Kitabı oku: «Interdisziplinarität auf der Sekundarstufe II», sayfa 2

Yazı tipi:

1.2.2 Der Lehrplan der Sophisten

Der zweite wesentliche Schritt in der Entwicklung von Lehrplänen erfolgt bei den Sophisten im 5. Jh. v. Chr. Das Wissen nimmt zu und die Einzelwissenschaften verselbstständigen sich gegenüber der Philosophie. Dies führt zu einer deutlichen Anreicherung der alten Paideia. Die Paideia wird aber durch den Zuwachs an Lerninhalten nicht durch eine andere ersetzt, sondern sie wird den neuen Inhalten als Basis vorangestellt. Damit gibt es eine erste Stufung des Lehrplans. Zu den Inhalten der alten Paideia kommen neu die Schulkünste (griech. technas) Rechenkunst, Astronomie, Geometrie und Musik. In der grossen Bedeutung der Rede- und Streitkunst begründet wurden die Künste Rhetorik, Grammatik und Dialektik in die Paideia integriert. Diese Zusammenstellung ist eine Zusammenfassung, sie bildet den gemeinsamen Nenner verschiedener Inhalte, die während dieser Zeit unterrichtet wurden. In Wirklichkeit war es eine Fülle weiterer Themen (z. B. diverse praktische Arbeiten, Ästhetik, Völkerkunde usw.).

Im Zuge von Kriegswirren und politischen Umstrukturierungen verkam der idealisierte «Sophistische Lehrplan» immer mehr zu einem theoretischen intellektuellen Konzept. Zusätzlich führte der Fortschritt des Wissens zu einer Vielzahl an Künsten, sodass der Vorwurf der Vielwisserei und der Viellernerei erhoben wurde. Dies ist insofern interessant, als dass in der Reformpädagogik im 20. Jahrhundert ähnliche Vorwürfe an den modernen Stoffplan auftauchen. Von Hentig z. B. verwendet dafür den Begriff «Stoffhuberei» (von Hentig, 2004, S. 14). Die Stofffülle war darauf zurückzuführen, dass es zu dieser Zeit keine Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Schulwissen gab. Es galt als modern, möglichst das aktuelle Wissen der Wissenschaft zu lehren.


JünglingsalterGrammatik, Rhetorik und DialektikArithmetik, Geometrie, Astronomie, MusiktheoriePolitische AreteLeibesübungen, vormilitärische Übungen
KnabenalterLesen, Schreiben, Gesang, Lyraspiel(Rechnen), SacherklärungenEthisch-religiöse Dichter- auswertungLeibesübungen, kultischer Tanz

Abbildung 4: Sophistischer Lehrplan, nach Dolch, 1959

1.2.3 Platon

Bei Platon steht die Erziehung im Dienste der Ziele des Idealstaates, der Politeia. Für die höheren Staatsaufgaben sind nur die Besten gut genug. Damit erlangt die Frage nach der Selektion bei Platon eine wichtige Bedeutung, die sich in einem Lehrplan der erziehenden Auslese manifestiert. Dieser Lehrplan ist vierstufig und jede Stufe ist streng mit der Altersstufe verknüpft. Die Bildung steht bei Platon im Dienste der «Seelenformung zur Sittlichkeit». Aus der Vorstufe heraus, wo die Körperpflege, das Spiel und die «gereinigten Märchen» im Zentrum stehen, gelangen die Schüler in die erste Bildungsstufe (7. bis 10. Altersjahr), wo in erster Linie Gymnastik wie Springen, Laufen, Ringen, Speerwerfen, Bogenschiessen, Schwimmen und Reiten betrieben wird. Die musischen Tätigkeiten treten in der ersten Bildungsstufe in den Hintergrund, ebenso wie Schreiben und Rechnen. Auf der zweiten Stufe (11. bis 18. Altersjahr) verlagert sich das Schwergewicht hin zum Musischen, denn «Musik umfasst alles, sei es hinsichtlich des Gesungenen oder Gesprochenen», und zum Lesen und Schreiben sowie zu den Fächern Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musiktheorie. Alle diese Tätigkeiten (griech. mathemata: Wissen, Lehre, das Gelernte) werden sehr praktisch unterrichtet. Es wird das Prinzip eines zyklischen Lehrplans verfolgt. Ein Ausscheiden oder Austreten nach dem ersten Zyklus (der Doxa; vgl. Abbildung 5) kann dabei erfolgen, ohne dass wesentliche Inhalte fehlen. Im zweiten Zyklus (der Noesis; vgl. Abbildung 5) werden die Inhalte dann vertieft. Der erste Zyklus (die ersten beiden Ausbildungsstufen; vgl. Abbildung 5), im Staatslehrplan ist für alle Männer (potenzielle Krieger, Händler, Wächter, Regenten) einheitlich. «Alles hier Betriebene sind Fertigkeiten, nicht bloss Kenntnisse. Künftige Krieger und Regenten werden gemeinsam praktisch gebildet. Nicht zu früh soll der jugendliche Geist sich mit dem Abstrakten auseinandersetzen müssen, wohl aber soll er darauf vorbereitet werden!» (Dolch, 1959, S. 34) Die dritte Ausbildungsstufe (18. bis 20. Altersjahr) ist fast ausschliesslich militärischer Art. Diese «schöpferische Pause» soll dem Jugendlichen dazu dienen, seine Stellung im Studium zu überdenken und zu überprüfen. Im zweiten Zyklus (ab Stufe vier), nach dem 20. Altersjahr, sollen nun die Mathemata wieder aufgegriffen und theoretisch vertieft werden, mit grosser «Akribie und Exaktheit». Die fünfte und letzte Stufe ist den künftigen Herrschern der Politeia vorbehalten, wodurch sich deren Ausbildung von den übrigen unterscheidet.

