Kitabı oku: «VERNETZT», sayfa 2

Yazı tipi:

3

Peter stand fassungslos neben dem Kleiderschrank, aus dem seine Frau ihre Kleidung riss.

»Ich habe echt genug! Du bestimmst mein Leben nicht! Ich hasse deine elende Pedanterie!«, schrie sie ihn mit hochrotem Kopf an. Einige Kleider fielen zu Boden. Als er sich danach bücken wollte, fegte Moni sie mit einem Fuß auf die Seite. »Finger weg von meinen Sachen! Ich verschwinde und du wirst mich nicht davon abhalten.«

Er wusste noch gar nicht, ob er sie aufhalten sollte, eigentlich wollte er nur wissen, warum sie so ausflippte. Der Zipfel eines Rocks hing aus dem Koffer. Instinktiv griff Peter danach und schob den Stoff zurück.

»Nimm die Hände weg! Ich packe meine Koffer so unordentlich, wie ich will.«

Er zuckte zurück und steckt die Fäuste sicherheitshalber in die Hosentaschen.

»Was ist schlecht an Ordnung?«, fragte er, sich keiner Schuld bewusst.

»Nichts! Gar nichts! Ich bin auch ordnungsliebend, aber was du tagtäglich aufführst, hat mit normaler Ordnung nichts zu tun. Wenn ich die Dusche sauber gemacht habe, richtest du den Brauseschlauch aus. Das Fernsehheft liegt exakt im rechten Winkel zur Tischkante. Die Konserven, eine strammstehende Armee. Das ist nicht normal.«

Sie sah gar nicht hübsch aus mit dem verzerrten Gesicht. Konnte sie sich nicht einfach beruhigen und vernünftig werden? Ob es doch an ihm lag? Wahrscheinlich eignete er sich nicht für eine Beziehung, aber es gefiel ihm nicht, ohne Gegenwehr klein beizugeben. »Ach komm schon Moni! Das ist doch kein Grund, sich zu trennen. Lass uns darüber reden. Ich könnte mich ändern, wenn dich das alles so stört.« Eine Zeit lang könnte er sich bestimmt zusammenreißen.

»Das kannst du nicht. Dein Verhalten ist zwanghaft. Du gehörst auf die Couch eines Psychiaters.«

Nun wurde er aber langsam wütend. Was bildete Moni sich ein, ihn zum Psychiater zu schicken? Sie wusste genau, was er von diesen Fredis hielt. »Ich brauche keinen Seelenklempner! Diese Psychoheinis finden doch an jedem etwas auszusetzen. Die würden selbst bei dir fündig.« Oh ja! Wenn sie abwesend Löcher in die Luft stierte und sich dabei am Kopf kratzte, sah sie ganz und gar nicht aus wie eine Person, die ihn in Behandlung schicken durfte.

»Ach ja? Das wird ja immer besser! Lass dich einmal, nur ein einziges Mal, auf etwas ein, das du nicht kontrollieren kannst.«

Was war nur in Moni gefahren? Er ermöglichte ihr einen Lebensstandard, den sie alleine nie und nimmer zuwege gebracht hätte. Langsam hörte der Spaß wirklich auf. »Wozu sollte das gut sein? Ich fühle mich wohl, wenn ich die Dinge im Griff habe. Und du, meine Liebe, du profitierst davon.« Genau. Das musste einmal gesagt werden.

»Ich profitiere? Bist du vollkommen übergeschnappt?«

Sie sah aus, als wollte sie handgreiflich werden. Sollte sie es doch versuchen! Er würde sie nicht zurückhalten. Herausfordernd blickte er auf sie hinunter. Einsneunzig gegen einssechzig. Ein Witz! Von wegen übergeschnappt.

»Du vergisst, wer sich um deine Finanzen kümmert, wer deine Steuererklärung macht, wer dieses Haus gekauft hat, in dem du wohnst …«

»… gewohnt hast. Ich ziehe aus! Das Leben tanzt nicht nach deiner verdammten Pfeife und ich auch nicht länger.«

»Das habe ich nie verlangt. Was ist denn nur mit dir los?«

Sie schrie schon, seit er die Zahnpaste heruntergedrückt hatte, damit die Tube auf dem Verschlussdeckel stehen konnte, wie der Hersteller sich das gedacht hatte. Es sei ihr egal, ob die Tube stehe oder liege.

»Du bist los. Du mit deinem Ordnungswahn. Ich ertrage das nicht mehr. Aber egal. Ich verschwende meinen Atem nicht mehr an jemanden, der eh alles besser weiß.«

»Sag nur, was du meinst. Immer raus mit der Sprache.« An seiner Ordnungsliebe alleine konnte es ja kaum liegen.

