Kitabı oku: «Glauben und das Leben genießen»
Markus Hofer
GLAUBEN und das Leben GENIESSEN
LEBENSKUNST AUS DER BIBEL
Die Bibelzitate stammen aus der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 Katholische Bibelanstalt, Stuttgart.
Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“
2017
© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck
Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck
Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag
Druck und Bindung: FINIDR, Tschechien
ISBN 978-3-7022-3586-4 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-7022-3511-6 (E-Book)
E-Mail: buchverlag@tyrolia.at
Internet: www.tyrolia-verlag.at
Für Józef Niewiadomski,
weil er nie Zeit fand,
dieses Büchlein zu schreiben
MENÜ
Zur Zeit der Mittagshitze
Sie schauten Gott und aßen und tranken
Wein erfreut des Menschen Herz
Wie schön bist du und wie reizend
Da war unser Mund voll Lachen
Mein Gott, warum hast du mich verlassen
Sie salbten die Schwachen unter ihnen
Besser ein lebender Hund als ein toter Löwe
Genieß das Leben alle Tage
Dem Herrn aber missfiel es
Deine Frommen sollen sich des Glückes freuen
Am siebenten Tage sollst du feiern
ZUR ZEIT DER MITTAGSHITZE
Zwölf Uhr mittags. So wirkt zumindest das Szenario. Ein älterer Mann sitzt vor seinem Zelt im Schatten. Er ruht sich aus. Die Mittagshitze ist so groß, dass man unmöglich arbeiten kann. Das Szenario erinnert an die alten Wildwestfilme. Die menschenleere Straße, hin und wieder läuft eine Katze über den Weg, sonst rührt sich gar nichts. Die Männer dösen vor ihren Hauseingängen, vielleicht knarzt ein Türschild in der Sonne oder tropft ein Wasserhahn in langen Abständen. Dann plötzlich, wie aus heiterem Himmel, reitet seelenruhig ein Cowboy in die Stadt. Er ist die Sensation des ansonsten gleichförmigen Tages, der von der Sonnenglut bestimmt ist. Es kommt Bewegung in die Szene. Der Fremde wird wahrgenommen, endlich ist etwas los. Die Frauen stehen hinter den Vorhängen und schauen, was da passiert. Die Männer schieben ihre Hüte hoch, um genau zu sehen, um wen es sich handelt.
So oder ähnlich muss es auch damals gewesen sein: Der Mann schläft vor dem Zelt, doch plötzlich tauchen drei Wanderer auf. Sie bleiben stehen, und wie es die Sitte gebietet, lädt der Mann sie zum Essen ein. Höflich wie er ist, spricht er zuerst nur von einer kleinen Stärkung, einem Bissen Brot. Doch dann bewegt sich die Szene. Wie man es von einer ordentlichen Familie erwarten kann, gibt es nicht nur Wasser und Brot. Die Frauen mahlen und backen, während Abraham, um den es hier geht, mit seinem Jungknecht ein prächtiges Kalb schlachtet. Draußen im Schatten unter dem Baum wartet er seinen drei Gästen ordentlich auf.
Alles ist so selbstverständlich, alltäglich, banal möchte man fast sagen. Doch es ist nicht eine biblische Geschichte neben vielen anderen. Es ist vielmehr eine zentrale Geschichte über die Offenbarung Gottes, denn mit dieser Geschichte um Abraham fängt die Heilsgeschichte an (Genesis 18). Offenbarung Gottes wird hier aber nicht geschildert in dramatischen Bildern, mit Blitz und Donner vom Himmel herab, oder wie man es sich sonst vorstellt. Sie wird vielmehr beschrieben in den alltäglichsten Formen: der vorüberziehende Wanderer, der Mensch, der neben mir lebt, der mit mir lebt, mit mir das Leben teilt. Die Offenbarung Gottes wird beschrieben als etwas, was sich an jedem Ort zu jeder Zeit ereignen kann.