Für die letzte Bildungsstufe betont Platon die Verstandeserkenntnis und die Denkübung – heute würden wir «vernetztes Denken» sagen: «Der Wissensstoff, der Knaben im Unterricht nur in unzusammenhängender Behandlungsweise beigebracht wurde, muss für diese Auserwählten nun so zusammengestellt werden, dass die Verwandtschaft der einzelnen Wissensfächer miteinander sowohl wie mit der Natur des Seienden in klarem Zusammenhang hervortritt!» Und weiter: «Nur wenn die Behandlung der Unterrichtsfächer bis zur Erkenntnis ihrer Gemeinschaft und Verwandtschaft vorgedrungen ist, leistet sie zum Aufbau des Gesamtlehrplanes das ihr Zugewiesene!» (Platon, Politeia, 537c,d, zit. aus Dolch, 1959.)


Abbildung 5: Platonischer Lehrplan, nach Dolch, 1959

1.2.4 Enkyklios Paideia

Enkyklios Paideia bezeichnet das hellenistische Lehrplanwerk, das die altgriechische Kultur – wesentlich geprägt durch die Sophisten, Platon und Aristoteles – hervorgebracht hat. Dieser Lehrplan schafft für die Bürger in der Antike den Zugang zur Bildung. Sie ist dem freien, männlichen Bürger vorbehalten, weswegen sie später die Bezeichnung «Artes Liberales» erhält. Die Enkyklios Paideia ist der eigentliche Ur-Lehrplan des Abendlandes. Sie diente als Vorläuferin der römischen Septem Artes Liberales und der germanischen Akademie der freien Künste. Anhand dieses Urbilds eines Lehrplans lassen sich die Eigenschaften studieren, die dem Lehrplan zu seiner Bedeutung, Vorbildfunktion und vor allem zu seiner Transponierbarkeit in andere Kulturkreise des Abendlandes (vom Attischen ins Hellenistische, ins Römische, ins Christliche und ins Germanische) verholfen haben.

•Der Enkyklios Paideia liegt ein Lehrwerk zu Grunde, das die Arete repräsentiert und die Zielrichtung der Bildung vorgibt: Homers Schriften. Dieses lässt sich durch ein anderes ersetzen (z. B. das Nibelungenlied oder die Bibel). Dadurch hat die Enkyklios Paideia die Romanisierung und Christianisierung überlebt.

•Die Enkyklios Paideia umreisst zeitlose Strukturelemente. Die Bildung wird in mehrere Stufen gegliedert, die aufeinander aufbauen. Auch diese Struktur bleibt erhalten, wenn der Lehrplan auf ein anderes «Lehrbuch» abgestützt wird.

•Die zu unterrichtenden Fächer und ihre Beziehungen zueinander werden konkret aufgeführt.

•Jede Stufe ist einer Altersstufe zugeordnet.