»Du gehst nur in Restaurants, die wir kennen, ich würde gerne mal etwas Neues ausprobieren.«

»Stimmt nicht, wir haben auch schon …..« An dieser Stelle fiel Moni ihm ins Wort: »Wann? Kannst du dich noch erinnern, wann das war?«

»Also nicht so exakt.«

»Es ist Jahre her! Jahre!«

»Aber die, die wir getestet haben, taugten nichts, das weißt du selbst, oder hast du das vergessen?«

»Deshalb muss man noch lange nicht damit aufhören. Mann! Und wie sieht es mit neuen Produkten, einem neuen Haarschnitt oder einem neuen Reiseziel aus? Keine Chance mit dir! Ich bin noch keine hundert Jahre alt, ich will noch was erleben! Du kannst ja hier versauern, aber ohne mich.«

»Ach komm schon. So schlimm bin ich gar nicht, und wenn ich mich anstrenge, kann ich sehr wohl noch neue Dinge ausprobieren.«

»Ha, das glaubst du doch selbst nicht! Du und Neuland, dass ich nicht lache.«

»Wetten?«

»Nein, ich wette nicht mit dir, ich werde nicht mehr hier sein, um zu sehen, ob dein Versuch glückt. Aber wenn wir schon dabei sind, wüsste ich, was geeignet wäre …..«, sie schien es spannend machen zu wollen, denn sie ließ den Satz unvollendet.

»Sag schon! Immer raus mit der Sprache.«

»Wenn du mich fragst, solltest du dir dieses neue Buch kaufen, das in der Zeitung besprochen wurde.«

Er hatte keine Ahnung, wovon sie sprach. Bevor er nachfragen konnte, fuhr sie fort: »Das Buch, bei dem die Leser sich auf verschiedenen Internetseiten die Kapitel zusammensuchen müssen. Das wäre mal eine gute Übung für dich …« Sie schloss die Koffer, obwohl noch Kleiderzipfel hervorlugten. Aber gut, das war nicht mehr sein Problem.

»Den Rest lasse ich abholen.« Je einen Koffer in der Hand stampfte sie aus dem Schlafzimmer und führte ihr Werk im Bad fort.

Mit einem hatte Moni allerdings recht. Er konnte diese Dinge, die ihr so auf den Geist gingen, nicht so einfach abstellen. Schon als Kind war er ein ordnungsliebender Mensch gewesen und auch als Erwachsener konnte er beim besten Willen nichts finden, was dagegengesprochen hätte. Er verlangte ja von Moni nicht, dass sie es ihm gleichtat. Nein, ganz im Gegenteil, stillschweigend räumte er hinter ihr her, wenn sie Staub geputzt hatte. Konnte es so schlimm sein, wenn jedes Ding an seinem Platz stand? Wenn die Ölflaschen im Abstellraum mit der Vorderseite nach vorne standen und man so auf einen Blick wusste, um welches Öl es sich handelte? Und hielten Brauseschläuche nicht länger, wenn sie nicht verdreht wurden? Das alles sollte so schlimm sein, dass man deshalb verlassen wurde? Nun, wenn dem so war, konnte er es auch nicht ändern, dann hatten sie vielleicht von vornherein nicht zusammengepasst. Er würde auch alleine wunderbar klarkommen, schließlich war er garantiert nicht auf Moni angewiesen.

Gut, dass die Trennung keinerlei finanzielle Nachteile für ihn brachte. Als verfügte er über einen sechsten Sinn, hatte er auf Ehevertrag und Gütertrennung bestanden. Jetzt zeigte sich, wie richtig diese Entscheidung gewesen war.

Ach was! Er hatte seine Ehe vermasselt und stand wieder alleine da. Aber er ließ sich nicht unterkriegen. Bestimmt gab es auf dieser Welt Frauen, die seine Ordentlichkeit schätzten.

Er blieb in Gedanken versunken stehen. Drei Jahre Ehe und sie lief davon, als hätten sie sich gestern erst kennengelernt. Unfassbar.

Da draußen liefen Verbrecher herum, Obdachlose, und Männer, die ihre Frauen schlugen, und seine Frau lief ihm davon, weil er ein ordentlicher Mensch war.

Auf ihrem Nachttisch lag die Zeitung. Er nahm sie zur Hand und suchte nach diesem Buch, von dem Moni gesprochen hatte. Ein Thriller, in dem es um eine Frau ging, die einen Vergewaltiger ermordete.

