Kitabı oku: «Lesen Schreiben Denken», sayfa 2

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Schritt 1 Themenfindung

“All work and no play makes Jack a dull boy.”

Stephen King, Shining

« l’idée vient en parlant.»

Heinrich von Kleist, Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden

Die besten Themen finden sich beiläufig. Zwar mag für manche ein besonderer Reiz darin bestehen, längere Zeit auf leere Seiten zu stieren,6 verbunden mit der Hoffnung, dass sich der ersehnte Moment von Inspiration irgendwann einstellen möge. Doch auch jenseits dieser vermutlich wenig hilfreichen Strategie, die nur allzu oft in der berüchtigten Schreibblockade oder in der Wiederholung des Altbekannten und Immergleichen (“all work and no play …”) endet, lassen sich Wege ausmachen, um zu neuen oder anderen Ideen zu gelangen.

Strategien der Ideenfindung

Auf die zentrale Frage, wie ein geeignetes Arbeitsfeld und ergiebiges Thema zu sondieren und zu erschließen sei, das es im Rahmen der Abschlussarbeit zu bewältigen gilt, gibt es naturgemäß viele Antworten. Vielleicht wird einem die länger schon verzweifelt gesuchte Forschungsfrage bei der Lektüre eines Aufsatzes oder einschlägigen Fachbuchs unvermittelt klar, sei es, dass ein Autor in einer Fußnote auf eine noch bestehende Forschungslücke hinweist, sei es, dass man bei einem eher rätselhaften – oder auch bei einem allzu einleuchtenden – Satz ins Stocken gerät. Denn ein ganz harmloser Nebensatz vermag sich gelegentlich derart querzustellen oder unbewusst zu verankern, dass er zu weiteren Überlegungen verleitet, welche sich dann wiederum zu einer eigenen

[<<15] Seitenzahl der gedruckten Ausgabe

Idee verdichten. Vielleicht fällt Ihnen ein vielversprechender Ansatz ganz unvermittelt in einem Gespräch mit einem Verwandten ein, der immer schon einmal wissen wollte, was sich hinter Ihrem Studium eigentlich verbirgt und welche Themen und Fragestellungen dort eine Rolle spielen. Während das Unbewusste noch nach einer geeigneten Replik auf die leicht provokante, vielleicht sogar abschätzige Bemerkung des Gegenübers sucht, taucht plötzlich – inspiriert vom abwartenden Blick des Dialogpartners 7 – eine Gedankenkonstellation auf, von der man in diesem Moment schon weiß, dass es ihr nachzugehen lohnt. Zugegeben, diese beiden Szenarien zählen eher zu den selteneren Vorkommnissen, sind dafür jedoch zuweilen umso ergiebiger.

Die besten Themen finden sich jedoch fußläufig. Zumindest, wenn man Friedrich Nietzsche Glauben schenken möchte, der auf ausgedehnten Spaziergängen in Sils Maria und anderswo seine erquick­liche Ideenproduktion betrieb:

Muskelfeste oder Sitzfleisch

„So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung – in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern“,8 schreibt er als Antwort auf die selbstgestellte Frage, Warum ich so klug bin. Die Güte der Gedanken scheint demnach nicht nur von der inneren Beweglichkeit abzuhängen, sondern auch von äußerer Bewegung. Doch auch diese Erkenntnisfindungsform kennt eine Gegenstrategie, kein Modell kommt schließlich aus ohne Gegenmodell: „Phantasie habe ich keine, nicht die geringste. […] Ich kann mir nichts vorstellen. Ich habe auch keine Ideen. Ich warte, bis etwas an mir vorbeikommt.“ 9 Statt loszuwandern, also lieber sitzen bleiben. Abwarten. Auch wenn Heiner Müller ausdrücklich bemerkt, dass nicht er seinen Gegenstand passiert, sondern der Gegenstand eher ihn – oder ihm – passiert, so haben beide Suchformen nach dem guten Gedanken, die nietzscheanische wie die müllersche, eines gemeinsam: Beide Weisen, einem künftigen Text nachzuspüren, setzen unweigerlich auf Geduld und vor allem auf Muße. Ob nun die Muskeln ein Fest feiern oder

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aber das Sitzfleisch sich eher festigt als lockert, in beiden Fällen geht es ausschließlich darum, eine bestimmte Empfänglichkeit oder angeregte Gestimmtheit herbeizuführen, die den Nährboden bietet für die fruchtbare Saat, Entwicklung und Erziehung zunächst nur einer Vermutung. Diese Hypothese sollte sich sodann im weiteren Rechercheverlauf nach einigen kritischen Überprüfungen und Kontrastierungen mit Gegenvermutungen zu einer belastbaren These und im Text selbst zu einer hieb- und stichfesten Argumentation entwickeln.