Nun könnte man einwenden: Gut, die Kulissen sind alltäglich, aber Abraham war doch ein besonders frommer Mann. Gegenfrage: Hatte er sich etwa auf diese Offenbarung vorbereitet? Lag er tief im Gebet versunken, hatte er Weihrauch aufgelegt? Las er gerade das neueste Erbauungsbüchlein oder besuchte er die Exerzitien in seiner Pfarre? War er wenigstens vorher beichten? Nein, nichts von alledem. Er tat, was er jeden Tag um diese Zeit tat. Er lag vor dem Eingang seines Zeltes und döste in der Mittagshitze vor sich hin. Er war nicht mehr oder weniger würdig für diesen Besuch, als er es jeden Tag war. Gott kam trotzdem zu ihm.
Gott erscheint mitten im Alltag. Er braucht dazu keine Pauken und Trompeten, kein Getöse und keine Voranmeldung. Selbstverständlich gibt es in den alttestamentlichen Geschichten auch opulentere Choreografien. Bei Moses brannte immerhin der Dornbusch und was er auf dem Sinai erlebte, lässt sich mit Sprache kaum beschreiben; ja noch den Apostel Paulus warf es regelrecht vom Ross. Doch es ist wichtig, dass Gott dem Abraham zunächst in einer völlig alltäglichen Szenerie erscheint, beim Dösen im Schatten während der Mittagshitze. Es ist wichtig, weil unsere Frömmigkeitstradition den Alltag gern banalisiert hat. Dort zählen nur der Weihrauch und die Rosenkränze, aber doch nicht der Alltag. Dieser gehört zu den notwendigen Übeln der menschlichen Existenz, während sich Religion vorwiegend in den Gebeten und Gottesdiensten abspielt. Kommt noch der moralisierende Zug hinzu, dann wird der Alltag zur steinigen Bewährungsprobe, die uns Gott schickt, damit wir uns das Jenseits verdienen können. Da heißt die Alternative dann schnell einmal: fromm oder lebenslustig!
Vielleicht fehlt es uns heute an einer lebbaren Alltagsspiritualität, die den Alltag nicht banalisiert, sondern zeigen kann, wie im alltäglichen Zusammenleben der Segen Gottes wirksam ist, wie wir seine Spuren finden können, auch wenn wir nicht gerade zum Gottesdienst gehen, sondern eher wie Abraham im Schatten dösen. Endzeitliche Wanderprediger können die Welt verändern, aber sie sind nicht unbedingt zuständig für Alltagsspiritualität. Wir sind auch nicht mehr an dem Punkt, an dem wir gegürtet und gerüstet unter dem Türpfosten stehen und auf das unmittelbare Kommen des Herrn warten. Und wir können auch nicht alle ins Kloster gehen. Wir leben vielmehr in einer bürgerlichen Welt, die oft genug alltäglich und banal ist, mit kleineren und größeren Freuden genauso wie mit Nöten und Zwängen. In konkret diesem Alltag stellt sich aber die Frage, was er mit unserem Glauben zu tun hat und ob es eine Spiritualität gibt, die gerade den vermeintlichen Banalitäten des Lebens einen Sinn geben und unser alltägliches Zusammenleben würdigen kann.
