Kitabı oku: «Intertextualität und Parodie in Ovids Remedia amoris», sayfa 8
Ein ebenso wichtiges Argument dafür, dass Horaz’ Satiren, in diesem Fall 1, 3, Pate für die Remedia standen und nicht nur die Ars amatoria bzw. Horaz vermittelt durch die Liebeskunst, ist der Tonfall der Remedia. Er unterscheidet sich an mehreren Stellen von dem der Ars, er ist aggressiver und invektivischem, satirisch-jambischem Sprechen in Teilen sehr viel näher als elegischem und didaktischem. Man denke nicht nur an die Passage, in welcher der Schüler indirekt zur Betrachtung der nach dem Geschlechtsverkehr austretenden Körpersäfte aufgefordert wird (vgl. rem. 429–440), sondern auch an die explizite Aufforderung zum Blick auf das Mädchen, wenn es selbst die Übelkeit hervorrufende, stinkende und in den feuchtwarmen Busen fließende Schminke aufträgt (vgl. V. 351–356),53 und wenn bei und nach dem Geschlechtsverkehr seine turpia membra (vgl. V. 411f.) und menda (V. 417) offenbart werden.54
Diese Sprechweise sowie der Umgang mit dem Begriff vitium als Teil moralphilosophischer Terminologie55 zeigen, dass die intertextuelle Referenz weniger stark auf einzelnen direkten Fomulierungen basiert und eher als Systemreferenz zu werten ist; trotzdem lassen die aufgezeigten lexikalischen Parallelen zwischen den Remedia und sat. 1, 3 auch den Schluss einer teilweise intertextuellen Bezugnahme in Form einer Einzeltextreferenz zu. Gleichzeitig konstituieren aber, wie schon hervorgehoben, auch andere ‚Textkanten‘ die Intertextualitätspyramide mit den Remedia an der Spitze. Und einige, wenn auch nicht alle, der in diesem Kapitel gezogenen Parallelen lassen sich – mit Blick auf diese Remedia-Passage und die Gattung Satire – auch zwischen Lukrez und Ovid feststellen: Die Tendenz zu satirischem und scharfem, decouvrierendem Sprechen eignet auch dem diatribischen Finale in Lukrez’ philosophischem Lehrgedicht, und für die Kosenamen ist Lukrez ebenso wichtig wie Horaz.
4.3.1.2 Die Karikierung von ‚Liebessklaven‘: Hor. sat. 2, 3, sat. 2, 7 und satirische Horizonte (der Unfreiheit) in Ovids Remedia
Eine Erweiterung des Blickfelds zeigt, dass sich in den Remedia vergleichbare Reflexe auch auf die zweite Sermones-Sammlung finden: So lassen sich bei genauerer Analyse des Einflusses der beiden philosophisch-diatribischen Satiren1 2, 3 und 2, 7 auf die Heilmittel gegen die Liebe intertextuelle Bezüge in Form von Systemreferenzen erkennen, die in der Bezugnahme auf erotische Themen und Topoi – den exclusus amator in der Situation des Paraklausithyrons, den Status als Sklaven aufgrund der eigenen Begierden und das servitium amoris2 – begründet sind. Und auch wenn Einzeltextreferenzen auf diese beiden Satiren ebenfalls weniger stark ausgeprägt sind, kann man doch auch einige lexikalische Parallelen zu den Remedia bestimmen, welche die These einer intendierten Bezugnahme unterstützen. Sat. 2, 3 und 2, 7 sind dabei Intertexte für Ovids produktive Verarbeitung des Themas ‚(Un-)Freiheit in Liebesangelegenheiten‘, das jeweils kontextspezifisch zur Herstellung satirischer Kontraste eingesetzt ist, und werden dafür auch in ihrer Verbindung betrachtet.
