Kitabı oku: «Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts», sayfa 5

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3. Konsequenzen des eigenen Ansatzes für die nachfolgenden Überlegungen

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Wählt man als Grundlage für die Erklärung des Wirtschaftsstrafrechts einen methodischen Individualismus, wie er soeben vorgestellt und näher konkretisiert wurde, so hat dies weitreichende Konsequenzen:

Da eine für das Wirtschaftsstrafrecht wie für das Kernstrafrecht gleichermaßen gültige Dogmatik eingefordert wird, wird eine gänzlich eigenständige Rekonstruktion des Wirtschaftsstrafrechts für weite Bereiche überflüssig[138]. Dies gilt beispielhaft für das Gebiet der strafrechtlichen Produkthaftung, die im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung an den tradierten Tatbeständen zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit oder des Lebens anknüpfen kann und soll. Ähnliches gilt für das Umweltstrafrecht, das auf ökonomisch eingebettete Sachverhalte in grundsätzlich gleicher Weise angewendet werden soll wie auf Fallkonstellationen jenseits dieses Kontexts.

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Konsequenzen hat der Ansatz aber auch für die Art und Weise, wie die ökonomisch und rechtlich maßgeblichen Rechtsgüter konkretisiert werden. Hier geht es darum, insbesondere das ökonomische Individualverhalten in den Zusammenhang verfassungsrechtlicher Vorgaben und korrespondierender wirtschaftstheoretischer Überlegungen zu stellen[139]. So können dann die gegenläufigen Entfaltungs- und Gütererhaltungsinteressen entwickelt werden, die die Grundlage für die Qualifikation eines Verhaltens als strafrechtlich zu missbilligende Gefahrenschaffung darstellen. Da der Einsatz des Strafrechts nur zum Schutz elementarer Rechtsgüter legitimiert werden kann und der Ausgangspunkt beim Einzelnen zu nehmen ist, sind freilich nur die elementaren Voraussetzungen für individuelles Wirtschaften schützenswert. Dabei stellen sich vor allem zwei Probleme: Zum einen handelt es sich um mehrere Handlungsvoraussetzungen und zum anderen ist rein tatsächlich eine unübersehbare Vielfalt von Einzelsituationen zu bewältigen. Es ist daher zum einen notwendig, in erheblichem Maße zu abstrahieren; zum anderen werden sich die im Einzelfall auftretenden Probleme hinreichend anschaulich nur an einigen ausgewählten Beispielen darstellen lassen.

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Weitere Folgen hat der gewählte methodische Ansatz für die Konkretisierung der strafrechtlichen Zurechnungsstrukturen. Die hier vertretene Form des Individualismus sieht den Einzelnen durchaus in der konkreten Gesellschaft, in der er anderen Gesellschaftsmitgliedern begegnet und in der er durch Interaktionen mit anderen seine individuellen Präferenzen zu verfolgen versucht. Zu solchem Zusammenwirken mehrerer gehört das Zusammenwirken des Einzelnen mit anderen in Unternehmen, aber auch andere Formen der Zusammenarbeit – etwa die Koordination individueller Handlungen durch die „unsichtbare Hand des Marktes“. Der methodische Individualismus hält insoweit theoretische Modelle vor, wie sich der Einzelne aufgrund seiner ökonomisch-orientierten Haltung in solchen Situationen verhalten wird und wie dieses Verhalten durch die Ausgestaltung der Institutionen beeinflusst werden kann. Es stellt sich daher die Frage, welche strafrechtlichen Zurechnungsstrukturen derartigen Interaktionen angemessen sind. Insbesondere wird zu klären sein, ob die traditionellen strafrechtlichen Strukturen, die das Zusammenwirken mehrerer leiten sollen, dem von der Verfolgung seines Eigeninteresses geprägten homo oeconomicus angemessen sind oder nicht. Wenn man das Wirtschaftsstrafrecht ausgehend von Individualhandlungen über einzelne Vertragsschlüsse bis hin zu sich entwickelnden Institutionen erklären möchte, muss es jedenfalls möglich sein, auf dieser Basis auch theoretische Prämissen zur Lösung komplexer Zurechnungsfragen zu entwickeln.