Nicht selten allerdings entstehen tragfähige Ideen zur Ausarbeitung einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit nicht nur in der ruhigen Zurückgezogenheit der eigenen Schreibstube, sondern auch im Dialog mit möglichen Betreuern der Arbeit, häufig auch im zwanglosen Gespräch mit Kommilitonen und Freunden über die vergangene Vorlesung oder Seminarsitzung. Hier wie dort gilt es naturgemäß, gleichermaßen wachsam zu sein für die unscheinbaren Eindrücke, aufmerksam für das Unbekannte und neugierig auf das Absonderliche.

Ein Beispiel: Man könnte sich etwa fragen, sofern man ein kulturgeschichtliches Interesse pflegt, sich aber zugleich auch für die Entwicklung der Neuen Medien, insbesondere für Computer interessiert,

Kaffeesatzlesen

wie es um die historische Genese von Computersprachen steht. Mit diesem Grundinteresse bewegt man sich jeden Tag am eigenen Bildschirm über die gleichen Schaltflächen und Knöpfe, startet immer wieder dieselben Programme, ohne dabei an jene Vorgänge zu denken, die dazu geführt haben, dass man diese Programme so und nicht anders bedienen kann. Gelegentlich laufen die Prozesse auch schief. Dann starrt man – wie Jack, the dull boy, auf eine weiße Seite – auf ein Programmsymbol, das partout nicht starten will. Und man beginnt, noch abwartend, sich zu wundern, warum das ‚

JAVA

Ikon‘ des Programms nicht nur eine ‚Ikone‘ sein soll, wie der Name verheißt. Vielleicht fragt man sich dann ebenso, warum das Ikon eine dampfende Kaffee­tasse abbildet. Die erste, recht einfache Erklärung liegt darin, dass das Programm selbst in der Programmiersprache JAVA geschrieben ist und deren programmtechnische Metaphorik und Ikonographie nun einmal – wegen der guten Bohnen von der indonesischen Insel – auf Kaffee setzt. Wenn man sich mit dieser Erklärung jedoch nicht gleich zufrieden gibt, sondern ein wenig weiterfragt, etwa warum eine Programmiersprache

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nun ausgerechnet das Bildfeld des Kaffees herbeizitiert, kann man rasch weitere Vermutungen aufstellen, die als Arbeitshypothesen der weiteren Recherche und Analyse bedürfen. So ließe sich die Frage beispielsweise mit dem Umstand erklären, dass Kaffee offenkundig das konkurrenzlose Lieblingsgetränk von Programmierern ist, was sich problemlos mit zahllosen Hinweisen aus Programminstallationsroutinen belegen ließe.10 Diese fordern den Benutzer nämlich stets auf,

Erste Hypothese

während ein Installationsprozess längere Zeit in Anspruch zu nehmen droht, sich erst einmal einen Kaffee zu kochen. Eine solche allererste Hypothese mag plausibel klingen, ein höherer Erklärungswert kommt ihr dadurch allerdings noch nicht zu.

Warum die Programmiersprache JAVA so konsequent auf eine Kaffee-­Metaphorik setzt, könnte ja auch weiterreichende Gründe haben, die sich möglicherweise in der Geschichte des Genussmittels selbst auffinden lassen. Die zweite Arbeitshypothese würde dementsprechend nach Indizien in der weltweiten Wirtschaftsgeschichte suchen,

