Kitabı oku: «Geh nicht dorthin»

Yazı tipi:

Marc Pain

Geh nicht dorthin

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Ein eiskalter Tod

Die Ankunft

Der Aufbruch

Da waren es nur noch neun

Der Schneesturm

Wesen der Angst

Nacht der Toten

Die fremde Waffe

Das Tagebuch von Nicolas

Nachwort

In Gedenken an:

Impressum neobooks

Ein eiskalter Tod

Es gab kein Entkommen. Geräuschlos und rasend schnell verfolgte sie die Gefahr. Zitternd vor Angst und zitternd vor lauter Kälte standen die neun Wanderer vor dem kleinen Feuer, das jeden Moment auszugehen drohte. Etwas Schemenhaftes huschte am Waldrand vorbei, etwas, das auf der Suche nach ihnen war. Zinaida unterdrückte einen Panikschrei und umklammerte Igors Unterarm.

»Lass uns von hier verschwinden! Wir sollten zurück ins Lager«, hauchte Zinaida, mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen und weinerlicher Stimme.

»Zina hat recht«, stimmte Igor der jungen Studentin zu und wandte sich dabei an die anderen Gruppenmitglieder. »Wir müssen zurück ins Lager, ansonsten erfrieren wir hier draußen. Nicht mehr lange, dann wird das Feuer ausgehen und wir der Kälte schutzlos ausgeliefert sein.«

»Man wird uns umbringen, wenn wir den Wald wieder verlassen! Wir sind tot, noch bevor wir das Lager erreichen. Hier im Wald sind wir immerhin vor dem Wind geschützt«, stieß Alexander hervor und sprang währenddessen auf der Stelle auf und ab.

»Alex hat recht, wir sollten hierbleiben, versuchen das Feuer am Leben zu halten und uns gegenseitig warmzuhalten«, flüsterte Lyudmila mit zitternder Unterlippe.

»Ja, wir sollten hier bleiben. Da draußen wartet der sichere Tod!«, kam es von Nicolas.

»Ebenso wie hier! Ich bin dafür, dass wir zum Lager zurückzukehren«, hielt Rustem dagegen.

»Ich werde hier sicherlich nicht erfrieren! Wir müssen zurück zum Lager, um unsere Kleidung und Ausrüstung zu holen. Ich spüre meine Füße bereits nicht mehr.« Igor rieb sich die eigenen Schultern, während er sprach. »Zina, Rustem und ich werden zum Lager gehen und mit Kleidung zurückkehren. Ihr werdet hier warten und darauf achten, dass das Feuer nicht ausgeht.«

Alle nickten zustimmend.

»In Ordnung! Lasst uns gehen«, rief Igor aus und marschierte los. Bereits nach kurzer Zeit verschwanden sie aus dem Blickfeld der anderen. Ihre Schritte, das Knirschen des Schnees, war noch eine Weile länger zu hören.

Die Flammen strahlten kaum noch Hitze aus und die sechs Wanderer rückten immer dichter an das kleine Feuer heran. Sie versuchten sich mit allen verfügbaren Mitteln warmzuhalten – der Eiseskälte irgendwie zu trotzen.

Um die Durchblutung anzuregen, rubbelten sie sich gegenseitig die Körper und Beine ab. Ununterbrochen rieben sie die Hände aneinander, hielten sie sich vors Gesicht und hauchten hinein. Sie traten und sprangen auf der Stelle oder machten Kniebeugen. Absolut nichts wurde unversucht gelassen, um die Körpertemperatur vor einem tödlichen Sturz zu bewahren.

Plötzlich war es da. Die lautlose Gefahr. Ein wahrgewordener Albtraum. Der blanke Horror – das manifestierte Böse. Wie aus dem Nichts tauchte es vor der kleinen Gruppe auf.

»LAUFT!«, schrie Alexander und rannte blindlings in den dunklen Wald hinein. Die restlichen Gruppenmitglieder folgten ihm. Alle, bis auf Georgy und Doroshenko. Wie gefesselt, vollkommen erstarrt, vor lauter Entsetzen, blickten sie ihrem sicheren Tod entgegen.

Erst als es längst zu spät war, kehrte der natürliche Fluchtinstinkt zurück. Unentschlossen sahen die jungen Männer sich um.