Er würde sich das Buch kaufen. Nur um sich zu beweisen, dass Moni unrecht hatte. Die Eingangstür krachte hinter Moni ins Schloss.

4

Sue musste nicht klingeln; kaum war sie aus dem Taxi ausgestiegen, sprang der Familienhund an ihr hoch. Sie kannte die Art der Begrüßung, weshalb sie sich ihm breitbeinig entgegenstellte. Der Bobtail hätte sie sonst umgeworfen. Chris, die das Spektakel offensichtlich mitbekommen hatte, stand in der Tür und rief Sir Henry zurück. Selbstverständlich reagierte der Hund nicht. Ein Hund von Adel hatte seinen eigenen Kopf. Nicht zum ersten Mal fasste Sue den Entschluss, Sir Henry einmal in einen Roman einzubauen. Sie hielt ihn für den tollsten Hund auf der ganzen Welt. »So jetzt reichts aber! Henry aus!«, rief Chris. Sue und Sir Henry blickten Chris mit großen Augen an und trotteten ins Haus. Sir Henry machte es sich unterm Tisch bequem, wo er wusste, dass immer etwas für ihn abfiel, obwohl offiziell kein Familienmitglied etwas davon hielt, dem Hund mit Tischabfällen zu füttern. Sue wurde von Chris umarmt, als hätten sie sich seit Jahren nicht gesehen. »Mann, ich freue mich so für dich, Sue. Komm mit.« Sie zog sie in die geräumige Küche und drückte ihr ein Glas Champagner in die Hand. »Auf dich! Auf deinen Erfolg.«

»Oh, nun übertreib doch nicht gleich«, bat Sue, obwohl sie sich freute, und stieß mit ihrer Freundin an. Das erste Glas war schnell geleert. Sie setzten sich und Sue musste ausführlich von der Lesung berichten. Alles wollte Chris wissen: Wer was getragen hatte, den genauen Wortlaut der Zuschauerfragen, wie sie sich in welchem Moment gefühlt hatte und so weiter.

Erst als sie beim Abendessen mit Alex angekommen war, verfinsterte sich ihre Mine. Sue wusste, dass Chris nicht gut auf Alex zu sprechen war. Sie mochte ihn nicht und sie fand es nicht gut, dass Sue ihn zu nahe an sich heranließ.

»Guck nicht so, Chris. Es war ein sehr schöner Abend und Alex wäre beleidigt gewesen, wenn ich seine Einladung nicht angenommen hätte.«

»Wetten, er macht sich wieder Hoffnung.«

»Ach quatsch. Tut er nicht. Ich halte ihn schon auf Distanz.«

»Ja, klar, mit gemeinsamen Abendessen.«

Chris füllte ihre Gläser und Sue versuchte, das Thema zu wechseln. Das ließ Chris allerdings nicht zu.

»Im Ernst Sue, ich habe kein gutes Gefühl dabei. Du solltest ihm wirklich klarmachen, dass er sich keine Hoffnungen machen darf. Ich kann ihn zwar nicht leiden, aber wer weiß, wozu so einer fähig ist, wenn er abgewiesen wird. Ich will dich nicht verprügelt auf dem Boden oder mit gebrochenen Knochen im Krankenhaus finden …«

»Jetzt mach aber mal halblang, Chris! Alex ist doch kein Schläger! Ich weiß nicht, wie du überhaupt auf so etwas kommst.«

»Naja, ich hab seine Frau oft genug mit Blessuren gesehen und wer weiß, ob er bei dem ›Unfall‹ nicht auch seine Finger im Spiel hatte.«

»Chris! Mann, mit so was macht man keine Scherze!«

»Das war kein Scherz.«

»Du solltest solche Dinge nur von dir geben, wenn du Beweise hast. Sonst ist das üble Nachrede. Dafür kannst du angezeigt werden.«

»Ich weiß ja, wem ich es sagen kann. Im Verein würde ich das so nicht von mir geben, obwohl es dort genug Leute gibt, die nicht an einen ›Unfall‹ glauben.«

»Ich glaube das nicht. Alex ist ein komischer Kauz, aber müssen denn immer alle Menschen gleich sein? Darf niemand mehr seine Eigenheiten haben? Zu mir ist er immer ausgesprochen liebenswürdig …..«

»Ja, klar, Sue! Der macht sich Hoffnungen. Der konnte seine Frau ja gar nicht schnell genug unter die Erde bekommen, um bei dir schön Wetter zu machen. Und du weißt das ganz genau.«