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Weitere wesentliche Konsequenz dieses Ansatzes ist, dass das so entwickelte Wirtschaftsstrafrecht in weiten Teilen wertfrei gestaltet wird. Schon der zum Ausgangspunkt genommene Einzelne wird in der Bestimmung seiner konkreten Präferenzen als grundsätzlich frei erachtet. Der methodische Individualismus verpflichtet den Einzelnen also auf kein bestimmtes Verhaltensideal und ist damit selbst im Grunde wertfrei. Rechtspolitisch gewendet führt diese Wertfreiheit in der Konsequenz zwar zu einer liberalen Grundausrichtung, nicht aber zu einem liberalen Dogma. Aus dem Ansatz an sich folgt nicht einmal methodisch eine generelle Ablehnung überindividueller oder kollektivistischer Versuche zur Klärung (wirtschafts)strafrechtlich relevanter Fragen. Es wird nicht behauptet, dass solche Versuche gänzlich unmöglich sind oder überhaupt keinen Ertrag abwerfen. Im Gegenteil: Methodischer Individualismus und methodischer Kollektivismus müssten in der Theorie bei einer vorgegebenen Fragestellung und bei richtiger Durchführung im Grunde zu identischen inhaltlichen Antworten auf die gestellte Frage führen[140]. Was beide Ansätze methodisch unterscheidet, sind primär die Wege, die jeweils beschritten werden, und die Begrifflichkeiten, die jeweils verwendet werden. Wenn der methodische Individualismus gegenüber kollektivistischen Erklärungsversuchen gleichwohl vorgezogen wird, so hat dies neben den bisher vorgetragenen Erwägungen[141] noch einen weiteren, praktischen Hintergrund: Die individualistische Methode erscheint als die einfachere.

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Mit der bisherigen Stellungnahme noch nicht verbunden ist freilich ein Bekenntnis zu einem allein dem Rechtsgüterschutz verpflichteten Strafrecht. Der Rechtsgüterschutz kann in der hier vertretenen Konzeption des Wirtschaftsstrafrechts keine exklusive konstitutive Geltung beanspruchen. Wirtschaftsstrafrecht wurde bereits als dasjenige Strafrecht bestimmt, das die Handlungsbedingungen des Einzelnen zur Verfolgung seiner individuellen Erwerbsinteressen in der Gesellschaft vor Eingriffen Dritter durch Sanktionen sichern und dadurch individuelles Wirtschaften erleichtern soll. Diese Definition enthält für die Bestimmung der Funktion des Strafrechts bereits mehrere Hinweise: Der Einzelne wird als wirtschaftendes Subjekt in der Gesellschaft verstanden. Insoweit kann die Gesellschaft bestimmte (Rechts)Güter bestimmen, die der Einzelne bei der Verfolgung seiner ökonomischen Interessen zu respektieren hat. Der Einzelne bleibt insoweit an eine ihm gesellschaftlich vorgegebene Risikoordnung gebunden.

Soweit das Strafrecht aber individuelles Wirtschaften erleichtern soll, wird dem Wirtschaftsstrafrecht eine die individuelle Freiheit (mit)konstituierende Wirkung beigemessen. Das Strafrecht als Wirtschaftsstrafrecht wird daher so zu konstruieren und zu vollziehen sein, dass die Kosten der individuellen Freiheitsverwirklichung selbst durch den unterstützenden Einsatz des Strafrechts niedrig gehalten werden. Wirtschaftsstrafrecht hat in diesem Sinne nicht nur die Funktion, Risiken für Rechtsgüter zu minimieren und damit dem Strafrecht als solchem in der konkreten Gestalt vorgegebene Rechtsgüter – wie das Leben, die Gesundheit oder die Reinheit eines Gewässers – in ihrem Bestand zu schützen. Ein funktionierendes, auf die Handlungsbedingungen des homo oeconomicus abgestimmtes Wirtschaftsstrafrecht wirkt sogar freiheitserweiternd, weil der homo oeconomicus in der Interaktion mit anderen geringere Kontrollkosten aufwenden muss, um seine Präferenzen zu einem bestimmten Grad zu verfolgen. Vermögen bekommt einen größeren Wert, wenn es leichter übertragbar wird oder die Kosten der Kontrolle verfügungsberechtigter Dritter gesenkt werden. Die Verfügungsfreiheit nimmt zu, je geringer die Kosten sind, um die Richtigkeit einer bestimmten Information annehmen zu dürfen, und je geringer der Zwang ist, der von Dritten ausgeübt werden darf.