•Nicht zuletzt liegt der Enkyklios Paideia – dank Platon – ein politisches Motiv zugrunde. Der Staat erzieht mit ihr seine Bürger: «Die staatliche Ordnung ist die Erzieherin der Menschen.» (Platon, Menexenos, 238c, zit. aus Dolch, 1959)

Grammatik, Dialektik und Rhetorik bilden den politisch-kulturell bedingten Hauptteil des Lehrplans. Die Realwissenschaften bestehen aus der Geometrie, der Arithmetik (Rechnungskunst), der Astronomie und der Musiktheorie und füllen mit dem sprachlichen Teil des gehobenen Unterrichts den Lehrplan. Aber auch die Gymnastik hat im Lehrplan nach wie vor einen wichtigen Stellenwert, auch wenn sie gegenüber den anderen Einzelfächern etwas in den Hintergrund rückt.

All diese Einzelfächer zielen darauf ab, den menschlichen Geist auf das Studium der höchsten aller Wissenschaften vorzubereiten, die Philosophie. In der Philosophie sollen die Kenntnisse aus den Einzelfächern zu einem Ganzen synthetisiert werden. Die propädeutische Funktion der Enkyklios Paideia hinsichtlich der Philosophie wird in der späten Antike verstärkt, der Lehrplan dient nun immer gezielter der theologischen Philosophie. Die theologische Philosophie gewinnt in der frühchristlichen Bildung und später in der Scholastik zusätzlich an Bedeutung, wo die weltlichen Fächer gegenüber der «Herrin Theologie» eine dienende Haltung einzunehmen haben.

1.2.5 Septem Artes Liberales

Rom übernahm die Enkyklios Paideia des hellenischen Reiches weitgehend, und daraus entstanden die Septem Artes Liberales. Griechische Lehrer wurden herangezogen und eingebürgert. Sie passten die hellenische Bildungskultur an die römische Kultur an. Die Septem Artes Liberales bestehen aus dem Trivium (Grammatik, Rhetorik und Dialektik) und dem Quadrivium (Geometrie, Arithmetik, Musik und Astronomie). Sie stellen den «Kreis des Wissens» (orbis doctrinae) dar und wurden auch oft als solcher dargestellt (vgl. dazu Abbildung 6).

Marcus Tullius Cicero (106–43 v. Chr.) beginnt, die Philosophie lateinisch zu bearbeiten. Er propagiert eine breite Allgemeinbildung als Voraussetzung für das Studium der Philosophie. In Bezug auf das Fächersystem bleibt er vorerst unbestimmt, unterscheidet allerdings zwischen Studienfächern für den praktischen Lebensgebrauch und solchen für das politische Leben. Ciceros «eigentliche Besonderheit ist aber, die Humanität zum Auswahlkriterium dafür erhoben zu haben, was aus all dem weiten Umkreis des Möglichen, Erlaubten, Schönen und Nützlichen als ein Notwendiges im Sinne allgemeiner Forderungen herausgestellt werden soll». (Dolch, 1959, S. 62)

Neben Cicero leisten viele andere Philosophen einen Beitrag an die Ausgestaltung der Septem Artes Liberales: Vitruvius (1. Jh. v. Chr.), Seneca (4 v. Chr.–65 n. Chr.), Quintilian (35–95 n. Chr.), Capella (5. Jh. n. Chr.) und andere.


Abbildung 6: Die Septem Artes Liberales, dargestellt als orbis doctrinae («Kreis des Wissens»)

1.2.6 Vom frühen Christentum ins Mittelalter

Mit dem Niedergang des Römischen Reiches verliert die Struktur eines einheitlichen Lehrplans in Mitteleuropa zunächst an Bedeutung. Nur in Britannien und Irland wird an Klöstern nach dem Plan der Septem Artes Liberales gelehrt. In Mitteleuropa gewinnt das römische Bildungssystem erst wieder an Bedeutung, als Karl der Grosse (747–814) im 8. Jahrhundert irische Mönche nach St. Gallen und ins italienische Bobbio holt. Die Septem Artes werden ins karolingische Bildungssystem integriert und in der Folge etablieren sich in Europa allmählich wieder zentrale Lehrpläne.

