« fragte Veronika, »ich gehe doch bloß im Garten spazieren, wie heute.«

»Du wirst viele Wanderungen machen, und es wird kein Spaziergang sein, kleine Veronika.«

»Ach, meinst du?« sagte Veronika, »und stehen hinter den weißen Männchen auch so große Gestalten und sind sie auch so schrecklich? Huh, wie sich die Männchen zanken! Aber jetzt hat das weiße Männchen doch den Stein behalten, das freut mich riesig, er soll ihn nur recht schön klar und durchsichtig machen.«

»Ja, auch hinter den weißen Männchen stehen große Geister, doch die sind nicht schrecklich. Sie sind wunderbar schön, aber so schön, daß du auch sie noch nicht ertragen könntest. Warte nur, kleine Veronika, bis du einmal die Augen der Tiefe haben wirst, dann kannst du die einen und die anderen schauen.«

»Dann möchte ich bald die Augen der Tiefe haben«, sagte Veronika sehnsuchtsvoll.

»Ach, kleine Veronika, wünsche das nicht. Die Augen der Tiefe reifen durch Tränen, und die Tränen kommen noch früh genug.«

An den Baumstamm klopfte es leise. Draußen stand ein Luftgeist, der sah aus, als wäre er aus lauter bunten Farben gewoben, und an den Schultern hatte er Falterflügel.

»Oh, ist der hübsch«, rief Veronika.

»Ich soll die kleine Veronika abholen und sie noch einmal zur silbernen Brücke führen«, sagte er leise.

»Das ist aber nett von dir«, meinte Veronika, »ich freue mich sehr darauf, eine silberne Brücke möchte ich zu gerne sehen!«

»Ich glaube, deine Dämmerung ist nun nahe gekommen, Veronika«, sagte die Elfe. »Steige hinauf in die Krone, dann gibt dir der Luftgeist die Hand, und du fliegst mit ihm zur silbernen Brücke.«

»Kommst du nicht mit?« fragte Veronika, »ich würde mich sehr freuen, wenn du mitkämst. Wir haben uns so schön unterhalten.«

»Nein, ich kann nicht mit dir gehen«, sagte die Elfe, »ich bin an den Baum gebunden und muß in ihm bleiben, bis er abstirbt oder gefällt wird. Das kommt auch einmal.«

»Oh«, meinte Veronika bedauernd, »tut das sehr weh?«

»Es tut schon weh«, sagte die Elfe, »aber nicht so, wie du es dir denkst. Es ist so, als ob man auszieht aus einem Haus, das man gern hatte, in ein anderes, nicht so, wie wenn du dich in den Finger schneidest. Solchen Schmerz fühlen wir nicht, und wir sterben auch nicht so wie Menschen und Tiere, denn die sind ja anders mit ihrem Erdenleib verwachsen, und es ist ein größerer Abschnitt für sie, wenn sie ihn verlassen und über die silberne Brücke gehen. Wir aber sind halb hier und halb dort zu Hause, bis wir alle einmal die gleiche Heimat finden. Doch das wird erst sein, wenn Schneewittchen erwacht ist.«

»Ich kann das nicht ganz verstehen«, meinte Veronika, »ich bin noch nie gestorben und noch niemals von einem Haus in ein anderes gezogen.«

»Du hast beides schon viele Male getan«, sagte der Luftgeist von oben, »du hast es nur wieder vergessen. Die Dämmerung ist dazwischengekommen, und nun kommt sie bald wieder, kleine Veronika. Aber zuerst wollen wir noch zur silbernen Brücke fliegen.«

Da hob die Elfe Veronika auf und trug sie hoch in die Krone des Baumes, wo der Luftgeist auf sie wartete.