Eine zweite, bessere Hypothese

die konkret mit der Einführung des Kaffees in Europa und Nordamerika zusammenhinge. Man müsste derweil nicht lange stöbern, um auf die Vereinigte Ostindische Kompagnie (V. O. C.) zu stoßen, die erste Aktiengesellschaft der Weltgeschichte von 1602, deren koloniale Ausfahrten von Holland nach Indonesien den Europäern den Kaffee und der Gesellschaft selbst unverhofft hohe Gewinne bescherten. Die Hypothese, die sich sodann mit den Fakten der Wirtschaftsgeschichte der V. O. C. und der Entwicklungsgeschichte der Programmiersprache JAVA durch die Firma Sun Microsystems ab 1995 abgleichen ließe, würde sich infolge der Indizien und Ereignisse zu einer belastbaren These verdichten lassen: Die Aktiengesellschaft Sun entwickelt die Programmiersprache JAVA nach dem historischen Vorbild der V. O. C. vor allem auf der Basis eines Netzwerks (hier: des Internets), nicht zuletzt um sich damit ein ehrgeiziges Geschäftsziel zu setzen, deren Profite dem weltweit operierenden, holländischen Unternehmen aus dem 17. Jahrhundert mit seinem Netzwerk (hier: aus Schiffslinien über die Weltmeere)

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in nichts nachstehen sollte.11 Hier wie dort, in kalifornischen Softwareschmieden sowie in kulturwissenschaftlichen Schreibstuben, kann eine Tasse frischen, dampfenden Kaffees inspirierend wirken.

Vergesslichkeit ist eine Tugend, aber eben auch ein Problem. Für die wissenschaftliche Ideenfindung, die gerne in der Badewanne (­Archimedes), beim Blick aus Straßenbahnfenstern oder auf verschlungenen Bergpfaden im Oberengadin geschieht, sollte man es sich daher zur Gewohnheit machen, die Einfälle möglichst umgehend aufzuschreiben. „Als ich das Christusalter von 33 Jahren erreichte, guckte ich meinen Zettelkasten an und stellte fest, wie viele Themen ich angesammelt hatte, über die ich noch schreiben wollte. Aber dieses Leben reicht dafür nicht. Alle Farben, die der Mond in der Lyrik je bekommen hat, sind da zum Beispiel aufgeführt, auf orangenen DIN-A6-Zetteln“,12 bemerkt Friedrich Kittler auf die Frage nach der effizienten Verzeichnung des Gedachten. Gute Themen lassen sich also auch dadurch erproben und sondieren, dass man sie in einem Zettel­kasten ablegt

Ideenspeicher

und beizeiten wieder hervorzieht, um zu prüfen, ob sie zur weiteren Ausarbeitung taugen. Damit klingt auch schon eine Strategie an, die sich über längere Zeiträume betrachtet zu einem zuverlässigen Ideengeber entwickeln kann, insbesondere wenn es darum geht, neue wissenschaftliche Argumentationswege zu entwerfen. Das Verzetteln der Ideen ist eine bewährte Strategie,13 wovon das Kapitel 4 (ab Seite 61) im Detail handeln wird. Auch

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die Geistesgrößen (ob sie nun Gottfried Wilhelm Leibniz heißen und im Barock wirkten oder Namen tragen wie Umberto Eco oder Niklas Luhmann und mit der elektronischen Ära der Datenverarbeitung konfrontiert sind) kommen, so viel sei schon gesagt, kaum ohne solche Maßnahmen aus.

„Man muß zielbewußt Umschau halten und zusehen, auf welchem Teile eines Gebietes, auf dem wir unsere Kräfte erproben können, es noch eigene und neue Arbeit zu leisten gibt im Dienste der Wahrheit.“14 So seltsam dieser Satz aufgrund seiner etwas altertüm­lichen Formulierung auf den ersten Blick erscheinen mag, so hilfreich und wahr bleibt er. Seine besondere Gültigkeit erweist sich während der ­ersten Sondierungen eines Gebiets, nachdem man sich frühe Ideen für ein geeignetes Thema durch den Kopf hat gehen lassen. Wichtig ist einerseits die Übersicht, die man sich dabei über das zu erforschende Gebiet allmählich verschafft, damit man das Rad nicht zweimal erfindet.