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Beispiele:

Wohneigentum wird attraktiver – und damit wertvoller –, wenn beim Vermieten des Eigentums das Nichtzahlen der monatlichen Miete strafrechtlich sanktioniert wird. Schwächen bestehen hier derzeit bei einer erst nach Abschluss des Mietvertrags eintretenden Zahlungsunfähig- oder -unwilligkeit, die nach herrschender Auffassung nicht über § 263 StGB strafrechtlich erfasst werden kann. Zwar stehen dann zivilrechtliche Abhilfemöglichkeiten zur Verfügung, die Kosten für eine zivilrechtliche Rechtsverfolgung trägt indessen der Vermieter, wohingegen die Kosten der strafrechtlichen Sanktionierung eines Verhaltens Gemeinkosten darstellen. Der Erwerb eines gebrauchten Gutes wird vereinfacht, wenn fehlerhafte Aussagen über die Mangelfreiheit der Sache strafrechtlich geahndet werden, da die angedrohte Sanktion den Anreiz senkt, durch falsche Information des Vertragspartners einen ungerechtfertigten Preis zu verlangen.

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Das Strafrecht erweitert also die individuelle Freiheit, soweit es hilft, (Transaktions)Kosten zu senken, und damit die Reibungsverluste wirtschaftlicher Betätigung gering hält. Welche immense praktische Bedeutung (und wohlfahrtssteigernde Wirkung) die Senkung von Transaktionskosten hat, wird deutlich, wenn man sich erinnert, dass Transaktionskosten etwa 60 – 70 % des Nettosozialproduktes einer modernen Marktwirtschaft ausmachen[142]. Eine wesentliche Funktion des Wirtschaftsstrafrechts ist also neben dem Rechtsgüterschutz auch „Transaktionskostenmechanik“ durch Mechanismusdesign[143].

Teil 1 Grundlagen zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts › C. Die Konvergenz ökonomischer und strafrechtlicher Steuerungsmechanismen als grundlegende theoretische Voraussetzung des Wirtschaftsstrafrechts

C. Die Konvergenz ökonomischer und strafrechtlicher Steuerungsmechanismen als grundlegende theoretische Voraussetzung des Wirtschaftsstrafrechts

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Wirtschaftsstrafrecht soll die Handlungsbedingungen des Einzelnen zur Verfolgung seiner individuellen Erwerbsinteressen in der Gesellschaft vor Eingriffen Dritter durch Sanktionen sichern und dadurch individuelles Wirtschaften erleichtern[144]. Um diesem Ziel gerecht zu werden und angemessene Transaktionsmechanismen mit gestalten zu können, muss zunächst versucht werden, allgemeine Mechanismen zu finden, wie das Strafrecht das individuelle wirtschaftliche Handeln beeinflussen und damit freiheitserweiternd wirken kann.

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Dabei geht es nicht um eine – teilweise zu Recht kritisch beurteilte[145] – „ökonomische Analyse des Rechts„[146]. Die Vertreter der ökonomischen Analyse des Rechts lehnen ein nur bereichseklektizistisches Verständnis der Ökonomie ab und wollen grundlegende ökonomische Erkenntnisse in das Design einer modernen Sozialethik integriert wissen[147]. Der Versuch, eine moderne Sozialethik zu entwickeln, soll hier aber gerade nicht unternommen werden[148]. Und auch bei den Strafzwecken geht es nicht darum, die Wiedergutmachung des Schadens, den die Angeklagten angerichtet haben, zum Hauptziel der gesamten Strafgerichtsbarkeit zu machen sowie die Geldstrafe abstrakt und ohne Ansicht der Person nach dem Grenzschaden und den Grenzkosten zu bemessen[149].

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Beachtung verdient die ökonomische Analyse hier nur insoweit, als sie nachweist, dass Strafe in bestimmtem Umfang als Preis verstanden werden und in wirtschaftlichem Kontext über den Preismechanismus wirken kann[150]. Diese Einsicht ist von Bedeutung, weil gerade der Normadressat des Wirtschaftsstrafrechts tatsächlich dem Bild vom rational handelnden Menschen sehr viel näher stehen dürfte als der Normadressat in anderen Kriminalitätsbereichen[151]. Die Abschöpfung der mit der Tat erlangten Vorteile und die Rechnung, dass sich die „Straftat nicht lohnt“[152], wird im Sinne der negativen Generalprävention gerade beim kalkulierenden homo oeconomicus die Bereitschaft, eine Straftat zu begehen, sinken lassen. Auch a priori risikoaverse Normadressaten werden durch die Strafdrohung in ihrem Vertrauen auf die Geltung und Durchsetzung der Normen im Sinne der positiven Generalprävention gestärkt. Gerade in einer Sondersituation wie dem Wirtschaftsstrafrecht deckt die ökonomische Analyse mit ihrem Verständnis der Strafe als Preis der Tat Wirkungszusammenhänge auf, die ansonsten häufig nur intuitiv erfasst werden und/oder plausibel erscheinen[153].

