Kitabı oku: «Das Gefühlsleben der Tiere», sayfa 4

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EIN PARADIGMENWECHSEL
Überdenken unserer Annahmen und Revidieren unserer Klischeevorstellungen

Fragen zu den Gefühlen von Tieren und warum sie von Bedeutung sind können einen ganz schönen Wirbel verursachen. Unsere Beziehung zu Tieren ist komplex und wie wir Tiere behandeln, verändert sich je nach Zusammenhang oft dramatisch. Viele Menschen können ihren Haustieren eine enorme Liebe und Hingabe entgegenbringen, doch gleichzeitig, mit wenig Achtsamkeit, Sorge oder Reue, andere Tiere in verschiedenen Situationen auf unglaubliche Weise missbrauchen. Dies gilt besonders für Wissenschaftler und die Tiere, die sie zu Hause und im Labor halten. Wenn Wissenschaftler (und andere) sagen, sie lieben Tiere und sie dann, direkt oder indirekt, vorsätzlich Schmerz und Leid aussetzen, lautet meine Antwort: Ich bin froh, dass sie nicht mich lieben! Zum Leidwesen der Tiere war und ist ihre Beziehung zu Menschen äußerst asymmetrisch. Menschliche Interessen stehen fast immer über denen der Tiere.

Vor einigen Jahren las ich die prestigeträchtige Zeitschrift Science und stieß auf diesen Satz: „Mehr als jede andere Spezies sind wir die Begünstigten und Opfer einer Fülle emotionaler Erfahrungen [26].“ Der Wissenschaftler, der dies schrieb, Professor R. J. Dolan, kann unmöglich wissen, ob dies der Wahrheit entspricht. Tatsächlich mögen andere Tiere noch lebhaftere Emotionen empfinden als wir, sowohl positive als auch negative. Diese Form der menschlichen Egozentrik ist es, die das Studium der Tieremotionen behindert, und sie ist zudem einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Tiere auf so unterschiedliche Weise behandelt werden. Was macht uns so besonders? Warum glauben wir, dass wir solch tief empfindende Tiere sind und alle anderen Tiere nicht (oder weniger) zu Emotionen fähig sind? Beim Blick auf den heutigen Zustand der Welt finde ich es schwer zu akzeptieren, dass wir den Standard darstellen sollen, an dem andere Tiere gemessen werden.

Es ist meine Hoffnung, dass das Studium der Mensch-Tier-Interaktionen den nutzlosen Dualismen von „wir“ versus „denen“, von „Labor“ (wo Tiere oftmals verfügbare Objekte darstellen) versus „Zuhause“ (wo Tiere hoch geschätzte Freunde sind) und von „höheren“ versus „niederen“ Tieren ein Ende bereiten wird. Diese Dualismen sind nicht präzise und sie fördern ganz sicher nicht die Entwicklung und Erhaltung tiefer, respektvoller und symmetrischer Beziehungen zwischen Menschen und anderen Tieren.

Ich hoffe, einen Paradigmenwechsel in Bezug darauf zu fördern, wie wir über Tiere denken, wie wir tierische Emotionen und tierische Empfindungsfähigkeit untersuchen und was wir mit den Informationen, den „wissenschaftlichen“ und anderen, die uns bereits vorliegen, anfangen. Dieser Paradigmenwechsel beinhaltet das Revidieren unserer Klischeevorstellungen davon, wie das Gefühlsleben von Tieren verschiedener Arten „unserer Meinung nach“ zu sein hat. Statt anzunehmen, dass Fische weniger fühlen als Mäuse und Mäuse weniger fühlen als Schimpansen oder dass Ratten nicht so emotional sind wie Hunde oder Wölfe oder, ganz allgemein, dass Tiere weniger fühlen (und weniger wissen und weniger leiden) als Menschen, lassen Sie uns annehmen, dass zahlreiche Tiere vielfältige Emotionen haben und alle Formen von Leid empfinden, möglicherweise sogar in einem größeren Ausmaß als der Mensch.