»Lebe wohl, kleine Veronika«, sagte sie, »vergiß mich nicht. Aber ich weiß ja, daß du mich vergessen wirst, wenn die Dämmerung kommt. So will ich dir lieber sagen: erinnere dich wieder einmal meiner, und dann denke daran, daß Schneewittchen im gläsernen Sarge schläft wie wir alle und daß wir alle erlöst sein wollen.«

»Ja, daran will ich denken«, versprach Veronika, »lebe wohl und auf Wiedersehen. Ich komme bald!«

»Du wirst nicht so bald kommen, und wenn du wieder durch den Garten der Geister wanderst, wird viel geschehen sein, Veronika«, rief die Elfe ihr nach und winkte ihr mit der Hand zum Abschied.

Oben in den grünen Zweigen saß die Amsel und machte einen erheblichen Lärm.

»Du brauchst nicht so zu schreien«, sagte Veronika, »über dich habe ich mich geärgert, denn du hast geschimpft, weil ich mit Mutzeputz befreundet bin. Dabei ist Mutzeputz viel klüger als du, und ich tue nichts, ohne Mutzeputz zu fragen. Überhaupt will ich dir sagen, daß du keine Ursache hast, auf andere zu schimpfen, denn der Käfer hat noch viel schlimmer über dich gesprochen als du über Mutzeputz. Der Käfer sagte, du seiest ein scheußliches Geschöpf, und die Regenwürmer sind auch derselben Meinung. Der Käfer sagte, er hätte mir nicht sein Landhaus gezeigt, wenn er gewußt hätte, daß ich dich kenne. Siehst du, so steht es mit dir, und du hast kein Recht, über Mutzeputz zu schimpfen. Mutzeputz hat auch stets seine pünktlichen Mahlzeiten und hat es nicht nötig, dich aufzuessen. Dich schon gar nicht!«

Veronika war es ordentlich eine Erleichterung, daß sie sich das vom Herzen reden konnte. Denn sie konnte es durchaus nicht vertragen, wenn jemand Mutzeputz nicht die schuldige Achtung erwies. Die Amsel aber saß da und sperrte den Schnabel auf über eine solche unerhörte Frechheit. So etwas hatte ihr wahrhaftig noch niemand gesagt, und das Schlimmste dabei war – es ließ sich auch nichts dagegen einwenden.

»Du hast schon recht, Veronika«, sagte der Luftgeist, »aber, sieh einmal, Mutzeputz hat recht, und die Amsel, die Käfer und die Regenwürmer auch. Das sind die Kräfte, die sie vernichten, weil sie in die Dämmerung hinabsteigen mußten, und das wird erst anders werden, wenn Schneewittchen wieder erwacht ist, und dazu kannst du einiges tun, und alle anderen Menschen können es wie du. Das sind große Geheimnisse des Werdens und Vergehens, Veronika, nur sind sie heute noch ein bißchen zu schwer für dich. Aber, nicht wahr, du kannst es verstehen, daß es dir auch nicht recht wäre, wenn man dich aufessen wollte – natürlich nicht dich, sondern deinen Erdenleib?«

»Ja«, meinte Veronika, »ich selbst bin nicht gegessen worden und kann darüber nichts sagen, ich denke es mir aber sehr eklig.«

»Siehst du«, sagte der Luftgeist, »und nun stelle dir einmal vor, es würde jemand kommen und die aufessen, die du lieb hast – und solche hast du doch auch, nicht wahr?«

»Natürlich«, sagte Veronika eifrig, »Mutzeputz und Mama, Onkel Johannes, Tante Mariechen, den kleinen Peter und meine Puppen, nein, die darf niemand essen, das wäre ja schrecklich. Auch Karoline soll nicht gegessen werden. Karoline ist die Köchin, weißt du. Sie spricht sehr laut, aber Mutzeputz schätzt sie sehr. Es ist eigentlich sonderbar, daß Mutzeputz sie schätzt, denn er mag es sonst nicht leiden, wenn man laut mit ihm spricht. Wir sprechen meist nur mit Gedanken zusammen. Papa kann man nicht mehr aufessen. Papa ist im Himmel. Mama sagt, der liebe Gott habe ihn irgendwie sehr nötig gehabt, und wir müssen uns so behelfen.«