»Natürlich bemerke ich die Blicke, ich ahne, dass er sich mehr verspricht, aber ich muss ihm ja nicht gleich vor den Kopf stoßen. Wir sind Nachbarn, die sich mögen, nicht mehr und nicht weniger.«

»Das ist so ein Typ, der sich ermutigt fühlt, wenn er keine klare Ansage bekommt. Du musst ihm ja nicht sagen, dass er ein Arsch ist, du kannst ja bei nächster Gelegenheit mal einfließen lassen, dass du dich nicht wieder binden willst. Ich schätze, das kapiert er. Dann werden wir ja sehen, wie sich das Nachbarschaftsverhältnis entwickelt.«

Vielleicht hatte Chris recht. Aber wenn sie ganz ehrlich war, schmeichelte es ihr, sich begehrt zu fühlen. Besonders in einem Alter, in dem das nicht mehr so oft vorkam. Aber natürlich sollte sie keine falschen Hoffnungen wecken. »Also gut, aber dann will ich von dem Thema nichts mehr hören. Verstanden?«

»Du sagst es ihm?« Ungläubig sah ihre Freundin sie an.

»Ja, bei nächster Gelegenheit.«

»Versprochen?«

»Versprochen!«

»Gut, dann wollen wir mal von erfreulicheren Dingen reden …«

Sue schwebte eine Woche nach der Premierenlesung noch auf Wolke sieben. Manchmal fühlte es sich an, als würde sie vor lauter Glück platzen. Sie wurde zu Lesungen, Interviews und Talkshows eingeladen. Nie im Leben hätte sie gedacht, dass ihr Buch so einschlagen würde. Wie Manuel berichtete, gab es Anfragen von größeren Verlagen, die Lizenzen erwerben wollten. Ob sie den Anfragen entsprechen würden, wollten sie gemeinsam entscheiden.

Bis jetzt gab es durchweg positive Resonanz. Klar, dass die Stänkerer und Neider sich über kurz oder lang zu Wort melden würden, aber diese Stimmen würde sie einfach ignorieren. Das nahm sie sich vor, obwohl sie wusste, dass sie sich nicht daran halten konnte. Diese verflixte Neugierde. Hinterher würde sie sich nur wieder ärgern.

Alex mauserte sich langsam, wie von ihr erhofft, zu einem Vorfilter. Er las alle Artikel, die er über sie und ihr Buch fand, und sagte ihr dann, was er für unbedenklich und erfreulich hielt. Artikel, über die sie sich aufregen würde, in denen zum Beispiel behauptet wurde, der Roman sei dialoglastig, verbot er. Na ja, er verbot sie nicht direkt, denn dann hätte sie die bestimmt gelesen. Viel mehr gab er ihr zu verstehen, dass die Kritik nicht nach ihrem Geschmack sei.

Um Chris gegenüber kein schlechtes Gewissen zu haben, hatte Sue gleich nach ihrem Besuch bei Chris Alex wissen lassen, dass sich nicht vorhatte, sich noch einmal zu binden. Einen Unterschied in seinem Verhalten konnte sie danach nicht feststellen. Er blieb der zuvorkommende Nachbar, der ihr half, wo er konnte, der einsprang, wenn man ihn brauchte, und blieb der nette Kerl, auf den sie sich verlassen konnte. Entweder Chris und sie hatten sich sein Interesse nur eingebildet oder er verkraftete die Abfuhr besser als gedacht.

Alex klingelte an der Haustür. Er hatte sich angekündigt, um den Schlüssel abzuholen. Sue wollte eine Lesereise machen und Alex würde sich in der Zeit um ihre Pflanzen kümmern und die Post aus dem Kasten holen. Seit einem Jahr übernahmen sie gegenseitig Freundschaftsdienste.

»Komm rein, Alex. Kaffee, Bier oder Wasser?«

Er schüttelte den Kopf. »Nur den Schlüssel. Ich muss noch arbeiten.«

Sue händigte ihm einen Schlüssel aus. Alex nickte und steckte ihn in die Hosentasche.

Sie hatte überlegt, den Ersatzschlüssel dauerhaft bei ihm zu deponieren. Jedes Mal, wenn sie kurz davor stand, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, sah sie sich im Bett liegen, tief und fest schlafend, während Alex langsam die Treppe hinaufkam, im Türrahmen stehen blieb und sie betrachtete.