Die vorliegenden Beweise belegen solch eine Hypothese. Bei der bereits früher erwähnten Konferenz in Rio erklärte der weltbekannte Wissenschaftler Ian Duncan, dass die von ihm, seinen Studenten und weiteren Wissenschaftlern initiierten Forschungen ergaben, dass Fische Schmerz und Angst fühlen. Sie sind außerdem listig, betrügerisch und pflegen kulturelle Traditionen. Außerdem, so Donald Broom, Professor an der Universität Cambridge in England, bestehe die Möglichkeit, dass Tiere mit komplexeren Gehirnen mit Schmerz effektiver umgehen können als Tiere mit weniger komplexen Gehirnen, da Erstere über vielfältigere Reaktionen und flexiblere Verhaltensweisen verfügen, um mit unangenehmen Situationen besser fertig zu werden. Brooms interessante Hypothese lautet, dass Fische möglicherweise nicht so effektiv mit Schmerz umgehen können wie Tiere mit komplexeren Gehirnen und aus diesem Grund mehr leiden. Bei der Bestimmung, was und wie viel ein Tier fühlt, ist es am besten, für alles aufgeschlossen zu bleiben.

Wie ich schon sagte: Wenn es um die manchmal unbewusste Doppelmoral geht, die Menschen in ihrer Behandlung von Tieren häufig aufweisen, dann ist für mich die Frage „Würden Sie das mit Ihrem Hund machen?“ eine großartige Möglichkeit zur Relativierung. Wenn man etwas nicht mit seinem Hund machen würde, weshalb sollte man es dann mit einem anderen Wesen tun?

Der Paradigmenwechsel würde außerdem die Art und Weise verändern, wie wir wissenschaftliche Arbeit betreiben – er würde zu einer Verbesserung der Methoden und einem Sinneswandel führen. Die Beweislast würde künftig den Skeptikern zufallen, die ihre Behauptungen „beweisen“ müssten, dass Tiere keine Emotionen empfinden und nicht wirklich Schmerz fühlen. Es wäre nicht mehr länger akzeptabel zu sagen, „da wir nicht wirklich wissen, was Tiere fühlen, lasst uns davon ausgehen, dass, was immer sie (wenn überhaupt) fühlen, nicht von Bedeutung ist.“ Es würde die Art und Weise verändern, wie Wissenschaftler Experimente und Tests durchführen und ein humaneres Umfeld für uns alle schaffen. Tiere zu respektieren, zu schützen und zu lieben würde der Wissenschaft nicht schaden, noch würde es bedeuten, wir Menschen würden weniger respektiert, geschützt und geliebt. Wenn Sie Ihren Hund füttern, heißt das, Ihr Kind muss hungern? Nein, natürlich nicht. Mit ein wenig Überlegung und Vorausschau kann für alle gesorgt werden.

Und am Wichtigsten: Davon auszugehen, dass Tiere über ein reiches Gefühlsleben verfügen, schadet niemandem. Ein schönes Zitat aus unbekannter Quelle trifft den Kern:

„Wenn ich davon ausgehe, dass Tiere subjektive Gefühle von Schmerz, Angst, Hunger usw. verspüren und ich damit falsch liege, dann habe ich niemandem geschadet; doch wenn ich vom Gegenteil ausgehe, Tiere jedoch tatsächlich solche Gefühle haben, dann öffne ich grenzenlosen Grausamkeiten damit Tür und Tor … Es muss heißen: Im Zweifel für die Tiere – wenn denn überhaupt noch irgendwelche Zweifel bestehen.“

WAS WIR MIT UNSEREM WISSEN ANFANGEN

Als Wissenschaftler werde ich für meine ausgeprägte Einstellung für die Tiere oft kritisiert, es wird mir vorgeworfen, nicht wissenschaftlich vorzugehen. Ich bin nicht gegen die Wissenschaft. Es liegt in der besten Tradition der Wissenschaft, Fragen im Hinblick auf die Ethik zu stellen. Es ist nicht nichtwissenschaftlich zu fragen, was wir tun, wenn wir mit anderen Tieren interagieren. Ethik kann unseren Blick auf andere Tiere bereichern, wie sie in ihrer Welt sind und wie wir sie im Zusammenhang mit unserer Welt sehen. Sie hilft uns zu erkennen, dass ihre Leben es wert sind, ihnen Respekt, Bewunderung und Wertschätzung entgegenzubringen. Es geht allerdings nicht unbedingt um Respekt, Bewunderung und Wertschätzung, wenn viele Menschen die Gesellschaft von Walen, Delfinen, Eisbären und Vögeln suchen. Wir brauchen Tiere in unserem Leben genauso, wie wir die Luft zum Atmen brauchen. Wir leben in einer kranken Welt, in der viele von uns von den Tieren und der Natur entfremdet sind. Tiere sind unsere vollkommenen Gefährten, die uns Tag für Tag helfen. Ohne enge, gegenseitige Beziehungen mit anderen tierischen Wesen sind wir von der reichen, vielfältigen und großartigen Welt, in der wir leben, entfremdet. Deshalb suchen wir bei Tieren emotionale Unterstützung. Unsere altsteinzeitlichen Gehirne ziehen uns zu dem zurück, was natürlich, doch in unserer schnelllebigen Welt verloren gegangen ist: Zu den engen Beziehungen mit anderen Lebewesen, die uns dabei helfen herauszufinden, wer wir im großen Plan der Dinge sind. Tiere trösten uns und bringen uns mit dem in Berührung, was wirklich von Bedeutung ist – mit anderen empfindungsfähigen Wesen. Ein empfindungsfähiges Tier ist eines, für das Gefühle von Bedeutung sind, wie mein Kollege John Webster es ausdrückt.

