Kitabı oku: «Papageno in Parga», sayfa 2

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Der Cocktail

Zierlos aber gemütlich. Ich setzte mich an den einzigen noch freien Platz an der Theke der Cocktailbar, vor die Spülbecken, und schaute über freie Tische in meinem Rücken, über vier bereitstehende Computer in einer Ecke des Raums. Ein Nachbar schob mir aus seiner Unterhaltung eine Karte zu und nickte knapp. Ich ging die Liste der Cocktails durch, suchte mir, die Zungenspitze an der Oberlippe, einen Nachttrunk mit Zitrone und Eis heraus.

Als ich bestellt hatte, warb der Barkeeper: „And there we have internet. If you like to surf, just do it.“ Er zeigte zu den Rechnern und nannte einen Viertelstundenpreis.

Mir gefiel die Vorstellung, in der Bar, soweit ich Lust haben würde, Zeitungen und Magazine zu lesen, ins Internet zu gehen, die Gäste und Einheimischen zu beobachten. Der Barkeeper schrubbte ausgiebig ein Glas an einer der Bürsten, sah keck stutzend zu mir herüber. Ich musste lachen, der Klang verdichtete sich zu einem kehligen, fast tonlosen Gegacker. Tränen verblendeten mir die Augen. „Sorry“ stieß ich hinaus, schnappte nach Luft. „It’s just the right place for crying or laughing“, grinste er und breitete einen Arm zur Galerie der Schnäpse, Creams, Säfte und Früchte aus.

Im angeknipsten Licht standen die Möbelstücke, der Klamottenstapel, die Reisetasche, alles stand isoliert, ohne Bindung, je für sich, so als gebe es gar kein Zimmer.

Ich sah durch die Balkontür etwas von der Bettdecke, ging durch den Raum und zog sie von der Schwelle aus in meine Arme. Von dort, aus anderer Perspektive, der gleiche Blick.

Ich warf die Decke aufs Bett, riss den Schrank auf, setzte den Stapel und die Tasche eilig unten auf den Boden und schloss die Tür.

Schon wieder. Ist halt ein Pensionszimmer, so sieht sowas wohl aus. Ich holte den Stapel und die Tasche wieder heraus und postierte sie an alter Stelle.

Mich trieb es nach draußen, auf den Balkon, um vom Geländer aus hineinzublicken. Ein schwaches Licht, dünn und fahrig. Wie könnte da auch ein Zimmer sein. Ich kehrte mich um, sah erst nichts, dann einige Schatten. Wie Bäume, Hügel, gegen den Nachthorizont. Wind fuhr mir über den Rücken, und ich hatte das Gefühl, hinter mir sei nicht nur kein Zimmer, auch überhaupt kein Haus. Bloß nicht umdrehen, dachte ich, der aufkommende … Meine Hände waren auf der Betonbrüstung feucht und kalt geworden. Ich hob einen Handrücken an die Wange. Mein Gesicht brannte. Die Arme, die Beine, der Kopf, in allem flirrte es. „Nicht“, tönte ich und drehte mich herum. Der Raum. Ich ging einen Schritt hinein, doch nichts veränderte sich. Die Hände blieben feucht, das Gesicht brannte, und es schwirrte in mir, als gäbe es dort keine festen Strukturen. Das geliehene Blutdruckgerät, das habe ich zu Hause gelassen, „sogar aus Vorsicht!“ presste ich. Es zu sehen, treibt mir bereits die Spitzen hoch. Und die Tabletten, die sollen bald abgesetzt, nicht wie Klümmchen genommen werden.

Am Spülstein kühlte ich mir das Gesicht. Als ich es abgetrocknet hatte, war die Hitze wieder da. Ein halbes Jahr lang zu warten, auf bessere Zeitumstände, auf ein klärendes Wort, freundschaftlich von dir hingehalten zu werden, bis es öffentlich zu lesen stand: Wir waren längst, längst nicht mehr … „Wie komm ich aus dieser Story raus?“

Ich schnappte mir den Pullover und eilte zum kleinen Hafen. Dort setzte ich mich nieder, auf den Steg, ließ die Beine hinabhängen, starrte aufs dunkle Wasser. Die Wellengeräusche nahmen zu, doch das Element blieb mir fremd, kalt und unnahbar.