Einschätzung der eigenen Kräfte

Zudem ist es ebenso von großer Bedeutung, die eigenen Kräfte richtig einzuschätzen, auch wenn sich das eigentlich von selbst versteht. Also, wenn man sich beispielsweise vornimmt, die Wirkung des Hexameters auf die byzantinische Bukolik zu ergründen, ohne über eine gewisse Geläufigkeit in Latein, Altgriechisch und (Vor-)Studien in Byzantinistik zu verfügen, wäre dieses Unterfangen nicht einmal kühn zu nennen, sondern vermessen. Andererseits ist es gleichermaßen entscheidend, der eigenen Arbeit tatsächlich einen neuen Aspekt im Themenfeld abzuringen, auch wenn vieles schon gesagt erscheint. Ein anderer früher Ratgeber, Ernst Bernheim, erkennt darin ein Paradox, „daß auf denjenigen Gebieten am wenigsten gearbeitet wird, wo noch am meisten zu tun ist“.15 Dabei kann es gelegentlich ratsam sein, die Hauptströmungen des Fachs zu meiden, um verstärkt in den Randbereichen zu suchen, natürlich ohne sich dabei auf Verstiegenes zu kaprizieren. Und schließlich bleibt an Foncks Satz noch hervorzuheben, dass der Dienst an der Wahrheit wirklich ernst zu nehmen ist; das heißt, dass Redlichkeit und die Berücksichtigung der üblichen (aristotelischen) Logik selbstverständlich Anwendung

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finden, Surrealismus und Fiktives außen vor bleiben. Plagiate hingegen disqualifizieren sofort.16

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der im Vorfeld der Studie Berücksichtigung finden sollte, besteht in der Quellenlage beziehungsweise in der Zugänglichkeit des Materials und der Erreichbarkeit von Hilfsmitteln.

Klärung der Materiallage

Wenn man, um beim oben erwähnten Beispiel zu bleiben, den Zusammenhang zwischen der Kaffeemetaphorik der Programmiersprache JAVA und der ersten Aktiengesellschaft der Weltgeschichte, der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (V. O. C.) untersuchen möchte, so hilft dabei einerseits zunächst das Internet mit den dort zugänglichen Beschreibungen zur Entstehung von JAVA weiter. Aber das ist freilich nur der eine Teil. Um weitergehende Informationen zur Wirtschaftsgeschichte der V. O. C. für den anderen Teil zu bekommen, muss man wenigstens eine Bibliothek mit ökonomiehistorischen Beständen konsultieren oder – im besten Falle – gar nach Amsterdam reisen, um die Akten der Gesellschaft und der beteiligten Personen aus dem 17. Jahrhundert ebenso einzusehen wie Aussagen der JAVA-Entwickler, was wiederum eine Reise ins Silicon Valley sowie in das entsprechende Archiv der Stanford University notwendig machen würde. Es bleibt also im Vorfeld stets zu planen, welche Besuche von Archiven oder Bibliotheken in fremden Städten notwendig und erschwinglich sind, oder aber ob die Sammlung der Universitäts-Bibliothek vor Ort inkl. möglicher Fernleihen ausreicht.

Noch während Sie in den ersten sondierenden Überlegungen nebenbei die Stofflage klären,17 kristallisieren sich bei den geistigen Probebohrungen ins Material langsam so etwas wie erste Forschungsfragen heraus.

Angemessene Theorien

In diesem Stadium der Arbeit ist es durchaus wichtig, tatsächlich mehrere Fragen zu verfolgen, die später noch (aus-)sortiert, zu einigen wenigen Hypothesen gebündelt und schließlich zu einer maßgeblichen Forschungsfrage sowie einer Leitthese verdichtet werden. „Damit aber ein wahrer Fortschritt erzielt werde, muß die Frage

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methodisch richtig gestellt werden unter systematischer Berücksichtigung der schon geleisteten und der noch zu leistenden Arbeit auf irgendeinem Gebiete.“ 18 Was nichts anderes bedeutet, als dass sowohl die anzuwendenden Methoden als auch das Theoriedesign der Arbeit insgesamt dem Gegenstand angemessen sein müssen. Demnach ergibt es wenig Sinn, sich mit den Methoden der empirischen Sozialforschung, also mit statistischen Analysen, Befragungen usw. einen fundamental­ontologischen Text wie Sein und Zeit vorzunehmen. Aber auch auf einer subtileren Ebene wäre es zu überlegen, ob man beispielsweise einen literarischen Text einer triftigen Analyse unter Mitwirkung von drei konkurrierenden Großtheorien unterziehen sollte. Das führt dann zu dem eher fragwürdigen Fall, dass etwa im Abschnitt zur Figurenkonstellation der Wahlverwandtschaften ein Fußnotenapparat mobilisiert wird, der auf einer einzigen Seite ­Theoreme von Jacques Lacan, Niklas Luhmann und Paul de Man durcheinanderwirbelt. Das ist nicht nur schlechter Stil, sondern verspricht keinerlei Erkenntnisgewinn. Sofern Ihnen die beste aller möglichen Methoden nicht unmittelbar selbst vor Augen steht, kann hier möglicherweise das Gespräch mit den Betreuern der Arbeit weiterhelfen.