Unter dieser Beobachtung wurde sie wach. Bevor sie eine Silbe sagen konnte, beugte er sich über sie und hielt ihr den Mund zu. Und sie wusste, wie es weitergehen würde, denn sie sah trotz der Dunkelheit die Lüsternheit in seinen Augen aufblitzen. In solchen Momenten verfluchte sie ihre Fantasie.

Es stimmte zwar, dass Alex nicht abgeneigt gewesen wäre, wenn sie ihm Avancen gemacht hätte, aber nie im Leben würde er ihr Gewalt antun. Dennoch hatte sie den Plan, ihm den Schlüssel ganz zu überlassen, doch nicht umgesetzt.

»Danke, Alex, du bist ein Schatz. Am Mittwoch bin ich zurück. Wenn was ist, melde dich, ich nehme Handy und Laptop mit.«

»Mach ich. Ich wünsche dir viel Erfolg. Tschüss dann.«

Irgendwie hatte sie den Eindruck, dass er nicht ganz bei der Sache war. Er wirkte so – hm, wie sollte sie sagen? – abwesend. So, als wäre er in Gedanken ganz woanders. Ob er Stress im Job hatte? Als Niederlassungsleiter musste er für Umsätze sorgen. Einerseits ging das allen Vertriebsleuten so, aber auf der anderen Seite macht seine Firma keinerlei Werbung. So erreichte er natürlich viel weniger Publikum, als der Teppichhandel nebenan, der mindestens einmal in der Woche eine große Anzeige in der Badischen Zeitung brachte. Scherzhaft hatte er Sue schon oft gefragt, ob er seine Kunden mit dem Lasso einfangen solle. Irgendwie fand sie das nicht fair. Wenn niemand wusste, dass es den Laden überhaupt gab, wer sollte ihn dann besuchen? Sie riet ihm dann immer, er solle der Geschäftsleitung erklären, dass er nur dann für die Umsätze verantwortlich zeichnen könnte, wenn er von denen Unterstützung bekam.

Oder war was mit den Kindern? Seit seine Frau gestorben war, kamen die immer seltener zu Besuch. Was sie durchaus verstand. Denn zu denen hatte er einen ganz anderen Draht als zu ihr. Er schien immer noch nicht verstanden zu haben, dass es eben keine Kinder mehr waren, die noch dazu ihre eigenen Wege gingen. Klar, er meinte es nur gut, aber fast immer, wenn sie ihn besuchten, gab es Knatsch und jedes Mal fühlte sich Alex völlig unschuldig. Er war schon ein seltsamer Typ.

Aber ihr gegenüber benahm er sich immer einwandfrei, wurde nie laut, auch nicht, wenn sie Meinungsverschiedenheiten hatten. Und er war immer für sie da. Er hatte sie kein einziges Mal abgewiesen, wenn ihr die Decke auf den Kopf gefallen war. Er hatte Verständnis dafür, dass diese Treffen überwiegend bei ihr stattfanden, und immer fand er tröstende Worte, wenn sie sich mal über ihren Lektor, oder über Forenkollegen aufregte. Wenn es sein musste, was selten der Fall war, nahm er sie auch mal in den Arm.

Sie sorgte allerdings dafür, dass das nicht so häufig vorkam. Irgendwie mochte sie Alex, aber in seinem Arm fühlte sie sich nur sehr kurz wohl.

Distanz! Solange sie ihn als Nachbarn und guten Bekannten sehen konnte, war alles in Ordnung. Mehr wollte sie nicht und mehr würde auch nie stattfinden. Bei dem Gedanken an mehr schüttelte sie sich und fragte sich sofort, warum eigentlich. Denn im Prinzip hielt er sich ganz gut für sein Alter. Bis auf wenige graue Stellen war sein Haar noch dicht und dunkel. Er hielt sich fit, hatte ein breites Kreuz und war überaus freundlich. Eigentlich der perfekte Mann, oder? Naja, er prahlte gerne. Er wusste vieles angeblich besser, was dann aber oft nicht den Tatsachen entsprach. Bagatellen für Sue, die oft einfach das Thema wechselte, statt mit ihm zu streiten. Alex war schlicht der nette Nachbar und da konnte sie auch mal über die eine oder andere Schrulle hinwegsehen.

5

Dieses Buch gefällt mir wirklich gut. Die Autorin kann schreiben. Schön, zu sehen, wie erfolgreich der Roman überall besprochen wird. Auch wenn der Lektor manches durchgehen ließ, was ich verbessert hätte. Aber es fällt ja außer mir niemandem auf.