Gott erscheint mitten im Alltag und biblisch gesehen ist das sehr wesentlich. Natürlich hatten die drei Wanderer, die den alten Abraham aus seiner Mittagsruhe aufgeschreckt hatten, ihm etwas mitzuteilen. Doch Gottes Erscheinen geschieht nicht nur wegen der großen Botschaften, sondern zuerst einmal, damit sein Segen dabei ist. Hier liegt zunächst der Grund, warum Gott zu den Menschen kommt – nicht damit er sie rügt und belehrt. Die zehn Gebote, so wichtig sie sind, sie kommen erst etwas später. Zunächst kommt er zu den Menschen, die er nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat, damit es ihnen gut geht; auch oder gerade weil sie in selbst verschuldeter Weise nicht mehr im Paradies leben. Der Segen Gottes steht mit dem alltäglichen Leben in Verbindung. Er hat etwas mit dem konkreten Wohlergehen des Menschen auf Erden zu tun, mit seiner Gesundheit, seinem Glück. Für die Bibel ist das nichts Abstraktes und spielt sich schon gar nicht im Tempel ab. Gottes Segen steht vielmehr in Verbindung mit den primären Bedürfnissen von uns Menschen, mit Essen und Trinken, mit Gesundheit, mit Geborgenheit und mit Lebenslust.
Das ist der biblische und eigentlich allumfassende Zugang zum Glauben. Es geht um eine Einstellung zum Leben, die Gott nicht als Konkurrenten sieht, sondern als einen, der in allen menschlichen Lebensformen mit dabei ist, um uns mit seinem Segen zu begleiten. Welche Lebensformen sind das? Miteinander essen, miteinander trinken, arbeiten, schlafen, Freude an der Welt haben, an sich selbst und am Miteinander, Freude an der Sexualität. Auch die Erotik, diese Quelle tiefer menschlicher Erfahrung, ist in den biblischen Geschichten nicht ausgespart – zum Ärger mancher Moralisten.
Den Moralisten wäre schon das Motto „fromm und lebenslustig“ suspekt; wobei das vermutlich mehr über die Phantasie der Moralisten verrät, die beim Wort „Lebenslust“ nur an Unanständiges denken können. Nicht selten war mit dem Glauben eine Haltung verbunden, die die Freude am Leben ausschließt und zur Weltflucht aufruft. Das Leben wird dann zum legendären Jammertal, zum Tal der Tränen, bis uns dereinst im Jenseits ein Leben erwartet, das allein zu leben wert ist. Alles, was uns hier schon Freude machen könnte, wurde von Gott nur geschaffen, um uns zu prüfen und zu läutern. Man freut sich auf das Jenseits, weil es die einzige Erlösung aus diesem Jammertal ist. Der biblische Mensch hingegen darf sich auch auf das Jenseits und die Erlösung freuen, aber nicht weil im Leben selbst kein Segen wäre, sondern viel mehr, weil wir in den kleinen Freuden des Lebens bereits einen Vorgeschmack auf das Jenseits bekommen, weil wir zumindest ahnen können, wie wunderbar der Himmel schmecken wird. Der Geriatrieprofessor Christoph Hürny hat es einmal anders herum formuliert: „Wenn man nicht gelebt hat, macht das Sterben auch keinen Spaß.“
„Früher war alles Sünde, was schön und angenehm gewesen wäre“, erzählte mir ein älterer Mann. Nicht wenigen Zeitgenossen hat dieser moralistische Zugang zur Religion das Leben versauert und nicht wenige fanden zu einer positiven Lebenseinstellung erst durch den Abschied von der Religion. „Fromm oder lebenslustig“ ist die falsche Alternative und schon gar nicht die biblische Perspektive. Die biblische Perspektive ist: Ihr sollt ein Leben in Fülle haben! Und nirgends steht, dass das erst im Jenseits anfangen darf. Stattdessen gilt Gott sogar als der große Liebhaber des Lebens (Weisheit 11,26).
Angesichts dieser Perspektive darf man sich fragen, ob die besonders Frommen eigentlich wirklich so fromm sind. Glaubt der Mensch, der allein durch seine Gebete die Welt retten will, überhaupt noch an Gott? Trauen solche Menschen Gott überhaupt noch etwas zu oder trauen sie nur noch ihren Gebeten? Oder ist Gott nicht schon längst der, der sich beleidigt zurückgezogen hat und nun von uns irgendwie weichgebetet werden muss? Dann aber ist er nicht mehr der biblische Gott, der sich einmischt, damit sein Segen dabei ist und unser Leben Geschmack hat.