Wenn wir lernen können, konsequent mit dieser Perspektive zu leben, würden sich sehr viele Dinge, in denen Tiere von der menschlichen Gesellschaft benutzt und missbraucht werden, zum Besseren wenden. Tatsächlich schulden wir es den Tieren, ihnen wie, wann und wo auch immer zu helfen. Anfangen können wir damit, dass wir unser eigenes Leben unter die Lupe nehmen und die besten und ethischsten Entscheidungen treffen. Unterstützen wir mit den Kleidern, die wir tragen, und der Nahrung, die wir zu uns nehmen, humane Industrien und Praktiken? Wenn wir Menschen sehen, von denen wir wissen, dass sie schädliche Entscheidungen treffen, können wir dabei helfen, sie zu warnen oder sie zu lehren, sich zu verändern? Gibt es Möglichkeiten, uns selbst besser zu schulen und strengere Tierschutzgesetze zu verfolgen? Tag für Tag wird weltweit viel zu vielen Tieren Schaden zugefügt. Wenn wir Herzen und Verstand und besonders aber gängige Praktiken ändern können, werden wir Fortschritte machen und es besteht Hoffnung.

In meinem eigenen Forschungsbereich ist mir bewusst, dass solide Wissenschaft mit Ethik und Anteilnahme ohne weiteres vereinbar ist. Es ist nichts falsch an mitfühlender oder gefühlvoller Wissenschaft – und auch nicht an mitfühlenden und gefühlvollen Wissenschaftlern. Untersuchungen in den Bereichen des tierischen Denkens, der Emotionen und des Ich-Bewusstseins sowie im Bereich Verhaltensökologie und Schutz der biologischen Vielfalt können sowohl mit Anteilnahme als auch wissenschaftlich gründlich durchgeführt werden. Die Wissenschaft und die Behandlung von Tieren nach ethischen Grundsätzen schließen einander nicht aus. Mit offenem Denken und einem großen Herzen können wir solide wissenschaftliche Arbeit leisten.

Ich ermutige jeden dazu, seinem Herzen mit Liebe zu folgen, nicht mit Angst. Wenn wir uns alle auf diesen Weg begeben, wird die Welt für alle Lebewesen ein besserer Ort sein. Wenn wir uns von unseren Herzen führen lassen, werden freundlichere und humanere Entscheidungen getroffen werden. Mitgefühl erzeugt Mitgefühl und die Fürsorge und Liebe für Tiere weitet sich auf Mitgefühl und Fürsorge für Menschen aus. Es ist sehr wichtig, den Schutzschirm des Mitgefühls freigebig und ohne Grenzen zu teilen.

JASPER UND PABLO: ZWEI VON VIELEN
Jeder Mensch und jedes lebendige Wesen
hat das geheiligte Anrecht auf die Freude des Frühlings.
– Leo Tolstoi –