»Liebst du Mutzeputz am meisten, Veronika«, fragte der Luftgeist, »weil du ihn ganz zuerst genannt hast?«

»Ich liebe alle«, sagte Veronika, »aber ich dachte zuerst an Mutzeputz, weil ich ihn immer nach allem frage. Die anderen kann man gar nicht so fragen, weil sie nicht alles verstehen, was man meint. Am ehesten noch Onkel Johannes. Es kann auch sein, daß Onkel Johannes ebenso klug ist wie Mutzeputz, aber ich glaube das eigentlich nicht. Jedenfalls sind sie beide sehr befreundet, und Onkel Johannes hat große Achtung vor Mutzeputz.«

»Das ist recht von Onkel Johannes«, meinte der Luftgeist, »aber nun wollen wir zusammen zur silbernen Brücke fliegen.«

»Wie kann ich das?« fragte Veronika zaghaft, »da müßte ich auch so schöne Flügel haben wie du.«

»Du hast ja schon welche, merkst du es nicht, daß sie dir an den Schultern gewachsen sind? Bei uns geht das schnell im Garten der Geister.«

Wahrhaftig – Veronika fühlte, wie sich leise federnde Falterschwingen an ihren Schultern bewegten, und schwerelos glitt sie mit dem Luftgeist von der Krone des Baumes in die weite, durchsonnte Sommerluft.

Um sie herum flogen Schmetterlinge.

»Nun bist du wie wir, Veronika«, sagten sie.

Tief unter ihnen lag der Garten mit Kohl und Radieschen, mit Blumen, Käfern und Regenwürmern, und die Quellnixe warf ihre blanken Bälle in die blaue Luft, daß sie im Sonnenlicht zersprangen wie tausend blitzende Diamanten.

»Warum fliegst du so hoch über den Garten hinweg, Veronika?« rief die Igelmutter, »du mußt erst einmal sehen, wie hübsch sich meine Kinder zusammenrollen können.«

»Oh, die niedlichen kleinen Kugeln, mit lauter Stacheln daran!« rief sie entzückt.

»Was fällt dir ein, von Kugeln zu reden?« ärgerte sich die Igelmutter, »das sind keine Kugeln, das sind meine Kinder. Was würdest du sagen, wenn ich deine Kinder Kugeln nennen wollte? Was sind das überhaupt für Ausdrücke!«

»Hier wird einem aber leicht etwas übelgenommen«, sagte Veronika, »erst schimpft die Amsel, dann der Käfer und nun der Igel. Dabei habe ich doch gesagt, daß die Kinder reizend sind.«

»Je tiefer im Garten der Erde, um so mehr wird alles mißverstanden, das kommt von der Dämmerung, Veronika, und am meisten mißverstehen und schimpfen die Menschen«, meinte der Luftgeist. »Veronika hat das gar nicht so gemeint«, rief er nach unten, »und außerdem ist eine Kugel die vollendetste aller Formen.«

»So? Ist das auch wahr?« fragte die Igelmutter geschmeichelt, »und wohin fliegt ihr so eilig?«

»Über die Quelle hinüber zur silbernen Brücke«, rief der Luftgeist.

»Da will ich auch hin«, meinte die Igelmutter, »aber wie soll ich mit den Kleinen über das Wasser? Ich suche schon lange nach einem passenden Übergang.«

»Am andern Ende des Gartens ist eine kleine Brücke«, sagte der Luftgeist, »die führt über die Quelle hinüber.«

»Immer diese Umwege!« knurrte die Igelmutter, »nein, das ist mir heute zu umständlich, dann bleiben wir lieber hier. Es ist auch hier recht sonnig und angenehm.«

»Ja, man muß Umwege machen, bis man zur silbernen Brücke kommt«, sagte der Luftgeist, »auch du wirst noch manchen Umweg machen müssen, kleine Veronika. Aber für den Igel ist es überhaupt noch zu früh, er hat noch hier zu tun. Auch ist er noch zu empfindlich und leicht beleidigt.«