Ich legte mich rücklings an die aufgereihten Boote. Das Wasser platschte an die Rümpfe. Oben, ich verwischte das Salz auf meinem Gesicht, die Blitze der Nacht.

Bernice

Ich fror, beugte mich vom Steg hoch. Meine Arme umschlangen die angewinkelten Beine, das Gesicht legte sich auf die Knie. Hätt ich in ihr Gesicht schauen können, vor einem Dreivierteljahr, erkennen dürfen, was bereits fern.

„Du aber“, blickte ich empor, „schnittest symbolisch dein Haar, Bernice, als der jugendliche Liebhaber das Schweigen öffentlich gebrochen hatte. Über Nacht war dein Opfer dort unter den südlichen Sternen, weil es niemand auf Erden entgegennahm. Schertest eine Frau vor dem Spiegel, die mit dem Haarschopf achtlos hingab, was ein halbes Jahr lang in Feigheit geschehen war?!“

Ich rieb mir über die Arme und Beine, stand mit einem Ruck auf. Die Landzunge im Norden, der schiefe Hügel. Im Nachthimmel die Turmreste vom Kastell. Sollt ich mit ihr abrechnen, sie mittelalterlich teeren und federn, dann wär sie Papagenos zausiges Täubchen!

Ich tappte über die Latten des Stegs zur Hafenpromenade.

Bruchstein unter meinen Füßen. – Ich schlich mich als Sprecher, es ist erst eine Woche her, auf einen eiligen Tipp hin in den Studio-Chat, obgleich mein Rechner kaum dafür taugte. Seitdem sich die beiden im Forum online geöffnet hatten, bekam ich keinen Kontakt mehr zu ihr. Auf meine Mails hatte ich keine Reaktion erhalten, ihre Telefonleitung war fortlaufend besetzt gewesen. Am späten Abend fand ich sie noch, gemeinsam mit dem Jungen eingeloggt.

Es waren wenige Teilnehmer seitlich gelistet, fünf oder sechs, mich inbegriffen. Ich konnte mit meinem alten Notebook den im Hauptfenster eintreffenden Textbeiträgen, den je vorangestellten Nicks folgen. Meine anfängliche Nervosität wich, als ich spürte, dass ich keine besondere Beachtung erhielt. Die beiden spielten kapriziös mit ihren Nicks, wechselten, je nach dem, wessen Hände gerade schrieben.

Eingeworfene Sätze, mal von ihr, mal von dem Jungen, hin und wieder ein Kommentar der anderen Chatter. Über geglücktes Fertigpesto und Salat, über die Freude am, sie nannten es Fliegen, übers Erwachsen-, Selbständigwerden, dann übers Führen, übers Dienen. Eine sonderbare ältliche Jugendkreisatmosphäre.

Dort hatte ich nichts verloren, auch nichts aufzuholen, und doch schaute ich gebannt den Mitteilungen zu, ließ, als ich nach einem mich interessierenden Thema gefragt wurde, etwas über Freiheit fallen, registrierte, dass sich Chatteilnehmer verabschiedeten. Wir beide waren plötzlich alleine.

Mit auf Tasten schlitternden Fingern fragte ich dich, wie es dir gehe. Gut, las ich, und als ich mit Flirren im Kopf nichts erwiderte, sehr gut. Da eröffnete ich dir, wer sich hinter dem Sprecher verbarg und fragte dich, ob dir bekannt wäre, dass ich im Winter einen Schlaganfall erlitten hatte. Du gabst mir eine Reihe wirr gehackter Zeichen.

