Kitabı oku: «Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts», sayfa 15

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II. Korrespondierende Aufgabenbereiche und Ziele der Staatstätigkeit

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Bereits aus der Beschreibung der wirtschaftsverfassungsrechtlichen Vorgaben für individuelles ökonomisches Verhalten wurde deutlich, dass dem Staat zunehmend eine Globalverantwortung für den Bestand und die Entwicklung der Gesellschaft in ökonomischer, sozialer und kultureller Sicht zugeschrieben wird[592]. Diese Entwicklung hat selbstverständlich Rückwirkungen auf das Aufgabenverständnis seitens der Hoheitsgewalt und ihre Aufgabenerfüllung[593]. Welches die wesentlichen Bereiche legitimer Staatstätigkeit in einer sozial korrigierten Marktwirtschaft sind, lässt sich anhand von drei von der Volkswirtschaftslehre herausgearbeiteten Grundfragen zeigen:


1. Was soll produziert werden?
2. Wie soll produziert werden?
3. Wie soll das Produktionsergebnis verteilt werden?

1. Minimalvorgaben bezüglich Produktionszielen und Güterarten

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Mit der Antwort auf die Frage, was produziert werden soll, wird die Art und der Umfang der Güter festgelegt, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen in einer Volkswirtschaft dienen sollen[594]. Da die Bedürfnisse im Verhältnis zu den Möglichkeiten ihrer Befriedigung theoretisch wie praktisch unbegrenzt sind, muss zunächst eine Prioritätenliste erstellt werden. Die Wirtschaftsverfassung verhält sich in Bezug auf die Ausgestaltung dieser Prioritätenliste – solange diese Güter keine übermäßigen Gefahren in sich bergen – neutral. Aussagen, ob vorwiegend Sachgüter oder Dienstleistungen, Konsumgüter oder Produktionsgüter, Verbrauchs- oder Gebrauchsgüter, Existenz-, Kultur- oder Luxusgüter hergestellt werden sollen, sind der Wirtschaftsverfassung daher nicht zu entnehmen. Die Art der produzierten Güter und deren ökonomischer Verwendungszweck werden in wesentlichen Teilen der Selbststeuerung der Gesellschaft überlassen. Nur vereinzelt bestehen Vorgaben, die sich rechtlich aus Staatszielbestimmungen oder Grundrechten der Einzelnen und faktisch aus dem Entwicklungsstand der Volkswirtschaft ergeben. Für Strafrecht bleibt in diesem Bereich naturgemäß kaum Raum. Soweit dieses Feld der gesellschaftlichen Selbststeuerung überlassen bleibt, kann Strafrecht nur zur Gewährleistung der Grundbedingungen dieser Selbststeuerung eingesetzt werden. Strafnormen zum Schutz von Produktionszielen sind nicht, solche zum Schutz bestimmter Güterarten sind nur ausnahmsweise vorstellbar[595].

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In Bezug auf die für eine Volkswirtschaft wesentlichen Güterarten lassen sich vor allem zwei Aufgaben legitimer Staatstätigkeit ausweisen: Erstens muss die Hoheitsgewalt bestimmen, ob und inwieweit Güter zu den freien bzw. zu den knappen Gütern gehören. Freie Güter sind solche, die als unbegrenzt verfügbar gelten und daher keinen Preis haben. Knappe Güter stehen dagegen nur in begrenztem Umfang zur Verfügung, müssen teilweise erst hergestellt werden und haben daher einen Preis. Naturgüter können durch hoheitliche Maßnahmen in knappe Güter verwandelt werden, indem für ihre Bereitstellung bzw. Inanspruchnahme – wie zum Beispiel für Wasser oder den Durchgang durch ein Tal – Kosten auferlegt werden. Eine Tendenz zur Verknappung natürlicher Güter folgt namentlich aus der Staatszielbestimmung des Umweltschutzes in Art. 20a GG und aus fiskalischen Interessen der hoheitlichen Hand. Zweitens muss festgelegt werden, welche Güter als Individualgüter und welche als Kollektivgüter anerkannt werden. Individualgüter, oft auch private Güter genannt, dienen ausschließlich zur Befriedigung der Bedürfnisse eines Einzelnen. Andere Personen sollen davon ausgeschlossen sein. Dieses Ausschlussprinzip gilt bei Kollektivgütern, zum Teil spricht man hier von öffentlichen Gütern, nicht. So kann etwa das Bedürfnis nach äußerer Sicherheit, nach einer öffentlichen Infrastruktur oder nach Märkten zwar von einer Einzelperson artikuliert, aber nur zusammen mit anderen Personen befriedigt werden[596]. Handlungsaufträge zur Gewährleistung öffentlicher Güter folgen vor allem aus dem Sozialstaatsprinzip, aus der Teilhabefunktion der Grundrechte, aber auch aus der Festlegung auf eine soziale Marktwirtschaft insgesamt. Der Hoheitsgewalt obliegen insoweit Vorsorgepflichten in Bezug auf Sachgüter und Dienstleistungen, die wegen einer fehlenden Gewinnaussicht nicht von privaten Wirtschaftssubjekten über den Markt bereitgestellt werden[597]. In der Sache sind solche öffentlichen Güter etwa Sicherheit, Bildung, Kultur oder Information. Hauptaufgabe strafrechtlicher Normen ist hier die Sicherung öffentlicher Güter und knapper Individualgüter sowie die Verknappung freier Güter entsprechend der hoheitlichen Planung durch die Sanktionierung eines übermäßigen Verbrauchs. Beispiele sind Strafnormen zum Schutz der Umwelt, der strafrechtliche Eigentumsschutz oder Tatbestände wie der Subventionsbetrug oder die Korruptionsdelikte, wenn dadurch die Bereitstellung öffentlicher Güter gesichert werden soll.