»Los auf den Baum«, riet Doroshenko und deutete auf die Kiefer, unter der sie Schutz gesucht und das Feuer entzündet hatten. Von der Furcht getrieben versuchten sie sich an den Ästen des Baumes hinaufzuziehen. Die meist sehr dünnen, noch jungen, Zweige brachen unter dem Gewicht der Männer. Beim Hinabstürzen rissen sie sich die Haut ihrer unbekleideten Körper, an der rauen Rinde des Nadelbaumes, auf. Nur Georgy gelang es letztlich den Baum zu erklimmen, während sein Freund nach dem letzten Sturz erschöpft und regungslos liegen geblieben war.

»Doroshenko! Steh wieder auf, komm schon! Yuri?«

Doch Yuri Doroshenko zeigte keine Regung mehr und blieb auf dem kalten Waldboden liegen. Georgy klammerte sich an den Stamm der Kiefer fest und schluchzte verängstigt. Seine Hände schmerzten fürchterlich und allmählich verließen ihn die Kräfte und er verlor das Gefühl in den Gliedern.

Abwechselnd führte er seine Hände zum Mund und hauchte sie an. Er versuchte seine Finger zu bewegen, seine Hand zu einer Faust zu formen, doch das Gefühl wollte nicht zurückkehren.

Verzweifelt biss er sich in die Hände, in der Hoffnung, die Durchblutung damit zu verstärken. Dabei riss er sich das eigene Fleisch aus den Handrücken, die so taub und blutleer waren, dass er davon nicht einmal etwas mitbekam.

Aufgelöst schaute Georgy auf den Waldboden hinab. Nur mit Unterwäsche bekleidet, lag Doroshenko leblos zu den Wurzeln der Kiefer, unweit der Feuerstelle, die inzwischen erloschen war. Georgy trug ebenfalls nichts außer seiner Unterwäsche. Fluchtartig hatte die Gruppe ihre Zelte verlassen müssen, anderenfalls hätte man sie umgebracht, daran hatte es keinen Zweifel gegeben.

»Doroshenko komm schon, jetzt steh endlich auf«, schluchzte Georgy verzweifelt. Vom Baum wieder hinabzuklettern traute er sich nicht. Er spürte, dass die Gefahr noch nicht gebannt war. Sie lauerte im Dunkeln und wartete auf ihn. Kurz vor seinem Ende erinnerte er sich an die Worte von Alexander, daran, welchen Namen das alte Mansenvolk diesem Ort gegeben hatte.

»Wir hätten niemals hierhergehen dürfen«, bereute Georgy und wünschte sich an einen anderen Ort. Ein brennender Schmerz zog plötzlich durch sein linkes Bein. Es fühlte sich an, als würde jemand ein Messer in seinen Oberschenkel rammen oder ein glühendes Eisen auf seine Haut pressen. Mit einem schmerzerfüllten Schrei lockerte er ungewollt seinen Griff und stürzte die gut fünf Meter, die er erklommen hatte, wieder hinab. Dabei zog er sich weitere Verletzungen zu und brach einige Äste ab. Zuletzt schlug er mit dem Kopf auf das Ende eines zuvor abgebrochenen Astes. Durch die Kraft des Sturzes bohrte sich das abgebrochene Astende tief in sein Gesicht und riss einen Teil seiner Nase ab. Danach schlug Georgy auf den Waldboden auf.

Nicht weit von seinem Freund entfernt, fand auch das Leben von Georgy ein grausames Ende. Ein Ende, in lähmender Kälte und in der absoluten Ungewissheit darüber, warum er hatte sterben müssen.

Die Ankunft

Ein eisiger Wind begrüßte die zehn Expeditionsmitglieder, als sie am 25. Januar den verschneiten Bahnhof in Iwdel erreichten. Die Stadt am gleichnamigen Fluss lag rund 500 Kilometer nördlich der Gebietshauptstadt Swerdlowsk. Der Großteil der Gruppe bestand aus Studenten und Absolventen des polytechnischen Instituts des Urals. Die Studenten erhofften sich durch eine erfolgreiche Expedition zum Berg Gora Otorten einen verbesserten Abschluss ihres Sportstudiums.

Alexander Zolotariov war der einzige Teilnehmer, der das Institut in Swerdlowsk nicht besuchte. Er war der Älteste und nicht nur deshalb einer der erfahrensten Expeditionsteilnehmer. Als Ski- und Wanderlehrer hatte er ausreichend Erfahrungen sammeln können, die ihn für diese Expedition qualifizierten. Ein Sportverein aus Swerdlowsk hatte ihm das Team um Gruppenführer Igor Djatlow empfohlen. Außerdem kannten sich Igor und Alexander von früheren Expeditionen und so stand einer weiteren Zusammenarbeit nichts mehr im Wege.