Abraham döste vor seinem Zelt, als ihm Gott mitten im Alltag erschien. In den biblischen Geschichten ist dieser vermeintlich banale Alltag nicht vom religiösen Geschehen unterschieden. Die Geschichte vom Bundesschluss (Exodus 24) ist wohl die außergewöhnlichste Schilderung einer unmittelbaren Gottesbegegnung. Hier erscheint Gott nicht im Alltag des Moses, sondern zusammen mit Aaron und den siebzig Ältesten wird er zu ihm hinauf gebeten, hinauf auf den Berg Sinai. Dort oben sahen sie den Gott Israels, in der alttestamentlichen Logik etwas vom Schrecklichsten, das man sich vorstellen konnte. Niemand war sich sicher, ob man den direkten Anblick Gottes überhaupt ertragen könne. Der Boden unter seinen Füßen war wie aus Saphir und glänzte wie der Himmel selbst. Wider ihre Erwartung streckte Gott nicht die Hand gegen sie aus, sondern sie durften Gott schauen! Und was taten sie dann? Warfen sie sich nieder, verhüllten sie ihr Angesicht und murmelten sie Gebete? Nein, nichts von alledem: Sie schauten Gott und aßen und tranken!
SIE SCHAUTEN GOTT UND ASSEN UND TRANKEN
„Ziehe zu der Stätte, die der Herr, dein Gott, auswählt, kaufe dort für das Silber alles, worauf du Appetit hast – Rinder, Schafe, Ziegen, Wein und Bier, alles, wonach es deinen Gaumen verlangt –, und dann sollst du vor dem Herrn, deinem Gott, Mahl halten und fröhlich sein, du und deine Familie.“ (Deuteronomium 14,25–26)
Wann haben Sie dieses Gebot Gottes das letzte Mal erfüllt? Zugegeben, es ist heute nicht mehr so einfach und inwieweit das alles gesund und allergenfrei ist, müsste auch noch abgeklärt werden. Nicht, dass man dann zwei Wochen fasten muss, nur weil man einmal den Willen Gottes getan hat. Fasten in der biblischen Logik ist eine Bußübung, wenn man gesündigt hat, oder es dient der gezielten Vorbereitung auf ein besonderes Ereignis; auch Hildegard von Bingen kannte übrigens keine andere Art des Fastens. Wenn man aber wirklich Gott ehren und preisen wollte, dann tat man es durch gemeinsames Essen und Trinken und durch die Freude, die man daran hatte.
Nach der Heimkehr der Juden aus dem Babylonischen Exil versammelte sich das Volk in Jerusalem und bei dieser Gelegenheit wurden sie noch einmal in den Gesetzen Gottes unterwiesen. Offensichtlich wussten die Leute, nachdem sie das alles gehört hatten, nicht so recht, was nun zu tun sei. Doch der Priester und Schriftgelehrte Esra stellte klar: „Nun geht, haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein! Schickt auch denen etwas, die selbst nichts haben; denn heute ist ein heiliger Tag zur Ehre des Herrn. Macht euch keine Sorgen; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“ (Nehemia 8,10) Gott wird geehrt nicht durch fasten, sondern durch ein festliches Mahl und einen besonderen Wein. Die Frage ist also nicht der Wein selbst, sondern nur, dass man schauen muss, dass alle etwas davon bekommen. Nachdem auch die Priester die Aufforderung Esras bekräftigten, gehorchte das Volk: „Da gingen alle Leute nach Hause, um zu essen und zu trinken und auch andern davon zu geben und um ein großes Freudenfest zu begehen; denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen verkündet hatte.“ (Nehemia 8,12)
Der Apostel Paulus gilt als Begründer der christlichen Gemeinde von Korinth, mit der er brieflich in Verbindung blieb. Im ersten Korintherbrief versucht er einige Missstände in der Gemeinde zu klären und offensichtlich gab es auch solche, die die Auferstehung Christi leugneten. Paulus dagegen bezeugt nochmals die Auferstehung und fragt, was das alles sonst für einen Sinn hätte. Seine Argumentation mündet in die Pointe: „Wenn Tote nicht auferweckt werden, dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot.“ (1 Korinther 15,32) Wahrscheinlich müsste man das besser übersetzen mit: Lasst uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot! Doch was macht den Unterschied?