Ich habe dieses Buch Jasper und Pablo gewidmet. Jasper ist ein Kragenbär, der früher auf einer Gallefarm in China in einem Quetschkäfig gehalten wurde [27]. Quetschkäfige werden benutzt, um den Körper des Bären so zusammenzupressen, dass sich die Menge an Gallenflüssigkeit, die das Tier produziert, maximiert (diese wird mittels eines Katheters in der Gallenblase entnommen). Jasper wurde in einem winzigen Käfig gehalten – ein „rostiges Gefängnis der Folter“, laut Jill Robinson, der Gründerin von Animals Asia – und über viele Jahre zur Erlangung seiner Gallenflüssigkeit, eines Stoffes, der in der traditionellen chinesischen Medizin Anwendung findet, fortwährenden Qualen ausgesetzt. „Dieser arme Bär wurde in seinem Käfig durch eine Platte zu Boden gedrückt, was die Höhe des Käfigs halbierte und Jasper platt auf dem Boden liegen ließ“, schrieb Robinson mir. „Er konnte weder sitzen noch stehen und war überhaupt kaum in der Lage, sich zu bewegen. Es geht über jede Vorstellung hinaus, dass ein wilder, intelligenter Bär in diesem Zustand 15 Jahre seines Lebens verbringen musste, bevor er gerettet werden konnte. Jasper war Opfer einer Katheterimplantation in die Gallenblase und seine physische und geistige Agonie muss unaussprechlich gewesen sein. Jasper ist heute ein spitzbübischer, Spaß liebender Bär, der jedermanns Freund ist, gleich ob Bär oder Mensch. Seine schönen, vertrauensvoll blickenden Augen zeigen die absolute Vergebung, zu der seine Spezies fähig ist, und die uns in unserem Ziel, so viele Bären wie möglich zu retten, bestätigt.“

Im Jahr 2004 wurde John Capitanio, Direktor eines der größten Primaten-Forschungszentren, gefragt, ob Tiere Emotionen haben, und er erwiderte wegwerfend, Tiere seien „eine neutrale Leinwand, auf die wir unsere Bedürfnisse, Gefühle und Ansichten malen“ [28]. Jasper ist alles andere als eine neutrale Leinwand. Er ist ein Wesen mit tiefen Gefühlen, kein Ding, das wiederholt gefoltert wurde, und natürlich gefiel ihm das nicht. Wie kann irgendein menschliches Wesen ein anderes fühlendes Wesen auf diese Weise behandeln? Ich nenne Jasper gerne den „Sprecher der Bären für Hoffnung und Freiheit“. Trotz aller Folter konnte Jasper vergeben.


Jasper im Quetschkäfig, in dem er 15 Jahre lang eingesperrt war.

(Foto mit freundlicher Genehmigung von Annie Mather/Animals Asia)


Der rehabilitierte Jasper heute.

(Foto mit freundlicher Genehmigung von Annie Mather/Animals Asia)

Pablo war ein gefangen gehaltener und misshandelter Schimpanse, der im Labor der Universität von New York, wo er gehalten wurde, als CH-377 bekannt war [29]. Nummern statt Namen zu verwenden ist eine Möglichkeit, wie sich Forscher von den Tieren, die sie ausbeuten, distanzieren. Pablos traurige Geschichte wurde in der Zeitschrift Discovery erzählt: „Laut seines Forschungsdossiers wurde Pablo 220 Mal mit Pfeilen beschossen, einmal versehentlich in die Lippe. Es wurden 28 Leber-, zwei Knochenmark- und zwei Lymphdrüsenbiopsien an ihm vorgenommen. Seinem Körper wurden vier Mal zu testende Impfstoffe injiziert. Von einem ist bekannt, dass es sich um einen Hepatitis-Impfstoff handelte. 1993 wurde ihm die 10.000-fach tödliche Dosis des HIV injiziert. Der Schimpanse mit dem gewölbten Brustkasten schüttelte AIDS ab und hielt die Hepatitis in Schach, nur um an einer Infektion zu sterben, verursacht durch die jahrelange Misshandlung mit Pfeilen, Spritzen und Biopsienadeln.“

Gloria Grow, die bei Pablo war, als er starb, ließ die anderen Schimpansen Pablo sehen und beobachtete: „Allein oder zu zweit ziehen sie an seinen Armen, öffnen seine Augen, lausen ihn, reiben seinen geschwollenen Bauch… Nicht lange und sie gehen rufend davon. Die Rufe münden in Schreie und bald hallen die Wände des Schimpansenhauses vom Geräusch der Fingerknöchel, die auf Stahl trommeln, wider.“ Dieses Frühjahr nahm Jane Goodall etwas von Pablos Asche mit nach Tansania, „um sie in den Wäldern von Gombe zu verstreuen, wo Schimpansen tanzen, um dem Regen Einhalt zu gebieten.“

Es sind viele Tausend Tiere, denen dieses Buch gewidmet werden könnte. Jasper und Pablo sind zwei von viel zu vielen – Milliarden pro Jahr –, die missbraucht werden. Die Art und Weise, mit der sie und andere behandelt werden, sind nicht nur eine Beleidigung für die Tiere, sondern auch für uns, denn wir sind gewiss Lebewesen, die Richtig von Falsch unterscheiden können.