2. Grobsteuerung der Produktionsweise

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Muss der Staat im Hinblick auf die konkreten Produktionsziele und Güter nur in geringem Umfang tätig werden, so ist er bei der Grobsteuerung der Produktionsweise weit stärker gefordert. Der Staat hat hier in großem Umfang seine Hoheitsgewalt legitimierende Kernaufgaben wahrzunehmen und auch das Strafrecht einzusetzen[598].

a) Grundsatz: Schaffung eines elementaren Ordnungsrahmens bezüglich der Produktionsprozesse und ihrer Ausgestaltung

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Produktion bedeutet im ökonomischen Sinn, Sachgüter und Dienstleistungen (sog. Produktionsfaktoren) im Rahmen eines technischen Prozesses (sog. Produktionsprozess) so einzusetzen, dass entweder vorhandene Güter verändert oder neue Güter hergestellt werden[599]. Anders ausgedrückt ist die Produktion die Summe aller Maßnahmen und Handlungen mit dem Ziel der Erzeugung oder Veränderung bestehender Güter. Indem die Hoheitsgewalt die Rahmenbedingungen festlegt, unter denen produziert werden soll, bestimmt sie, auf welche Weise Produktionsfaktoren eingesetzt werden können, welche Produktionsprozesse als grundsätzlich zulässig erachtet werden und wie diese Produktionsprozesse ausgestaltet werden müssen.

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Dem Staat[600] kommt eine Funktion allerdings erst insoweit zu, als diese Bedingungen in der Wirklichkeit nicht bestehen und erst geschaffen werden müssen oder die beschriebenen Marktmechanismen bedroht sind und daher geschützt werden müssen. Der Staat muss kurz gesagt den ordnungspolitischen Rahmen setzen, damit die Gemeinwirtschaft funktionieren kann. Zu den konstituierenden Basiselementen einer durch die Wirtschaftsverfassung vorgegebenen sozial korrigierten Gemeinwirtschaft gehören neben den Produktionsfaktoren, Verfügungsrechte der Einzelnen entsprechend den Grundsätzen des Privateigentums, die privatautonome Übertragbarkeit dieser Rechte und ein Haftungsrahmen zur Lösung von Fällen nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllter Verpflichtungen[601] . Das Strafrecht sichert diese allgemeine Handlungsordnung generell ab. Es stabilisiert dabei aber keine spezifische wirtschaftsstrafrechtliche Ordnung, sondern eine allgemeine Ordnung, in die sich auch das Subsystem Wirtschaft zu integrieren hat[602].

b) Arbeit als grundlegend regelungsbedürftiger Faktor – Verpflichtung zur Schaffung eines elementaren Ordnungsrahmens und der Möglichkeit zur Spezialisierung und Flexibilisierung