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Um die Mechanismen, über die Strafe ökonomisches Handeln beeinflussen kann, konkreter beschreiben zu können, soll im Folgenden untersucht werden, welches die elementaren (I.) ökonomischen und (II.) strafrechtlichen Wirkungsmechanismen sind und (III.) wie sie einander in ihren Wirkrichtungen angenähert werden können. Dazu werden beide Mechanismen zunächst beschrieben und sodann auf eine gemeinsame übergeordnete Verhaltensordnung verpflichtet. Sinn und Zweck dieser Ausführungen ist es, eine in ihren Funktionszusammenhängen hinreichend ausgearbeitete Grundlage für die spätere Interpretation wirtschaftsstrafrechtlicher Normen zu legen und das Sanktionensystem über die bisherige Strafzweckdiskussion hinaus rational zu legitimieren.

Teil 1 Grundlagen zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts › C › I. Ökonomische Steuerungsmechanismen

I. Ökonomische Steuerungsmechanismen

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Originäre ökonomische Steuerungsmechanismen sind zunächst aus sich selbst heraus wirksam. Würden sie dagegen erst aufgrund von äußeren Einflüssen wirksam, wäre der originär wirtschaftliche Bereich verlassen. Es handelte sich um Steuerungsmechanismen einer Zwangsordnung.

1. Das Ergiebigkeitsprinzip als dominierendes Steuerungsprinzip

a) Das Ergiebigkeitsprinzip im engeren Sinne – Inhalt, empirisch-personale Seite, theoriekonstitutive Bedeutung im Bereich der Wirtschaftswissenschaften

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Der bedeutendste wirtschaftliche Steuerungsmechanismus ist das sog. Ergiebigkeitsprinzip – auch als das ökonomische Prinzip, das Rationalprinzip oder das Wirtschaftlichkeitsprinzip bezeichnet[154] –, da es die Basiseigenschaften des homo oeconomicus aufnimmt und diesen Eigenschaften korrespondierende Handlungsmaximen formuliert. Danach soll stets so gehandelt werden, dass mit den vorhandenen knappen Mitteln die gesetzten Ziele möglichst optimal erreicht werden. Es wird also implizit davon ausgegangen, dass Wirtschaften stets in Knappheitssituationen stattfindet und es deshalb ein optimales Maßverhältnis der eingesetzten Mittel zum angestrebten Zweck geben muss.

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Auf empirisch-personaler Ebene werden mit dem Postulat des Gewinnstrebens das Bild des homo oeconomicus und dessen Fähigkeit zu strategischem, rationalem und opportunistischem Handeln aufgegriffen. Insoweit bleibt das Prinzip aber formal und teilweise wird sogar bezweifelt, dass ihm losgelöst von der konkreten Zielsetzung eines Wirtschaftsteilnehmers ein weiterer Gehalt innewohnt[155]. Als empirisch durch Knappheitsprobleme und bestehendes Wirtschaftssystem begründeter Sachzwang steht die Gewinnorientierung auch nicht in der Dispositionsbefugnis des Einzelnen, sondern bildet den Rahmen individuellen Wirtschaftens überhaupt. Indem auf diese Weise die Handlungsspielräume definiert werden, ergibt sich bereits eine erhebliche faktische Steuerungswirkung. Eine Verhaltensdetermination ist damit allerdings nur insoweit verbunden, als dem im Einzelfall Handelnden die Möglichkeit genommen ist, die seinem Handeln zugrunde gelegte Gewinnorientierung zu ändern und damit auch die Breite des bestehenden Handlungsspielraums im Einzelfall zu modifizieren[156].

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Dessen ungeachtet entfaltet das Prinzip für die Betriebswirtschaftslehre eine theoriekonstitutive Bedeutung[157]. Es bildet die Grundlage einer Betriebswirtschaft, die „rein“ funktional und in diesem Sinne wertfrei die Produktivitätsbeziehungen zwischen den verschiedenen Produktionsfaktoren analysiert[158].