Was Tiere fühlen ist wichtiger, als was sie wissen. Intelligenzquotienten sind nicht von Bedeutung. Es lohnt sich, sich das bekannte Statement zum Leiden von Tieren des utilitaristischen Philosophen Jeremy Bentham in Erinnerung zu rufen: „Die Frage lautet nicht: Können sie logisch denken? noch Können sie sprechen?, sondern: Können sie leiden?“ Für Bentham war es wirklich nicht von großer Bedeutung, ob Tiere denken können oder ob sie klug sind. Ihn beschäftigte mehr, ob Tiere leiden können oder nicht. Intelligenz und Leidensfähigkeit stehen nicht notwendigerweise in Zusammenhang und kluge Tiere leiden nicht mehr als weniger kluge Individuen. Manche Skeptiker argumentieren, dass einige Tiere möglicherweise keinen gut ausgebildeten Sinn für ihr Selbst besitzen. Wir werden sehen, dass dies nicht wirklich der Fall ist, doch selbst wenn Tiere nicht wissen sollten, wer sie sind, können sie immer noch leiden, sie können sich immer noch ihrer Gefühle bewusst sein und sie können immer noch uns und anderen Tieren klar mitteilen, was sie wollen und was sie nicht wollen.

Es ist an der Zeit, die Reise in die Gehirne und Herzen der Tiere anzutreten und zu entdecken, was sie fühlen und warum. Wenn wir leugnen, dass Tiere Gefühle haben, erniedrigen wir sowohl die Tiere als auch uns selbst. Wir brauchen nicht mehr zu tun, um ihr Leben besser zu machen, als sie als die zu akzeptieren, die sie sind, und sie in unserer Welt willkommen zu heißen.


KAPITEL 2

Kognitive Ethologie: Das Studium des Verstandes und der Herzen von Tieren

Wir glauben, dass Equus asinus es am meisten lieben, in Ruhe gelassen zu werden, so dass sie gemütlich grasen, ihre Umgebung bewundern, über andere Lebensformen meditieren, viel Wasser trinken, Spaß haben, singen, schlafen, Liebe machen, ihre Jungen aufziehen, Feste feiern und über die großen Themen diskutieren können.

– Michael Tobias und Jane Morrison, Donkey –

Was denkt oder fühlt eine schnurrende Katze? Was geht einem Hund durch den Kopf, während er rennt und spielt? Was geschieht im Gehirn eines Elefanten, wenn er einen toten Gefährten mit dem Rüssel berührt? Was fühlt ein Esel, während er in Ruhe grast und die Umgebung in sich aufnimmt? Ich entschied mich, kognitiver Ethologe zu werden, denn ich möchte wissen, was sich in den Gehirnen und Herzen anderer Tiere abspielt. Um dies zu erreichen, musste ich lernen, der „Rutensprache» zu lauschen und wie man korrekt zwischen einem Heulen, einem Winseln und einem Schrei unterscheidet.

Dieses Kapitel erläutert das Feld der kognitiven Ethologie – was sie ist, wie sie sich entwickelt hat und was sie versucht, zu erreichen – und es endet mit einer bewegenden Kostprobe dessen, was ethologische Feldarbeit mit sich bringt. Dieser kurze Exkurs stellt die Vorbereitung darauf dar, im nächsten Kapitel den Tieren aus nächster Nähe und persönlich zu begegnen.

KOGNITIVE ETHOLOGIE:
Definition und Ziele

Kognitive Ethologie ist die vergleichende, evolutionäre und ökologische Erforschung des Verstandes von Tieren. Sie konzentriert sich darauf, wie Tiere denken und was sie fühlen. Dies schließt ihre Emotionen, ihren Glauben, logisches Denken, die Verarbeitung von Informationen, Bewusstsein und Ich-Bewusstsein mit ein. Kognitive Ethologen sind an mehreren Dingen interessiert: Sie hoffen, unter verschiedenen Spezies eine mentale Kontinuität aufzuspüren; sie möchten herausfinden, wie und warum sich intellektuelle Fähigkeiten entwickeln; und sie möchten das Tor zur Welt der Tiere selbst öffnen. Kognitive Ethologen ziehen es vor, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu studieren – oder unter Umständen, die ihrer natürlichen Umgebung so nah wie möglich kommen.