Die kleinen Aufgaben, die ich lösen muss, bevor ich mir die Kapitel herunterladen kann, machen Spaß. Ich erfahre mehr über die Autoren, Künstler, Verlage und all die anderen. Sie berichten von Neuerscheinungen, Lesungen und weiteren interessanten Dingen. Sehr informativ. Eine gute Idee, diese Art der Veröffentlichung. Zuerst war ich ja skeptisch, denn ich bin eigentlich kein Gamer. Wenn ich mir ein Buch kaufe, dann will ich es lesen und keine Aufgaben lösen, aber ich muss zugeben, es ist kurzweilig und die Aufgaben sind nicht schwer zu lösen.

Das nächste Kapitel versteckt sich auf der Seite von Bernd Schwarz. Interessant, was der Mann alles treibt.

Wo ist dieses verfluchte Kapitel? Ich hole mir erst mal ein Bier. Erwartet der Mann im Ernst, dass ich mich durch alle Leseproben arbeitete? Das kann nicht sein Ernst sein! So, noch einmal von vorne. Nichts! Kein Hinweis, geschweige denn, das Kapitel. Ob man doch die Leseproben lesen muss? Das sind sicher fünfzig Stück. Naja, ich kann ja mal anfangen. Bevor ich starte, hole ich mir noch ein Bier.

Extraterrestrische Wesen, Raumgleiter, Faser, schwarze Löcher, Kometenregen, Schrott! Mist!

Wie ich diesen Dreck hasse. Science-Fiction! Ich kann den Kram beim besten Willen nicht lesen. Und obwohl ich mir diesen Mistdreck schon eine halbe Stunde reinziehe, habe ich immer noch keinen Hinweis gefunden. Jetzt brauche ich etwas Stärkeres als Bier. Gin Tonic? Nein, ich will nichts Gemischtes. Ein doppelter Weinbrand passt besser.

Was bildet sich dieser Parasit eigentlich ein? Er wurde von der Autorin auserwählt, profitiert von ihr und lässt die Leser auf seiner verdammten Seite verhungern.

Ich hinterlasse dem Kerl eine Nachricht im Gästebuch:

Sehr geehrter Herr Schwarz,

ich habe den Roman »Endlich quitt« von Susanne Blumberg in der E-Book-Ausgabe, der Kapitel fehlen. Ich habe mir Ihre Seite eine Stunde lang angesehen, jedoch keinen Hinweis entdeckt, wo Sie das Kapitel versteckt haben. Sind Sie bitte so nett und geben mir einen Tipp?

Vielen Dank.

Fan

fan@gmx.de

Wenn ich hier vorm Rechner bleibe und auf Antwort warte, werde ich verrückt. Gut, dann gehe ich halt eine Runde um den Block.

Die Lauferei hat mich ausgelaugt. Mein Kühlschrank ruft. Mit einem Bier setze ich mich an den Rechner und checke meine Nachrichten. Nichts! Der Mann hat echt Nerven. Warum lässt er mich zappeln?

Ich hätte mir besser ein Wasser holen sollen. Wenn ich wütend bin und trinke, verpasse ich immer den Moment, an dem ich aufhören sollte.

Ach, scheiß drauf!

Wenn er jetzt hier wäre, würde ich die Information aus ihm herausprügeln. Ich schwitze.

Gut, eine Chance gebe ich ihm noch.

Herr Schwarz,

ich muss sagen: Es ist keine Art, Fans zu ignorieren. Bitte schicken Sie mir umgehend einen Hinweis, wo ich das nächste Kapitel von Frau Blumbergs Roman finde.

FAN

fan@gmx.de

Lass mich mal gucken, ob ich auf der Website der Autorin Hinweise finde.

Nichts. Fragen kann ich sie auch nicht, sie ist auf Lesereise.

Gut, dann gucke ich halt im Buch nach.

Aha, Meli Hansen hat das gesuchte Kapitel ebenfalls.

Oh, Mann heute ist echt nicht mein Tag. Historische Romane!

Geht es noch langweiliger? Was denken diese Weiber sich dabei, Heldinnen zu erfinden, die es so nie gegeben hätte?

Hintergrundinfos. Wo steht diese Burg, wer bewohnte sie? Was soll das? Das interessiert kein Schwein.

Wutentbrannt schmeiße ich den Locher an die Wand und beobachte, wie sich das ausgestanzte Papier daraus ergießt wie Schnee.

Konfetti brauch ich nicht mehr kaufen.

Scheiße, jetzt habe ich eine Delle in der Wand!

Ich trete an das Tischbein.