Der Ansatz, sklavisch Verliebte zu verspotten und dabei die Unterwürfigkeit des Liebessklaven auszugestalten oder gegebenenfalls auf die topische Paraklausithyron-Szenerie zu rekurrieren, findet sich schließlich nicht nur in der Gattung Elegie, sondern auch in der lateinischen Satire (neben Horaz sat. 2, 3 und 2, 7 zudem in dessen Nachfolge bei Persius)3 – und darüber hinaus in der Textpassage, die bereits in den Intertextualitätsvielecken zu den Sex-praecepta in der Gattung Lehrgedicht und zur Euphemisierungstaktik fokussiert wurde, einen aber durchaus auch satirischen Tonfall aufweist: Lukrez’ Diatribe gegen die Liebesleidenschaft in De rerum natura 4, und zwar der Abschnitt, der auf die Verspottung der Euphemisierungsversuche Verliebter folgt:
at lacrimans exclusus amator limina saepe |
floribus et sertis operit postisque superbos |
unguit amaracino et foribus miser oscula figit; |
quem si, iam admissum, uenientem offenderit aura |
una modo, causas abeundi quaerat honestas, |
et meditata diu cadat alte sumpta querela , |
stultitiaque ibi se damnet, tribuisse quod illi |
plus uideat quam mortali concedere par est. (Lucr. 4, 1177–1184) |
Lukrez benennt hier explizit das erotische Verhaltensmuster des exclusus amator.4 Dieser harrt weinend vor der Tür der Geliebten aus und ist grundsätzlich bereit, sein Klagelied, seine querela, zum Besten zu geben. Möglicherweise kann man über die standardmäßige Beschreibung dieser Situation hinaus noch bilinguale Wortspiele des Lukrez erkennen, die speziell die elegische Gattungstradition oder auch nur ganz allgemein die exclusus amator-Rolle im Blick haben: In querela könnte sich die volksetymologische Herleitung von Elegie als einem Klagelied widerspiegeln,5 und lacrimans und limina würden, als lateinische Pendants zu griechisch κλαίειν und θύρα, das Paraklausithyronmotiv generell auf lexikalischer Ebene evozieren.6 Lukrez’ Gedankengang entwickelt sich in diesem Abschnitt folgendermaßen weiter: Würde der Verliebte mit der Realität konfrontiert und eingelassen werden, was er wünscht und wozu es, der elegisch-erotischen Welt entsprechend, nie kommt, röche er das abstoßende Parfum und sähe die hässliche Kosmetikpraxis der Frau – was schon ausreichte, um den eigenen Wahnsinn und die unverhältnismäßige emotionale Hingabe zu erkennen: stultitiaque ibi se damnet, tribuisse quod illi / plus uideat quam mortali concedere par est (V. 1183f.). Der Fokus auf die Realität und den Illusionsbruch, Grundpfeiler der lukrezischen Argumentation, findet sich auch hier;7 Lukrez gliedert also den exclusus amator-/Paraklausithyron-Topos in seinen ganz spezifischen, epikureischen und (im Sinne einer satirisch-invektivischen Attacke) diatribischen Kontext ein.
Horaz verhöhnt in seinem zweiten Buch der Satiren sklavische Verliebtheit bzw. erotische Unfreiheit prominent in sat. 2, 3 und in sat. 2, 7. In beiden Satiren wird, wie in zwei weiteren Beispielen im Buch,8 jeweils ein philosophischer Lehrvortrag gehalten, der auf eine zweifelhafte Autorität zurückzuführen ist; dabei hängen diese Texte durch den äußeren Rahmen eng miteinander zusammen, da jeweils ein Sprecher die Rede eines Stoikers referiert und dabei die horazische Persona angreift. So präsentiert in sat. 2, 3 der bankrotte Damasipp die Lehren des Stertinius und übertreibt es mit seiner rigorosen Kritik,9 und in sat, 2, 7 wird der Sklave Davus zum Sprecher, der sich auf Crispin bezieht. Horaz konterkariert ernsthafte moralphilosophische Ansätze aber dadurch, dass seine Vertreter stoischer Maximen nicht ganz ernst zu nehmen sind und sie durch Horaz’ Darstellung jeweils ins Lächerliche gezogen werden. Nicht nur Damasipp, auch Davus ist als Moralprediger nur schlecht geeignet, etwa insofern, als die von ihm gewählte Autorität Crispin als Türsteher nur einen zweifelhaften Gewährsmann für moralische Weisungen darstellt.10 Auch gibt er stoische Doktrinen nur unvollständig wieder: So behauptet er, dass Horaz, den er aufgrund seiner Gewohnheit, in seiner Lebenshaltung zu schwanken, für einen Sklaven hält (vgl. sat. 2, 7, 21–45), noch schlechter sei als er (tu, cum sis quod ego et fortasse nequior […], V. 40 und quid si me stultior ipso […], V. 42) – graduelle Abstufungen an „moral goodness or its opposite“ wurden von den Stoikern aber nicht zugelassen.11 Den stoischen Satz, dass nur der Weise frei und jeder Unvernünftige wahnsinnig und ein Sklave sei,12 will er zudem dadurch belegen, dass er seine eigenen, durchaus fragwürdigen, sexuellen Gepflogenheiten mit denen des Horaz kontrastiert: Wenn ihn das sexuelle Verlangen packe, pflege er frei verfügbare Liebe mit Prostituierten und verkehre mit jeder beliebigen (quaecumque, V. 49) meretricula (V. 46), nicht wie Horaz mit einer verheirateten Frau. Dies mache seinen notorisch ehebrecherischen Herrn (vgl. V. 46–94) im Gegensatz zu ihm selbst zu einem wahrhaft Unfreien – zumal sich dieser dafür proiectis insignibus (V. 53) auch äußerlich in einen Sklaven verwandle (vgl. V. 47–56).13
Es zeigt sich in diesen beiden Satiren jeweils eine Tendenz zur lockeren sittenkritischen Plauderei, die mit viel Humor, Brüchen, assoziativen Übergängen und Unterhaltsamkeit durchsetzt ist – sowie die typisch horazische Selbstkarikierung der eigenen Persona,14 die auch durch die an ihr geäußerte Kritik bedingt wird.15 Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den beiden Satiren sei vorab genannt: Beide Texte stehen jeweils im Kontext der Saturnalien.16 Der dritte sermo des zweiten Buches spielt zur Zeit dieses Festes (vgl. V. 4f.), an dem sich Horaz zum Lesen und Schreiben auf sein Landgut zurückgezogen hat, wie man aus den das Gespräch beginnenden Worten des Damasipp (vgl. V. 1–16) erfährt.17 Die Damasipp entsprechende Figur in sat. 2, 7, der Sklave Davus, wendet sich ebenfalls am Saturnalienfest an Horaz, welcher sein Herr ist, und gibt diesen durch seine Vorwürfe und durch die schonungslose Analyse von Horaz’ Lebensstil der Lächerlichkeit preis.
Zunächst zu Damasipps auf Stertinius basierendem Lehrvortrag: Um das stoische Dogma zu illustrieren, schildert er beispielhaft „Habgier […], Ehrgeiz […], Genusssucht […], sklavische Verliebtheit […] und Aberglaube […]“18. Im Lauf seiner Ausführungen gelangt Damasipp also zur Beschreibung des in seinen Augen verrückten amator, wofür (wie durch die teils wörtlichen Anklänge als Vorbild eindeutig erkennbar gemacht wird)19 eine Szene aus Terenz’ Eunuchus adaptiert und in den spezifisch philosophischen Kontext der Satire gestellt wird.20 Der assoziative Übergang zu diesem Themenbereich wird durch den Vergleich zwischen einem abgewiesenen, aber noch innerlich unfreien Liebhaber mit einem puer iratus (vgl. V. 258) erzielt, der Äpfel nur will, wenn sie ihm nicht angeboten werden, und sie andernfalls zurückweist (vgl. V. 258f.).
amator | |
exclusus qui distat, agit ubi secum eat an non | |
quo rediturus erat non arcessitus, et haeret | |
inuisis foribus ? ‘nec nunc, cum me uocet ultro, | |
accedam? an potius mediter finire dolores? | |
exclusit; reuocat. redeam? non si obsecret.’ ecce | |
seruus non paulo sapientior: ‘o ere, quae res | |
nec modum habet neque consilium, ratione modoque | |
tractari non uult. in amore haec sunt mala, bellum, | |
pax rursum. haec si quis tempestatis prope ritu | |
mobilia et caeca fluitantia sorte laboret | |
reddere certa sibi, nihilo plus explicet ac si | |
insanire paret certa ratione modoque.’ (Hor. sat. 2, 3, 259b–271) |
An dieser Stelle wird also mit einem namentlich nicht genauer benannten (aber durch die Eunuchus-Anklänge mit Phaedria zu identifizierenden)21 Mann der Typus des exclusus amator22, der typischerweise an den ihm feindlich gesinnten Türpfosten ausharrt (vgl. V. 261f.), in seinem wahnsinnigen Verhalten karikiert. Er hadert mit sich, ob er dorthin, also zur Türschwelle der Frau, zurückgehen solle, wohin er ja mit Sicherheit gegangen wäre, wenn man ihn nicht herbeigeholt hätte (vgl. V. 260f.). Er schwankt, ob er nun „einer Einladung seiner Exfreundin“23, deren wechselnden Launen er ausgesetzt ist (exclusit; reuocat, V. 264), folgen solle. Die sich steigernde emotionale Unsicherheit, repräsentiert durch die immer kürzer werdenden und schließlich in der Einwortfrage redeam? (V. 264) kulminierenden deliberativen24 Fragen, mündet in die scheinbar resolute Aussage: non si obsecret (ebd.) – eine Absage, die in Anbetracht der vorangegangenen Aussagen wenig überzeugend wirkt.25 Indem der Sklave seines Herrn, des „foolish lover“26, im Anschluss an diese Selbstaussage dessen Unvernunft noch hervorhebt und betont, dass der Liebe modus und consilium fern seien und vielmehr das Schwanken zwischen den Extremen Krieg und Friede (vgl. V. 266) sowie Unbeständigkeit und Zufall (vgl. V. 268–270) in der Liebe dominierten, kommt es zu einem impliziten Rollentausch: Der vernünftigere Sklave wird zur überlegenen Partei27 und der erus28 (vgl. V. 265) quasi zum seruus – einem Sklaven seiner Begierden.29
Durch die Anklänge an Terenz zeigt sich hier primär die Referenz auf die Gattung Komödie, wobei der Bezug auf das Paraklausithyronmotiv im Komödienkontext nicht nur hier, sondern auch an anderer Stelle, und zwar (eher versteckt) in sat. 1, 4, 48–5230 oder in der mimusnahen Paraklausithyronparodie in sat. 1, 2, 64–6731 deutlich wird.
In sat. 2, 7 wird Verliebtheit als Laster wiederum allgemeiner verspottet und steht im Kontext des Ehebruchs, nicht der Paraklausithyronmotivik.32 Doch bevor ich nun auf die Parallelen zwischen Satire 2, 7 und den Remedia zu sprechen komme, ist noch eines hervorzuheben: Satire 2, 7 ist nicht nur in den Gesamtzusammenhang des zweiten Satirenbuches zu setzen und auf der Grundlage einer linearen Lektüre mit dem jeweils vorausgehenden und nachfolgenden Stück33 sowie sat. 2, 3 zu verbinden. Denn auch mit sat. 1, 2 hat diese Satire zwei wichtige Gemeinsamkeiten, aus strukturanalytischer und inhaltlicher Sicht. Sat. 1, 2 ist das zweite und sat. 2, 7 das zweitletzte Stück von Horaz’ Satirenkorpus, wodurch beide in ihrer Stellung exponiert sind und miteinander korrespondieren.34 Und beiden Satiren eignet ein didaktisches Moment, das dem Bereich der Sexualität angehört:35 Es wird jeweils das Sexualverhalten eines Ehebrechers mit der Vorgehensweise kontrastiert, dass man zur Triebbefriedigung der freien Liebe frönt bzw. frönen sollte. Empfiehlt der horazische Erzähler in sat. 1, 2 im Rahmen der ‚Lehre vom Mittelweg‘36 die Gefahren, die ein Ehebruch mit sich bringt, zu vermeiden und stattdessen nur die Liebe zu Freigelassenen zu pflegen,37 karikiert Davus in sat. 2, 7 Horaz’ verhängnisvolle Vorliebe für Matronen, bevor er seinen eigenen Habitus beschreibt. Dabei werden jeweils imperativische praecepta formuliert: desine matronas sectarier (sat. 1, 2, 78) und eripe turpi / colla iugo; “liber, liber sum” dic age: non quis (sat. 2, 7, 91f.). Die expliziten praecepta der zweiten horazischen Satire (vgl. besonders den instruktiven Duktus in sat. 1, 2, 37–79) führen also ein lehrgedichtstypisches Moment im Erotikbereich ein, das dem Leser auch in den Weisungen in sat. 2, 7 begegnet.
Die Verbindung zwischen Horaz’ zweiter Satire in Buch 1 und der Ars ist bereits hergestellt worden – so wird etwa in ars 1, 29–34 und ars 2, 593–600 betont, dass römische Matronen aus der Liebeslehre ausgeschlossen sind und dadurch auch die Bestrafungen von Ehebrechern gegenstandslos sein sollen.38 Und auch dass Horaz anpreist, wie vorteilhaft eine Liebe zu frei verfügbaren und gepflegten39 Hetären sei (vgl. V. 119–124),40 passt zum Grundtenor der Liebeslehre: este procul, uittae tenues, insigne pudoris, / quaeque tegis medios instita longa pedes (ars 1, 31f.).41 Die Remedia führen diese Begrenzung der erotischen Welt fort: Thais in arte mea est: lasciuia libera nostra est; / nil mihi cum uitta; Thais in arte mea est (rem. 385f.).
Von den allgemeinen Parallelen zur Tetralogie, welche diese Satire mit ihrem erotischen ‚Pendant‘ sat. 1, 2 gemeinsam hat, abgesehen stechen einige Übereinstimmungen zwischen sat. 2, 7 und speziell den Remedia heraus. Diese lassen auf eine direkte intertextuelle Bezugnahme durch Ovid schließen und bekräftigen die These, dass neben der Gattungstradition der Satire im Allgemeinen auch dieser sermo des Horaz ein Intertext war, dem sich Ovid für die Heilmittel gegen die Liebe neu und bewusst zugewandt hat. Zunächst seien die relevanten Textausschnitte einander gegenübergestellt:
Hor. sat. 2, 7, 46–94 | Ov. rem. (ausgewählte Stellen) | |
‘Te coniunx aliena capit, meretricula Dauum: | ||
peccat uter nostrum cruce dignius? acris ubi me | ||
natura intendit, sub clara nuda lucerna | ||
quaecumque excepit turgentis uerbera caudae | ||
clunibus aut agitauit equum lasciua supinum, | ||
dimittit neque famosum neque sollicitum ne | ||
ditior aut formae melioris meiat eodem. | et sanum simula nec, si quid forte dolebis, | |
tu cum proiectis insignibus, anulo equestri | sentiat, et ride, cum tibi flendus eris. | |
Romanoque habitu, prodis ex iudice Dama, | non ego te iubeo medias abrumpere curas: | |
turpis odoratum caput obscurante lacerna, | non sunt imperii tam fera iussa mei. | |
non es quod simulas ? metuens induceris atque | quod non es, simula positosque imitare furores: | |
altercante libidinibus tremis ossa pauore. | sic facies uere, quod meditatus eris. | |
(V. 46–57) | (V. 493–498) | |
[…] | ||
euasti: credo, metues doctusque cauebis: | ||
quaeres, quando iterum paueas iterumque perire | utile propositum est saeuas extinguere flammas | |
possis, o totiens seruus ! quae belua ruptis, | nec seruum uitii pectus habere sui. | |
cum semel effugit, reddit se praua catenis?’ | (V. 53f.) | |
(V. 68–71) | ||
[…] | ||
tune mihi dominus, rerum imperiis hominumque | ||
tot tantisque minor , quem ter uindicta quaterque | ||
imposita haud umquam misera formidine priuet? | ||
(V. 75–77) | ||
[…] | ||
tu, mihi qui imperitas, aliis seruis miser atque | et pone ante oculos omnia damna tuos: | |
duceris ut neruis alienis mobile lignum .’ | (V. 300) | |
‘Quisne igitur liber?’ […] | ‘quam breuis est!’ (nec erat), ‘quam multum | |
(V. 81–83a) | poscit amantem !’; | |
[…] | (V. 321) | |
potesne | ||
ex his ut proprium quid noscere? quinque talenta | ||
poscit te mulier, uexat foribusque repulsum | ||
perfundit gelida, rursus uocat: eripe turpi | quale sit id quod amas, celeri circumspice mente, | |
colla iugo; “liber, liber sum” dic, age : non quis. 42 | et tua laesuro subtrahe colla iugo . | |
urget enim dominus mentem non lenis et acris | (V. 89f.) | |
subiectat lasso stimulos uersatque negantem. | dixerit ut uenias: pacta tibi nocte uenito; | |
(V. 88b–94) | ueneris, et fuerit ianua clausa: feres. | |
nec dic blanditias nec fac conuicia posti | ||
nec latus in duro limine pone tuum. | ||
postera lux aderit: careant tua uerba querelis | ||
et nulla in uultu signa dolentis habe. | ||
(V. 505–510) | ||
di faciant, possis dominae transire relictae | ||
limina, proposito sufficiantque pedes. | ||
(V. 785f.) |
Non es quod simulas? (sat. 2, 7, 56) – quod non es, simula (rem. 497). In fast wörtlicher Entsprechung gibt Ovid die rhetorische Frage des Horaz, syntaktisch in eine Aufforderung transformiert, wieder. Ich konnte bereits in Kapitel 4.1.3 zeigen, dass die dreimalige Verwendung des Verbs simulare auf den lukrezischen Kontext und die epikureische simulacra-Theorie verweist und als zentrales Argument dafür angesehen werden kann, dass Ovid eine intertextuelle Beziehung zu Lukrez aufbaut und die lukrezisch-epikureische Diatribe gegen die Liebesleidenschaft humorvoll-spielerisch parodiert. Die Interpretation, dass die ‚ars agendi‘ der Remedia als ‚ars simulandi‘ zu betrachten ist und sich davon ausgehend die Haltung Lukrez gegenüber generalisieren lässt, soll auch weiterhin Bestand haben. Doch kann man, wenn man auf diesen Satz, also die zweite Verwendung von simulare und die wörtliche Entsprechung bei Horaz, sieht, eben eine zusätzliche Verbindung zu sat. 2, 7 herstellen. Die bereits etablierte intertextuelle Vierecksbeziehung zwischen Lukrez, den Remedia, der Ars und Horaz43 lässt sich erweitern bzw. aus dieser Perspektive neu definieren, wenn nun nicht mehr sat. 1, 3, sondern sat. 2, 7 als horazischer Prätext im Fokus steht (siehe Abbildung 8).
Abbildung 8:
Intertextualitätsvieleck zu simulatio und simulacra
Davus verspottet den horazischen Sprecher und seine Schwäche für verheiratete Frauen und bezeichnet ihn als Sklaven seines Verhaltens und seiner Einstellung: Denn trotz der Gefahren, die ein Ehebruch mit sich bringt, verhält er sich törichter als wilde Tiere, wenn er der Versuchung nicht widerstehen kann und so sein Glück immer wieder auf die Probe stellt (vgl. V. 68–71). Indem er sich beim Ehebruch seiner äußeren Standeszeichen entkleidet und optisch zu einem Dama wird, sieht er aus wie ein Sklave – doch im Wesentlichen ist er, wie Davus in seiner rhetorischen Frage klar macht, dies auch innerlich: non es quod simulas? Der Verweis auf seine sklavenähnliche Situation erfolgt erneut (vgl. V. 81–83), wenn der saturnalische Wortführer auf den stoischen Satz, dass nur der Weise frei sei, zurückkommt. Auch hier wird jedoch keine ernste Lehrstunde in stoischer Moralphilosophie abgehalten, vielmehr kehrt Davus wieder zu Horaz’ Sexualverhalten zurück und beschreibt, dass er insofern unfrei sei, als eine Frau Geldforderungen an ihn stelle, sie ihn nach Belieben quäle, hinauswerfe und wieder zurückrufe und er so unter ihrer ‚Fuchtel‘ stehe (vgl. V. 89–94). Karikiert er am Anfang des Gesprächs Horaz nur und stellt dessen törichtem Verhalten sein eigenes gegenüber, fordert er ihn in V. 91f. schließlich konkret dazu auf, sich von diesem Joch zu befreien und den Befreiungsakt auch aktiv durch sprachliche Affirmation zu unterstützen. Dass es sich hier nicht primär um eine auf Erfolg abzielende Erotodidaxe handelt, wird auch klar, wenn im Anschluss, noch im selben Vers, die defätistische Aussage non quis (V. 92) folgt. Dennoch: Ein lehrgedichtstypisches Element findet sich auch hier.
Um zu erläutern, welche Bedeutung diese horazische Stelle zur simulatio für Ovid hat, sei erneut auf die entsprechenden Stellen der Remedia geblickt, in denen das Konzept eine zentrale Rolle spielt. Da der unglücklich Verliebte letztlich ein Sklave seiner Gefühle ist, gilt es, dass er sich mit einer Reihe von Hilfestellungen von ihnen befreien soll – utile propositum est saeuas extinguere flammas, / nec seruum uitii44 pectus habere sui (V. 53f.). Und eine der wichtigsten Strategien, in der die praecepta zur Selbsttäuschung ab rem. 493 kulminieren, ist eben die der emotionalen simulatio – tu so, als ob es dir gut gehe, und der Wunsch wird Wirklichkeit werden. Ist diese, auf Lukrez anspielende, Weisung nun auch mit Blick auf Horaz verfasst worden, wie die wörtliche Entsprechung nahelegt? Meines Erachtens ja. Davus impliziert in seiner rhetorischen Frage, ob die äußere Verwandlung nicht auch eine innere zur Folge hätte, dass die horazische Persona zu dem wurde, was zu sein sie nur vorgegeben hatte. Bei Ovid wiederum stellt letztlich dieses Prinzip (Verstellung soll zur Realität werden) das Ziel des praeceptum dar: quod non es, simula positosque imitare furores: / sic facies uere, quod meditatus eris (V. 497f.). Im Fall des Horaz hat die Simulation ja – leider – funktioniert, simulare hat einen neuen Seins-Zustand bewirkt (seruum esse). Auch wenn Ovid Kontext und Form der Verstellung (nur innerlich, von äußerer Maskierung ist bei ihm keine Rede) transformiert: Vielleicht ist in der lexikalischen Rekurrenz auf die ‚Erfolgsgeschichte‘ des Horaz auch ein Hinweis darauf zu sehen, dass die Simulationstechnik in den Remedia durchaus verheißungsvoll ist – denn auch bei Ovid wird ein neuer Seins-Zustand (sanum esse) in Aussicht gestellt (vgl. V. 498).45
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