»Wenn die silberne Brücke jenseits der Quelle liegt, dann ist sie ja da, wo Onkel Johannes wohnt?« fragte Veronika. »Am Ende hat sie Onkel Johannes selber gebaut? Dann hätte er mir freilich auch etwas davon sagen können.«

»Onkel Johannes hat wohl schon manche Brücke gebaut, die zu der silbernen Brücke führen sollte, aber die silberne Brücke selber kann er nicht bauen. Ich glaube eher, er hat sich seine Wohnung dort eingerichtet, weil er die silberne Brücke daneben entdeckt hat«, sagte der Luftgeist. »Schau, Veronika, da ist sie!«

Auf silbernen Pfeilern erhob sich die silberne Brücke aus dem Garten der Geister. Sie stieg in weitem Bogen in die klare Luft hinauf und verlor sich schimmernd im Sonnenlicht, in einem Glanz, den die Augen nicht mehr ertragen konnten. So etwas Schönes glaubte Veronika noch nie gesehen zu haben, und doch war es ihr, als wäre sie hier zu Hause und wäre schon oft über die silberne Brücke gegangen. Aber wann war das gewesen – wann? Sie konnte sich nicht mehr darauf besinnen. Da, wo die Brücke begann, waren die Erde und die Steine klar wie aus Glas, und es blühten um sie durchlichtete Lilien und Rosen und tausend andere Blumen, die Veronika nicht alle kannte. Lautlos und ohne Schwere schwebten Gestalten von Menschen und Tieren über die Brücke, und auch sie waren durchdrungen von jenem Licht, das Blumen und Steine erhellte. Auf der Mitte der Brücke aber, gerade dort, wo sie sich im Glanz verlor, standen lauter weißgekleidete Engel mit silbernen Schwingen. Veronika war ganz still geworden und fühlte nichts als das Licht in sich, und ihr war es, als müsse sie vor allen anderen einen Engel besonders anschauen, vielleicht, weil er auch die Augen gerade auf sie gerichtet hatte.

»Sieh dir die silberne Brücke an, kleine Veronika, du kamst von ihr und du gehst wieder zu ihr«, sagte der weißgekleidete Engel, »aber erst kommt die Dämmerung.«

Da schien es der kleinen Veronika, als ob eine große Angst vor der Dämmerung sie ergriffe, obwohl sie nicht so recht wußte, was das eigentlich war.

»Hab keine Furcht, kleine Veronika«, sagte der Engel, »die Dämmerung kommt, und der Glanz der silbernen Brücke wird erlöschen, und auch den Garten der Geister wirst du nicht mehr so sehen, wie du ihn heute sahst, zum letzten Mal. Es wird sehr dunkel, wenn die Dämmerung kommt. Aber ich werde mit dir gehen, und ich werde dir deine drei Lichter anzünden, kleine Veronika, und werde über dir wachen.«

Ein großer, grauer Schleier fiel über die silberne Brücke und über alles, was auf ihr war, so daß Veronika nichts mehr davon sehen konnte. Es war eine tiefe Stille und Traurigkeit um sie. Nur von fern redete es mit leisen Stimmen.

»Siehe, wie weiß unsere Blüten sind«, sagten die Liliengeister, »so rein und so weiß ist das himmlische Hemd, das du einmal wieder tragen wirst.«

»Schau, wie rot unsere Kelche sind«, sagten die Rosenseelen, »so rein und so rot ist der Kelch des Grales, nach dem du einmal wieder die Arme ausstrecken wirst.«

Der graue Schleier wurde dunkler und lag nun auch über dem Garten der Geister, so daß Veronika nicht mehr so deutlich sehen konnte wie vorher.

Der Luftgeist streckte ihr die Hand hin.

»Lebe wohl, Veronika«, sagte er.

»Gehst du auch fort von mir?« fragte Veronika, »gehe nicht fort, ich fürchte mich, allein zu bleiben.«

»Du wirst nicht allein bleiben«, sagte der Luftgeist, und es war, als ob seine leuchtenden Farben verblaßten, »dein Engel wird über dir wachen, und dann hast du doch Mutzeputz und die anderen, die du um Rat fragen kannst.«

»Ich hätte noch gerne jemand wie dich oder die Elfe im Baum«, sagte Veronika.

»Auch das wirst du haben, wenn du ins Haus der Schatten gehen wirst«, sagte der Luftgeist und lächelte freundlich, »im Hause der Schatten lebt ein kleines Geschöpf, das nahe mit uns verwandt ist. Es heißt Magister Mützchen, und es wird dich betreuen, so gutes das kann nach seinen Kräften.«

»Magister Mützchen?« wiederholte Veronika, »was ist das für ein komischer Name!«

»Möchtest du dir nicht vielleicht noch einmal mein Landhaus betrachten?« fragte eine kleine, schwache Käferstimme, sehr, sehr ferne und kaum noch vernehmbar.

Dann wurde es dunkel im Garten der Geister. Die himmlischen Augen hatten sich geschlossen.

»Veronika!« rief es. Das war die Stimme der Mutter.

»Ja, Mama, ich komme!«

Und mit einem Ruck, der ein wenig schmerzhaft war, glitt die kleine Veronika in ihren Erdenleib zurück.

Die Mutter stand vor ihr und sah sie an.

»Hast du geschlafen, Veronika?« fragte sie freundlich.

»Nein, Mama, ich habe nicht geschlafen, ich war sehr wach, und ich war bei einem Käfer und bei der Baumelfe, und nachher hat mir der Luftgeist die silberne Brücke gezeigt.«

»Du hast geträumt, Veronika.«

»O nein, das war alles sehr wirklich«, sagte Veronika, und es kränkte sie, daß die Erwachsenen immer wieder nicht begreifen konnten, was doch viel wirklicher war als alles auf der Erde.

Aber als sie sich selbst genauer auf alles besinnen wollte, konnte sie es nicht mehr. Nur eine Ahnung war da, doch man konnte sie nicht mehr deutlich machen.

Die große Dämmerung hatte begonnen.

»Komm, Veronika«, sagte die Mutter, »nimm deine Schaufel und deinen Blecheimer, du kannst dein schönes Gartenbeet morgen weitergraben. Jetzt wollen wir nach Hause gehen. Wo ist denn Mutzeputz?«

Als Mutzeputz seinen Namen hörte, sprang er in großen Sätzen an Veronika und ihrer Mutter vorbei, lief ihnen voraus und hüpfte über die Treppenstufen auf die Veranda, um dort zu warten. Er wollte es Veronikas Mutter durchaus nicht zugestehen, daß er gekommen war, bloß weil sie ihn rief. Man muß schon selbständig bleiben, wenn man der Kater Mutzeputz ist, nicht wahr?

»Wie dunkel ist der Garten geworden, und er war doch so hell«, dachte Veronika, »ich sehe gar nichts mehr ordentlich.«

Es war aber doch nicht ganz so schlimm, und die kleine Veronika konnte noch manches sehen. Unten an den Treppenstufen stand ein sehr kleines Geschöpf mit dünnen Beinen, in einem grauen Kleide und mit einem spitzen, roten Hut auf dem Kopf. Es war nicht größer als zwei Handlängen und dabei sehr beweglich und überaus komisch. Wie sonderbar, daß die Mutter es nicht bemerkte! Sie sagte jedenfalls nichts.

Veronika lachte, und mit einem Male kam ihr auch die Erinnerung an das, was ihr der Luftgeist zum Abschied gesagt hatte.

»Bist du Magister Mützchen?« fragte sie.

»Zu dienen, Mützchen – Magister Mützchen, zu dienen«, sagte das kleine Geschöpf und verneigte sich unaufhörlich.