Karl der Grosse sieht in einem Bildungssystem mit einem einheitlichen Lehrplan ein wichtiges Mittel, um sein Reich zusammenzuhalten. Er ernennt den irischen Mönch Alchivine zum Reichsschulmeister im fränkisch-deutschen Raum. Alchivine überführt den «Kreis des Wissens» (orbis doctrinae), der durch die Septem Artes Liberales umrissen wird, wieder in einen «Stufengang des Wissens» und somit in einen «echten» Lehrplan. Diese Bearbeitung der Lehrpläne unter Karl dem Grossen führt zu einer Christianisierung der antiken Bildung. Noch dient im karolingischen Bildungssystem der Lehrplan einer höfisch-klösterlichen Bildungsanstrengung. Aber bereits um die Jahrtausendwende fordern verschiedene Stimmen (z. B. Notker, der Deutsche; 952–1022), Bildung einer Allgemeinheit und den Lehrplan auch jenen zugänglich zu machen, die weder Latein noch Altgriechisch sprechen. So weist z. B. Wipo von Burgund (995–1048) darauf hin, dass Rom erst durch diese der Allgemeinheit zugänglich gemachten Bildung stark geworden sei. (Dolch, 1959, S. 111) Da die Machthaber in Mitteleuropa ihre Reiche eher durch Kirchenreformen stärken wollen, ist man eher bestrebt, alle nicht-christlichen Teile der Artes abzuschaffen. Die immer mehr aufkommende Wissenschaft wird durch die Kirche heftig bekämpft. Nicht durch Erkenntnis und Einsicht gelange der Christ zum Glauben, sondern umgekehrt vom Glauben zur Erkenntnis. Gegner und Befürworter der artesischen Bildung halten sich in dieser Zeit in etwa die Waage. Ein prominenter Gegner, der Mönch, Kardinal und Kirchenlehrer Petrus Damian (1007–1072) stellt, obwohl selber darin ausgebildet, die Sieben Freien Künste gänzlich in Abrede: «Meine Grammatik ist Christus!» Die Striemen der Selbstgeisselung seien die bessere Vorbereitung auf das Studium der Heiligen Schrift als die Syllogismen der Dialektik, die tönenden schönen Worte der Rhetorik oder mathematische und astronomische Studien. Heilige Einfalt müsse der Wissenschaftsgläubigkeit entgegengesetzt werden. (Petrus Damian, De patentia, Cap 1 (731); Migne 145, 702 D, zit. aus Dolch, 1959)

Auch für das Rittertum ist die geistige Bildung von Bedeutung, sie steht im ritterlichen Bildungsideal allerdings erst an dritter Stelle, nach der moralischen (ritterliche Tugenden) und der körperlichen Erziehung. Neben die Septem Artes treten die Septem Probitates: Schwimmen, Reiten, Pfeilschiessen, Fechten, Jagen, Schachspielen und Versreimen. Zur ritterlichen Bildung gehören Feder und Schwert!

Die mittelalterlichen Kreuzzüge, die Reisen der grossen Entdecker und Eroberer und der zusehends internationale und weltumspannende Handel führen in der Folge zu einem gewaltigen Zuwachs an Wissen in Geschichte, Erd- und Naturkunde. Zudem führt die in der karolingischen Bildungsrenaissance sorgfältig gepflegte und stark weiterentwickelte Buchkunst (Buchschrift, Buchmalerei sowie die Aufbereitung, Abschrift und Vervielfältigung alter Schriften) zu einer verbesserten Zugänglichkeit zu «alter Literatur» (z. B. zum ganzen aristotelischen Schriftenwerk). Zusammen mit dem Einfluss jüdischer und arabischer Gelehrsamkeit ist all das neue Wissen kaum mehr in den Septem Artes unterzubringen. (Dolch, 1959, S. 135) Insbesondere die neu erschlossenen aristotelischen Schriften bringen die Einordnung des Wissens in das Trivium und das Quadrivium endgültig zu Fall, eine Neueinteilung drängt sich auf.

Hugo von St. Viktor (1096–1141) versucht in seinem Werk «Didascalicon» eine vollständige Einteilung des Wissens. In der Abbildung 7 ist zu sehen, wie Dolch diese Neugliederung in seinem Buch darstellt. (Dolch, 1959, S. 137)


PHILOSOPHIA
(die Wissenschaft von den letzten Gründen aller menschlichen und göttlichen Dinge)
A.Theoretica
ITheologie
IIMathesis = Quadrivium
1. Arithmetik
2. Musik: a) sphärische; b) menschliche; c) instrumentale
3. Geometrie: a) Planimetrie; b) Stereometrie; c) Kosmometrie
4. Astronomie: a) Astronomie; b) Astrologie
IIIPhysik = Naturlehre
B.Praktica
IEthik
IIÖkonomik
IIIPolitik
C.Mechanica
Weberei, Kriegskunst und Waffenschmiedung, Schifffahrt und Handel, Landbau, Jagd, Medizin, Schauspielkunst
D.Logica
IGrammatik
IIRedekunst (Darlegung)
1. Überzeugung: a) Dialektik; b) Rhetorik
2. Überredung: Sophistik
E.Anhang
Poesie, Geschichte, «neumodische Philosophie»