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Als normatives Postulat formuliert das Ergiebigkeitsprinzip auf personaler, individueller Ebene ein kapitalistisches Unternehmerethos[159]. So verstanden kann es mit der Einhaltung anderer moralischer Pflichten nicht konfligieren, da es als eine „erste sittliche Pflicht“ betrachtet wird[160]. Begreift man das Ergiebigkeitsprinzip zumindest als einen normativ gewünschten oder akzeptierten Funktionsmechanismus, bleibt die Schwierigkeit der gesellschaftstheoretischen Rechtfertigung.

b) Grundsätzliche Legitimation des Ergiebigkeitsprinzips – das Ergiebigkeitsprinzip als offenes Prinzip, theoretische Basis eines entsprechenden Verständnisses, Legitimation durch implizite Bezugsgrößen des Ergiebigkeitsprinzips und die Rezeption externer Bezugsgrößen

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Gesellschaftstheoretisch kann eine Orientierung am Ergiebigkeitsprinzip nur legitimiert werden, wenn dieses Prinzip so verstanden wird, dass es auch auf den ersten Blick außerökonomische Zielvorstellungen aufnehmen kann[161]. Das Ergiebigkeitsprinzip kann also nur dann als hinreichender Steuerungsmechanismus akzeptiert werden, wenn es außer den Fähigkeiten des Menschen zu strategischem, rationalem und opportunistischem Handeln Parameter wie etwa technische, ökologische und vor allem soziale Zielvorstellungen aufnehmen kann[162]. Mit anderen Worten: Das Ergiebigkeitsprinzip muss offen dafür sein, verschiedene Verhaltenserwartungen in die mit seiner Hilfe formulierten Vorgaben einzubeziehen. Es muss daher in der Lage sein, neben den zentralen wirtschaftlichen Zielvorstellungen – wie Gewinnerzielung, Umsatzsteigerung, Kostensenkung usw. – technische Zielvorstellungen – wie Produktivität, Qualität, Geschwindigkeit – oder soziale und ökologische Zielvorstellungen aufzunehmen.

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Wissenschaftshistorisch hat sich in Deutschland in jüngerer Zeit Heinen dieser Frage angenommen und versucht, das neoklassische Betriebswirtschaftsprogramm Gutenbergs mit einer ethisch-normativen Betriebswirtschaftslehre[163] zu verbinden[164]. Dazu hat er zwei Wege vorgeschlagen: Ein Weg soll die Einbeziehung sämtlicher Ziele in das Gewinnmaximierungsmodell sein[165]. Dieser Weg erfordert jedoch die Umrechnung aller Zielgrößen in die Geldform, sodass das Modell einen großen Teil seines Erklärungswerts verliert. Der zweite Weg soll darin bestehen, die reine Gewinnmaximierung durch eine Nutzenmaximierung zu ersetzen[166]. Der Nachteil einer solchen Nutzenfunktion liegt allerdings in ihrer Ungenauigkeit[167]. Genau genommen geht es dabei um eine doppelte Ungenauigkeit: Zum einen stellt sich die Frage, welche monetären und nicht-monetären Güter in die Nutzenfunktion eingestellt werden sollen; zum anderen bleiben Schwierigkeiten bei der Messbarkeit der verschiedenen Nutzen. Die Idee der Umrechenbarkeit verschiedener Nutzen in eine gemeinsame Währung, an der sich das Ergiebigkeitsprinzip auszurichten hat, bleibt von dieser Kritik aber unberührt, da diese Einwände im Grunde nur die Möglichkeit der praktischen Umsetzung betreffen. Der Ansatz bildet damit durchaus eine Basis, auf der das Ergiebigkeitsprinzip als Steuerungsprinzip legitimiert werden kann:

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Eine schwache Legitimation des Ergiebigkeitsprinzips als Steuerungsfaktor folgt bereits daraus, dass sich aus dem Ergiebigkeitsprinzip selbst in einem ersten Zugriff bestimmte ökonomische und technische Ziele ableiten lassen. Das Ergiebigkeitsprinzip als Selbstzweck wird sich die ökonomischen Ziele der Gewinnmaximierung, Umsatzsteigerung, Kostendeckung oder zumindest der Verlustreduktion definieren. Als konkrete Handlungsanweisung dienen dazu auch technische Ziele – wie das der Produktivitätssteigerung durch eine Verbesserung der Maschinen, Anlagen und Verfahren usw.

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Ungleich schwerer zu begründen, ist dagegen die Rezeption prima facie außerökonomischer Zielvorstellungen, also insbesondere sozialer und ökologischer Zielvorstellungen. Soziale und ökologische Zielvorstellungen sind beispielsweise die Fortführung von Traditionen, die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit oder die Minderung von Umweltbelastungen[168] . Auch solche Zielvorstellungen können jedoch zumindest mittelbar Ausfluss des ökonomischen Ergiebigkeitsprinzips im engeren Sinn sein: So können Traditionen Mitarbeitern und Kunden des Unternehmens Sicherheit vermitteln und damit Transaktionskosten mindern oder die subjektive Zufriedenheit steigern, was sich unmittelbar im ökonomischen Erfolg niederschlagen kann. Das ökonomische Ergiebigkeitsprinzip im engeren Sinn rezipiert soziale, technische und ökologische Momente also in dem Maß, wie sie dazu beitragen, rein ökonomische Ziele zu erreichen und für die Zukunft zu sichern.

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Verallgemeinernd kann festgestellt werden, dass das Ergiebigkeitsprinzip selbst in dem Maß außerökonomische Zielsetzungen aufgreift, wie sich diese durch Marktfaktoren (also etwa den Absatzmarkt, Arbeitsmarkt, Kapitalmarkt etc.) im Wirtschaftsprozess niederschlagen.

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Die schwierigste Frage ist aber, wie Vorgaben, die sich weder direkt noch indirekt selbst aus dem ökonomischen Prinzip ableiten lassen, im Rahmen von ökonomischen Verhalten wirksam werden können. Beispiele für solche Vorgaben sind etwa soziale oder ökologische Normen, die sich nicht unmittelbar in Marktfaktoren niederschlagen und damit als äußere Vorgaben angesehen werden können. Es stellte sich also das Problem, dass derartige Normen prozedural als äußere Vorgaben in den Wirtschaftsprozess insgesamt internalisiert werden müssen.

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Der Ausgangspunkt für die Lösung dieses Problems kann wieder bei der Handlung des einzelnen wirtschaftenden Individuums genommen werden. Dabei stellen sich keine zur sonst üblichen Diskussion um Möglichkeiten der Norminternalisierung kategorial unterschiedlichen Probleme. So werden sozial nachteilige Handlungen insbesondere dann vermieden, wenn sie von der Gemeinschaft mit Kosten versehen und dadurch als negativer Nutzen gekennzeichnet werden. Bei Handlungen in einem Unternehmen wird die Rechtsordnung freilich nur vermittelt über die Ordnung im Unternehmen rezipiert. Ansatzpunkte für die Internalisierung marktfremder Faktoren bei Handlungen in einem Unternehmen sind dann in erster Linie allgemein die Bezugsgruppen eines Unternehmens und insbesondere die Leitung des Unternehmens. Die Legitimation des Unternehmens durch seine Bezugsgruppen findet bei einer rein nach Eigentümerinteressen geleiteten Unternehmung ebenso außerökonomische Bezugspunkte wie bei einer Unternehmung, die einer Gruppe sozialer Anteilseigner zu dienen bestimmt ist. Durch seine Leitung gewinnt ein Unternehmen insoweit außerökonomische Bezugspunkte, als diese die Rahmenbedingungen der konkreten Art und Weise des Wirtschaftens festlegt[169].

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Die Norminternalisierung kann sich auf verschiedene Ebenen des wirtschaftlichen Handelns beziehen. So kann sie etwa als allgemeine soziale Entscheidungsregel in Situationen des Wettbewerbs[170] wirken oder als Zielvorgabe das Verhalten im Gesamtunternehmen bestimmen. Auch die Entscheidungsregeln oder Zielvorgaben können höchst unterschiedliche Inhalte haben. Praktische Beispiele für soziale Entscheidungsregeln sind das Rawlssche oder das utilitaristische Prinzip, bestimmte Wahl- und Abstimmungsregeln oder Wirtschaftskonzepte, wie z. B. das der sozial korrigierten Marktwirtschaft. Zielvorgaben lassen sich dagegen konkreter formulieren.

Beispiele für eine Zielvorgabe:

Das Ziel, innerhalb eines bestimmten Zeitraums X den Schadstoffausstoß einer Unternehmung um einen gewissen Prozentsatz zu senken, oder das Ziel, mögliche Käufergruppen positiv ansprechende soziale Aktivitäten zu entwickeln.

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