Erfahren wollte ich, weshalb du mir nichts über uns, über euch gesagt hattest, schon im letzten Sommer. Meine Schneidezähne schabten die Lippen, als ich auf eine Reaktion wartete. Du wüsstest es nicht, bekam ich zu lesen. Aber du hättest dir, setztest du nach einer Pause fort, die Haare geschoren. Deine Haare, meine Finger suchten nach geeigneten Tasten. ‚Weshalb, sind die jetzt ab?‘ ‚Symbolisch‘, erhielt ich als Antwort.

Ich hatte andere Fragen, den ganzen Bauch voller Fragen, doch bevor auch nur eine weitere getippt war, war die Frau fort. Sie tauchte noch einmal kurz auf, ich vermutete ein technisches Problem, wartete eine halbe Stunde vor dem Bildschirm. Sie blieb verschwunden. Ich steckte mir einen Zigarillo an, zog und zog.

Ich war nah dem Hügel, den Resten des Kastells. Mir brannten vor Müdigkeit die Augen, die Kälte machte Arme Beine taub. Um jedoch durch die Gassen zur Pension zurückzukehren, war es, dank Bernice, zu spät, zu früh, auf dem Bruchstein der Promenade lief ich gut!

Das Kastell

„In dem Prospekt“, ich raufte mir durch die Haare, „den mir die Gastgeber nach meiner Buchung hatten zukommen lassen, stand dort nicht, dass das Kastell nachts angestrahlt sein würde? Ist die Ruine, dies schreckte mich doch vor dem Hinflug auf, nicht eine touristische Attraktion?“ Mein Blick fiel auf den Schattenriss der Landzunge.

Bald stand ich unterm Kastell. Äste verfingen sich an der Jeans, bohrten, klammerten, und der Hügel war steil.

„Seitlich“, sprach ich mir zu, „du musst dich landwärts halten, einen offenen Zugang nehmen, den jeder Dussel hinaufstiege, wäre heller Tag.“ Ich zog meine Beine aus dem Gestrüpp.

Bernice und ich, wir hatten doch Mailkontakt, um die Zeit bis zum Jahreswechsel zu überbrücken, den Abschnitt, in dem sie noch Schulden zu begleichen hatte, die ihr aus einer missglückten Firmenbeteiligung zugefallen waren. Rang sie nicht nach Umsatz, mit ihrem neu gegründeten Gesangsstudio, engagierte sie sich nicht im rheinischen Opernstudio, um Hochschulabsolventen die ersten Bühnenschritte zu erleichtern, sang sie nicht selber in jener Spielzeit auch noch Verdis Maddalena, Schwester und Kumpanin eines Auftragsmörders. Ich musste grinsen: „Bloß nichts verwechseln!“

Vorsichtig schob ich mich über Sand und Fels auf die Ruine zu, froh, einen gangbaren Weg im Dunkeln ausgemacht zu haben, da begann nach einigen tastenden Schritten ein Schwindelgefühl, als schlage ein Pendel aus einer Kopfhälfte in die andere. Ich hockte mich, stützte den Körper mit den Fingern. Das Meer, dachte ich, sagte, „ein Meerblick, wenigstens ein Blick hinaus.“ Ich wandte mich seitwärt auf die Knie und stand langsam auf. Halblinks ein Gemäuer, ferne grauschwarzer Dunst.

Draußen auf See quoll es auf, zog gegen Land. Kaum zu sehen, lediglich an dem Nachthorizont, den Sternen, die vom Westen aus verschluckt. „Bald geht nichts mehr“, brachte ich hervor, „kann mich in der Ruine kaum noch bewegen.“ Meine Hand legte sich auf den porösen Stein der Mauer, spreizte sich aus, auf dem trockenen Schwamm. Der nahe Turm verblasste. Ich sank auf mooshaft bewucherten Fels.

Der dunstige Ort kam mir friedlich vor. Das Meer rauschte fern hinter dem Lärmwall meines Hirns, als säße ich nicht direkt über der Bucht, dem Naturhafen, sondern schlenderte in der Dunkelheit durch die Gassen von Parga, vorbei an den kleinen Wohnhäusern, Gastronomien, an Läden mit Urlaubsbringseln, Artikeln, die, griffe ich zu, kaum etwas vermittelten, nicht mal einen Kauf.