Worauf habe ich mich da nur eingelassen? Ich bin diesen Leuten ausgeliefert! Sie alleine entscheiden, wann ich weiterlesen kann. Ob ich mir die gebundene Komplettausgabe kaufen soll?

Nein! Ich habe mich auf dieses Spiel eingelassen und nun müssen sich alle Teilnehmer an die Regeln halten. Selbst, wenn ich ihnen das erst beibringen muss.

Dieser Schwarz, was ist das für ein Typ?

Ups, die Flasche ist leer. Noch ein Bier oder noch ein Weinbrand?

Erst das eine, dann das andere! Haha!

Kann man so bekloppt sein? Der Mann heißt Schulze, nennt sich als Autor Schwarz.

Total meschugge.

Er wohnt circa zwei Stunden entfernt, im Stuttgarter Raum. Nicht zu weit, als dass ich ihn nicht besuchen könnte.

Er führt eine Beratungsfirma und ist Diplom-Ingenieur.

So, so! Dem Ingeniör fällt nix schwör!

Außerdem lektoriert er für einen kleinen Verlag, der sich auf die Veröffentlichung von Kurzgeschichten spezialisiert hat. Interessant.

Er gehört mehreren Schreibforen an und nimmt regelmäßig an sogenannten Cons, kleinen, regionalen Buchmessen, teil. Das wird immer besser.

Faszinierend, wie einfach es ist, über das Internet an Informationen zu gelangen. Der Mann bietet Freeware an, die Interessenten downloaden können, und verlinkt großzügig zu Foren und Autoren.

Ein letzter Blick ins Postfach. Nichts.

Gut, der Mann will es nicht anders.

Bernd ließ seine Aktentasche im Flur stehen, tappte müde in die Küche und öffnete eine Bierflasche. Wie er das Zischen liebte. Mann, das hatte er sich verdient. Vor jedem Seminar teilte er den Firmen mit, welche Grundvoraussetzungen er von den Teilnehmern erwartete. Nicht ein einziges Mal hielt man sich daran. Für ihn hieß es dann, Grundlagen zu vermitteln und durchs Programm zu hetzen. Pausen wurden reduziert, Fenster aufgerissen, damit ihm seine Schüler nicht einschliefen, und die Heimreise fand regelmäßig später statt. Er gähnte mit offenem Mund. Ein Blick auf sein Telefon verriet: Er hatte drei neue Nachrichten. Sollte er bis morgen warten? Nein. Womöglich stammten sie von seiner Tochter. Bei dem Gedanken lächelte er. Wahrscheinlich brauchte Mia mal wieder eine kleine Finanzspritze.

»Herr Schwarz oder Schulze, wie Sie wollen, entweder Sie antworten mir jetzt oder ich werde andere Seiten aufziehen.« Eine männliche Stimme, tief, voll und wohltönend, die nicht zum Text passte. Was sollte das? Ein Irrer? Wieso sprach der Mann ihn sowohl mit seinem Künstler- als auch mit seinem Realnamen an? Was wollte der Kerl überhaupt von ihm?

Bernd hörte sich die nächste Nachricht an: »Sie Schmierfink sagen mir jetzt endlich, wo ich das Kapitel finde, oder ich sorge dafür, dass Sie sich so ärgern, wie ich es gerade tue.« Schmierfink? Hatte er ihn wirklich so genannt? Dieser Verrückte! Es ging um Sues Roman. Die Autorin hatte ihn gefragt, ob er Lust hätte, eines ihrer Kapitel zu verstecken. Er hatte sich darauf eingelassen, weil ihm die Idee gefiel. Endlich mal was Neues. Tatsächlich war die Anzahl der Homepagebesucher mit dem Erscheinen des Buches gestiegen.

Bis jetzt hatte alles wunderbar geklappt. Und nun kam ein Irrer daher und spielte sich auf? Drohte ihm? Nun, da hatte der Mann sich den falschen Gegner ausgesucht. Wer ihn ins Bockshorn jagen wollte, der musste früher aufstehen. Erheblich früher.

Obwohl ihm die Lust vergangen war, hörte er sich die letzte Mitteilung an: »Ich weiß, wo Sie wohnen. Ich weiß, wo Sie arbeiten. Und, das dürfte Sie interessieren: Ich weiß, wo ich Ihre Tochter finde. Also kriege ich jetzt mein Kapitel oder muss ich Mia besuchen?«

Was hatte der Kerl da gesagt?

Das durfte ja wohl nicht wahr sein, oder? Der Kerl bedrohte nicht nur ihn, sondern auch seine Tochter?