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Der grundlegendste Faktor, für den der Staat einen ordnungspolitischen Rahmen setzen muss, ist der Faktor Arbeit. Volkswirtschaftlich ist damit die Summe aller ökonomischen Leistungen der Menschen einer Volkswirtschaft unterschieden nach Menge und Qualität, die in einer bestimmten Zeiteinheit erbracht werden, gemeint[603]. Die Aufgabe des Staates besteht vornehmlich darin, die Bedingungen näher auszugestalten, unter denen die Arbeit im Wirtschaftsprozess eingesetzt werden kann und diesen Einsatz entsprechend der grund- und menschenrechtlichen Determinanten zu beschränken. Außerdem müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit Arbeit in einer dem Markt und den Marktteilnehmern entsprechenden Weise angeboten werden kann, etwa Spezialisierungen und Flexibilisierungen möglich sind. Der Staat muss daher auch strafrechtliche Maßnahmen treffen, dass der Faktor Arbeit nicht missbraucht werden kann. Dazu gehört die Sanktionierung wesentlicher Vorschriften des Arbeitsschutzrechts ebenso wie die Sanktionierung der Ausbeutung der Arbeitskraft[604]. Insbesondere strafrechtliche Zurechnungsstrukturen sind außerdem so zu formulieren, dass sie gerade die Rahmenbedingungen für im Bereich komplexer Ökonomien unbedingt erforderliches, spezialisiertes Handeln unterstützen[605].

c) Gewährleistung von Eigentum in Form von Verfügungsrechten – Verpflichtung zur Garantie der individuellen Verfügungsmacht

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Als notwendige Ergänzung des Faktors Arbeit in einer Marktwirtschaft muss der Staat eine spezielle Form von Eigentum gewährleisten: Verfügungsrechte, die individuell zugewiesen werden können. Aus der Ergänzungsfunktion des Eigentums als Grundlage des Wirtschaftsprozesses folgt, dass der Inhalt des Eigentums bzw. der zu schaffenden Verfügungsrechte[606] durch originär ökonomische Grundsätze vorgeformt ist, die sich damit auch wesentlich auf zentrale strafrechtliche Probleme auswirken.

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Der notwendige Inhalt dieser Form von Eigentum lässt sich wiederum gut mithilfe der Institutionenökonomik entwickeln. Um dies zu veranschaulichen, soll – ehe auf die moderne Lehre von den Verfügungsrechten eingegangen wird – zunächst die klassische Nationalökonomie mit der von ihr ausgelösten Kritik dargestellt werden.

aa) Exkurs: Die Auffassung der klassischen Nationalökonomie und ihre Kritik

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Die klassische Nationalökonomie stand auf dem Boden des Naturrechts und nahm ihren Ausgangspunkt beim isolierten Siedler, der mittels seiner Arbeitskraft Werte schafft[607]. In sich folgerichtig wurde die Existenz von Institutionen fast vollständig ignoriert, weil Institutionen angeblich keine Auswirkungen auf die Güterverteilung (Allokation) hätten[608]. Dieses Bild ist allerdings nicht nur ahistorisch[609]; es verfehlt vielmehr den Anspruch, die Theorie einer kulturell verfassten Menschheit bilden zu können[610].

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Die Schwäche dieses Ansatzes hatte schon Walter Eucken kritisiert: Ohne Institutionen wie individuelle Eigentumsrechte oder die Möglichkeit, derartige Rechte zu erwerben oder zu übertragen oder sich durch Versprechen zu binden, kann ein Markt unmöglich funktionieren. In einer kulturell verfassten Menschheit sind Eigentum und Vermögen Potentiale oder Möglichkeiten, die einem Einzelnen oder einer Personenmehrheit zugeordnet sind[611]. Solche Potentiale, als Recht verstanden, bilden wesentliche Grundlagen einer Gesellschaft. Die Anerkennung von Vermögen ist einer der zentralen Faktoren einer Gesellschaft und einer Wirtschaft überhaupt. Dies bedeutet nicht, dass das Vermögen nicht vom Einzelnen gelöst werden kann. Es ist dann verselbstständigt als Sondervermögen[612].

bb) Auswirkungen einer liberalen Eigentumsordnung im Einzelnen

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Eine Weiterentwicklung der Gedanken Euckens wird in den modernen Wirtschaftswissenschaften teilweise in der von Coase begründeten Theorie der Verfügungsrechte (property rights) gesehen[613]. Coase hat gezeigt, dass die Allokation und Nutzung der Wirtschaftsgüter entgegen der Auffassung der klassischen Nationalökonomie maßgeblich von der Ausgestaltung der sog. Verfügungsrechte abhängt. Verfügungsrechte sind diejenigen Rechte, die die Art der Nutzung eines Gutes, die formale und materielle Veränderung eines Gutes, die Aneignung von Gewinnen und Verlusten, die durch die Nutzung eines Gutes entstehen, sowie Veräußerung des Gutes betreffen[614]. Der wirtschaftliche Wert eines Gutes hängt also maßgeblich von dem Bündel der Verfügungsrechte ab, das bei einer Transaktion übertragen wird[615].

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Juristisch werden mithilfe der Verfügungsrechte die innerhalb einer Gesellschaft im Umgang mit einem Gegenstand erlaubten Handlungen von unerlaubten abgegrenzt. Mit der Ausgrenzung der unerlaubten Handlungen beschreibt der Begriff der Verfügungsrechte ganz grundlegend den potentiellen Bereich der strafrechtlich relevanten Nutzung eines Gutes.

Der Begriff des Verfügungsrechts weist weiter darauf hin, dass das wirtschaftlich entscheidende Moment nicht die Eigentümerstellung, sondern die faktische Wahrnehmung und Verfügungsmacht der entsprechenden Rechte ist. Im Normalfall treffen die juristische Zuordnung des Eigentums und die faktische Wahrnehmung dieser Rechte in einer Person zusammen, zwingend ist dies allerdings nicht. Gerade im Bereich der Wirtschaft werden häufig Rechte, die einem Subjekt A zugeordnet werden, von einem Subjekt B ausgeübt. Die Verteilung dieser Rechte auf verschiedene Personen hat Konsequenzen: Da die die Rechte ausübenden Personen von den ökonomischen Folgen ihres Handelns nicht in vollem Umfang betroffen werden, treffen sie möglicherweise Entscheidungen, die zwar für sie selbst günstig sind, aus der Sicht des Rechteinhabers und möglicherweise auch aus der Sicht der Allgemeinheit aber zu einem ineffizienten Einsatz der Verfügungsrechte führen. Wenn solches Verhalten seinerseits durch einen Tatbestand der Untreue hoheitlich sanktioniert wird, werden Anreize zum Missbrauch fremder Verfügungsmacht genommen.

Der Anwendungsbereich der Theorie der Verfügungsrechte ist freilich noch sehr viel weiter[616]: Die zentralen Aussagen der Theorie der Verfügungsrechte (sog. Coase-Theorem) sind unter der Voraussetzung vollkommener Märkte erstens, dass die ex-ante Verteilung (Allokation) von Verfügungsrechten für deren spätere faktische Verteilung belanglos ist, da letztere stets effizient ist, und zweitens, dass sich durch eine geeignete Umverteilung von Verfügungsrechten externe Effekte stets internalisieren lassen[617]. Praktisch bedeutsam ist diese Aussage insofern, als sie nachweist, dass die ex-ante Allokation von Verfügungsrechten dann von Bedeutung ist, wenn eine effiziente faktische Allokation über den Markt zu scheitern droht, wenn der Markt also in erheblichem Maß unvollkommen ist. Als Analyseinstrument für eine angemessene Verantwortungszuschreibung ist die Theorie der Verfügungsrechte insofern von Bedeutung, als sie konsequent die Perspektive des methodologischen Individualismus aufnimmt[618]. Gerade komplexe Organisationen können daher bis auf die Funktion ihrer einzelnen Mitglieder analysiert werden[619]. Das Entstehen und der Fortbestand von Unternehmen sind dabei das Ergebnis des individuellen Nutzenstrebens der einzelnen Beteiligten.

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Aus den zentralen Aussagen der Theorie der Verfügungsrechte lassen sich wiederum verschiedene Prinzipien ableiten, die der Staat bei der Aufgabenwahrnehmung zu beachten hat: Als erstes wichtiges Prinzip wird zunächst die Durchsetzbarkeit der Verfügungsrechte betont. Dazu gehören etwa im Prozess eine angemessene Ausgestaltung des Beweisrechts[620], die Verfügbarkeit staatlicher Hilfe[621] oder der Schutz von Verfügungsrechten durch die Androhung von Strafen[622]. Als zweites wesentliches Prinzip für eine effiziente Verteilung von Verfügungsrechten ist sodann die Zurechnung der Handlungsfolgen zum Verfügenden, um so einen Gleichlauf von Verfügung und Haftung herzustellen[623]. Strafrechtstheoretisch lässt sich so allgemein und systemimmanent nochmals die grundlegende Bedeutung der Zurechnungslehre im Wirtschaftsstrafrecht begründen[624]. Wirtschaftsstrafrechtliche Haftung gründet demnach nicht im zurechenbaren Herbeiführen eines Erfolges, sondern ganz elementar in einer von der Rechtsordnung so nicht für zulässig erklärten Nutzung eines Gutes bzw. im Missbrauch von Verfügungsrechten.