Es hatte kein persönliches Wort von ihr an mich gegeben. Wir mailten über Arbeit, ihre Bekannten, das Forum. Ich gab ihr zu verstehen, wie schwer es mir falle, zu warten, dass ich aushungere, mit dem Notebook auf dem Küchentisch … Sah sie mit baumelnden Beinen auf ihrer Kühltruhe sitzen, mein Klopfen mit einem Pfeifen übertönend … Spitzte mit tippenden Fingern zu: Si or no! – Mahnte mich, den sieben Meter langen Flur meiner Altbauwohnung abtretend: Geduld! ‚Vertrauen‘ schrieb ich ihr – und ich erinnerte mein aufgebrachtes Mail an sie, als ich sie im Forum für Dorabella hielt, die einzige unter den Gastfiguren mit Verstand, so als hätte sie ihre Partie tatsächlich schon, sogar mehrere Male gesungen. Ich weiß nicht mehr, um was es ging. Sie sei zu ähnlichen Ergebnissen gekommen wie ich, doch meine Wege wären ihr fremd. Diese Förmlichkeit, das Wort fremd, zudem durchs Forum! Ich lud sofort den Mail-Client: Was geschehen wäre, ob ich mir das Bild von dir aus dem Leib reißen solle, ob deine Distanz eine unausgesprochene Trennung sei. Noch in der selben Nacht sog ich fiebrig auf: Es handle sich bei Dorabella nicht um dich, eine Verwechslung, keine Trennung, du hofftest, es sei noch nicht zu spät.

Ich stand gebückt auf. Das rechte Knie schmerzte, ein Stechen unter der Scheibe, als sei der vordere Meniskus ein glühender Entzündungsherd. Auch in Kinos habe ich es bisweilen kaum ausgehalten. Bereits nach einer halben Stunde musste ich mir zwischen den engen Sitzreihen eine Möglichkeit suchen, das Gelenk zu bewegen. Als habe ich es wieder zum Leben zu erwecken, aus einer verspannenden, abtötenden Steifheit. Ich lachte auf: „Mitte dreißig überschritten, aber die Marotten von einem ausgedörrten Greis.“

Gespenster

Der Dunst weißte allmählich aus. Zu meiner Überraschung von der Seite, an der ich die Hügel, Parga mit seinen Gassen und Gartenanlagen vermutete. Mir kam dies verdreht vor. Hatte ich mich die Nacht über nicht dem Meer, der offenen See zugewandt, nun dämmerte es von Osten, einer Barriere her?

„He!“ rief ich in die Schwaden, „du blasse Empusa!“ Die Frau hatte mich, als ich in ihr Gesangsforum gekommen war, online mit der Bitte begrüßte, über die Liebe zu schweigen, nachdem ich ein paar Wochen lang versucht hatte, sie per Mail zum Sprechen zu bewegen. Diese hakelnde Liebe war auch für mich kein zu füllendes Duett gewesen, um sie öffentlich auszutragen.

„Und jetzt“ schickte ich nach, „da wir Gespenster?!“

Das Knattern eines Mopeds durchdrang die Nebel. Dieser Lärm verwirrte mich, weil mir durch ihn der absonderliche Aufenthalt, in den ich mich auf der Landzunge verstiegen hatte, deutlich wurde, ebenfalls der Wunsch, die Luft möge sich rasch aufklären, damit ich zurück in den Ort käme, bevor die Gassen wieder belebt sein würden. Ich wollte nicht, dass man meine nächtliche Eskapade entdeckte. Sie war mir, als ich an den Rückweg zur Pension zu denken begann, einfach zu verrückt.

Allmählich zerfranste das Gespinst um die Ruine. „Die Wärme des beginnenden Tags“, sinnierte ich, „lässt wohl die Schwaden steigen.“ Ich ahnte, weshalb das Klima um Parga mild war: Die Feuchtigkeit der See verflüchtigte sich nicht über ausgebranntem Land, fand einen Widerpart, die Hügel, im Landesinneren die Berge und Schluchten. Dies erbrachte Ausgleich.