Abbildung 7: Die Einteilung des Wissens um 1100 n. Chr. gemäss Hugo von St. Viktor, nach Dolch (1959)

Diese Aufzählung stellt nicht die chronologische Abfolge der Lerninhalte dar, auch Hugo von St. Viktor fordert, mit der Logik zu beginnen. Er gibt in seinem Buch didaktische Hinweise, wie die Fächer im Curriculum anzuordnen sind, und beschreibt die stoffgenetische Abfolge der Inhalte.

Gegen Ende des Mittelalters lenkt Thomas von Aquin (1225–1274) die artesische Bildung in neue Bahnen. Drei wesentliche Entwicklungen leiten das Zeitalter der Scholastik ein:

Die Artes werden als Vorstufe zur Philosophie immer unabhängiger, sie werden kaum noch als blosse Hilfsmittel für die Theologie betrachtet. Die Trennung zwischen Schulwissenschaften und Hochschul-Wissenschaften wird immer deutlicher. Der antike Gedanke der Technai tritt wieder deutlicher zum Vorschein, demzufolge in den Schulwissenschaften das Können Vorrang haben soll vor dem Wissen.

Nur noch grosse Schulen vermögen das gesamte Curriculum der erweiterten Artes abzudecken. Kleinere Schulen werden zu Vorbereitungsanstalten. Die Artes sind immer häufiger in den Lehrplänen der Universitäten enthalten und werden zum obligatorischen Propädeutikum für die juristischen, theologischen und medizinischen Fakultäten.

1.2.7 Humanismus und Reformation

Die Renaissance verschafft Mitteleuropa ein neues Lebensgefühl. Der Glaube an den Fortschritt in den Wissenschaften, die bewusste Abgrenzung von der unmittelbaren Vergangenheit und die Überwindung der einengenden mittelalterlichen Dogmen prägen die Stimmung. Der Mensch als Individuum in seiner Gegenwart rückt in den Fokus und verdrängt den Blick ins Jenseits und die asketische Haltung des Mittelalters.

Auf die Entwicklung des Lehrplans macht sich dies vor allem in drei Punkten bemerkbar:

•Leibesübungen werden eingeführt,

•die Realfächer (der Sachunterricht) werden gegenüber den Sprachfächern untergeordnet,

•die Muttersprache wird vermehrt unterrichtet.

Das Individuum Mensch, sein Körper, sein Schaffen und sein Kommunizieren stehen im Zentrum. Der anthropologische Lehrplangedanke geht noch einen Schritt weiter. Seine Fächerauswahl gründet auf den dem Menschen eigentümlichen Fähigkeiten: dem Erkenntnisvermögen (Physik), der praktischen Vernunft (Ethik, Logik) und der «Gabe der Rede» (Kommunikationsfähigkeit, Rhetorik).


>Versuchen Sie aus den aus Ihrer Sicht grundlegenden menschlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten die heute üblichen Fächer (Disziplinen) abzuleiten (z. B. Der Mensch ist kommunikativ = Sprachunterricht). Oder suchen Sie umgekehrt zu den heutigen Disziplinen die entsprechenden grundlegenden menschlichen Bedürfnisse. Sind diese kulturbedingt?

Erst durch die Erfolge in der Technik im 15. und 16. Jahrhundert (Kompass, Brille, Walzen, Schiesspulver, Spinnrad, Gusseisen, Hochofen, Stahlbearbeitung, Taschenuhr, Buchdruck) und die Idee nach der Beherrschung und Lenkung der Natur erlangen die «Naturwissenschaften» wieder die Aufmerksamkeit der Gestalter der Lehrpläne. Gott als «allzeit eingreifendes Schicksalswesen» wird zum «Schöpfer von Naturgesetzen» (der Begriff «Naturgesetz» entsteht in dieser Zeit[5]), die es zu ergründen gilt. Damit rückt Gott räumlich und zeitlich in die Ferne und es entsteht mehr Spielraum für das wissenschaftliche Forschen. Und trotzdem fristen die Naturwissenschaften weiterhin ein Mauerblümchen-Dasein in den evangelischen Lehrplänen, bestenfalls sind sie Anwendungsbeispiel für die Sprachfächer. Dies ändert sich erst in der Zeit des Barocks, rund 150 Jahre später.

Auch strukturell verändert sich in der Barockzeit Wesentliches:

•Dem Lehrplan angepasste Schulbücher werden herausgegeben, während zuvor immer direkt mit Donat (Grammatik I), Priskian (Grammatik II), Cicero (Rhetorik), Aristoteles (Logik), Euklid (Arithmetik) usw. gelehrt worden war.

•In der evangelischen Schulordnung des späten 16. Jahrhunderts wird der eigentliche Typ des neuzeitlichen Lehrplans mit den heute immer noch üblichen Schulfächern geprägt.

•In den Schulordnungen des 16. Jahrhunderts werden erstmals Klassen («Haufen») gebildet.

•In dieser Zeit werden erste Volksschulen gegründet. Auch finden erste territoriale Lehrplanabsprachen statt.


Abbildung 8: Drei neue Elemente in der Schulorganisation

Da die Schulfächer in unseren heutigen Lehrplänen hauptsächlich auf die Zeit der Reformation zurückgehen, sei hier eine kurze Übersicht über unseren heutigen Fächerkanon und die Bezüge zur Herkunft der jeweiligen Fächer gegeben.

Tabelle 1: «Herkunft» heutiger Schulfächer


DeutschIn der Lehrplangeschichte wurde zwar der muttersprachliche Unterricht immer wieder gefordert (z. B. Notker, ca. um 1000 n. Chr.). Deutsch als Unterrichtssprache blieb aber lange Zeit verboten und wurde entsprechend auch nicht als eigenes Fach unterrichtet. Deutsch taucht erstmals zu Beginn des 17. Jahrhunderts als eigenständiges Fach auf, weil sich die Muttersprache auch nach und nach als Drucksprache durchsetzen kann.Zentrale Fächer des Triviums der Artes Liberales wie Grammatik und Rhetorik, die heute z. T. im Deutschunterricht behandelt werden, werden bis ins 17. Jahrhundert in Latein, Griechisch oder Hebräisch gelehrt.
Fremdsprachen: F/E/S/I/Latein/ Griechisch/RussischDer Fremdsprachenunterricht im heutigen Sinne ist eine moderne Erscheinung. Lange gilt die Aufmerksamkeit ausschliesslich den drei Kreuzsprachen Hebräisch, Griechisch, Latein. Erst in der evangelischen Schule im 16. Jahrhundert beginnt man sich für die Sprachen anderer europäischer Kulturen zu interessieren.
GeschichteGeschichte wird lange implizit (mit-)unterrichtet, aber nie explizit im Lehrplan ausgewiesen. Durch die intensiven historischen Studien des Humanismus und die historischen Beweisführungen von Reformatoren und ihrer Gegner ist im 15. und 16. Jahrhundert das geschichtliche Weltbild erweitert worden. Als Folge wird mit der evangelischen Schulreform biblische und weltliche Geschichte in den Lehrplan aufgenommen.
GeografieGeografie wird zwar bereits im Mittelalter im Rahmen der Artes gelehrt, allerdings nur als Teilgebiet der Geometrie. Weil die grossen Reisen und geografischen Entdeckungen von Marco Polo, Kolumbus, Magellan usw. das geografische Wissen erweitern und vertiefen, wird Geografie im Lehrplan aufgenommen. Heute ist das Fach Geografie eine Art «Scharnier-Fach», dessen Besonderheit vor allem darin besteht, kultur- und naturwissenschaftliche Aspekte zu vereinen.
MathematikLange Zeit werden Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musik und Logik (Dialektik), die Disziplinen des Quadriviums der Artes Liberales, ausschliesslich an der Hochschule gelehrt. Ab dem 16. Jahrhundert taucht vor allem die Arithmetik in den Lehrplänen der evangelischen Schulen auf, in der Volksschule wird «Rechnen» für das «tägliche Leben» unterrichtet.
NaturwissenschaftenDie Naturwissenschaften sind historisch unter dem Begriff Physik oder Physiologie subsumiert. Gelehrt werden sie nie explizit, sondern höchstens als Anwendungen im Rahmen der (Natur-)Philosophie oder der Sprachfächer. Mit den experimentellen Untersuchungen von Galileo Galilei entstehen im 16. Jahrhundert die Naturwissenschaften im heutigen Sinn, in die Lehrpläne der Schulen gelangen sie jedoch erst im 18. Jahrhundert Sie werden zunächst vor allem an den «Realschulen» unterrichtet. Am klassischen «Humanistischen Gymnasium» werden sie noch bis ins 19. Jahrhundert kaum unterrichtet.