Der legendäre Skandalfilm „Das große Fressen“ (1973) von Marco Ferreri brachte es auf den Punkt. Vier Männer, Freunde, treffen sich in einem abgeschiedenen Landhaus, um sich an einem Wochenende buchstäblich zu Tode zu fressen; „durch übermäßiges Essen feierlich kollektiven Suizid zu begehen“, heißt es etwas höflicher in Wikipedia. Doch der Film ist alles andere als höflich, denn er besteht großteils aus detaillierten Fress-Szenen, überdeutlich hörbaren Verdauungsgeräuschen und Blähungen der Protagonisten. Wie zu erwarten werden noch drei Prostituierte dazu geladen, was den Film zusätzlich mit ein paar derben Sex-Szenen garniert. Der Skandalfilm war jedoch nur jenen ein Skandal, die ihn nicht verstanden hatten. Bei aller Zuspitzung und Übertreibung war der Film die pointierte Kritik an einer rein hedonistischen Einstellung zum Leben: „Maximiere die Lust!“ – und der Film zeigt, was dabei herauskommt. Wenn alles, was Lust verschaffen kann, ja sogar die Lust als solche zum Selbstzweck wird, ist es vorbei mit dem Genuss, führt sich der Hedonismus selbst ad absurdum. Die vier Herren treiben ihr Spiel auch nicht aus Lust am Leben, sondern aus einem Todestrieb heraus; sie wollen schließlich sterben dabei. Wenn die Lust als Lust zum alleinigen Ziel wird, bleiben das Leben auf der Strecke und der Genuss ebenso. Vermutlich ist es das, was die alten Lasterkataloge mit Völlerei meinten.
Von Paulus könnte das Drehbuch zum Film „Das große Fressen“ stammen: Wenn Christus nicht auferstanden ist, wenn mit dem Tod alles aus ist, dann lasst uns fressen und saufen, denn morgen sind wir tot. Wenn das Leben wirklich die letzte Gelegenheit ist, dann muss alles und von allem so viel wie möglich hineingepackt werden. Dann werden wir zu Getriebenen, die das Ende von hinten verfolgt. Das Leben wird dann atemlos. Jeder Genuss hat mit Stress zu tun, weil wir nie wissen, wann Schluss ist. In dieser Dynamik wird der Genuss zum Konsum und letztlich zur Sucht als Konsequenz eines Lebens, das gleichzeitig sucht und auf der Flucht ist. Mit wahrem Genießen, mit Lebenslust und Freude am Leben hat das nichts mehr zu tun. Paulus, der Asket, würde jetzt vielleicht erschrecken, aber vermutlich kann man seine Pointe auch umdrehen: Wirklich genießen können wir erst, wenn wir glauben, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, wenn wir getragen sind von der Zuversicht, dass das Leben weitergeht. Dann wird das Leben durchlässig. Miteinander essen und trinken ist erst ein wahrer Genuss, wenn es gleichzeitig ein Vorgeschmack ist auf das, was noch folgen wird.
Dem Genuss kann man nicht nachjagen. Im selben Moment verflüchtigt er sich und wird zum Konsum. Wahrer Genuss ist letztlich ein Geschenk und trägt so zum Glück des Menschen bei. Man beschenkt sich selbst, beschenkt andere und wird gleichzeitig von Gott beschenkt. Vermutlich ist genau das die Ebene, auf der der Segen Gottes in unserem alltäglichen Miteinander liegt. Wenn Gott mitten im Alltag erscheint, damit sein Segen dabei ist, dann zeigt sich das unter anderem genau dort, wo Menschen miteinander essen und trinken und es genießen. In diesem Sinn ist Essen und Trinken mehr als die nötige Nahrungsaufnahme, sondern erhält eine zusätzliche soziale und emotionale Dimension. Miteinander essen und trinken wird tatsächlich zu einer gemeinsamen Feier des Lebens, aber ohne dass man dafür eigens ein Halleluja anstimmen müsste. Pointiert könnte man sagen: Die Frömmigkeit beginnt dort, wo aus „Fressen und Saufen“ ein „miteinander Essen und Trinken“ wird. Dort verbindet sich Natur mit Kultur, erhalten die triebhaften Notwendigkeiten eine zutiefst menschliche Form. Erich Fromm hat das Begriffspaar vom Haben und Sein sehr schön beschrieben. „Fressen und Saufen“ ist reines Haben, eine natürliche Notwendigkeit vielleicht, aber auch nicht mehr. „Miteinander essen und trinken“ ist darüber hinaus eine Form des Seins: Beim miteinander Genießen verändert sich tatsächlich die Zeitstruktur.
Es ist sicher kein Zufall, dass Jesus bei seinen Gleichnissen vom Himmel immer wieder das Gastmahl verwendet hat als Inbegriff des miteinander Essens und Trinkens und damit als Grundvollzug der von Gott gemeinten Menschlichkeit. Zum „Großen Fressen“ gibt es kein schöneres Gegenbild als die grandiose Vision des Propheten Jesaja, in der er das künftige Leben aller beschreibt als ein großes Festmahl auf dem Berg Zion: „Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten, erlesenen Weinen. Er zerreißt auf diesem Berg die Hülle, die alle Nationen verhüllt, und die Decke, die alle Völker bedeckt. Er beseitigt den Tod für immer. Gott, der Herr, wischt die Tränen ab von jedem Gesicht. Auf der ganzen Erde nimmt er von seinem Volk die Schande hinweg. Ja, der Herr hat gesprochen.“ (Jesaja 25,6–8)
Johann Wolfgang von Goethe hat Genuss einmal so definiert: „Genießen heißt, sich und anderen in Fröhlichkeit anzugehören.“ Nimmt man noch den Herrgott hinzu, wäre das eigentlich eine wunderbare Beschreibung des Himmels: Gott, sich und den anderen in Fröhlichkeit anzugehören. Das klingt vielleicht etwas prosaischer als beim Propheten Jesaja. Das Bild vom einander in Fröhlichkeit Angehören macht aber noch deutlicher, dass das, was wir hier in unserem alltäglichen Leben miteinander genießen, nichts anderes ist als ein Vorgeschmack auf den Himmel.
Miteinander essen und trinken – biblisch kommen wir mit der Frage, was ein frommes Tun ist, nicht daran vorbei. Letztlich ist auch das Abendmahl, die Eucharistiefeier, nichts anderes als eine ritualisierte Form des miteinander Essens und Trinkens und damit ein Urvollzug der christlichen Kirchen. Kein anderes Bild entwirft auch die Apostelgeschichte von der ersten Gemeinde in Jerusalem (Apostelgeschichte 2,44–47). Zuerst wird diese Form des „Urkommunismus“ beschrieben, in dem alle alles gemeinsam hatten und jeder davon so viel bekam, wie er nötig hatte. Und wie schaute der Alltag aus? „Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude mit lauteren Herzen. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt.“ Etwas lapidarer könnte man sagen: Sie gingen in die Kirche, feierten Eucharistie, aßen und tranken genüsslich miteinander und lobten den Herrn. Ist das nicht ein schönes Bild für fromm und lebenslustig? Der Schlusssatz verwundert dann gar nicht mehr: Sie waren beim ganzen Volk beliebt.
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