d) Gewährleistung größtmöglicher Privatautonomie im Sinne der Lehre von den Transaktionskosten und indirekte Gewährleistung dieser Institution durch spezifische Einzelnormen

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Entscheidendes Mittel zur Gewährleistung des richtigen Einsatzes von Arbeit und Eigentum ist nach den Vorgaben des Grundgesetzes die individuelle Handlungsfreiheit in Form einer freien Entscheidungsfindung[625]. Diese freie Entscheidungsfindung in ihren wesentlichen Grundzügen gewährleistet der Staat durch das Institut der Privatautonomie.

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Der Theorienstrang innerhalb des neuen Institutionalismus, der die nähere Ausgestaltung der Voraussetzungen für die Ausübung des autonom gebildeten Willens zum Gegenstand hat, ist die sog. Transaktionskostentheorie. Sie untersucht die Kosten für die Anbahnung oder den Abschluss von Verträgen und ist damit das wirtschaftswissenschaftliche Pendant der allgemeinen Lehre von der Privatautonomie: Zwar hat jeder das Recht, Verträge abzuschließen; mit jedem Vertragsschluss sind aus ökonomischer Sicht aber Kosten verbunden. Die Transaktionskosten bestehen aus den Kosten der Definition, Übertragung und Messung wirtschaftlicher Ressourcen oder Rechtstitel sowie den Kosten der Ausübung und Durchsetzung dieser Rechte[626]. Bei der Übertragung von Verfügungsrechten bestehen die Transaktionskosten in der Information, Verhandlung und Rechtsdurchsetzung[627]. Im Extremfall können Transaktionskosten so hoch sein, dass sie jeden Tausch verhindern[628].

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Die Art. 2, 12, 9 GG garantieren dem Einzelnen die Grundvoraussetzungen für Markttransaktionen und jenseits der Individualebene ein grundsätzlich freies Wirtschaftssystem[629]. Diese Freiheiten wurden nie absolut, sondern immer in einem auf Ausgleich bedachten System konfligierender Individualinteressen gedacht. So wurden etwa dem Postulat einer absoluten Vertragsfreiheit schon relativ früh Einschränkungen durch die Gewerbefreiheit entgegen gehalten. Konkurrenzklauseln in Verträgen wurde demnach die Anwendung versagt, sofern sie in einem unzulässigen Maß den Wettbewerb beeinträchtigten[630].

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Solche Verbote können dann wirksam durchgesetzt werden, wenn sie mit Transaktionskosten verbunden werden. Die Kosten der regelverletzenden Handlung halten sich in Grenzen, wenn die Sanktion lediglich in einer zivilrechtlichen, durch den Schaden der Handlung in der Höhe begrenzten Ausgleichspflicht nach dem Recht der unerlaubten Handlung besteht. Die Kosten sind höher, wenn eine durch einen Bußgeldtatbestand belegte wichtige Ordnungsregel verletzt wird – z. B. Bußgelder in Millionenhöhe bei Verstößen gegen die Wettbewerbsordnung. Noch höhere Kosten – nämlich Freiheitsstrafen – müssen einkalkuliert werden, wenn die Handlung konkrete, individuelle Rechtsgüter verletzt und etwa die Tatbestände der §§ 240, 263 StGB erfüllt.

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Wird ein Verhalten mit Sanktionen belegt, steigen also die Transaktionskosten der den Regeln widersprechenden Handlung. Zugleich werden die Kosten (bzw. Nachteile) regelkonformen Verhaltens durch die mit der Sanktion verbundene Normbestätigung gesenkt[631]. Das Strafrecht sichert die Privatautonomie zwar nach der hier verfolgten Konzeption nicht durch eine Einzelnorm im Sinne eines Tatbestands zum Schutz speziell dieser Institution. Dies bedeutet aber nicht, dass die Privatautonomie überhaupt nicht durch das Strafrecht geschützt wäre. Das gesamte Bündel an Einzelsanktionen wirkt insgesamt freiheitserweiternd, indem je nach Einzelfall der Markteintritt des Einzelnen erleichtert wird, Informationen verlässlicher werden oder das Maß zulässigen Zwangs verringert wird und damit die gesamten individuellen Belastungen der eigenen Wirtschaftstätigkeit gesenkt werden.

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