PhilosophiePhilosophie ist in unseren Lehrplänen ein verkümmertes Überbleibsel der antiken Königsdisziplin der Wissenschaften und des ursprünglichen Endziels («Arete») aller Bildung. Die Philosophie bezeichnet ursprünglich das Integral über alle Bildung. Als Schulfach ist sie heute eher die Geschichte über das Fragen nach dem «Warum», «Woher» und «Wohin» des menschlichen Daseins. Im Verlaufe der Auffächerung der Artes in den heute bekannten Fächerkanon wurden den Disziplinen diese Fragen «einverleibt» (Philosophie der Naturwissenschaften, Sprachphilosophie usw.).
ReligionDie Religion als Schulfach geht auf die Reformation zurück. Der Inhalt dieses Fachs hat sich ausgehend von der eigentlichen christlichen Religionslehre stark ausgeweitet und vereint heute das Studium verschiedener Religionen, der Ethik und der Philosophie.
MusikMusik ist ursprünglich ein Fach des Quadriviums der Septem Artes Liberales, jedoch ausschliesslich die Musiktheorie, die zur Mathematik im Rahmen der pythagoreischen Harmonielehre gehörte. Erst in der Reformation wird die Musik zum Schulfach im heutigen Sinne, mit Singen, Chor, Instrumentalunterricht in Verbindung mit Musiktheorie.
SportSport ist seit dem hellenistischen Lehrplan immer mehr (Enkyklios Paideia, Rittertum, humanistischer Lehrplan) oder weniger (verchristlichte Artes Liberales im Mittelalter) enthalten.
Bildnerisches GestaltenBildnerisches Gestalten gehört lange Zeit nicht zum intellektuellen Lehrplan, sondern ist Teil der «Berufsbildung». Bei den Philanthropen (18. Jahrhundert) und später in der Reformpädagogik und im Neuhumanismus gewinnt der künstlerische Ausdruck des Menschen in der Schule an Bedeutung.
Wirtschaft und RechtWirtschaft und Recht gehören historisch zur Hochschulbildung und nicht zur Grundausbildung. Heute sind die Fachgebiete Wirtschaft und Recht in den Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen sehr unterschiedlich verankert. In einigen Bundesländern in Deutschland kommen die beiden Fachbereiche gar nicht vor, in anderen wiederum sehr prominent (z. B. im Bundesland Bayern). In der Schweiz sieht der Rahmenlehrplan der EDK das Schulfach Wirtschaft und Recht vor und es wird von den meisten Kantonen als Schwerpunktfach angeboten.
Pädagogik, PsychologiePädagogik und Psychologie sind neue Schuldisziplinen. Sie werden in der Schweiz kombiniert als ein Schulfach unterrichtet. Zusammen mit der Psychologie können die drei Fächer als Schwerpunktfach belegt werden (PPP). Das gleiche gilt in Österreich. In vielen Bundesländern Deutschlands ist Pädagogik sowie die Psychologie ein reguläres Unterrichtsfach der Sekundarstufe II und kann dort in Grund- oder Leistungskursen das gesellschaftswissenschaftliche Aufgabenfeld im Abitur abdecken. In anderen Bundesländern sind die Fächer im Wahlpflichtbereich vertreten und in manchen gibt es sie nur als Arbeitsgemeinschaften.
InformatikAuch den Fachbereich Informatik gibt es als Schuldisziplin erst seit rund 30 Jahren. Wie bei den neueren Schulfächern Wirtschaft und Recht bzw. Pädagogik und Psychologie ist die Stellung des Fachs in den Lehrplänen sehr unterschiedlich. Während in einigen Kantonen bzw. Bundesländern die Informatik zum Mathematik- oder Physikunterricht gehört oder als Wahl- oder Vertiefungsfach angeboten wird, ist die Informatik in anderen Lehrplänen ein eigenständiges Pflichtfach.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
127 s. 30 illüstrasyon
ISBN:
9783035505696
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок