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Kitabı oku: «Hotel Amerika», sayfa 12

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Sechszehntes Kapitel

Die Korridore am Personalausgang haben sich wieder gefüllt.

Mit unglaublicher Schnelligkeit hat es sich herumgesprochen, dass die Kellner im Ballsaal in Streik treten wollen. Kam die Nachricht durch das Küchenpersonal oder die Garderobieren, kam sie durch die Speisenträger oder die Musiker? Jedenfalls gab es in kurzer Frist niemanden, der nicht von ihr wusste.

Sie wurde auch bald ausgeschmückt verbreitet, ins Fantastische vergrößert.

Man erzählt sich, dass die Kellner im Ballsaal alles kurz und klein schlügen, dass die Polizei benachrichtigt sei und dass man auf wahre Kämpfe vorbereitet sein müsse. Das Personal, das sich noch im Hotel aufhält und nicht arbeiten muss, fährt hinunter zum Ausgang, um letzte und authentische Berichte zu erhalten.

Sogar die alte Nanny erscheint, die sonst immer ihre freie Zeit regungslos sitzend in ihrem Zimmer oben verbringt. Sie hatte schon schwere Lohnkämpfe mitgemacht, bei denen auch Blut floss. Sie erzählt den Umstehenden davon, aber da sie keine Zähne im Mund hat, ist es schwer, sie zu verstehen.

Auch Celestina ist gekommen; sie war bisher oben geblieben, weil sie befürchtete, Shirley könnte meinen, die Mutter spioniere ihr nach. Nein, das wollte sie nicht mehr tun, denn sie hatte das untrügliche Gefühl, sie könne ihre Tochter nicht mehr verlieren.

Jemand sagt in der Nähe: »Die Kleine hat alle aufgewiegelt.«

»Ja, wenn es anfängt unruhig zu werden, kommt es früher oder später doch zu einem Ausbruch.«

»Wenn die Leute anfangen zu sehen, ist es nicht so leicht, sie wieder blind zu machen.«

»Die Direktion wird unbarmherzig aufräumen.«

»Wenn wir es zulassen.«

»Pah, was können wir schon viel tun?«

»Weil ihr nichts weiter sagen könnt, als dieses: ›was können wir schon tun‹. Können wir auch wirklich nichts tun?«

»Hast du vielleicht Lust zu streiken, wenn man die Kleine an die Luft setzt?«

»Es würde nicht nur dabei bleiben. Die Kellner werden der Gesellschaft schwerer im Magen liegen.«

»Wenn es sich um etwas Wichtiges handelt, will ich auch dabei sein.«

»Aber dumm ist die Kleine doch nicht.«

»Vielleicht kann sie später noch einmal etwas Richtiges werden.«

Celestina zweifelt nicht: man wird Shirley wegschicken und niemand wird versuchen, sie zu halten. Aber sie würde sich schon weiterhelfen können, sie ist jung und kann arbeiten. Shirley steht an die Wand gelehnt und spricht wieder mit Fritz. Ihre Blicke wandern unruhig umher. Wieder kommen neue Nachrichten aus dem Ballsaal. Man hätte die Forderungen der Kellner bewilligt. »Nun, freust du dich nicht, dass alles in Fluss kommt? Siehst du, wenn wir zusammenhalten und nur wollen, haben wir auch die Macht.«

»Ich habe gehört, dass wir dumm sind. Ist es wahr, dass man vor unserer Nase Kriege vorbereitet und wir nichts davon merken?«

»Ich ahnte nicht, dass du soviel weißt. Hast du dich schon mit allen diesen Fragen beschäftigt?«

»Ich weiß, dass man viel Geld haben muss, wenn man nicht will, dass einem Böses geschieht.«

»Du hast merkwürdige Gedanken.«

»Ich habe da einiges gehört von jemandem, der sich als besonders klug aufgespielt hat, – aber er ist auch sicher klug, klüger als ich oder du.«

»So, du bist ja sehr nett. Ich möchte ihn sehen, den du für so viel klüger hältst als mich.«

»Vielleicht hast du ihn sogar gesehen. Siehst du, er hat auch nichts und lebt doch gut, genau so, als ob er reich wäre.«

»Und das hältst du für so besonders klug?«

»Natürlich, wir müssen schwer arbeiten und haben doch nichts.«

»Aber weißt du denn nicht, dass, wenn wir nur wollen, wir viel mächtiger und viel reicher werden können als der mächtigste, reichste Millionär? Dann könnte alles uns gehören, alles was wir sehen, alles was uns umgibt. Alles!«

»Das glaub' ich nicht. Das ist ja gar nicht möglich.«

»Freilich würde uns das alles nicht in den Schoß fallen. Wir müssten dafür kämpfen, arbeiten, lernen.«

»Aber wie?«

»Ich werde dir die Bibliothek zeigen. Wir gehen zusammen hin. Du wirst sehen, wie viele Bücher es dort gibt. Liest du manchmal?«

»Nur Sachen, über die man lachen kann. Aber vielleicht ist auch anderes interessant. Wenn du es mir gut erklären kannst …«

»Wills du immer noch nicht ins Freie?«

»Nein, ich muss noch warten.«

Siebzehntes Kapitel

Im Ballsaal war alles ruhiger verlaufen, als die wilden Gerüchte glauben ließen. Von der Direktion kam die Parole: Alles bewilligen. Die Kellner bekamen sofort ihre Zulagen ausbezahlt, man gab ihnen schnell ein anständiges Essen und versprach sogar Verhandlungen über die Union-Angelegenheit. Aber alle wussten, es war kein Friedensschluss, es war nur der Anfang des Kampfes.

Die Kellner stehen im Saal und sehen wieder wie englische Lords aus. Die Maîtres d'hotel lassen ihre Augen mit Erleichterung wieder über den Saal schweifen. Die Kapitäne klatschen in die Hände, zum Zeichen, dass die Gäste nahen. Alle hinter den Pflanzen verborgenen Lichter leuchten auf und erhöhen die Pracht, machen die Farben noch leuchtender. Die unsichtbare Musik beginnt ganz leise zu ertönen, und die Schmetterlinge, aufgescheucht vom Licht, führen einen unerwarteten Tanz auf.

Die Gäste, gefolgt von den Reportern, betreten den Saal. Ein allgemeines »Ah!« ertönt, das Herrn H. W. Strong mit Genugtuung erfüllt.

Im Mittelpunkt der Gesellschaft steht das junge Ehepaar. Marjorie stützt sich leicht auf den Arm Edgar Sedwicks, des ihr eben angetrauten Gatten. Die wie Blumen anmutenden Brautjungfern umschwirren sie lachend. Sie erhöhen die malerische Wirkung der Braut, die strahlend, in Kostbarkeiten gehüllt, an ein unwirkliches Götzenbild erinnert. Der wertvolle seltene Schleier umfließt ihre Gestalt, die Steine an ihren schmalen langen Fingern sprühen in allen Farben, die Perlen werfen einen matten Glanz auf ihre unvergleichliche Haut. Ein jeder muss bekennen, dass sie schön ist.

Und doch zittert sie ein wenig hinter dem glanzvollen Äußeren. Sie hat Angst, eine nervöse, unbestimmte Angst, die sie sich selbst nicht eingestehen will. Herr Fish kann mit dem Eindruck zufrieden sein, den er auf sie macht. Ihre aufgescheuchten Augen, ihr Zurückweichen, als sie ihn zwischen der Kellnerschar entdeckt, ist ihm ein gutes Vorzeichen für das Gelingen seines Unternehmens. Sie hat also Angst vor ihm; das ist es gerade, worauf es Herrn Fish ankommt.

In Wirklichkeit fürchtet sich Marjorie, weil sie wieder Gespenster zu sehen glaubt.

Herr Fish findet, dass es eine überaus schlaue Idee von ihm war, sich als Kellner einschmuggeln zu lassen. Die Gäste und Reporter wurden sorgfältig kontrolliert, ihr Eintreten verfolgte ein Heer von Detektiven und ein Schwarm Sekretäre des Herrn Strong. Sicher hatte H.W. angenommen, er würde versuchen, sich eine Eintrittskarte zu verschaffen und hatte dagegen Vorsichtsmaßregeln getroffen. Jetzt aber konnte man ihn nicht entfernen, ohne einen unliebsamen Auftritt befürchten zu müssen. Herr Fish ist also mit sich selbst zufrieden.

Seine optimistische Stimmung lässt jedoch nach, als er merkt, dass seine Gegenwart nicht den geringsten Eindruck auf Herrn H.W. Strong gemacht hat. Der Vater der Braut nickt sogar seiner Tochter aufmunternd zu, als wollte er sagen, sie hätte keine Gefahr zu befürchten.

Herr Fish fühlt langsam Wut in sich aufsteigen. Er empfindet Hass, er, der nichts weiter wollte, als sein Schäfchen ins Trockene bringen. Es scheint ihm selbst unwahrscheinlich, dass Marjorie ihm je angehört hatte, – dieses kalte Götzenbild, diese leere Puppe, die über alle anderen gestellt wurde, kraft des Geldes ihres Vaters. Es war ihr gelungen, sogar ihn, Herrn Fish, auszunutzen. Er hatte ihretwegen Schulden gemacht. Es bereitete ihr einen Kitzel, über Abgründe zu tanzen, und er war ihr dabei ein guter Partner. Als sie genug hatte, verabschiedete sie ihn einfach. Aber er war gewillt, sich das kleine Abenteuer schwer bezahlen zu lassen. Er war nicht der Mann, dem man Schlaraffenland zeigen konnte, um ihn nachher mit einem Fußtritt zu verabschieden. Wenn Herr Strong es mit ihm aufnehmen wollte, nun gut, er war bereit.

Marjorie wagt es wieder, zu ihm hinüberzusehen. Vielleicht sieht sie gar keine Gespenster, er ist es selbst, er verfolgt sie. Jetzt, da sie ihn in Kellneruniform erblickt, begreift sie kaum, was ihn so anziehend gemacht hatte. Er sieht nicht schlecht aus, aber zwischen den anderen Kellnern wäre er ihr nie besonders auf gefallen. Die anderen bieten keineswegs einen übleren Anblick als er. Die meisten sehen sogar entschieden vorteilhafter aus als die Gäste. Vielleicht haben sie auch allerlei Gedanken im Kopf, schlimmere und gefährlichere als Herr Fish, vielleicht hassen sie sie, möchten sie auch stürzen, sie, die reiche Erbin und die ganze Gesellschaft. Herrn Fish würde ihr Vater schon erledigen, sie kennt ihn. Er würde dieses Fischlein nicht hier herumspringen lassen, wenn er nicht wüsste, dass es unschädlich ist. Aber da gibt es eine andere, eine stärkere, undurchdringlichere Macht, mit der nicht einmal Herr Strong fertig werden könnte. Marjorie sieht sie in den hasserfüllten Augen der Kellner. Sie sah sie heute in den Blicken des kleinen Waschermädchens und der Negerin. Oder bildet sie sich dies alles nur ein? Sie hat Angst, es ist unleugbar, genau wie die Könige früher und auch heute Angst um ihr Leben haben und überall Gefahren wittern.

Sie blickt hinüber zu ihrer Mutter; Frau Strong hält Cercle. Sie ist ganz Königin, unnahbare Majestät, an die das gewöhnliche Leben nicht herankann.

Aber freilich, ähnliche Befürchtungen wie ich hat sie sicher nie, denkt Marjorie. Die ältere Generation hat es doch gut, sie glaubt fest an einen Gott, der ihr als Schutzpolizist beigegeben ist. Sie kleidet ihre Selbstkritik in Gottgläubigkeit und sieht selbst ein, dass sie eine höhere Macht vorschieben muss, um ihre bevorzugte Stellung zu erklären. Möglicherweise habe ich diese Gedanken von Herrn Fish, stellt Marjorie erschrocken fest. Nun, wenigstens konnte man allerlei von ihm lernen.

Es werden Cocktails herumgereicht. Der französische Chef hat sie kreiert und nennt sie ›quelques fruits et fleurs‹. Die Reporter, unter ihnen viele weibliche, flitzen zwischen den Gruppen umher und suchen nach bekannten Persönlichkeiten, deren Kleider sie beschreiben könnten. Herr Fish denkt in seinen rachsüchtigen Fantasien, dass er es leicht hätte, sich hier mit seinen Enthüllungen an die Presse zu wenden. Wenn es den Reportern, die mit solchem Eifer die Dekoration des Saales, die Kleider und die Schmuckstücke der Damen beschrieben, an Stoff mangelte, er, Herr Fish, könnte ihnen genügend liefern. Statt sich mit Belanglosigkeiten abzugeben, könnten sie ihn um Informationen bitten; er könnte sie über das Leben dieser höheren Gesellschaft aufklären. Dank Marjorie hat er so seine Erfahrungen und weiß mehr über sie, als sämtliche so genannten »Gesellschaftsberichterstatter". Sicher wussten auch sie mehr, als ihre Berichte verrieten; sie waren jedoch die letzten, die darüber entschieden, was zum Druck geeignet war.

Die Kunst des äußerlichen Sehens wird an allen Journalistenuniversitäten Amerikas derart ausgebildet, dass ein guter Reporter fähig ist, auf einen Blick die ganze äußere Erscheinung eines Menschen genau wiederzugeben. Sie irren sich nicht in der Farbe der Krawatte, der Form der Schuhe; sie sind imstande, den genauen Preis des Anzuges festzustellen. Mit dem gleichen Eifer beschreiben sie die Haartracht, die Strümpfe, Handschuhe, ob sie nun über einen Mörder, einen Ozeanflieger oder über eine Braut berichten. Herr Fish sagt sich, dass von seinem Wissen keine Reporter, keine Zeitungen Gebrauch machen würden. Käme es zu einem Prozess, dann allerdings müssten sie Notiz nehmen; aber an einem Prozess liegt auch Herrn Fish nicht viel. Eine Gesellschaftsberichterstatterin beschäftigt sich jetzt angelegentlich mit Marjorie, um von ihr eine besondere Information zu erhalten. Marjorie gibt nicht zum ersten Mal die Geschichte des Schleiers zum besten. Während sie erzählt, überkommt sie wieder ein leichtes Gruseln. Sie kann das Angstgefühl heute nicht loswerden. Nicht nur von Herrn Fish, der ihr auflauert, scheint ihr Gefahr zu drohen, sie fühlt, es gibt überhaupt keine Sicherheit. Wie ist es möglich, dass sich die anderen nicht fürchten?

Die Reporterin notiert; sie wird aus Marjories Erzählung eine recht farbige Geschichte machen. Für die Frauen, die »Beherrscherinnen Amerikas«, ist im Zeitungsbetrieb nur ein bestimmtes Fach reserviert. Sie plaudern über die »Gesellschaft«, über das Glück, Amerikanerin zu sein, über die Mode und über die Wege zu ewiger Jugend und Schönheit, – Kenntnisse, von denen sie aber selbst nicht immer Gebrauch zu machen scheinen. Sie gleichen Kanarienvögeln, denen man die Augen ausgestochen hat: blind, ohne ihre Umgebung, die raue Wirklichkeit, zu sehen, zwitschern sie unbekümmert darauflos. Marjorie sucht Schutz bei ihrem Mann. Herr Fish folgt ihr. Er ist jetzt ganz diensteifriger Kellner. Der junge Ehemann liest schaudernd das Menü. »Ich kann mir doch nicht meinen Magen verderben, nur weil ich heute geheiratet habe«, sagt er zu Herrn Fish, der ihn bedienen soll. »Legen Sie zwei Eier auf drei Minuten in siedendes Wasser, aber lassen Sie sie nicht kochen, ein Glas Milch und zwei Scheiben Toast, das ist alles.«

Herr Fish würde lieber den jungen Ehemann in siedendes Wasser tun.

»Wenn man ein guter Sportsmann sein will, muss man wie ein Kind leben«, erklärt Edgar Sedwick. »Ein Kind von fünf Jahren entfaltet mehr Vitalität als ein Schwerarbeiter; man lebe also wie ein Fünfjähriger.«

Marjorie ist nicht ganz sicher, ob diese Frugalität nicht den Reportern zuliebe, die immer noch in ihrer Nähe herumhorchen, zur Schau gestellt wird.

Jedenfalls, findet Marjorie, hat Edgar etwas Sauberes und Frisches, freilich auch Langweiliges, aber er ist besser als die Männer, die den Krieg mitgemacht haben. Auf alle, auch wenn sie nicht aktiv an ihm teilnahmen, hat er dunkel abgefärbt, hat sie böse und undurchdringlich gemacht. Herrn Sommer, der es in Amerika weit gebracht hatte und der dem jungen Ehepaar gegenübersitzt, gefällt aber nicht die übertriebene Genügsamkeit Edgars. »Hehe, wie ein fünfjähriges Kind, nun, wir wollen hoffen, dass Sie dieses Programm nicht allzu wörtlich ausführen werden. Ja, Sie haben es leicht, Sie haben sich den richtigen Vater ausgesucht. Sehen Sie mich an, ich habe die Vitalität von einem Dutzend fünfjähriger Kinder – und die brauche ich, bei Gott.«

Er stopft sich gleichzeitig gesalzene Pistazien und Oliven in den Mund und knabbert an Staudensellerie, während er mit überraschender Schnelligkeit Hummern verschlingt. Er ist Unternehmer der größten Wolkenkratzerbauten. Geraten ›kleinere‹ Häuser von etwa zwanzig Stockwerken in seine Hände, kann man sicher sein, dass er sie sofort niederreißen lassen wird, um mächtigeren Bauten Platz zu schaffen. Man erzählt sich, dass er, bevor er nach Amerika kam, kein höheres Haus gesehen hätte als das einstöckige Herrschaftshaus in seinem Dorf. »Mein Lieber«, spricht er weiter zu dem frischgebackenen Ehemann, »wenn man Häuser baut und mit Arbeitern umzugehen hat, braucht man mehr Vitalität, als wenn man einige Bälle springen lässt. Sie würden staunen, junger Mann, was man da Nerven braucht! Diese Gesellschaft möchte uns Bedingungen diktieren. Wenn man sein eigener Herr bleiben will, muss man auf der Hut sein, man muss den Leuten zeigen, dass man keine Organisation, keinen Zusammenschluss duldet. Ich stehe auch allein und wünsche mit meinen Leuten einzeln zu verhandeln. Aber um seinen Willen durchzusetzen, dazu braucht man Kraft, mit zwei Eiern kann man das nicht schaffen.« Der Kellner, ein Pole, der Herrn Sommer schon zum dritten Male geröstete Hummern serviert, verspürt große Lust, ihm mit der Faust die richtige Antwort auf die Nase zu versetzen. Der Kellner hatte eine schreckliche Stunde durchgemacht, während es unentschieden war, ob sie den Kampf gegen die Hotelleitung aufnehmen würden. Er besaß kein Geld mehr und rechnete mit Bestimmtheit auf den Verdienst von heute abend. Es war für ihn eine Frage von Tod und Leben, und doch wollte er mitmachen, wenn sich die anderen für einen Streik entschieden hätten. Ja, er wünschte einen Streik, er wünschte den Kampf, und doch hatte er das Gefühl, als wäre er einer Gefahr entronnen, als man die Forderungen bewilligt hatte.

Nun musste er wortlos zuhören, wie dieser Unternehmer behauptete, den Arbeitern gegenüber alleinzustehen. Als ob man so dumm wäre und nicht wüsste, dass hinter ihm die Polizei und das Militär, der Richter und die Kirche ständen, als ob es keine Trusts und Kartelle gäbe. »Haben Sie keine dunkler gerösteten Hummern?« Herr Sommer hat in seiner Vitalität für alles Auge. »Jawohl, Herr, einen Augenblick, Herr.« Ein durchsichtig grüner Schmetterling mit langen, schleppenden Flügeln hat sich auf die Hand des polnischen Kellners niedergelassen. Das ist auch nur eine Störung bei der Arbeit und erbittert ihn noch mehr. Er möchte am liebsten das Tier zerdrücken, aber er sagt sich schließlich, dass es noch unglücklicher sei als er selbst.

Wir werden euch schon die richtige Antwort geben, keine Bange, auch wenn wir vorläufig Bücklinge machen. Ein anderer Industriekapitän, der von Herrn Fish bedient wird, Besitzer von vielen Eisenbahnen, jammert ebenfalls. »Die Leute, die uns immerfort angreifen, müssten wissen, mit welchen Schwierigkeiten wir kämpfen, sie sollten unsere Hauptbücher sehen.«

Auch Herr Fish führt, wie sein Kollege, einen stummen Dialog.

Was braucht man eure Hauptbücher zu kennen, wenn man sieht, wie ihr lebt.

Geradezu um den Gedankengang Herrn Fishs zu entkräften, macht jetzt der »Große Haifisch«, einer der reichsten Männer Amerikas, gleichzeitig einer der ältesten, seine Bestellung.

Wo war sein Grießbrei, sollten die Gastgeber verabsäumt haben, für ihn zu sorgen?

»Ich kann nur einen Grießbrei essen, der sechs Stunden lang in einem Doppelkocher gedämpft wurde.« Er muss, um seine Vitalität zu erhalten, wie ein überzarter Säugling leben.

Ja, natürlich, selbstverständlich wurde die Bestellung gemacht, beeilt sich der Kellner zu versichern, er würde sofort den Grießbrei bringen. Er denkt dabei schaudernd an den Cowboy und an dessen saftige Flüche, wenn er mit dieser Extraorder in die Küche kommt.

»Bring ihm ein blutiges Beefsteak«, sagt ein anderer Kellner, »man sollte sabotieren, damit auch die Gäste etwas von unserer Unzufriedenheit merken.«

»Wir haben einmal in Paris bei einer großen Gesellschaft alle Bestellungen verkehrt ausgeführt, es war eine tolle Sache. So etwas von Speisezusammenstellungen hat man noch nicht erlebt.«

»Wie soll man in Amerika sabotieren? Hier würden sie ja überhaupt nichts davon merken«, sagt ein Franzose. »In einem Lande, wo man Schinken mit Ananasscheiben serviert und Apfelkuchen mit Käse, würde sich auch niemand über in Essig gesäuerte Zwiebeln in Honig wundern.«

»Ja, wir leben in einer bösen Welt«, spricht der »Große Haifisch«, er ist mit den anderen Industriekapitänen ganz einer Meinung. Seinen Spitznamen verdankt er seiner Skrupellosigkeit, mit der er alle Kleinen, die ihm im Wege standen, vernichtete. Heute geht er nur noch in die Kirche und folgt der Sonne. Er besitzt unzählige Schlösser in allen Teilen Amerikas; immer fährt er dorthin, wo Sonne ist. Überall wartet auf ihn eine zahlreiche Dienerschaft, um ihm seinen Grießbrei zu kochen. Er hat keinen anderen Wunsch, als mindestens hundert Jahre alt zu werden. Aber nein, jetzt bei der Hochzeitstafel erklärt er, dass er einen wirklich guten Menschen finden möchte. Aber das sei unmöglich, versichert er, die guten Menschen wären ausgestorben. Die Anwesenden antworten ihm nichts. Herr Fish, der die richtige Antwort wüsste, ist leider zur Stummheit verurteilt.

Zum Teufel auch, was für Sorgen sich der alte Haifisch macht; ich selbst habe noch nie einen Menschen gefunden, bei dem man ohne weiteres hätte feststellen können, ob er gut oder schlecht ist. Aber wie leicht ist es, herauszufinden, ob jemand gut oder schlecht lebt – und darauf allein kommt es an.

Gut sein, wer sich das leisten könnte! Es ist höchste Zeit, denkt Herr Fish, daran zu gehen, seine eigenen Angelegenheiten zu ordnen. Sein Kellnerdasein nimmt ihn mehr als ihm angenehm ist in Anspruch.

Die Kapitäne verfolgen jede seiner Bewegungen; er wurde schon wiederholt von ihnen zurechtgewiesen und auf Ungeschicklichkeiten, die einem erstklassigen Kellner nicht unterlaufen dürfen, aufmerksam gemacht. Viel nervöser aber machen ihn die Sekretäre des Herrn H. W. Strong. Es scheint ihm, als folgten sie mit ironischem Lächeln jeder seiner Bewegungen.

Man musste Herrn Strong merken lassen, dass man nicht hier war, nur um den Kellner zu spielen. Der große Mann sollte merken, dass die Sache ernst wurde, wenn er nicht nachgab. Herr Fish ist es nicht, der einen Skandal zu fürchten braucht.

Herr Fish ist davon überzeugt, dass er auf die Presse nicht rechnen könne, aber Herr H. W. Strong hat nicht wenige Feinde unter den Eingeladenen. Er hat Feinde – und Herr Fish kennt sie.

Da ist zum Beispiel Herr Vandercock, ein Mann von umfangreichen Formen und ebensolchem Appetit. Herr Vandercock, der früher angeblich Hahn hieß und sich seinen neuen Namen nur ausgesucht hatte, um von holländischen Vorfahren sprechen zu können, ist der größte Straßenreklamefachmann Amerikas. Außenreklame ist seine Devise. Er ist der Erfinder der feurig auftauchenden und dann wieder im Dunkel verschwindenden Kuppeln und Türme. Er ist es, der das Dunkel mit glänzenden Buchstaben voll schreibt, der farbige Lichter über die Häuser rieseln lässt, der die Straßen in Lichtkaskaden taucht, er ist es, der in die Nacht hineinschreit, wo die Menschen kaufen sollen, welche Bedürfnisse sie haben, was ihnen gefallen müsse. Herrn Strongs Zeitungen aber veranstalten schon seit längerer Zeit eine Kampagne gegen die übertriebene Straßenreklame.

Ärzte geben in Rundfragen Erklärungen ab, dass das starke Licht für die Augen überaus schädlich sei und die heutige Generation befürchten müsse, in Blindheit zu sterben. Man alarmiert die Polizei, um die Lichtreklame verbieten zu lassen, natürlich nur aus allgemein menschlichem Interesse.

Herr Vandercock behauptet allerdings, die Zeitungen sähen in seiner Reklame eine zu starke Konkurrenz, die Anzeigeneinnahmen würden geringer.

Solche Verleumdung wiesen die Zeitungen freilich weit von sich, sie fühlten nur Verantwortung dem Publikum gegenüber. Die Menschen wollten schon ohnehin nicht viel von Druckerschwärze wissen, sie sähen sich höchstens Bilder an oder die Leuchtbuchstaben, wodurch nicht nur die Augen, sondern auch das Seelenheil der Allgemeinheit gefährdet würde. Man begann sogar schon von der Kanzel herab gegen die Lichtreklame zu predigen.

Aber auch Herr Vandercock versteht sich auf geschickte Schachzüge.

Er erklärte sich für die Durchführung einer unentgeltlichen Außenreklame für alle Kirchen und Bethäuser bereit. Bald flammten überall in den Straßen elektrisch beleuchtete Kreuze und Bibelsprüche auf.

Freilich geben auch die Zeitungen den Kampf noch nicht auf. Die Plänkeleien werden unterirdisch fortgeführt. An geeigneten Bundesgenossen hätte es also Herrn Fish nicht gefehlt. Auch unter den Zeitungskönigen waren solche, die lieber allein herrschen würden, als mit Herrn H. W. Strong die Macht zu teilen. Sie hätten sicher Interesse an den geheimen Quellen und Zusammenhängen der Strongschen Propaganda, obgleich sie sich natürlich hüten würden, sie der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Man verrät nicht so leicht gemeinsame Geschäftsgeheimnisse, wenn man auch bereit ist, von ihnen zu profitieren. Herr Fish zweifelt nicht daran, dass es ihm möglich sei, die Briefe in die richtigen Hände zu spielen, und dadurch nicht nur einen gesellschaftlichen Skandal zu verursachen, sondern auch die wichtigen Verhandlungen Herrn Strongs zu stören. Auch Marjorie hat viele Feindinnen. Wahrscheinlich würden die anwesenden Damen alle erfreut sein, wenn sie in eine lächerliche Lage käme.

Sie scheint etwas von Herrn Fishs Gedanken und Plänen zu ahnen, denn sie ist unruhig und ängstlich. Herr Strong dagegen zeigt nur Gleichgültigkeit und Nichtachtung, statt Eile, mit Herrn Fish in Verhandlungen zu treten.

Gut, wenn er mit dem Geld nicht herausrücken will, schadet er sich nur selbst. Seine Feinde werden weniger kleinlich sein, wenn sie die Möglichkeit sehen, ihm zu schaden. Diesen Gedankengang behält Herr Fish nicht nur für sich, er verrät ihn einem der Sekretäre des Herrn Strong, der sich wieder in seiner Nähe zu schaffen gemacht hat. »Sie spielen Ihre Trümpfe zu schnell aus; wir könnten Sie jetzt ohne weiteres wegen Erpressung verhaften lassen.«

»Warum tun Sie es nicht? Nichts wäre mir erwünschter, dann kann sich wenigstens die Öffentlichkeit mit der Angelegenheit befassen. Wenn ein Räuber nach der Polizei ruft, kann man überzeugt sein, dass weit und breit keine in der Nähe ist. Ich muss schon sagen, dass Sie auf keine besonders geschickte Art mir Angst einjagen wollen.« Eine Hand legt sich auf Herrn Fishs Schulter. Sie gehört keinem Detektiv, sondern einem der Kapitäne.

»He, Junge, was fällt dir ein, herumzuträumen und lange Gespräche zu führen? Man hat sich schon über diese Bedienung beklagt.«

»Machen Sie Ihre Sache gut, Kellner.« Der Sekretär ärgert Herrn Fish durch einen ironischen Seitenblick. Zum Teufel auch, diese Rennerei! Man kann kaum einen vernünftigen Gedanken fassen, spürt Arme und Beine, – verdammte Quälerei, dieses Bedienen! Der ›schöne Alex‹ hat nicht unrecht, eine Hochzeit ist kein Vergnügen, besonders nicht für die Kellner.

Der ›schöne Alex‹ hält sich immer noch in der Nähe auf, in den Gängen wartet er mit rührender Anhänglichkeit auf Herrn Fish, immer bereit, ihn mit Ratschlägen zu versehen. In der Küche geht es wild zu. Man muss schon ein ›Alter‹ sein, um dabei nicht nervös zu werden. Einige Kellner haben doch allerlei kleinere Sabotageakte versucht.

Sie servierten die heißen gebackenen Austern auf Eis, sie verwechselten Majonnaise mit Eiercreme und brachten den blumenhaft anmutenden Brautjungfern, die alle Diät leben, statt der bestellten leichten Salate schwere Gänseleberpasteten.

Die Kapitäne schäumen vor Wut, aber es ist unmöglich festzustellen, wer die Bestellungen verwechselte oder ob sich die Kellner nur zufällig irrten.

Herr Fish wird von allen Seiten angeschrieen; seine offensichtliche Ungeschicklichkeit erregt den Unwillen aller Köche und der Kapitäne.

»Bei Gott, dieser Kellner weiß nicht einmal, wie man eine Order anzugeben hat.«

»Ich möchte auch wissen, von wo der Kerl hereingeschneit kommt.«

Das ›fix, Junge‹, ›dalli, Kellner‹ der Kapitäne verwirrt ihn vollends.

Es erscheint ihm immer schwieriger, bei der Hetze Pläne und klare Gedanken zu fassen und er beginnt zu begreifen, warum ihn Herr Strong mit solcher Ruhe herumrennen lässt: man will ihn, Herrn Fish, nur müde werden lassen, um ein leichtes Spiel mit ihm zu haben. Diese Erkenntnis steigert nur noch den Hass und die Wut, die Herr Fish auf die ehrenwerten Mitglieder der Familie Strong hat. Er will nicht mehr warten.

Herr Vandercock sollte die Briefe Marjories gleich zu Gesicht bekommen.

Er wusste auch, sie würden bei den blumenhaft anmutenden Brautjungfern Interesse finden.

Es ist nicht leicht, die Briefe unbemerkt auf die Tische zu legen, denn die Kapitäne behalten Herrn Fish scharf im Auge. Andererseits möchte er um keinen Preis den Augenblick versäumen, in dem das Auftauchen der Briefe bekannt würde, wenn sich die hämischen Augen auf Marjorie und den großmächtigen H. W. richteten. Er sagt sich zwar, dass auf diese Weise seine Chancen, je Geld für die Briefe zu erhalten, gleich Null würden. Aber jetzt wollte er sich wenigstens rächen, vor allem rächen für die Gleichgültigkeit, die Nichtachtung, mit der man sein Erscheinen aufgenommen hatte. Herr Strong tat so, als ob es das Natürlichste auf der Welt wäre, dass er, Herr Fish, bei Marjories Hochzeit als Kellner diente. Nun, man sollte etwas erleben.

Herr Fish entnahm seinem Briefpaket vorsichtig eine Anzahl Blätter; er möchte sie zu gern noch schnell durchsehen, um sie an die richtigen Adressen zu verteilen, aber dazu bleibt keine Zeit übrig, er muss flink und vorsichtig sein. Und schon ist der Streich geführt!

In der Küche bemächtigt sich seiner eine nicht geringe Erregung. Was wird geschehen, wenn er wieder den Saal betritt? Wird man ihn sofort hinausschmeißen? Werden die Gäste lachen und kichern über den jungen Ehemann und Marjorie? Und Herr und Frau Strong, die würdevollen Eltern, werden sie immer noch so majestätisch tun? Wird Herrn Strong die Einsicht gekommen sein, dass es besser für ihn gewesen wäre, weniger geizig zu sein? Herr Fish macht seine Kollegen aufmerksam, dass sie sich auf ein amüsantes Zwischenspiel gefasst machen könnten, und bittet sie, herumzuhorchen, was die Gäste sprächen. Es dauert eine ganze Weile, bis Herr Fish mit kalten Händen und einem Kitzelgefühl in der Kehle und einigem Herzklopfen wieder den Festsaal betritt.

Er kann keinerlei Änderung in der Stimmung bemerken. Sind diese Leute wirklich so gleichgültig, dass sie durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind? Sogar die Freundinnen Marjories, auf die er so bestimmt gerechnet hat, machen eher ein gelangweiltes Gesicht.

Aber schon ruft ihn Herr Vandercock zu sich. Aha, er hat etwas Besonderes mit ihm vor. Er hält die Blätter in der Hand, die Herr Fish vor sein Gedeck gelegt hatte. Er ist in sehr jovialer Stimmung.

»Das ist brav, junger Mann. Sie waren es doch, der die Blätter verteilt hat, nicht wahr? Das gefällt mir, ein junger Mann in der heutigen Zeit, der noch Gedanken für Gott übrig hat und sich um das Seelenheil seiner Mitmenschen sorgt. Sie gefallen mir, junger Mann. Sie wissen, ich bin beauftragt, die Außenreklame für unsere Kirchen und Bethäuser zu besorgen; ich glaube, ich werde Sie brauchen können. Ich gebe Ihnen eine Chance, kommen Sie morgen vormittag in mein Büro.«

Herrn Fish erscheint diese Rede reichlich merkwürdig. Er war auf alles eher als das gefasst. Die Worte Vandercocks sind reichlich dunkel. Trotzdem beeilt er sich, sein Kommen zu versprechen.

Aber jetzt hört er Mildred Allen, eine Freundin Marjories, sprechen. Nicht etwa mit gesenkter Stimme, sondern laut und deutlich. Sie weist ganz offen auf ihn. So etwas, was sich dieser Kellner hier erlaubt, ist nur in Amerika möglich. Uns mit Bibelzitaten zu kommen! Er sollte in die Mission zu den Obdachlosen gehen.«

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06 aralık 2019
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