Zwischen den Fetzen sah ich, dass das Gelände des Kastells überhaupt nicht gesichert war. Eine Kraxelei in Dunst und Nebel, erschrak ich, könnte jedem das Leben kosten. Die niederdrückenden Paniken, als wären sie ein Schutz gewesen. „Reds dir auch noch heimelig!“ tönte ich und erinnerte abrupt den nächtlichen Steg, die aufgereihten Bootsrümpfe. Ich machte, dass ich fortkam.

Die Lokale an der Promenade waren noch geschlossen, auch die Läden in der Nähe vom Hafen. Ich begegnete kaum jemandem in den Gassen, mal einem einheimisch Wirkenden, vermutlich auf dem Weg zu einer entfernteren Arbeit. Es sah aus, als sei es noch sehr früh am Morgen. Mich hinlegen, dachte ich, vielleicht sogar schlafen. Mein Gesicht fühlte sich gespannt an, maskenhaft, zudem dreckig, schmierig. Erneut begann ich zu frieren, den Rücken entlang, die Muskeln um die Wirrbelsäule kontraktierten. Ich sehnte mich nach einer heißen Dusche und hoffte, dass mich das Zimmer aufnehmen wird.

Je höher ich in die Hügel kam, um so dunstiger, nebliger wurde es. „Steig ich den Schwaden auch noch hinterher“ ärgerte es mich, „bis in die Enklave?!“ Meine flache Hand legte sich plötzlich an die Hosentasche: Die Schlüssel, ich atmete auf.

Die Enklave

Im Empfang war es ruhig, auch oben im Flur, an dem das angemietete Zimmer lag. Als ich meine Tür hinter mir geschlossen hatte, streifte ich die Klamotten ab und stellte in der Nasszelle die Dusche an. „Nichts Auffälliges zu entdecken“, plapperte ich in den Spiegel über dem Waschbecken, während das sprühende Wasser hinter mir wärmer wurde, „bloß abgezerrt.“ Ich drehte mich zur Bodenmulde und ließ das heiße Wasser an mir hinunterrinnen. Das Letzte, das ich von Bernice erhalten hatte, bevor ich sie online zu verfolgen begann, war die Absage eines Treffens per Mail gewesen. Sie hatte es der vermerkten Rechnerzeit nach geschrieben, als wir uns bei mir sehen wollten. Ich las es eine halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit ihres Kommens. Sie sei im Büro hängengeblieben, bedauere, mir erneut weh zu tun, szintillierte es im dunklen Bildschirm.

‚Weshalb auf diese stumme Art!‘ zischte ich im Musikzimmer, von dem aus ich die Post mit dem Notebook abgerufen hatte, während ich auf sie wartete. Ich schnappte mir das Telefon und wählte ihre Nummer: Besetzt.

Meine Hände schoben das nasse Haar zurück. Das Duschwasser prasselte auf mein Gesicht. Kann man denn mit mir nicht reden? Ich ließ mir den Mundraum vollaufen.

Du hattest Tage zuvor auf meinem Sofa versucht, ein geplatztes Treffen zu erläutern, hättest Richtung Wiesbaden gemusst: Chatbekanntschaften, Kunden.

‚Kunden‘ fragte ich dich und zweifelte an Unterrichtsvereinbarungen mit Chattern, sah, wie du neben mir sitzend zu Boden schautest. Deine Kieferknochen ruckten. Dann hob sich dein Kopf mit einem vorsichtigen Seitenblick, und du fingst an, über Chaterlebnisse zu plaudern …

Ich blies das Duschwasser raus. Wir hatten uns für einen Samstagabend verabredet. Du kamst nicht, nicht mal eine Nachricht rutschte herein. Erst am Montag erwischte ich dich telefonisch. Was passiert sei, ich hätte dich für Samstagabend erwartet. Und als ich kein Entgegenkommen spürte: ‚Ich sorgte mich, befürchtete schon einen Unfall, nicht mal ein Anruf von dir! Dein Verhalten ist unter aller Sau!‘ ‚Ja‘, klang es leise.