Alle Teilnehmer waren erfahrene Skiläufer, Kletterer, Bergsteiger und in bester körperlicher Verfassung. Die sportliche Herausforderung stand daher auch im Fokus der Teilnehmer. Für niemanden war es die erste Expedition, wenn auch für die Meisten, die bisher schwierigste.

Iwdel stellte nur einen Zwischenstopp dar. Als Ausgangspunkt sollte eine Unterkunft in einer kleinen Siedlung namens Vizhai dienen, die direkt vor den Bergen des Urals lag und die nördlichstgelegene, bewohnte Gegend darstellte.

Ein organisierter Lkw brachte die Gruppe nach Vizhai. Die Unterkunft, alles wurde mithilfe des Sportvereins organisiert, lag am Fuß des Urals und bot einen prächtigen Ausblick.

Sie trafen am Sonntagabend ein und bezogen insgesamt drei Zimmer einer Blockhütte. In der Unterkunft wollten sie Kräfte für die bevorstehende Expedition sammeln und sich am Dienstag, dem 27. Januar, auf den Weg machen.

»Gora Otorten bedeutet in der Sprache der ansässigen Mansen: Geh nicht dorthin«, sagte Alexander mit einem vielsagenden Tonfall, um mit Georgy ins Gespräch zu kommen.

»Ein passender Name, für einen Berg der schwersten Kategorie«, sagte Georgy und lachte. Doroshenko stimmte mit ein und folgte seinem Freund danach in die Blockhütte. Alexander blieb noch eine Weile stehen und schaute sich das mächtige Gebirge am Horizont an. Er atmete tief durch die Nase ein und langsam durch seinen Mund wieder aus. Die kühle Luft wirkte sich beruhigend auf sein Gemüt aus und die Vorfreude auf die bevorstehende Wanderung war jetzt kaum noch zu bändigen.

Neben den drei Schlafzimmern stand der Expeditionsgruppe der Speisesaal zur freien Verfügung. Die Unterkunft wurde zu dieser Jahreszeit nicht gut besucht und dadurch entstand schnell ein familiäres Gefühl.

In der Nacht vom 25. auf den 26. Januar versammelten sich alle Mitglieder im Speisesaal und lauschten den Worten ihres Gruppenführers.

»Wie ihr alle wisst, haben manche Züge so ihre Tücken und nicht selten rückt das Ziel dabei in unerreichbare Ferne. Um so glücklicher bin ich, dass bis hierhin alles so reibungslos geklappt hat. Wir haben uns lange auf so eine Möglichkeit vorbereiten können und jetzt stehen wir vor einer großen Herausforderung. Es ist schon spät, aber ihr alle dürft morgen ausschlafen. AUS-SCHLA-FEN!«, Igor wiederholte lauthals sein letztes Wort und forderte damit eine Reaktion seines Teams heraus. Alle Mitglieder schlugen im Gleichtakt mit der flachen Hand auf die Tischplatten der Esstische und erzeugten einen besonders lauten Applaus. Ein breites Grinsen machte sich auf Igors ohnehin sehr freundlichem Gesicht breit.

»Die Anreise war anstrengend und ich will, dass wir uns ausgeruht auf den Weg machen. Zu dieser Jahreszeit fällt unsere Strecke unter die Kategorie drei und ihr alle wisst, das ist die schwerste. Doch genug jetzt! Ich bin froh hier zu sein – ich bin froh mit EUCH hier zu sein und ich kann es kaum noch erwarten, endlich mit der Expedition zu beginnen.«

Die Gruppe spendete ihrem Führer auf die gleiche laute Weise Applaus und Igor setzte sich auf seinen Platz.

Alexander lehnte sich zurück und strich sich mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand durch seinen schwarzen Schnauzer.

Es bildeten sich Gesprächsgruppen und Alexander hörte, wie die Zimmeraufteilung besprochen wurde.

»Wir Männer müssen die Vierbettzimmer beziehen, Zina und Lyudmila nehmen das Doppelbettzimmer. Willst du zusammen mit mir, Doroshenko und Nicolas auf ein Zimmer?«, fragte Georgy, der sich auf den Tisch abstützte und Alexander ansprach.

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