Wenn Fonck von der ‚systematische[n] Berücksichtigung der schon geleisteten und der noch zu leistenden Arbeit‘ spricht, heißt das für Sie konkret, zunächst zwei Hilfstexte vorzubereiten, eine Synopse (über das bereits Vorhandene) und ein Exposé (für Ihren künftigen Text).

Synopse

Die Synopse enthält eine Übersicht über den gegenwärtigen Forschungsstand zu dem von Ihnen ins Auge gefassten Gegenstand oder Problem. Angenommen Sie interessieren sich für die Geschichte des Briefs, so gilt es zunächst, die Standardwerke für das Gebiet ausfindig zu machen, also in diesem Fall etwa ­Steinhausen (1889) und auch die gleichsam hauseigene Darstellung des deutschen Generalpostmeisters Heinrich von Stephan (1859). Sodann ist es ratsam, nach jüngeren Aufsätzen zum Thema in Zeitschriften, Jahrbüchern und Sammelbänden zu fahnden, weil diese den von den Standardwerken festgehaltenen Wissensstand für gewöhnlich aktualisieren. Das Ergebnis der Synopse wäre dann eine kommentierte

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Bibliographie,19 in der die wichtigsten Monographien und Artikel zum Thema sowie einige verwandte Aufsätze und schließlich ein paar wenige, wenngleich abseitigere, so doch spannende Texte aufgelistet werden, die für Ihre weitere Ausarbeitung Funken zu schlagen versprechen. Um diese Synopse, die als erste Materialsammlung dient, zu erstellen, ist es erforderlich, einen lesetechnischen Spagat zu üben: Einerseits müssen Sie breit lesen, also weit verstreutes, heterogenes Material entdecken. Andererseits gilt es bereits, die Lektüre zu fokussieren auf Ihre im Moment noch unscharfe, weiter herauszukristallisierende Forschungsfrage.

Während die Synopse also die Arbeit anderer Autoren versammelt, strukturiert das Exposé bereits in einem ersten Schritt den eigenen zukünftigen Schreibprozess. Die darin zu erörternden Punkte umfassen üblicherweise

Exposé

eine Skizze der (1) Problemstellung, das heißt eine bereits möglichst konkret formulierte Forschungsfrage und – idealerweise – bereits die Leitthese der zu entwickelnden Argumentation, (2) einige feiner gefasste Arbeitshypothesen sowie den Fokus der geplanten Untersuchung, des Weiteren (3) Hinweise zum Material, also wo sich bestimmte Quellen befinden, welche Archive konsultiert werden sollen etc., sowie (4) eine kurze Skizze der anzuwendenden Methoden und Theorien. Darüber hinaus sollten Sie (5) einen ungefähren Zeitplan aufstellen sowie die bereits erarbeitete Synopse zum Forschungsstand einflechten. Kurzum, das Exposé ist bereits Ihre Arbeit in nuce. Und es ist ein subject to change, sprich, äußerst selten nur ähneln die fertiggestellten Arbeiten am Ende noch ihren anfänglichen Exposés. Aber das zeugt nur von dem zwischenzeitlich erfolgten Erkenntnisgewinn. Denn wer weiß schon im Vorhinein genau, wohin ihn die Fährnisse des Forschungsprozesses führen?

Das Exposé ist schon deshalb eine kaum zu überschätzende Hilfe, weil es gleich zu zweierlei dient. Einerseits hilft es Ihnen, anderenorts die Türen zu öffnen, sei es bei Archivbesuchen, Vorstellungsgesprächen,

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Verlagsverhandlungen oder auf dem Weg zu Finanzierungsmöglichkeiten Ihrer Arbeit (etwa Dissertationsstipendien, aber auch für BA- oder MA-Arbeiten gibt es inzwischen immer häufiger Förderungsmöglichkeiten). Andererseits öffnet ein gutes Exposé auch Türen im eigenen Kopf, weil es durch die schriftliche Ausarbeitung Klarheit in die eigenen (Vor-)Überlegungen bringt. Denn im Exposé kommen Sie nicht darum herum, das Material, die Leitthese, Ihre Methode und die zu verwendenden Theorien ausdrücklich zu benennen und hinzuschreiben.

Entscheidend bei der Erarbeitung des Exposés bleibt jedoch, dass man bereits viel Aufmerksamkeit darauf verwendet, eine Forschungsfrage zu entwickeln und nicht bloß eine Idee zu verfolgen. Dazu ist es ratsam, mit sich selbst in einen ständigen Dialog zu treten, eine möglichst präzise Ausformung der Forschungsfrage zu gewinnen, die man während der Recherche dann immer weiter verfeinert und differenziert.

Fragen statt Ideen

Die „Forderung einer genauen und bestimmten Fragestellung gilt für alle Gebiete der wissenschaftlichen Arbeit“.20 Wenn man sich beispielsweise – und sei es aus lauter Langeweile – für die Institution des Wartesaals zu interessieren beginnt, so wäre das eine erste Idee zu einem Thema, aber bei weitem noch keine Forschungsfrage. Eine solche ergibt sich erst nach einigen spezifischen Eingrenzungen und Festlegungen. So könnte man eine empirische Untersuchung angehen, die das zunehmende Verschwinden des Wartesaals als technisches Bauwerk auf Bahnhöfen aus einer ökonomischen, soziologischen oder architektonischen Perspektive in den Blick nimmt. Die darin bereits implizit enthaltene Hypothese wäre: Es gibt sie kaum noch, die Wartesäle als soziale Kreuzungspunkte der Moderne. Schließlich dreht sich die Arbeit nicht um die Lounge an Flughäfen, die als ein Substitut dieser klassischen Institution zu verstehen wäre. Oder, wenn man eine Analyse des Wartesaals in seiner motivischen Verwendung in Philosophie und Literatur plant, so wäre das eine Idee zu nennen, aber einmal mehr noch keine hinreichend belastbare Forschungsfrage. Diese ließe sich erst kondensieren, wenn man sich über den Wandel (oder aber die überzeitliche Dauer) dieses Motivs nach einer entsprechenden

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Materialsichtung klarer geworden ist. Eine mögliche Forschungsfrage könnte sodann vielleicht danach suchen, wie sich die Funktion und Beschreibung des Wartesaals in Literatur und Philosophie zwischen dem Eisenbahnzeitalter und gegenwärtigen Reiseformen verändert. Und die entsprechende Leitthese wäre dann etwa: Die zunehmende Komplexität des modernen Reisens lässt den Wartesaal allmählich verschwinden und mit ihm eine klassische Institution der Begegnung, Muße und produktiven Langeweile im Durchgangsstadium. Oder etwas pointierter: Der ausrangierte Wartesaal verabschiedet eine Poetologie schöpferischer Muße im Übergang.

Neben der wichtigen Frage, wie man ein Thema entdecken und sondieren kann, bleibt die nicht weniger entscheidende Frage, wie sich das zu erschließende Gebiet dabei zugleich sinnvoll eingrenzen lässt.

Eingrenzungen

Selbst in solchen Nischen wie der wissenschaftlichen Bearbeitung eines Teilproblems gilt es, wirksame Dämme gegen die Informationsüberflutung einzuziehen. Denn insbesondere ein vergleichsweise breites Einlesen Ihres Forschungsfeldes kann Sie allzu schnell dazu verleiten, die Grenzen der eigenen Frage aus dem Blick zu verlieren. Auch wenn man diese Problematik am besten am jeweiligen Fall selbst durchexerziert, so wie man jeden Baum im vollen Wuchs individuell beschneiden muss, so lassen sich dennoch einige allgemeine Verhaltensregeln aufstellen, wie dem drohenden Zuviel an Wissen in der eigenen Arbeit beizukommen ist. Dieser Punkt ist nicht zuletzt deshalb von besonderer Wichtigkeit, weil die Erfahrung zeigt, dass man ohne entsprechende Erfahrung zu einer immer schon zu großen Dimensionierung des eigenen Themas neigt. Schon aus diesem Grund besteht eine der größten Herausforderungen darin, die Grenzen des Gegenstands geschickt und zugleich rigoros zu ziehen, sodass die notwendigen, hilfreichen und manchmal auch die ornamentalen, nie aber die zu weit führenden, irritierenden oder abseitigen Argumentations­linien dominieren. Achten Sie also darauf, den Fokus Ihrer Betrachtung weder zu weit noch zu eng einzustellen. Niemand erwartet, dass man die ganze Welt erklärt; schon die etablierten Fächergrenzen und der jeweilige Kanon geben entsprechende Begrenzungslinien vor, was zu den relevanten Fragetraditionen einer Disziplin zählt und was nicht. Eine Orientierung daran ist höchst ratsam, auch wenn allerorten von Interdisziplinarität die Rede ist. Bevor Sie die Grenzen überschreiten, sollten Sie beweisen, dass Sie wissen, wo die Grenzen liegen.

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Eine zweite Möglichkeit der Eingrenzung wird durch die Theorie getroffen, die Sie für Ihre Arbeit einzusetzen planen. Denn die Reichweite der Erklärung variiert von Theorierahmen zu Theorierahmen, und es ist gut, sich zu vergegenwärtigen, dass man etwa mit der Dekonstruktion als Waffe seiner Wahl für gewöhnlich keine systemtheoretischen oder mikroökonomischen Argumentationslinien verfolgen sollte. Ein drittes Kriterium der Eingrenzung können – vor allem für historische Arbeiten – klassische Epochengrenzen ausmachen, auch wenn sich mit Sattelzeiten oder longue durée-Betrachtungen nahezu alles überbrücken lässt. Nicht nötig zu erwähnen, dass die zu betrachteten Zeiträume natürlich auch nicht zu eng gewählt werden sollten: Eine Studie über Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945, die 1958 in Heidelberg veröffentlicht, auf 161 Seiten ein topographisch eng umgrenztes Gebiet innerhalb eines Zeitraums von nur 13 Jahren diskutiert und zugleich den Anspruch einer historischen Arbeit geltend macht, würde den heutigen Maßstäben einer geschichtswissenschaftlichen Promotionsschrift nicht genügen (auch wenn ihr Autor später 16 Jahre lang Bundeskanzler blieb, als sogenannter ‚Kanzler der Einheit‘). Und selbstverständlich gibt eine spezifische Problemstellung immer auch sui generis ihre eigenen Grenzen vor, wobei es gelegentlich reizvoll ist, diese bewusst durch überraschende Exkurse zu überschreiten, um auf diese Weise das allzu Homogene mit dem Heterogenen in Beziehung zu setzen. Wenn man also unbedingt über Die Geschichte der rheinland-pfälzischen CDU vom November 1958 bis zum August 1959 schreiben wollte (etwa, weil man solche Arbeiten als einen Schritt zum Bundeskanzleramt versteht), stellt ein Exkurs wahlweise zur SPD oder zu Bayern durchaus einen Erkenntnisgewinn in Aussicht.

Ähnlich, wie Sie aus einer Forschungsidee allmählich eine Forschungsfrage destillieren, während Sie sich der Recherche, Lektüre und Sondierung des Materials widmen, so stellt sich im weiteren Verlauf der Arbeit die dringende Aufgabe, eine möglichst pointierte, erkenntnisreiche und originelle Leitthese zu entwickeln.

Von Hypothesen zu einer Leitthese

Auch wenn dieser Prozess tatsächlich erst mit zunehmendem Erkenntnisgewinn möglich wird, weil Sie ja das Material, seine Probleme und Deutungsmöglichkeiten erst allmählich überschauen, so lässt sich diese notwendige Verdichtung bereits zu Beginn der Arbeit vorbereiten.

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Umso leichter fällt nämlich die Formulierung und Absicherung der Leitthese später. Sie sollten also schon zu Beginn, noch während der Themenwahl und -sondierung möglichst drei bis fünf Arbeitshypothesen aufstellen, die es während der Recherche und Lektüre mitzuführen, zu überprüfen, zu erweitern – oder auch zu verwerfen – gilt. Diese Hypothesen stellen gleichsam die Probebohrungen in Ihrem vielleicht noch steinharten Material dar, das schließlich im Verlauf der Arbeit geschmeidig und handhabbar wird. Zugleich bilden sie die Kandidaten für Ihre Leitthese. Sobald Sie durch intensives Lesen und kritische Reflexion der neuen Informationen langsam ein klareres Bild von Ihrem Gegenstand gewinnen, lässt sich vorzugsweise jene Hypothese, die am interessantesten zu werden verspricht, zur Leitthese küren. In dieser Transformation von einer Hypothese zur exklusiven Leitthese wird aus einer Vermutung eine Behauptung. Denn durch die Auswahl einer der anfänglichen Vermutungen legen Sie sich schließlich fest, in welche Richtung Ihre Argumentation gehen soll. Diese zentrale Behauptung strukturiert sodann Ihre Arbeit maßgeblich, weil sie es ist, die Ihr Text argumentativ zu untermauern und Stück für Stück nachzuweisen hat.

Im Grunde genommen ist ein BA-Arbeit nichts anderes als eine erweiterte Hausarbeit, eine MA-Arbeit eine erweiterte BA-Arbeit und eine Doktorarbeit eine erweiterte MA-Arbeit, wohlgemerkt nicht thematisch, aber hinsichtlich der Rechercheformen, Schreibstrategien sowie der (Aus-)Dauer (bei) der Erstellung. Es gilt das Matrjoschka-Prinzip.

Hausarbeit

Das ist insofern wichtig, sich zu vergegenwärtigen, weil damit der Respekt vor der Ausarbeitung der Abschlussarbeit schwindet, schließlich haben Sie mit jeder zuvor angefertigten schriftlichen Hausarbeit diesen Prozess bereits eingeübt und verfügen über hinreichende Erfahrungen. Doch auch im übertragenen Sinn ist Ihre Abschlussarbeit als eine Hausarbeit zu verstehen, wenngleich nicht nur als eine Arbeit, die Sie womöglich zu Hause anfertigen, sondern eher als eine Arbeit am Haus. – Wenn Ihre Abschlussarbeit ein Gebäude wäre, so kann man davon zunächst träumen: Soll es eher ein englisches Landhaus im Tudorstil sein (mit altertümlichen Zinnen, jedoch inkl. fließendem Wasser und elektrifiziert), oder schwebt Ihnen eher etwas schönes Schlichtes vor wie ein skandinavisches Holzhaus in ochsenblutroter Färbung? Stellen Sie sich ein Penthouse in Glas-Stahl-Konstruktionsweise vor oder imaginieren Sie eher ein Reihenhaus in

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Rauputz mit schmalem, aber gepflegtem Garten nach hinten raus? Sprich: Wie wollen Sie sich positionieren? Welchen Vorbildern, welcher Ästhetik, welchen Patronen in der Theorielandschaft gilt es zu folgen? Und um ein Haus zu bauen, benötigen Sie selbstverständlich Baumaterialien (die Sie zunächst recherchieren und dann in der Bibliothek / dem Archiv beschaffen), Know-how (haben Sie sich ja bereits durch die vorherigen Hausarbeiten angeeignet) sowie gute, möglichst detaillierte Pläne. Jedes Projekt basiert auf einem Plan, und dieser sollte wenigstens einen Grundriss (haben Sie ja bereits in Form des Exposés), einen Aufriss (das Inhaltsverzeichnis, das Sie im Laufe der Recherche und Lektüre entwickeln und immer weiter verfeinern) sowie ein Ablaufschema umfassen (also wann welches Material anzuliefern und zu verbauen ist, kurz: die Vorgehensweise, die Sie ja in Form von LSD gerade zu sich nehmen).

Sie könnten also neben Exposé und Inhaltsverzeichnis noch einen dritten Plan zur Vorgehensweise anfertigen. Nur, nach welchen Schema? Auch hier gibt es einen altbewährten Algorithmus. Stellen Sie sich vor, Ihre Abschlussarbeit ist nicht eine unüberwindliche Hürde, sondern eher eine in die Länge gezogene Rede, die sich über 60, 80 oder gar 300 Seiten erstreckt.

Planwirtschaft

Wie schreibt man dann eine wissenschaftliche Arbeit? Die Einteilung der einzelnen Arbeitsphasen erfolgt genau wie bei einem Referat, also einer frei gehaltenen Rede, in Analogie zu dem griechischen Rhetorikschema, das nicht nur als eine Systematik der Gerichts-, Lob- oder Trauerrede dient, sondern auch als Orientierung zur Textproduktion herhalten kann. Es besitzt fünf Produktionsstadien:

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