Er sollte die Polizei einschalten, damit die den Kerl kassierten und in eine Gummizelle steckten. Eine verdammte Unverschämtheit! Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein?

Dass alle nach seiner Pfeife tanzten?

Das konnte er sich abschminken. Und zwar ein für alle Mal! Er sollte Mia warnen.

Es dauerte endlos, bis sie endlich abnahm.

»Hallo?«, meldete sie sich. Bernd hatte sie so oft gebeten, sich mit Namen zu melden. »Mia?«

»Wer sonst?«

Immer einen frechen Spruch auf den Lippen, typisch. »Wie geht es dir?«

»Gut, Paps, und dir?«

Mia klang nicht sonderlich angespannt.

»Ich bin sauer! Ein Irrer bedroht mich und er sagt, er weiß, wo du wohnst. Bitte sei in den nächsten Tagen vorsichtig. Achte auf Fremde.«

»Ich verstehe nur Bahnhof. Noch einmal langsam zum Mitschreiben, bitte.«

»Ich habe dir erzählt, dass ich für Susanne Blumberg ein Kapitel auf meiner Homepage versteckt habe.«

»Ja.«

»Einer ihrer Leser spinnt. Er hat auf dem AB wüste Drohungen, auch gegen dich, hinterlassen.«

»Der soll ruhig kommen! Ich will mein Pfefferspray schon lange mal ausprobieren.«

Gut zu wissen, dass Mia sich notfalls verteidigen konnte; er lachte auf. »Mia, dein Kampfgeist gefällt mir, aber ich will nicht, dass du dich auf eine Konfrontation einlässt. Mit Verrückten ist nicht zu spaßen. Ich möchte, dass du dich in Acht nimmst und dich von Fremden fernhältst. Verstanden?«

»Mach dich nicht verrückt. Ich passe schon auf mich auf. – Was will der eigentlich von dir?«

»Ein Kapitel.«

»Kapier ich nicht. Dann gib ihm das Kapitel. Das ist die Abmachung, oder?«

Natürlich wäre das der einfachste Weg. Aber er dachte gar nicht daran, sich einer Drohung! zu beugen. »Klar, aber nicht auf diese Art! Wenn der Mann, wie alle anderen, die Aufgabe löst, bekommt er sein Kapitel. Er kriegt es nicht, nur weil er ausfallend, beleidigend und frech wird!«

Mia lachte. »Tja, dein Irrer hat sich wohl mit den falschen Leuten eingelassen, was, Paps?«

»Ganz genau! Aber du versprichst mir, dass du aufpasst, ja?«

»Versprochen.«

»Danke. Ich melde mich, wenn es etwas Neues gibt.«

Routinehalber prüfte er, ob der Anrufer eine Nummer hinterlassen hatte. Unterdrückt. Klar! So ein Idiot. Wie sollte er ihm antworten, wenn er keine Nummer hinterließ?

Mit einem Mal lief es Bernd eiskalt den Rücken hinunter. Der Mann hatte wahrscheinlich nicht nur auf dem Anrufbeantworter Drohungen hinterlassen. Mit einem unguten Gefühl und Grummeln im Bauch setzte Bernd sich an seinen Rechner. Erst noch einen Schluck zur Stärkung. Nervös trommelte er mit den Fingern auf die Tischplatte, während der PC hochfuhr.

Ach du meine Güte! Der Kerl hatte alle Postfächer zugespamt. Lasen sich die ersten Nachrichten noch harmlos, wurden sie mit jeder weiteren Mail unverschämter. Bernd schwitzte. Die Bierflasche flutschte ihm aus der Hand und knallte auf den Tisch. Gut, dass sie leer war. Er holte sich eine neue Flasche aus dem Kühlschrank. Irgendwie schmeckte es schal. Im ersten Moment war ihm der Typ unheimlich gewesen, aber jetzt fühlte er sich herausgefordert. Nicht umsonst verdiente er sein Geld mit Informationstechnologie. Bernd überprüfte die Absender. Shit! Nur Anbieter, die es jedermann ermöglichten, unter jedem x-beliebigen Namen einen Account zu eröffnen. Nach dieser Nachrichtenflut hatte der Kerl wahrscheinlich jedes dieser Konten sofort wieder gelöscht. Hier kam er fürs Erste nicht weiter. Bernd prüfte, ob der Irre auf seiner Autorenhomepage gewütet hatte. Nur zwei Einträge und die waren im Vergleich zu den Nachrichten harmlos.

₺188,01
Türler ve etiketler
Yaş sınırı:
0+
Hacim:
240 s.
ISBN:
9783957658326
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip