Kitabı oku: «David Schrenker ist kein Selbstmörder!», sayfa 3
Tagebucheintrag vom 26. August 2009
Ich habe heute mit Pablo geredet. Seit längerem weiß ich, dass er vorhat, zurück in seine Heimat zu gehen, um dort mit seinem Bruder ein Hotel zu eröffnen. „Eigener Chef im Paradies“, sagt er. „Schönste Hotel von Ort! Tolle Lage! Nur Beste von Beste! Riesige Pool, Marmor, Mahagoni! Premium! Komm dann nur, ich gebe dir Job, Tio!“ Sein Bruder hat Geld und Pablo hat die Erfahrung. Das Hotel haben Sie schon gekauft und die Komplettsanierung ist in vollem Gange. Pablo macht einen Haufen Umsatz bei uns in der Spätschicht und die Geschäftsführung war ganz schön erschüttert, als er ihnen gesagt hat, dass er wegen seiner Abendschule (sein Bruder verlangt, dass er einen Wisch hat, bevor er das Hotel leitet) in die Frühschicht wechseln muss. Irgendjemand muss mit ihm tauschen, doch Karina versteht nicht, warum ich das tun möchte.
„Dann bist du abends immer weg!“
„Sei vernünftig! Du willst ja auch wieder arbeiten und so ist immer jemand zu Hause, um auf das Baby aufzupassen! Und mit dem Trinkgeld haben wir fast schon unsere Lebensmittel wieder drin.“
„Hast ja Recht! Ich denke nur manchmal… Es ist halt schön, am Abend zusammen zu sein.“
„Wir müssen pragmatisch denken. Ich will unserem Kind eine bessere Ausbildung als mir ermöglichen, deswegen…“
„Du hättest auch eine bessere Ausbildung machen können, wenn du gewollt hättest.“ Noch während sie es aussprach, sah ich, wie sie zusammenzuckte. Das ist mein empfindlicher Punkt.
„Auf jeden Fall tausche ich mit Pablo, wenn es geht!“ so beendete ich das Gespräch.
Kommentar von Pascal Schrenker
Werden Gefühle verletzt? Natürlich! Doch anstatt immer gleich bockig zuzumachen, hättest du Kritik hin und wieder annehmen sollen. Zumal du wusstest, dass Karina Recht hatte und sie das ebenfalls wusste. Trotzdem sprach sie das Thema „Nichtgenutztes Potential“ nur versehentlich an (zumindest würde es mich wundern, wenn es kein Ausrutscher gewesen wäre). Du wolltest immer nur deinen Stolz schützen und hast deswegen wahre Dinge nie angenommen. Wenn man das nämlich tut, muss man auch seine Konsequenzen daraus ziehen. Und diese wären mit Arbeit, Fleiß und Anstrengung verbunden. Dein Komfort hätte zweifellos darunter gelitten.
Tagebucheintrag vom 7. September 2009
Als wir heute im Bett lagen – ich hab‘ mir noch eine Folge Stromberg reingezogen und Karina hat gelesen – klappte sie ihr Buch plötzlich zu und drückte bei meinem Laptop auf Pause. Sofort war mir klar, dass sie irgendwas ausgebrütet hatte.
„Vielleicht sollten wir heiraten?“
Ich reagierte verdutzt, denn sie war nie ein großer Fan des Heiratens gewesen und ich hielt es sowieso für ein überflüssiges Zeremoniell.
Irgendeine Bekannte hat Karina vom Stress erzählt, den sie und ihr Mann wegen des Sorgerechts hatte. Auch wegen der Steuer sei es sinnvoll zu heiraten, meinte sie und folgte damit dem Rat ihrer Mutter. „Vor allem wenn ich dann recht früh wieder arbeiten gehe.“
„Willst du das?“, fragte ich sie und schaute sie ernst an.
„Naja, ich weiß nicht, ob ich unbedingt will, aber ich muss ja fast. Außer du…“
„Ja ja, außer ich finde ‘nen gescheiten Job bei dem ich ordentlich Geld verdiene.“ Ich konnte mir nicht helfen und wurde bockig…
Sie entschuldigte sich, aber ich wusste, dass sie das nur tat, weil sie die Diskussion weiterführen wollte und nicht weil es ihr wirklich leid tat.
„Vielleicht sollten wir uns mal vernünftig informieren, bevor wir irgendwas machen, was irgendwelche altmodischen Leute dir eingeredet haben“, blaffte ich sie an. „Nur wegen so einem dummen Wisch ändert sich doch nichts!“
„Warum wäre es eigentlich so schlimm, mich zu heiraten? Ich meine, wenn du mit mir zusammen sein und mit mir gemeinsam ein Kind großziehen willst, ist es doch andererseits auch scheißegal, wenn wir diesen Wisch haben. Vor allem, wenn uns dieser Wisch finanzielle Vorteile bringt. Eigentlich wäre das ja nur vernünftig! Kein Mensch spricht von Kirche oder einer großen Feier. Das will ich auch nicht!“
Sie hat nicht Unrecht und weil der einzige plausible Grund in dem Moment, sie nicht zu heiraten, der ist, dass ich einfach nicht will, legte ich mich mit einem „Wir reden morgen!“, schlafen.
Kommentar von Pascal Schrenker
Du hast unangenehme Wahrheiten noch nie angesprochen. Leute wären vielleicht wütend geworden und der Hitze solcher Momente wolltest du dich grundsätzlich nicht aussetzen. Du bist schon immer ein harmoniebedürftiger Mensch gewesen und das hat stets zu deiner Beliebtheit beigetragen, dich aber auch vor Probleme gestellt. Zum Beispiel damals, als Mama diese hässlichen Schuhe für dich aussuchte: Sie war schon kurz vor dem Durchdrehen, weil sie den Nachmittag über mit zwei Teenagern durch die Stadt gewetzt war. Um das Fass nicht zum Überlaufen zu bringen, hast du die ersten Schuhe, die sie dir vorschlug, genommen. Natürlich hattest du nie vor sie zu tragen. Deshalb war dein Plan, etwas mit deinem Kumpel Knoll auszumachen, dessen Familie diesen nervtötenden Hund hatte. Am Morgen bist du dann mit den blütendweißen Schuhen aus dem Haus, nur um sie, als du ums Eck warst, mit den alten zu tauschen. Bevor du vom Knoll wieder nach Hause kamst, hast du die Schuhe mit einer stumpfen Zange zerfetzt und Mama erzählt, dass Knolls Hund daran Schuld war. Dieser Plan hielt solange, bis Mama bei den Knolls anrief und seine Mutter sich äußerst überrascht über die Anschuldigungen zeigte.
Gelernt hast du aber nie aus solchen Vorfällen. Das ist nur eines von vielen Beispielen, in denen du viel Energie verwendet und lange Umwege gegangen bist, um das Boot nicht zum Schaukeln zu bringen. Allerdings hatte das oft zur Folge, dass du danach mit noch schlimmeren Konsequenzen konfrontiert worden bist.
Tagebucheintrag vom 12. September 2009
Nach Tagen des Grübelns habe ich mich entschlossen, Karina Bescheid zu geben, dass wir heiraten können. Sie hat ja Recht: Was spricht dagegen? Ich kann es nicht begründen, warum ich nicht will. Ich müsste sagen, dass ich mir nicht vorstellen kann, mit ihr mein Leben zu verbringen, aber irgendwie weiß ich auch nicht, ob das stimmt. Das ist nur so ein Gefühl und eigentlich will ich keiner sein, der mit 60 vier Scheidungen hinter sich hat. Das sind die größten Trottel!
Auf der anderen Seite verbindet uns diese Hochzeit auch mehr, vielleicht bringt sie uns einander näher. Das ist nur Gefühlsduselei, ich weiß. Begründen kann ich diese Hoffnung nicht. Wahrscheinlich rede ich mir auch nur irgendwelche Sachen ein, damit ich dem Ganzen positiver gegenüberstehen kann.
Es kann auch sein, dass ich der Ehe gegenüber negativ eingestellt bin, weil ich dabei das Bild meiner Eltern vor mir sehe. Dieses lieblose, pragmatische Leben, diese gefühlslose Allianz. Alles wird nach Schema-F gemacht, typisch bürgerlich halt…
Auf jeden Fall habe ich beim Abendessen zu Karina gesagt: „Lass uns heiraten. Warum nicht?“ In vier Tagen hat keiner von uns mehr ein Wort dazu verloren und ich glaube, dass ich sie mit meiner Aussage ebenso überrascht habe, wie sie mich neulich mit ihrem „Vielleicht sollten wir heiraten!“
Entsprechend reserviert reagierte sie. „OK“, das war’s erstmal, aber fünf Minuten später fragte sie: „Bist du dir sicher?“ und ich antwortete: „Du hast Recht, es spricht nichts dagegen!“
Sie wirkte enttäuscht, obwohl sie sagte, dass alles in Ordnung sei. Kurz darauf nahm sie eine Dusche und legte sich anschließend ins Bett.
Kommentar von Pascal Schrenker
Du hattest immer ein gutes Gefühl für Menschen, deshalb wusstest du sicher auch, was Karina störte. Sie war enttäuscht, weil du sie aus praktischen Gründen und nicht aus Liebe heiraten wolltest. Zumindest kam das, deinen Schilderungen zufolge so bei ihr an. Selbstverständlich war es ihr Vorschlag, den sie mit praktischen Argumenten gefestigt hat, doch tief im Inneren wollte sie von dir hofiert werden. Jede Frau steht auf Romantik – egal, was sie sagen. Jede Frau will sich einmal im Leben als Prinzessin fühlen.
Mir wird’s schon ganz schummerig, dass ich mich hier als Frauenversteher aufspielen muss - normalerweise ist das dein Metier. Andererseits hatte ich schon oft was mit Frauen, denen Romantik angeblich egal war. Wenn sie dann glauben, den Mann an der Angel zu haben, bröckelt die coole Fassade allmählich…
Tagebucheintrag vom 11. November 2009
Drei Tage sind seit der Hochzeit vergangen. Die Feier war sicher nichts Besonderes, aber zu unserer Verteidigung: Wir hatten nicht viel Planungszeit und so musste die Location, das Essen, das Kleid, die Einladungen und das ganze andere Zeug sehr spontan organisiert werden. Karina wollte so schnell wie möglich heiraten, weil ihr Bauch immer runder wurde und sie Angst hatte, in ihrem Kleid fett auszusehen. Dieses war wegen der Spontanität nicht wirklich auf sie zugeschnitten und das wurmte sie obendrein.
Neben unseren Familien waren nur ein paar Freunde da. Keiner war besoffen, keiner fiel in den Kuchen, es gab auf unseren Wunsch hin keine Einlagen. Es war kein DJ und auch keine Band da. Stattdessen sorgten mein Laptop und Knolls Dolby Surround Anlage für die musikalische Untermalung.
Karina legt keinen Wert auf große Zeremonien, deswegen denke ich nicht, dass sie wegen des kleinen Rahmens gereizt war. Das war sie nämlich auf jeden Fall. Ob es die Anwesenden, die sie nicht so gut kennen wie ich, merkten, weiß ich gar nicht. Ihre Stimmung könnte auch von meiner beeinflusst worden sein, die sicher auch nicht überragend war. Ich hasse es, im Mittelpunkt zu stehen und den ganzen Tag einen auf glücklich zu machen. Vielleicht lag es aber auch einfach daran, dass sie keinen Alkohol trinken durfte und eine alkoholgeschwängerte Atmosphäre für Nüchterne eher schwer verdaulich ist.
Irgendwelche dummen Traditionen wie das gemeinsame Kuchenaufschneiden oder das Brautstraußschmeißen wollten wir uns eigentlich schenken, doch der Knoll und seine Freundin bestanden zumindest auf Letzteres. Wahrscheinlich hatte sie auf ihn eingeredet, weil sie den Strauß fangen wollte, was sie dann auch tat. Mich würde es nicht wundern, wenn sie ihm das jetzt als einen Wink des Schicksals verkauft, bis er nachgibt und sie wirklich heiratet, wodurch ihre erste große Mission im Leben erfüllt wäre – nämlich einen guten Versorger zu heiraten.
Ich war froh, als der Tag endlich vorbei war. Im Bett wollte ich witzig sein und sagte zu Karina: „Merk ihn dir! Das war der schönste Tag deines Lebens!“ Sie verstand die Ironie nicht oder war zu müde – auf jeden Fall lächelte sie nicht mal, sondern verdrehte nur die Augen. Unsere Hochzeitsnacht war entsprechend leidenschaftslos: Wir schliefen beide auf unseren jeweiligen Seiten des Bettes ein. Ich fand das sicher nicht schlimm. Ganz ehrlich: Wessen Hochzeitsnacht nimmt denn schon solch märchenhafte Formen an, wie es uns Lifestyle-Blogs oder Romantikfilme vorspielen? Beide sind mindestens angetrunken, beide sind völlig ausgelaugt nach dem langen Tag, beide schwitzen und stinken unter ihrem Hochzeitszwirn, und dann macht man sich wegen den Erwartungen vielleicht noch so kirre, dass die Libido sowieso eintrocknet…
Kommentar von Pascal Schrenker
Auch hier liest man heraus, dass die ganze Hochzeit nichts als eine Bürde für dich war. Die pure Langeweile! Zeitverschwendung! Aber wofür hättest du die Zeit denn stattdessen genutzt? Welch großes Abenteuer entging dir dadurch? Ich kenne dich, du warst nie ein vielbeschäftigter Mann. Du wolltest dich nur nicht diesem Zeremoniell aussetzen, weil du befürchtet hast, den ganzen Tag beobachtet zu werden. Und vielleicht hätte jemand bemerkt, dass du Karina in Wirklichkeit gar nicht hast heiraten wollen. Wenn ich dich beruhigen darf: Keine hat’s gemerkt. Und alle Leute, die ich gefragt habe, fanden die Hochzeit schön. Keiner fand sie so trist und langweilig, wie du sie hier darstellst. Vielleicht wolltest du dein schlechtes Gefühl den Umständen in die Schuhe schieben, weil das angenehmer ist, als die eigene Intention zu hinterfragen.
Tagebucheintrag vom 1. Dezember 2009
Ich wollte eigentlich gar keine Hochzeitsreise machen. „Ist doch auch nur Teil dieses ganzen gesellschaftlich erwarteten Zeremoniells“, hab ich gesagt und außerdem ist Karina fast schon im siebten Monat.
Es sei aber schön, die Zeit, die man noch zu zweit hat, dafür zu nutzen, wenigstens für ein paar Tage wegzufahren. „Wer weiß, wann wir das das nächste Mal machen können?“ Schwer, ihr hierbei zu widersprechen, auch wenn ich es mit dem Kostenargument zumindest versuchte. Auch Theo hatte mir eine Auszeit nahegelegt, bevor ich dann in die Spätschicht wechselte – also fuhren wir für ein paar Tage nach Südtirol.
Es war gar nicht schlecht, doch wirklich aktiv konnten wir nicht werden, weil Karina sich mit der Kugel vor dem Bauch schon recht schwer tat, aber wir haben Wellness gemacht, Filme geschaut und im Hotel gab’s echt gutes Essen. Wegen ihrer Schwangerschaft durfte sie das Saunieren nicht übertreiben, deswegen war ich einige Male auch alleine drin, während sie noch etwas gelesen oder Sudokus gelöst hat.
Karina bekam am letzten Abend fürchterliche Weinkrämpfe, die sie am nächsten Tag auf ihre Hormone schob. Als ich ein wenig nachbohrte, gestand sie mir aber auch, dass sie mit der Hochzeit nicht glücklich war.
„Die Stimmung war doch scheiße. Jetzt halten uns alle für unglaublich langweilig. Und sie denken, dass wir geizig sind. Oder noch schlimmer: arm. So arm, dass wir vielleicht unser Kind gar nicht versorgen können.“
„Es sind definitiv die Hormone“, lachte ich, „denn früher hätte dich das nicht interessiert.“
Sie verpasste mir einen auf die Brust und sagte: „Du nimmst mich nie ernst!“ Erst dachte ich, sie macht Spaß, doch anschließend wurde sie ganz still und antwortete nur noch einsilbig. Auf meine Frage, was mit ihr los sei, sagte sie: „Alles in Ordnung!“
Kommentar von Pascal Schrenker
Es ist dein ganzes Desinteresse an der Hochzeit und allem, was damit zusammenhängt. Das nervt sie. Weil sie mit dem Kind im Bauch ein bisschen eingeschränkt ist, ist sie auf dich und deine Unterstützung angewiesen. Du denkst aber nicht daran, was sie will, sondern nur daran, wie für dich alles am bequemsten von Statten geht. Auch im Urlaub hättest du dir ein bisschen Mühe geben können. Vielleicht hat sie auf ein bisschen Romantik gehofft, eine kleine Überraschung. Vielleicht wollte sie nicht nur Filme schauen und im Zimmer rumgammeln. Vielleicht hat sie gesagt, mit der Hochzeit nicht glücklich zu sein, aber in Wirklichkeit gemeint, dass sie mit der Entscheidung, mit dir eine Familie zu gründen, nicht glücklich ist.
Tagebucheintrag vom 11. Dezember 2009
Diese Abteilungsleitermeetings… Das Jahr nähert sich dem Ende, bald beginnt die Winterurlaubszeit und deswegen wird jetzt nochmal „Business“ geredet.
Die Frau Dr. saß wie immer an der Stirnseite mit gerunzelter Stirn über zusammengekniffenen Augen und lauschte den einzelnen Quartalsumsatzberichte. Jede/n der Vorträgerinnen und Vorträger durchdrang bei jedem Blickkontakt mit Frau Dr. fröstelnde Angst. Völlig unabhängig von den Zahlen, die man präsentiert und ungeachtet der Tatsache, dass sie ihn selten ausspricht, fühlt man ihren Vorwurf: „Warum so wenig?“
Ich und die anderen älteren Hasen sind es inzwischen gewohnt. Wir können diese Meetings innerhalb weniger Tage verdauen, aber die Neuen, die werden noch die nächsten drei Wochen den kalten Atem von Frau Dr. im Nacken spüren. Sie ist höflich zu jeder und jedem, kennt unsere Namen… Aber das war’s auch schon. Ihr dezenter österreichischer Akzent verleiht ihren Aussagen einen würdevollen Elan und einen seltsamen Magnetismus. Ihre Worte haften lange im Gedächtnis und man brütet über den Worten, die sie gesagt hat. Denn sie kritisiert nicht, wie ein Maurermeister seinen Gesellen, sie lobt kühl und mit Bedacht und erwartet, dass man aus dem Lob die Kritik herausschält und wer das nicht schafft und darauf nicht entsprechend reagiert, der erhält die Quittung in Form einer offiziellen Degradierung oder eines von ihr inszenierten Putsches durch einen ambitionierten Emporkömmling. Die neuen Abteilungsleiter wissen das nicht, selbst dann oft nicht, wenn sie zuvor schon in niedrigeren Positionen für sie gearbeitet haben.
Für die Mitarbeiter in der untersten Hierarchiestufe scheint sie Sympathie zu haben. Eine gönnerhafte Sympathie, die wahrscheinlich daher rührt, dass sie in den tiefsten Öden des Salzburger Berglandes aufwuchs, in einem Skikaff, das im Winter von Touristen überlaufen und im Sommer nur von Heuballen und einfachen Bergbauern bevölkert ist. Doch sie ist keine Bauerntochter, sondern eine Hotelerbin, des ersten Superior Luxus Premium 5 Sterne Deluxe Hauses (oder so ähnlich) in ganz Provinz-Österreich. Wurde in eine Gastwirt-Familie hineingeboren, von Eltern erzogen, die nach Pfarrer und Volksschullehrer die angesehensten Menschen im Ort waren, das Geld in die Wiege gelegt, genauso wie die Arbeitsmoral, den Sinn für Ordnung und das Auge fürs Detail. Wurde auf die Universität Salzburg geschickt, als junge Frau, in den 70ern ein Novum und die einzige Person, die irgendjemand in dem Ort kannte, die als sie dann zurückkehrte, ein Diplom an der Wand hängen hatte – in Betriebswirtschaft. Ihr Ruf stand fest – keiner bezweifelte, dass sie die klügste Person im Gasteinertal war und weil die Leute eh nix und niemanden darüber hinaus kannten, der klügste Mensch Österreichs nach Kanzler und Präsident.
Ich nehme an, sie hat sich schon in einem sehr jungen Alter wie jemand Besonderes gefühlt. Sprössling einer Promifamilie sozusagen… Dabei spielte es wahrscheinlich keine Rolle, dass sich ihre Bekanntheit auf lokale Kreise beschränkte. Sicher saß sie bei örtlichen Vereinsfesten oder Versammlungen immer in der ersten Reihe, obwohl sie grundsätzlich 10 Minuten zu spät kam – die Plätze wurden immer für sie freigehalten. Sie bekam immer, was sie wollte und jeder im Dorf sollte sehen, das sie da war – ein Einzug fast wie bei der WWE, nur die Musik fehlte… Ich fantasiere schon, aber ich will ihr Gehabe und ihr Auftreten verstehen, um sie nicht so sehr zu verachten. Warum sie jene die ganz unten im Organigramm verhätschelt und die, die in der Mitte stehen so kaltherzig behandelt – das will ich verstehen.
Kommentar von Pascal Schrenker
Damit endet dein Eintrag?!? Ein bisschen symptomatisch ist das schon für dich! Du warst nie in der Lage, irgendwo hartnäckig dran zu bleiben oder etwas ernsthaft zu hinterfragen. Alle deine etwas anspruchsvolleren Gedanken fransen aus wie schlechtes Haar. Nicht dass dieser Eintrag besonders tiefsinnig wäre – das will ich damit nicht sagen, aber immerhin meinst du einen Zusammenhang zwischen der Herkunft deiner Chefin und ihrer Sympathie für das gemeine „Fußvolk“ erkannt zu haben. Bevor du aber entschlüsselt hast, wie dieser Zusammenhang genau aussieht, hörst du schon wieder zu schreiben auf. Dein Eintrag bleibt ohne Fazit stehen – genauso wie dein Leben. Abwarten und mal schauen! Ist das dein Motto? Wie kann man so leben? So in der Schwebe, so unkoordiniert, und vor allem so passiv. Genau: Passivität ist die zentrale Charakteristik deines Wesens, die man nicht nur aus diesem Eintrag herausliest. Du bist ein Geschöpf, das keinen Kampfgeist in sich trägt, keinen Biss, du ergibst dich deinem Schicksal und jammerst darüber. Genießt du es insgeheim ein Opfer zu sein? Oder kennst du es einfach nicht anders?
Die Verachtung für deine Chefin ist kaum zu überlesen, doch du, ebenso wie die anderen Lämmer in ähnlichen Positionen wehrst dich nicht, sondern lästerst nur hinter dem Rücken deiner Meisterin über sie. Ich habe nie verstanden, wie Angestellte oder Arbeiter so dumm sein und nicht erkennen können, dass sie gebündelt viel mehr Macht haben, als jeder Vorstand oder Firmendirektor. Dafür brauche ich nicht in der Gewerkschaft sitzen! Wie geprügelte Hunde duckt ihr euch durchs Leben und je mehr dabei eure Seele stirbt, desto weiter entfernt ihr euch vom Glück!
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