Dabei nahm es den roten Hut vom Kopf und hielt ihn sich vor den Magen. Dazwischen schnitt es Fratzen, die wirklich sehenswert waren. Es kam auch die Treppe mit hinauf.

»Falle nicht, kleine Veronika«, sagte es und nahm Veronika bei der Hand.

Veronika empfand eine große Ruhe dabei. Es war ihr, als habe sie einen guten Kameraden gefunden.

»Fällt man denn hier so leicht?« fragte sie, und diesmal redete sie laut und nicht nur in Gedanken.

»Über diese Stufen sind schon viele gefallen, kleine Veronika«, sagte Magister Mützchen, »ach, so viele! Es ist ja das Haus der Schatten, in das du gehst, und es hat viele Stufen und viele Schwellen.«

»Mit wem redest du denn, Veronika?« fragte die Mutter.

»Ach, bloß so«, sagte Veronika.

Dann gingen sie alle in das Haus der Schatten hinein.

In dieser Nacht konnte die kleine Veronika lange nicht einschlafen. Sie lag mit offenen Augen im Bett und guckte auf Mutzeputz, der zu ihren Füßen schlief, und auf Magister Mützchen, der am Bettpfosten turnte und unglaubliche Gesichter machte. Es war doch bewunderungswürdig, wie er das konnte.

»Sei nur leise«, sagte Veronika, »damit die Mutter nicht aufwacht.«

»Die wacht nicht auf«, meinte Magister Mützchen, »sie schläft ganz fest, und mich würde sie doch nicht bemerken. Aber ich werde jetzt keinen Unsinn mehr machen, es kommt noch jemand zu dir.«

Mit einem Male wurde es sehr hell im Zimmer, und Veronika sah, wie der Engel von der silbernen Brücke an ihrem Bett stand. Veronika erkannte ihn gleich, und es kam ein großer und froher Friede über sie.

»Wie schön, daß du kommst«, sagte sie, »ich war ein bißchen ängstlich geworden. Mir ist, als ob ich heute viel erlebt habe und als ob etwas Besonderes geschehen sei.«

»Das ist wahr, Veronika«, sagte der Engel und sah die kleine Veronika an. Es war viel Liebe in seinen Augen. »Heute hast du für eine lange Zeit zum letzten Male den Garten der Geister und die silberne Brücke geschaut, und deine himmlischen Augen haben sich geschlossen. Nur im Haus der Schatten werden sie noch sehen. Die große Dämmerung ist gekommen und nun beginnt deine Wanderung. Aber du mußt keine Angst haben, wenn es dunkel ist, ich will dir deine drei Lichter anzünden und über dir und ihnen Wache halten.«

»Ach, bitte, wache auch über Mutzeputz und Magister Mützchen und alle anderen auch«, bat Veronika.

»Ja«, sagte der Engel, »ich will auch über Mutzeputz und Mützchen wachen. Auch über die anderen, wenn sie über sich wachen lassen wollen. Das wollen ja nicht alle Menschen, so wie du es dir denkst.«

Still und feierlich stellte der Engel einen großen, seltsamen Leuchter mit drei Armen vor Veronika hin. Auf der Spitze jedes Armes brannte eine kleine Flamme, eine blaue und eine rote an den Seiten und eine goldene, ein wenig erhöht, in der Mitte.

»Nun brennen deine drei Lichter in der Dämmerung«, sagte der Engel, »Segen auf deinen Weg, kleine Veronika.«

Veronika schaute mit weiten Augen in die leuchtenden Flammen und auf den Engel. Sie sah noch, daß Magister Mützchen andachtsvoll in einer Ecke hockte, und sie hörte Mutzeputz leise schnurren. Dann kam eine unendliche Müdigkeit über sie, und sie schlief ein.

Aber der Engel an ihrem Bett blieb stehen und hielt seine Hand über die drei Lichter der kleinen Veronika.

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