Das Interesse an den emotionalen und mentalen Fähigkeiten von Tieren existiert bereits seit langer Zeit, doch die moderne Ära der kognitiven Ethologie mit ihrer Konzentration auf die Entwicklung und die evolutionäre Kontinuität der tierischen Wahrnehmung begann 1976 mit der Veröffentlichung des Buches The Question of Animal Awareness: Evolutionary Continuity of Mental Experience von Donald R. Griffin. Griffin wird oft als „Vater der kognitiven Ethologie“ bezeichnet. Sein Hauptanliegen war es, mehr über das Bewusstsein von Tieren zu lernen. Er wollte außerdem die schwierige Frage klären, wie es ist, ein bestimmtes Tier zu sein.

Die kognitive Ethologie erregt bei Forschern vieler verschiedener Bereiche große Aufmerksamkeit, darunter bei denjenigen, die sich für das Wohlergehen von Tieren und den Tierschutz interessieren. Ich sehe die kognitive Ethologie als vereinende Wissenschaft zum Verständnis der subjektiven, emotionalen, empathischen und moralischen Leben von Tieren. Wenn es jedoch zu einigen der herausfordernden und aufregenden „großen Fragen“ kommt, die die kognitive Ethologie aufwirft (zum Beispiel in Bezug auf die Entwicklung sozialer Moral, auf die ich in Kapitel 4 eingehe), ist zum Erhalt endgültiger Antworten eine interdisziplinäre Annäherung an das Thema nötig. Wir benötigen Ethologen, Genetiker, Entwicklungsbiologen, Neurobiologen, Psychologen, Anthropologen, Philosophen, Theologen, Religionswissenschaftler und Religionsführer, die sich der extrem schwierigen Aufgabe stellen, das emotionale und moralische Leben von Tieren zu verstehen und herausfinden, wie diese sich mit der Moral, Ethik und dem spirituellen Verständnis von Menschen vergleichen lassen – und welche Rolle sie in deren Entwicklung gespielt haben.

Bevor wir dazu kommen, müssen wir uns jedoch über einige grundlegende Fragen einig sein. Dazu gehört die Frage: „Woher wissen wir, dass Tiere etwas fühlen oder denken?“ Wir wissen es und ein Grund dafür ist die Flexibilität von Verhaltensweisen. Tiere zeigen Flexibilität in ihren Verhaltensmustern, was uns zeigt, dass sie bewusst und leidenschaftlich und nicht nur durch genetische Instinkte „programmiert“ sind, „dies“ in einer Situation und „das“ in einer anderen Situation zu tun. Beispielsweise werden Affen sich dazu entschließen, nicht an einem Experiment teilzunehmen, wenn sie denken, sie werden versagen. Die Forschung hat gezeigt, dass sich Ratten oft einen Moment Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was sie beim Laufen durch ein Labyrinth gelernt haben [2]; sie bleiben stehen, spielen die Route in umgekehrter Reihenfolge in ihren Köpfen ab und verarbeiten ihre Erfahrungen. Wenn Tiere Entscheidungen treffen müssen, die eine selektive Beachtung bestimmter Stimuli sowie eine entschlossene Wahl zwischen Handlungsalternativen erfordern, sind viele von ihnen durchaus dazu in der Lage – sie sind sich ihrer Umgebung bewusst und treffen bewusst eine angemessene, entschlossene und flexible Wahl in einer Vielzahl unterschiedlichster Situationen.

Flexibilität im Verhalten ist ein entscheidender Test für die Existenz von Bewusstsein, für einen arbeitenden Verstand. Bewusstsein entwickelte sich, weil es Individuen erlaubt, zu wählen, wenn sie mit variierenden und unvorhergesehenen Situationen konfrontiert werden. Wenn wir jedoch erst einmal akzeptiert haben, dass andere Tiere ein Bewusstsein haben, kommen wir zu den wirklich interessanten Fragen. Worüber denken sie nach? Was fühlen sie? Was wissen sie? Der Reiz, diese Fragen zu beantworten, ist es, der kognitive Ethologen antreibt. Das ist es, was uns in den frühen Morgenstunden aus dem Bett treibt.

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