Ein paar Tage später sahen wir uns bei mir. Ich drehte das Wasser ab, griff nach einem Handtuch, rubbelte mir das Frottee über den Kopf.

Wäre ihr Rückzug die geeignete Phase gewesen, zur Besinnung zu kommen? Hätte ich mir damals was zusammen- oder auseinander reimen sollen, als stände sie unter Verdacht?

Ich klatschte den nassen Stoff auf die Stange. Meine Finger kämmten grob das Haar nach hinten. Ich schlurrte in das Zimmer und setzte mich auf die Bettkante. „Dieser Chat“, presste ich. Es überrasche sie immer wieder und gefiele ihr, dass man sie dort als Autorität akzeptiere. Ihre Pupillen glänzten durch den Lichteinfall von der Straße.

Mein Oberkörper sank rücklings auf die Matratze. Hatte sie nicht einen achtzehnjährigen Jungen erwähnt, einige Monate bevor sie im Sommer fernblieb, es war eines unserer ersten Treffen, nach langer Zeit. Ein Wiedersehen mit Küssen in umschlingenden Armen. Dem mächtigen Salat mit kurzgebratenen Putenstreifen. Einen Chatjungen, der ihr besonders aufgefallen war? Natürlich würde sie nicht mit diesem Kind. – Ich stieß mich vom Bett hoch, schritt zum Balkon. Die Glastür war über Nacht offen geblieben. In den Hainen, wie zum Trocknen aufgehängt, weit gespannte Nebeltücher. Ich trat hinaus. „Hat sie den Jungen“, fisperte ich, „in Wiesen gebadet?“ Ich stutzte: „Wen jetzt? Ihn?! Etwas in mir?“

Ich beugte mich über die Brüstung. Was legte ich vertrauenvoll in ihre Hände, als ich ihre Zärtlichkeit spürte wie einen Windhauch von See, als wären sie und ich zerbrechliche Körper? – Mir schoss das Blut hinters Gesicht, hoch bis in die Schädeldecke. Ich riss den Kopf, den Oberkörper hoch. Arme, Beine waren fast taub. „Nein!“ schrie ich auf. Griff mir in die Haare. „Komm, komm!“ tönte ich, „ganz ruhig, du bist jetzt ganz ruhig, hörst du?“ Mein Rumpf wandt sich auf dem Balkon nach links, nach rechts über den Stuhl hinweg. „Dieses Herz“, ich drehte mich zum Zimmer, wankte hinein, „schlägt, als wolle es mich zu Tode tanzen.“ Ich schob den zweiten Stuhl, der innen neben dem Fenster stand, den Tisch, meine Tasche suchend. „Der Schrank!“ rief ich, natürlich, dachte ich, im Schrank, und ich taumelte gegen die Tasche, mitten im Zimmer. „Auch gut“, murmelte ich und zog die Schachtel mit den Blockern aus dem Seitenfach, fummelte nach einer der Plastikzungen.

Endlich, dachte ich, als einer der genoppten Streifen zwischen Daumen und Fingern vibrierte, und ich drückte eines der Herzen heraus, schob es mir zittrig zwischen die Lippen. „Gleich“, sprach ich mir zu, nachdem ich es geschluckt hatte, „gleich wird es besser werden“, und als sich nichts tat, während ich mich quer durchs Zimmer suchte zu beruhigen, pulte ich mir eine zweite Filmtablette heraus und nahm sie ein. Dann legte ich mich mit der Plastikzunge in der Faust aufs Bett, starrte zur Zimmerdecke und erwartete schnaufend, dass mir die Chemiesubstanzen Kopf und Körper trennen.

Fern, wie in einer Geräuschkollage, der Ruf des Kuckucks. Nur allmählich hatte sich mir dieser Klang herausgefiltert. Als sei er leise fragend beigemischt: Einem mechanisch wirkenden Quietschen und Dröhnen.

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
81 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783929899061
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